Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.12.2006, Az.: 1 A 1388/05

Umgestaltung des vor einem Grundstück befindlichen Wendeplatzes; Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs durch auf dem Seitenstreifen befindliche Abgrenzungspoller; Beschränkungen der Widmung einer Straße auf bestimmte Benutzungsarten aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.12.2006
Aktenzeichen
1 A 1388/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 29881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2006:1214.1A1388.05.0A

Verfahrensgegenstand

Verkehrsrecht

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
den Richter Tepperwien sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Grundstücke, die an die Parkstraße in Bremervörde-Bevern grenzen. Bei der Parkstraße handelt es sich um eine in der Gemarkung Bevern liegende innerörtliche Straße, die von der Selsinger Straße, der B 71, abzweigt. Sie endet in zwei Sackgassenarmen, von denen der eine sein Ende an der östlichsten Seite, der andere an der südlichsten Seite findet. Am östlichen Ende der Parkstraße verbreitert sich die Straße, die im Übrigen eine Breite von 3 m aufweist, auf etwa 14,50 m, so dass sich fast ein quadratischer Platz bildet. Von dort aus hat der Kläger in östliche Richtung eine Zufahrt zu einer Weide, die er für seine Zuchtpferde nutzt. Die Weidefläche endet an der östlichen Seite an dem Flüsschen Bever. Das betroffene Grundstück des Klägers, das Flurstück 28/18, Flur 4 der Gemarkung Bevern, dient insoweit auch als Überschwemmungswiese. Der Kläger will mit seiner Klage im Wesentlichen erreichen, dass die Beklagte den Wendeplatz derartig herrichtet, dass dort das Wenden mit einem Gespann aus PKW und Pferdeanhänger regelmäßig und ohne Behinderungen möglich ist.

2

Im Jahre 2002 hatten die Bewohner des Hauses Parkstraße 7, Gießmann, auf der südlichen Seite der Parkstraße kurz vor dem Wendeplatz eine gemauerte Garage errichtet, die wegen eines falsch stehenden Grenzsteines mit einer Teilfläche von ca. 30 bis 40 cm Tiefe über die gesamte Länge auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Seitenstreifen der öffentlichen Straße Parkstraße steht. Nachdem dieses Versehen aufgedeckt worden war, entschloss sich die Beklagte einen Grundstücksstreifen von 30 cm entlang des Grundstückes der betroffenen Nachbarn an diese zu verkaufen. Dies erfolgte durch Vertrag vor dem Notar Siems am 22. April 2004.

3

Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte, weil diese ihn über diesen Verkauf trotz entgegenstehenden Versprechens nicht informiert hätte. Durch den Verkauf und die damit einhergehenden Beschränkungen des Wenderaumes sei das Wenden nun nur noch unter nicht zumutbaren Bedingungen möglich. Ein Wenden mit Pferdeanhänger sei unmöglich geworden. Die Breite des Wendeplatzes betrage 14 m, durch Anpflanzungen stünden jedoch tatsächlich nur 10 m zur Verfügung.

4

Bei einem Ortstermin am 13. August 2004 wurde festgestellt, dass die Hecke der ebenfalls am Wendeplatz, nämlich auf der Nordseite wohnenden Nachbarn (Klöfkorn), etwa 2 m über der Grundstücksgrenze stehe. Die zur Verfügung stehende öffentliche Breite könne daher tatsächlich nicht voll genutzt werden. Die Hecke sei jedoch bereits mehr als 20 Jahre alt und größere Fahrzeuge wie z.B. Müllfahrzeuge könnten selbst dann den Wendeplatz nicht zum Wenden benutzen, wenn die gesamte Breite von 14,50 m zur Verfügung gestellt würde. Der an den Nachbarn Gießmann verkaufte Streifen im südlichen Bereich würde ohnehin keine Änderung bringen.

