Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.04.2023, Az.: 1 A 124/20
ausländische Fahrerlaubnis; Ermessen; Sperrfrist; Feststellender Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu dürfen
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 26.04.2023
- Aktenzeichen
- 1 A 124/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 21411
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2023:0426.1A124.20.00
Rechtsgrundlagen
- FeV § 28 Abs. 4
- FeV § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Ermessen im Rahmen des § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV ist als intendiert zu betrachten, d.h. es bedarf regelmäßig keiner besonderen Darlegung, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen können.
- 2.
Für die Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV ist es unerheblich, dass die Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis zeitlich vor der Verhängung der Sperrfrist erfolgt ist.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die von dem Beklagten getroffene Feststellung, dass ihn die ihm erteilte polnische Fahrerlaubnis nicht berechtige, von dieser in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.
Der Beklagte lehnte zuletzt im Jahr 2015 ab, dem Kläger eine Fahrerlaubnis zu erteilen, da das Amtsgericht B-Stadt gegen den Kläger unter anderem in den Jahren 2012 und 2013 mit rechtskräftigen Strafbefehlen (Az. des Amtsgerichts: D. und E.) Geldstrafen wegen Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis verhängt hatte. Zu den jeweiligen Tatzeitpunkten hatte der Kläger eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,70 ‰ beziehungsweise 1,83 ‰ gehabt.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2019 teilte der Beklagte dem Kraftfahrt-Bundesamt mit, dass der Kläger laut Auskunft des Führerscheinnetzwerks RESPER seit dem 16. Mai 2019 Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis sei. Die Polizei B-Stadt habe jedoch darauf hingewiesen, dass er durchgehend in Deutschland gewohnt und gearbeitet habe. Das Kraftfahrt-Bundesamt werde daher um Prüfung seiner Berechtigung gebeten, von der polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen.
Das Kraftfahrt-Bundesamt übersandte dem Beklagten mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 die Auskunft des polnischen Verkehrsministeriums. Dieses hatte auf Anfrage des Kraftfahrt-Bundesamtes mitgeteilt, der Starosta Policki (deutsch: Landrat des Kreises Policki) habe dem Kläger am 16. Mai 2019 eine gültige Fahrerlaubnis der Klassen AM, B1 und B erteilt. Als Wohnort des Führerscheininhabers sei auf dem Führerschein angegeben: "F., G." [ul. = ulica (deutsch: Straße)]. Das Verkehrsministerium machte auf dem vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Fragebogen keine Angaben dazu, wo der Kläger nach Information des Ministeriums seinen ordentlichen Wohnsitz im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis gehabt habe. Es verneinte die Frage, ob der Kläger an dem Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt für mindestens 185 Tage pro Kalenderjahr gehabt habe ("Place where person usually lives for at least 185 days each calendar year") und bejahte die Frage, ob eine Unterkunft bestehe ("Existence of accommodation").
Mit seit dem 8. Oktober 2019 rechtskräftiger Entscheidung verurteilte das Amtsgericht B-Stadt (Az. des Amtsgerichts: H.) den Kläger wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Es wies die Verwaltungsbehörde an, dem Kläger vor Ablauf von 18 Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte die Blutalkoholkonzentration des Klägers zum Tatzeitpunkt mindestens 2,77 ‰ betragen.
