Landgericht Göttingen
Beschl. v. 28.02.1991, Az.: 6 T 36/91

Behandlung von Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren im Beratungshilfeverfahren; Beschränkung des Asylrechts auf die Gesamtheit der Familie

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
28.02.1991
Aktenzeichen
6 T 36/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 16195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1991:0228.6T36.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hann.Münden - 06.02.1991 - AZ: 9 UR IIa 144/90

Verfahrensgegenstand

Kinder der Frau ...

Prozessführer

...
vertreten durch den ... beim Landgericht ...

Sonstige Beteiligte

..., geb. 8.9.1975

..., geb. 13.3.1979

..., geb. 10.9.1980

..., geb. 21.6.1982

..., geb. 23.9.1984

..., geb. 30.9.1986

..., geb. 29.1989

In der Beratungshilfesache
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 12.2.1991
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hann.Münden vom 6.2.1991 9 UR IIa 144/90
durch
den Vizepräsidenten des Landgerichts ...,
den Richter am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
am 28. Februar 1991
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird gerichtsgebührenfrei zurückgewiesen.

Gründe

1

Unter dem 13.3.1990 beantragte Frau ... nachträglich die Gewährung von Beratungshilfe für sich für eine Rechtsberatung im Zusammenhang mit ihrer Anerkennung als Staatenlose. Unter dem gleichen Datum stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin einen Antrag auf Festsetzung von Beratungsgebühr in Höhe von 117,99 DM gem. § 132 Abs. 2 BRAGO. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht Hann.Münden mit Beschluß vom 15.3.1990.

2

Unter dem 20.3.1990 beantragten auch die sieben Kinder der vorbezeichneten Antragstellerin nachträglich Beratungshilfe für ihre Anträge als Anerkennung von Staatenlosen. Insoweit stellte der beratende Rechtsanwalt unter dem 21.3.1990 den Antrag, zwei Beratungsgebühren gem. § 132 Abs. 2 BRAGO entsprechend der Obergrenze gem. § 6 Nr. 1 BRAGO in Höhe von 235,98 DM festzusetzen. Auch diesem Antrag entsprach das Amtsgericht Münden mit Verfügung vom 26.3.1990.

3

Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Vertreters der Landeskasse vom 22.1.1991. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß bei mehreren Asylverfahren einer Familie eine Angelegenheit im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO und mehrere Gegenstände im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO vorlägen, deren Wert zusammenzurechnen sei. Allerdings scheide eine Zusammenrechnung der Werte mehrerer Gegenstände gem. § 7 Abs. 2 BRAGO im Beratungshilfeverfahren aus, wo lediglich pauschaliert abgerechnet werde. Dieser vom Gesetzgeber gewollte Nachteil zu Lasten des beratenden Rechtsanwalts könne nicht durch zusätzliche Gebühren aus § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ausgeglichen werden.

4

Der Abteilungsrichter beim Amtsgericht Hann.Münden hat der Erinnerung mit Beschluß vom 6.2.1991 nicht abgeholfen. Es liege dieselbe Angelegenheit und derselbe Gegenstand bei mehreren Auftraggebern vor, so daß eine Gebühr gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO gerechtfertigt sei.

5

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vertreters der Landeskasse vom 12.2.1991 ist gem. § 128 Abs. 4 BRAGO an sich statthaft und im übrigen zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

6

Zunächst ist davon auszugehen, daß Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren in kostenrechtlicher Hinsicht im Rahmen von Beratungshilfeverfahren ebenso zu behandeln sind wie Asylverfahren. Für letztere wird - soweit nach den veröffentlichten Entscheidungen ersichtlich - ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß Beratungshilfe für mehrere Asylbewerber, auch wenn sie gleichzeitig für mehrere Familienmitglieder erfolgt, kostenrechtlich als mehrere Angelegenheiten angesehen wird (vgl. Greißinger in Anwaltsblatt 1986, S. 423, Anmerkung 88 und LG Lüneburg in Nieders. Rechtspflege 1988, Seite 140 m.w.N.; a.A. OVG Bremen und JurBüro 1987, 566). Mit der überwiegenden Ansicht geht auch die Kammer davon aus, daß zwar ein einheitlicher Auftrag vorliegen kann, eine inhaltliche Gleichartigkeit der Beratungshilfe jedoch nicht gegeben ist. Jedem Asylbewerber - auch minderjährigen Kindern - steht ein eigenes Asylrecht zu und es besteht die Möglichkeit, daß jedes Prüfungsverfahren wegen der Unterschiedlichkeit der Rechtspositionen einen unterschiedlichen Verlauf mit unterschiedlichen Ergebnissen nimmt. Es gibt kein "Familienasyl" (vgl. AG Aachen, Anwaltsblatt 1986, S. 345). Auch wenn nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AuslG Kinder unter dem 16. Lebensjahr keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen, bedeutet dies nicht, daß sie kein Asylrecht erhalten könnten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Art. 6 GG sich nicht automatisch auf die Familienangehörigen politisch verfolgter erstreckt (vgl. auch LG Lüneburg, aaO, m.w.N.).

7

Entsprechendes gilt für Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren. Auch hier sind für jeden Antragsteller individuelle Kriterien zu berücksichtigen und zu prüfen. Kinder haben dabei nicht zwangsläufig die gleiche Staatsangehörigkeit wie ihre Eltern. Dies richtet sich vielfach nach ausländischem Recht. So können z.B. nichteheliche Kinder die Staatsangehörigkeit ihres Geburtslandes haben. Der Status eines Staatenlosen, der zur Aufenthaltsberechtigung führt, kann nach einem Prüfungsverfahren durchaus nur den Eltern oder einem Elternteil zuerkannt, für Kinder jedoch abgelehnt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, daß jedes Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren als besondere Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 1 BRAGO angesehen werden muß.

8

Im vorliegenden Fall hat der beratende Rechtsanwalt zwei Beratungsgebühren bezüglich der Kinder geltend gemacht. Diese stehen ihm gem. § 132 Abs. 2 BRAGO zu. Für den Fall, daß der beratende Rechtsanwalt Beratungsgebühren hinsichtlich weiterer Kinder im vorliegenden Fall geltend machen sollte, müßten diese Anträge bezüglich der Namen der Kinder und der insoweit erfolgten Beratungstätigkeit des Anwalts substantiiert werden.