5

Mit weiterem Schreiben vom 8. November 2004 wandte sich der Kläger an den Ortsbürgermeister der Ortschaft Bevern und bat um Überprüfung der Wendemöglichkeiten auf dem Platz. Dieser antwortete ihm daraufhin, dass der Kläger eine Antwort von der Beklagten erhalten werde. Nachdem der Verwaltungsausschuss sich in seiner Sitzung vom 11. Januar 2005 mit der Angelegenheit befasst hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Parkstraße, die in dem fraglichen Bereich mit dem Verkehrszeichen "Sackgasse" gekennzeichnet sei, nunmehr mit dem Zusatz "Keine Wendemöglichkeit" versehen werde. Bei dem Befahren der Parkstraße hätte sich die Nutzung ohnehin auf den Bereich der befestigten Fahrbahn zu beschränken, eine Nutzung des Wegeseitenraumes sei nicht vorgesehen. Eine Wendemöglichkeit würde sich auch dann nicht ergeben, wenn der befestigte Bereich in vollem Umfang zur Verfügung stehen würde. Im Hinblick darauf, dass dieser Teilbereich der Parkstraße nur drei Anlieger beträfe, werde aus wirtschaftlichen Gründen keine Notwendigkeit für die Erweiterung der vorhandenen Fahrbahn und Schaffung eine Wendemöglichkeit gesehen. Der Kläger müsse gegebenenfalls auf dem eigenen Grundstück wenden.

6

Mit Schreiben vom 13. Januar 2005 wandte sich die Anwaltskanzlei Dr. Schröder für den Kläger an die Beklagte. Dieser sei darauf angewiesen, in dem Bereich wenden zu können, um seine Grundstücke entsprechend zu nutzen. Dies sei ihm nicht mehr möglich, weil im nördlichen Bereich die lebende Hecke derart weit in den Straßenbereich rage, dass der erforderliche Wenderadius für PKW mit Anhänger nicht mehr gegeben sei.

7

Mit Schreiben vom 13. April 2005 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Beklagten. Ein Wenden sei auf dem Platz vor Errichtung der Garage durch den Anlieger Gießmann möglich gewesen. Jetzt sei der Kläger gezwungen, in den etwa 60 m entfernten anderen Ausläufer der Parkstraße einzuscheren und mit seinem Gespann zu seiner Weide über diese Distanz zurückzusetzen. Dies sei mit erheblichen Gefahren verbunden. Bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrsraums sei auf die Belange der Anlieger unter Berücksichtigung der konkreten Nutzung der angrenzenden Grundstücke Rücksicht zu nehmen. Der Beklagte müsse auf die Belange des Klägers, nämlich den erforderlichen Viehtransport, Rücksicht nehmen. Die bis zu 3 m in die Parkstraße ragende Heckenbepflanzung des Anliegers Klöfkorn stelle eine den Gemeingebrauch nachhaltig beeinträchtigende und nicht genehmigungsfähige Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums dar, die von der Stadt Bremervörde zu unterbinden sei. Wegen der Zugangserschwernis würden im Übrigen Entschädigungsansprüche nach dem niedersächsischen Straßengesetz angekündigt.