Mit Schreiben vom 20. November 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe zwischenzeitlich Kenntnis von der polnischen Fahrerlaubnis erlangt. Da der Kläger nach seinen Erkenntnissen seinen Wohnsitz fortwährend in Deutschland gehabt habe, berechtige die polnische Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland. Er beabsichtige daher, einen kostenpflichtigen Feststellungsbescheid zu erlassen und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Kläger gab hierzu an, dass er regelmäßig in Polen gearbeitet und dort für die erforderliche Dauer von mindestens 185 Tagen gewohnt habe. Die Vermieter der von ihm gemieteten Wohnungen hätten zugesagt, seinen Wohnsitz anzumelden. Er fügte zwei Mietverträge bei. Ein Mietvertrag war am 20. März 2019 für den Zeitraum vom 21. März 2019 bis zum 20. April 2019 geschlossen worden und bezog sich auf eine Wohnung unter der genannten Adresse in I.. Ein weiterer Mietvertrag war am 12. Juni 2019 für den Zeitraum vom 24. Juni 2019 bis zum 30. Juni 2019 und für eine Wohnung mit der Anschrift "J." geschlossen worden.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2020 stellte der Beklagte fest, dass die polnische Fahrerlaubnis des Klägers nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb von Deutschland berechtige, forderte ihn - zwecks Anbringung eines Sperrvermerks - zur Übersendung des Führerscheines innerhalb von fünf Tagen auf und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Kläger habe seinen ordentlichen Wohnsitz nach vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht in Polen, sondern in Deutschland gehabt. Das ergebe sich aus den Auskünften des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 10. Oktober 2019 und werde durch Aussagen der Polizei B-Stadt und des Einwohnermeldeamtes in K. gestützt. Die von dem Kläger vorgelegten Mietverträge seien lediglich für die Dauer von sieben beziehungsweise 31 Tagen abgeschlossen worden. Es werde darauf hingewiesen, dass die Berechtigung, als Inhaber der polnischen Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug in Deutschland zu führen, auch gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV entfalle, da rechtskräftig entschieden worden sei, dass dem Kläger keine deutsche Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe. Diese Rechtsfolge sei jedoch aufgrund der genannten Feststellung nicht weiter zu verfolgen. Für seine Entscheidung erhob der Beklagte Verwaltungskosten in Höhe von insgesamt 144,60 EUR.
Der Kläger hat am 28. Mai 2020 Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Gericht mit Beschluss vom 31. Juli 2020 (1 B 32/20) ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom Nds. Oberverwaltungsgericht verworfen (12 ME 123/20).
Zur Begründung trägt der Kläger vor, der Bescheid vom 13. Mai 2020 weise keinen bestimmten Verfügungssatz auf und sei nicht hinreichend begründet. Er verweise zudem auf seine eidesstattliche Erklärung vom 10. Juli 2019, mit der er erklärte, er habe sich vor seinem Entschluss, die Fahrerlaubnis in Polen zu erwerben, ausführlich von einem polnischen Vermittler beraten lassen. Er sei darauf hingewiesen worden, dass er das sogenannte Wohnsitzprinzip einhalten müsse, damit ihn die polnische Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigte. Er habe sich "daher bewusst dauerhaft für einen Zeitraum von jedenfalls 185 Tagen in Polen aufgehalten und [...] für diesen Zeitraum dort [seinen] Wohnsitz" gehabt. Das Wohnsitzprinzip sei eingehalten worden, wie sich aus den überreichten Mietverträgen ergebe.
Die Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV sei vorliegend nicht einschlägig, da die polnische Fahrerlaubnis vor der amtsgerichtlichen Entscheidung von Oktober 2019 erteilt worden sei. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift könne diese nur dann zu Lasten eines Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis gelten, wenn die Fahrerlaubnis nach der Rechtskraft der amtsgerichtlichen Entscheidung erworben worden sei. Eine andere Auffassung führe zu einer Entwertung der im EU-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis.
Der Kläger legte im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 7. September 2020 und vom 6. November 2020 zwei Meldebescheinigungen für den Zeitraum 21. April 2019 bis zum 23. Juni 2019 sowie 10. Dezember 2018 bis zum 21. März 2019 vor (Gerichtsakte Bl. 127 f., 154 f. und 188 f.).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 13. Mai 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seinen Bescheid und macht geltend, der Kläger habe gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßen. Zudem berechtigte die polnische Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland, da rechtskräftig entschieden worden sei, dass dem Kläger bis zum 7. April 2021 keine Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides sei die verhängte Sperre im Fahreignungsregister eingetragen gewesen. Die Eintragung sei bereits am 12. November 2019 erfolgt; als Tilgungsdatum sei der 8. Oktober 2034 vermerkt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 15. September 2020 (Az. 17 Gs 606/20) wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. In dem Beschluss heißt es, der Kläger sei dringend verdächtig, am 19. August 2020 ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl ihm bewusste gewesen sei, dass er von seiner am 16. Mai 2019 erteilten polnischen Fahrerlaubnis und einer erteilten Fahrerlaubnissperre keinen Gebrauch machen dürfe. Der polnische Führerschein wurde sichergestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 13. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die polnische Fahrerlaubnis vom 16. Mai 2019 mit der Nr. 00486193211 den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb von Deutschland berechtigt (dazu I.). Die Kostenfestsetzung im Bescheid vom 13. Mai 2020 ist ebenfalls rechtmäßig (dazu II.).
I.
Rechtsgrundlage für die Verfügung vom 13. Mai 2020 ist § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV. Danach kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen über die fehlende Berechtigung, Kraftfahrzeuge im Inland als Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis fahren zu dürfen.
In formell-rechtlicher Hinsicht unterliegt der angefochtene Bescheid keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger dringt mit seiner Kritik nicht durch, dem Bescheid fehle eine ausreichende Begründung im Sinne von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG. Der Beklagte teilte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mit, die ihn zu seiner Entscheidung bewogen hatten. Er führte aus, dass der ordentliche Wohnsitz des Klägers nach vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland gewesen sei, und verwies zudem auf Auskünfte der Polizei B-Stadt und des Einwohnermeldeamtes in K.. Ferner wies der Beklagte darauf hin, dass die polnische Fahrerlaubnis auch nach § 28 As. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtige, da rechtskräftig entschieden worden sei, dass ihm keine deutsche Fahrerlaubnis erteilt werde dürfe.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht begegnet die Feststellung, dass die polnische Fahrerlaubnis den Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb von Deutschland berechtige, keinen Bedenken.
Zunächst ist der Feststellungsbescheid entgegen den von dem Kläger geäußerten Zweifeln inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG). Wie bereits ausgeführt, war nach seinem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung aller Umstände erkennbar, dass eine verbindliche Regelung im Hinblick auf die streitige Frage getroffen werden sollte, ob die dem Kläger erteilte polnische Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigte.
Weiter waren die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung erfüllt. Der Kläger ist nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV nicht berechtigt, von seiner polnischen Fahrerlaubnis vom 16. Mai 2019 in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. § 28 Absatz 4 Satz 1 FeV regelt, in welchen Fällen die nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung bestehende Berechtigung von Inhabern einer gültigen EU-Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland zu führen nicht gilt (vgl. § 28 Absatz 1 Satz 1 FeV i.V.m. Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 2006/126/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Inlandsfahrberechtigung des Klägers - worauf der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid tragend abgestellt hat und durch die Kammer in ihrem Eilbeschluss vom 31. Juli 2020 bestätigt wurde - bereits der Ausschlussgrund des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV entgegensteht, oder ob der Kläger im Nachgang zum gerichtlichen Eilverfahren der Kammer durch Vorlage der Meldebescheinigungen vom 10. Dezember 2018 und vom 21. April 2019 einen Aufenthalt von 185 Tagen in Polen hinreichend nachgewiesen hat. Denn die Berechtigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland entfällt im vorliegenden Fall auf Grundlage des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV.
Rechtlich unbedenklich ist, dass der Beklagte die Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV im angefochtenen Bescheid lediglich (kurz) erwähnt, hierauf aber nicht tragend abgestellt hat. Dem Gericht ist es nicht verwehrt, im konkreten Fall tragend auf diese Regelung abzustellen. Auch wenn § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV ein Ermessen eröffnet ("kann erlassen"), so waren eigene Ermessenserwägungen des Beklagten zu § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV nicht erforderlich, da das Ermessen intendiert war. Der Feststellungsverwaltungsakt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV ist nicht konstitutiv, die Rechtsfolge der fehlenden Berechtigung ergibt sich unmittelbar aus § 28 Abs. 4 FeV (ex tunc, ab Erteilung der EU-Fahrerlaubnis; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 28 Rn. 55 m.w.N.). Sinn und Zweck ist es, Zweifel über das Bestehen oder Nichtbestehen der Fahrerlaubnis zu beseitigen, was auch für die Strafbarkeit gemäß § 21 StVG Bedeutung hat. Das Ermessen ist deshalb als intendiert zu betrachten, d.h. es bedarf regelmäßig keiner besonderen Darlegung, wenn - wie hier - Zweifel an der Fahreignung bestehen können (Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 28 FeV Rn. 56). Auch ergibt sich im vorliegenden Fall das rechtliche Interesse an der Feststellung daraus, dass der Kläger wiederholt verkehrsauffällig geworden war und die polnische Fahrerlaubnis trotz der verhängten isolierten Sperrfrist Rechtswirkungen entfalten kann; aus diesem Grund sind Zweifel an der Berechtigung des Klägers aufgeworfen. Der Kläger könnte ohne die angefochtene Feststellung und Anbringung eines entsprechenden Sperrvermerks auf seiner polnischen Fahrerlaubnis diese in der Bundesrepublik Deutschland weiter beim Führen von Kraftfahrzeugen in Gebrauch nehmen, obwohl er seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (noch) nicht wiedererlangt hat.