8

Am 22. Juli 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen. Die Teileinziehung der Parkstraße, die mit der Veräußerung des Grundstücksstreifens an die Anlieger Gießmann verbunden war, sei entgegen § 8 Nds. Straßengesetz erfolgt. Die Beklagte sei als Trägerin der Straßenbaulast verpflichtet, dem Kläger den Anliegergebrauch der Parkstraße einschließlich des Wendehammers insoweit zu gewährleisten wie die angemessene Nutzung des klägerischen Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert. Das Flurstück 28/18 sei seit jeher Weideland und als solches genutzt. Eine andere Nutzung komme auch wegen der Überschwemmungsanfälligkeit nicht in Betracht. Der Transport der dort gehaltenen Pferde mit Viehanhängergespannen sei daher zwingend erforderlich. Ein Wenden auf dem eigenen Grundstück sei wegen der häufigen Durchfeuchtung nicht möglich. Die Errichtung einer ordnungsgemäßen Wendeanlage sei daher in diesem Bereich unverzichtbar, dies sei immer dann anzunehmen, wenn keine Flächen vorhanden sind, die abgesehen vom Straßenraum für Wendemanöver in Anspruch genommen werden können und der Kraftwagenverkehr somit gezwungen sei, unter Inkaufnahme von Gefahren rückwärts in die Sackgasse ein- oder auszufahren. Die tatsächliche Möglichkeit, auf dem Grundstück zu wenden, sei nicht gegeben. Zwar seien dort im Zugangsbereich Verbundsteine verlegt, deren langsames Absenken durch eine aufwändige Drainage verhindert werde. Der dabei zur Verfügung stehende befestigte Raum sei allerdings noch kleiner als die verbliebene Fläche des Wendeplatzes. Der Bereich diene auch lediglich der Zufahrt und dem Abstellen des Pferdeanhängers im Sommer. Das Gelände werde darüber hinaus häufiger überflutet, so dass der Boden aufweiche. Es liege hier auch eine Einziehung von Teilen des Straßenkörpers vor, weil der Straßenkörper sich nicht auf den befestigten Straßenteil beschränke, sondern das gesamte Flurstück erfasse. Vor einer Einziehung seien aber nicht nur Verfahrenvorschriften einzuhalten, sondern auch die Anliegerbelange des Klägers zu berücksichtigen. Hier werde der bestimmungsgemäße Gebrauch des Eigentums des Klägers beschränkt, so dass sich der Wert des Grundstücks herabmindere. Das Anliegerrecht sei für das privatrechtliche Eigentum von hohem Wert, so dass ihm auch der Schutz des Art. 14 GG nicht vorenthalten werden kann. Die angemessene Nutzung des Grundstückes ergebe sich aus der rechtlichen und der tatsächlichen Gegebenheit. Vorliegend sei darauf abzustellen, dass das Grundstück des Klägers seit vielen Jahren als Weidefläche genutzt werde und eine andere Nutzung nicht in Betracht komme. Diese Nutzung setze die Möglichkeit zum An- und Abtransport des Pferdeviehs über das öffentliche Straßennetz voraus.

9

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den östlichen, an das Flurstück 28/18, Flur 4, Gemarkung Bevern, grenzenden Wendehammer der Parkstraße in Bremervörde-Bevern derart herzurichten, insbesondere soweit von Bepflanzungen zu befreien und Sondernutzungen zu unterbinden, dass dort ein Wenden eines Gespanns aus PKW und Pferdeanhänger regelmäßig und ohne Behinderungen möglich ist.

10

Hilfsweise beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verpflichten, das Flurstück 28/18, Flur 4, Gemarkung Bevern, in einer für den An- und Abtransport von Pferden geeigneten Weise zu erschließen,

11

und weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld für den Wegfall einer angemessenen Erschließung des Flurstücks 28/18, Flur 4, Gemarkung Bevern, zu zahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte stellt im Wesentlichen dar, dass im Endbereich lediglich eine Verbreiterung der Fahrbahn, nicht jedoch die Herstellung eines Wendehammers geplant worden sei. Die Verbreiterung sei von Anfang an nicht geeignet gewesen, Fahrzeugen des allgemeinen Straßenverkehrs das Wenden zu ermöglichen, insbesondere Ver- und Entsorgungsfahrzeugen oder Fahrzeugen mit Anhängern. Durch die Veräußerung einer geringen Teilfläche in der Form eines schmalen Streifens des Flurstücks 119 an die Anlieger Gießmann sei die Fläche der befestigten Fahrbahn nicht berührt oder eingeschränkt worden, sondern der unbefestigte Wegeseitenraum. Eine Einziehung nach § 8 Straßengesetz liege hier nicht vor, weil die Straße weiterhin vorhanden sei und bestimmungsgemäß genutzt werden könne. Die Hecke des Anliegers Klöfkorn stehe ebenfalls außerhalb der befestigten Fahrbahn, so dass der Gebrauch der Fahrbahn auch in diesem Falle nicht eingeschränkt sei. Ein Rechtsanspruch auf Benutzung des Wegeseitenstreifens bestehe nicht. Der Kläger könne sich im Übrigen auf seinem Grundstück eine Wendemöglichkeit schaffen. Die fehlende Wendemöglichkeit würde auch nicht zu einem Rechtsanspruch des Klägers im Hinblick auf die Straße führen. Die Straße sei nach wie vor uneingeschränkt nutzbar. Daher sei auch für einen Entschädigungsanspruch kein Raum. Die Zufahrt zu dem Grundstück des Klägers werde weder erheblich erschwert noch verhindert.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage hat keinen Erfolg.