Aus § 28 Absatz 4 Satz 1 Nr. 4 FeV folgt vorliegend, dass eine Inlandsfahrberechtigung des Klägers aufgrund der polnischen Fahrerlaubnis ohne vorherigen Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung nicht (mehr) besteht. Nach dieser Vorschrift gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Dies ist hier der Fall. Mit seit dem 8. Oktober 2019 rechtskräftiger Entscheidung verhängte das Amtsgericht B-Stadt (Az. des Amtsgerichts H.) eine isolierte Sperre gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB von 18 Monaten.
Unerheblich ist, dass die Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis (am 16. Mai 2019) zeitlich vor der amtsgerichtlichen Verhängung der Sperrfrist erfolgt ist. Anders als der Kläger meint erfasst die Regelung § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV nicht nur Fälle, in denen zuerst eine isolierte Sperre verhängt und anschließend eine ausländische EU/EWR-Fahrerlaubnis erteilt wird, sondern auch Fälle, in denen - wie hier - zuerst eine ausländische EU/EWR-Fahrerlaubnis erteilt und danach eine isolierte Sperre verhängt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 - 3 C 1.13 -, juris Rn. 27; BayVGH, Beschl. v. 25.3.2013 - 11 ZB 12.2712 -, juris Rn. 23; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2021, § 28 FeV Rn. 45).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2014 (- 3 C 1.13 -, juris Rn. 27) hierzu ausgeführt:
"Der Wortlaut der Regelung deckt beide Fallvarianten ab; das gilt ebenso für die Normbegründung. Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgruppen nicht geboten. Voraussetzung für die Anordnung einer isolierten Sperre ist nach § 69 StGB i.V.m. § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB, dass das Strafgericht den Betroffenen für ungeeignet hält, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Das wird - wenn der Betroffene nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, die dann gemäß § 69 StGB zu entziehen wäre - vom Strafgericht gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB durch die Anordnung einer isolierten Sperre förmlich zum Ausdruck gebracht; die Erteilung oder Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis wird für die Zeit, in der von fortdauernder Nichteignung des Betroffenen ausgegangen werden muss, ausgeschlossen (vgl. etwa Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 61. Aufl. 2014, § 69a StGB Rn. 15 m.w.N.). Hierfür ist die zeitliche Reihenfolge von Fahrerlaubniserteilung und isolierter Sperre ohne Belang. Insofern kommt es nicht darauf an, dass bei Vorliegen einer Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 i.V.m. § 69b Abs. 1 StGB an sich die Aberkennung durch das Strafgericht geboten gewesen wäre."
Dem schließt sich die Einzelrichterin an.
Die Anwendung der Norm ist auch nicht nach § 28 Absatz 4 Satz 3 FeV ausgeschlossen, da die Maßnahme zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten im Fahreignungsregister eingetragen war und nicht nach § 29 StVG getilgt war (und nach wie vor noch nicht ist; Tilgungsdatum: 8. Oktober 2034).
Der Kläger hat auch nicht seine wiedergewonnene Eignung nachgewiesen. Zwar kann gemäß § 28 Absatz 5 Satz 1 FeV das Recht, von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, auf Antrag erteilt werden. Abgesehen davon, dass ein derartiger Antrag nach Lage der Akten nicht gestellt wurde, liegen die Voraussetzungen nicht vor. Voraussetzung hierfür wäre nämlich, dass die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen und dass die Eintragung der Sperrfrist im Fahreignungsregister getilgt ist oder eine positive behördliche Zuerkennungsentscheidung nach § 28 Absatz 5 Satz 1 FeV vorliegt (vgl. § 28 Absatz 4 Satz 3 i.V.m. § 28 Absatz 5 Satz 2 FeV).
Die Feststellung, dass die erteilte polnische Fahrerlaubnis den Kläger nicht berechtigt, von dieser in Deutschland Gebrauch zu machen, lässt auch keine Ermessensfehler erkennen. Wie oben bereits ausgeführt, ist ein intendiertes Ermessen anzunehmen, da ein Feststellungsinteresse besteht.
II.
Die mit dem Feststellungsbescheid verbundene Gebührenfestsetzung ist nach § 6a Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 StVG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt- und Nr. 206 der Anlage zu § 1 GebOSt (Verwaltungsgebühr von 144,60 EUR) und § 6a Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 StVG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt (Auslagenersatz für die Zustellung von 3,13 EUR) nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.