16

Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Verurteilung der Beklagten verlangt, den Wendehammer in seinem Interesse umzugestalten, ist die Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

17

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Umgestaltung des vor seinem Grundstück befindlichen Wendeplatzes. Insbesondere kann er aus öffentlichem Recht nicht verlangen, dass die Beklagte den Seitenstreifen von Bepflanzungen befreit oder die auf dem Seitenstreifen befindlichen Abgrenzungspoller beseitigt oder beseitigen lässt. Durch die von dem Kläger beanstandeten Maßnahmen werden eigene subjektive Rechte nicht verletzt. Entgegen seiner Auffassung ist ein rechtswidriger Zustand durch die Beklagte nicht geschaffen worden. Weder liegt eine Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 des Nds. Straßengesetzes (NStrG) noch eine Verletzung von in diesem Zusammenhang durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten Grundrechtsposition vor.

18

Es besteht nach wie vor eine ausreichende Zufahrt zum Grundstück des Klägers im Sinne des § 20 Abs. 1 NStrG. Nach dieser Vorschrift ist eine Zufahrt die für die Benutzung mit Fahrzeugen bestimmte Verbindung von Grundstücken mit einer Straße. Dass eine derartige Verbindung zwischen dem klägerischen Grundstück und der Parkstraße weiterhin tatsächlich besteht, ergibt sich zweifellos aus den eingereichten Lageplänen und Fotos. Aus diesen wird deutlich, dass durch Veränderungen, die der Kläger beanstandet, keine wesentliche Beeinträchtigung seiner zuvor seit vielen Jahren vorhandenen Zufahrt erfolgt ist. Insbesondere liegt hier keine - wie vom Kläger geltend gemacht - Teileinziehung der Straße vor. Eine Teileinziehung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG liegt vor, wenn nachträglich Beschränkungen der Widmung auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzungskreise aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls festgelegt werden (vgl. Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Aufl. § 8 Anm. 2 und Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6.Aufl. Kap.10, Anm. 14). Im vorliegenden Fall ist eine derartige Teileinziehung offensichtlich nicht erfolgt, sie kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Beklagte einen 30 cm breiten Streifen an einen Nachbarn des Klägers verkauft hat. Dieser Streifen war zu keiner Zeit als öffentliche Straße dem Verkehr gewidmet, es handelte sich vielmehr um einen Seitenstreifen, der dem Gemeingebrauch nicht gewidmet war. Das ergibt sich bereits aus den tatsächlich geschaffenen Verhältnissen, die einen durchgehenden gesetzten Bordstein auf der südlichen Seite dieses Straßenteils aufweisen. Es ergibt sich aber auch aus dem Straßenbestandsverzeichnis, das eine drei Meter breite bituminöse Fahrbahn ausweist. Diese setzt sich auf dieser Straßenseite in gerader Linie den Wendeplatz entlang fort. Das gleiche gilt für die durch Heckenwuchs von dem Kläger geltend gemachte Beeinträchtigung der Benutzung der Straße. Auch dieser befindet sich auf dem Seitenstreifen der Straße, der nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Die Beklagte ist zwar Eigentümerin des teilweise überwachsenden Streifens, so dass sie als Eigentümerin den Überwuchs auch beseitigen lassen könnte, die Widmung ist jedoch nicht vom Eigentum abhängig und kann in keinem Fall allein wegen der Eigentumslage quasi inzident erweitert werden. Eine straßenrechtliche Sondernutzung durch den Nachbarn liegt daher auch nicht vor. Der Kläger kann sein Grundstück in der gleichen Weise erreichen, wie dies ohne den Verkauf und ohne den Überwuchs möglich war und ist. Er kann auch keine Rechte daraus herleiten, dass er seit Jahren unter Inanspruchnahme des auf der südlichen Seite der Straße befindlichen Seitenstreifens gewendet hat. Die tatsächliche, geduldete Inanspruchnahme eines fremden Grundstückes zur Überfahrt kann zwar in bestimmten Fällen ein Notwegerecht begründen. Dies ist aber nur der Fall, wenn es zur Erreichbarkeit des Grundstückes erforderlich ist. Diese Vorraussetzung liegt hier nicht vor.

19

Rechte des Klägers ergeben sich auch nicht aus Art. 14 GG. Das Grundrecht trägt dem Umstand Rechnung, dass die Anlieger einer Straße auf den Gemeingebrauch in erhöhtem Maße angewiesen sind, um ihr Grundstück bestimmungsgemäß nutzen zu können. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt dem Grundeigentümer und insbesondere dem Gewerbetreibenden das Recht auf Anschluss an das öffentliche Straßen- und Wegenetz, d.h. auf Zufahrten und Zugänge. Vor diesem Hintergrund ist der auch im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 NStrG zu beachtende Anliegergebrauch als subjektiv öffentliches Recht ausgestaltet (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1969, BVerwGE 32, 222, 225) [BVerwG 25.06.1969 - IV C 77/67]. Der Einzelne hat einen Anspruch gegen den Träger der öffentlichen Gewalt, nicht rechtswidrig vom Anliegergebrauch ausgeschlossen zu werden, etwa durch Unterbrechung der Zufahrt mit der Folge, dass das Grundstück über das öffentliche Straßennetz nicht mehr zu erreichen ist. Eine derartige Beschränkung hat sich hier durch Maßnahmen der Beklagten nicht ergeben. Vielmehr kann der Kläger die Straße in dem gleichen Umfang nutzen wie dies vorher der Fall war. Der Anlieger kann nicht darauf vertrauen, dass eine Zufahrt jeweils so angepasst wird, dass er alle Vorteile, die sich aus einer bestimmten Verkehrslage ergeben, stets unverändert weiter nutzen kann. Vielmehr müsste er grundsätzlich sogar Maßnahmen, die den aus dem Gemeingebrauch abgeleiteten Anliegergebrauch tatsächlich oder rechtlich einschränken, hinnehmen und hätte keinen Anspruch darauf, dass Änderungen unterbleiben. Um so weniger kann er verlangen, dass Straßen in seinem Interesse verändert werden, damit er stets sein Grundstück mit einem Fahrzeug, dessen Größe er allein bestimmt, erreichen kann. Die bei der Akte befindlichen fotografischen Aufnahmen und Lagepläne machen deutlich, dass durch nachträgliche Veränderungen der Straße eine Benutzung durch den Kläger nicht erheblich im Sinne des § 20 Abs. 5 NStrG erschwert wurde. Eine erhebliche Erschwerung der Zufahrt, die in § 20 Abs. 5 NStrG neben die Unterbrechung der Zufahrt gestellt wird, liegt hier zweifelsfrei nicht vor. Die Zufahrtmöglichkeit, die allein durch diese Vorschrift geschützt wird, ist nicht durch eine öffentlich-rechtliche Maßnahme der Beklagten beseitigt oder erheblich beeinträchtigt worden. Vielmehr besteht die Zufahrtmöglichkeit in dem selben Umfang seit vielen Jahren.

20

Auch die Hilfsanträge müssen daher ohne Erfolg bleiben, weil die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung schon wegen Fehlens der tatbestandlich vorausgesetzten erheblichen Erschwernis offensichtlich nicht vorliegen. Auch ein Anspruch auf weitergehende Erschließung des Grundstückes ist nicht gegeben, weil für eine Anspruchsgrundlage nichts ersichtlich ist.

21

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Schmidt
Fahs
Tepperwien