Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.01.2020, Az.: 1 Ws 304/19

Erfolglose Beschwerde gegen Nichtfeststellung von endender Suchttherapie; Kein Ermessen des Gerichts bei Prüfung der Beendigung der Unterbringung in Entziehungsanstalt; Gesamtschau bei Bewertung der Erfolgsaussichten einer Entziehungsmaßnahme

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.01.2020
Aktenzeichen
1 Ws 304/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 63872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 05.11.2019 - AZ: 59 StVK 294/19

Redaktioneller Leitsatz

1. Das Ende der Suchttherapie kann noch nicht festgestellt werden, wenn noch eine Aussicht auf einen Heilungserfolg besteht.

2. Dem Gericht steht bei der Prüfung der Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kein Ermessen zu.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer der Landgerichts Göttingen mit Sitz bei dem Amtsgericht Rotenburg (Wümme) vom 5. November 2019 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Mit Urteil des Landgerichts Aurich vom 26. Mai 2017 - rechtskräftig seit dem 3. Juni 2017 - wurde der Verurteilte wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leer vom 12. März 2015 in Gestalt des Beschlusses vom 19. Juni 2015 und des Urteils des Amtsgerichts Leer vom 8. Juni 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Daneben wurde die Unterbringung des Veurteilten in einer Entziehungsanstalt mit der Maßgabe angeordnet, dass ein Jahr der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen ist.

Die durch den Sachverständigen Dr. L. beratene Strafkammer stellte fest, dass bei dem Angeklagten, der seit seiner Jugend Alkohol und Betäubungsmittel, insbesondere Marihuana, konsumiert, ein Hang im Sinne von § 64 StGB bestehe, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und er künftig in Folge eines solchen Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass für die Annahme eines derartigen Hanges schon die in einer intensiven Neigung zu übermäßigem Konsum von Betäubungsmitteln zum Ausdruck kommende psychische Abhängigkeit des Verurteilten ausreiche. In diesem Zusammenhang berücksichtigte die Strafkammer besonders, dass der Verurteilte unter Krampfanfällen leide, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seinen früheren Konsum von Marihuana und harten Betäubungsmitteln zurückzuführen seien und er Marihuana auch konsumiere, um diese Krampfanfälle einzudämmen. Die Erfolgsaussicht der Unterbringung stützte die Kammer vor allem auf die Krankheitseinsicht des Verurteilten und dessen grundsätzliche Therapiewilligkeit. Vor diesem Hintergrund müsse der Umstand, dass der Verurteilte hinsichtlich Marihuanakonsums trotz vorangegangener Therapie schnell rückfällig geworden sei, zurücktreten. Der Verurteilte war zuvor aufgrund einer Anordnung des Landgerichts Aurich mit Urteil vom 17. Mai 2010 in einer Entziehungsanstalt untergebracht worden und befand sich bis Ende 2013 im Vollzug der Unterbringung in den Maßregelvollzugseinrichtungen M. und B.. In jenem Urteil wurde er zugleich wegen schweren Raubes, versuchter besonders schwerer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahls in vier Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Wohnungseinbruchsdiebstahl, Diebstahls in neun Fällen, versuchten Diebstahls in sieben Fällen, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Die Unterbringung sowie der Rest der Jugendstrafe wurde durch Beschluss vom 18. September 2013 zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Anlassurteils nahm der Verurteilte bereits Anfang 2014 wieder Marihuana und Alkohol zu sich. Ab Mitte Februar 2014 kam es zu den in der Anlassverurteilung festgestellten Straftaten.

Bereits zuvor war der Verurteilte strafrechtlich in Erscheinung getreten. Seit dem Jahre 2004 wurde er insgesamt zwölf Mal verurteilt, u.a. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Raubes, Diebstahls, Computerbetruges, vorsätzlicher Körperverletzung und unerlaubter Einfuhr sowie Besitzes von Betäubungsmitteln. Deswegen wurden (auch) Freiheitsstrafen gegen ihn verhängt, die er zum Teil vollständig verbüßt hat.

Der angeordnete Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe war bereits durch Anrechnung der in dieser Sache verbüßten Untersuchungshaft erledigt. Seit dem 15. Dezember 2017 befindet sich der Verurteilte im Vollzug der Maßregel im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen B.. Zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 13. November 2017 festgestellt, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung weiter erfordert.

Der Halbstrafentermin war auf den 14. November 2019 errechnet, der Zweidritteltermin wird am 19. November 2020 erreicht sein. Der Ablauf der verlängerten Höchstfrist ist für den 14. November 2022 notiert.

Der Verlauf der Unterbringung war zunächst beanstandungsfrei. Auf Grundlage der Stellungnahmen des Maßregelvollzugszentrums B. vom 23. April 2018 und 16. Oktober 2018 ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschlüssen vom 15. Juni 2018 und vom 9. November 2018 jeweils die Fortdauer der Unterbringung an. Der Verurteilte wurde am 27. März 2018 auf die halboffene Station, am 25. Oktober 2018 auf die offene Station verlegt.

Mit Stellungnahme vom 22. März 2019 wies das Maßregelvollzugszentrum erstmals auf Regelverstöße hin. Am 7. und 11. Februar 2019 sei bei dem Verurteilten jeweils ein unerlaubtes Smartphone gefunden worden. Am 9. März 2019 habe er seine langjährige Partnerin geheiratet und sei dafür zwei Tage beurlaubt worden. Nach Rückkehr in die Einrichtung habe er am 12. März 2019 desorientiert gewirkt und sei beim Gehen geschwankt. Bei einer daraufhin durchgeführten Zimmerkontrolle seien Kokainreste gefunden worden. Nachdem der Verurteilte zunächst noch einen Suchtmittelkonsum abgestritten habe, habe er nach wenigen Tagen zugegeben, in den vergangenen sechs Wochen mehrfach Suchtmittel, vor allem synthetische Cannabinoide, konsumiert zu haben. Sämtliche Lockerungen seien deswegen vorübergehend ausgesetzt und eine Rückfallbearbeitung begonnen worden. Mit dem Erreichen des Behandlungsziels sei aber noch zu rechnen. Auf Grundlage dieser Stellungnahme und nach persönlicher Anhörung des Verurteilten, in der er angab, er habe eine "extrem gute Rückfallbearbeitung gehabt", ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 3. Mai 2019 erneut die Fortdauer der Unterbringung an.

Mit Stellungnahme vom 26. August 2019 hat das Maßregelvollzugszentrum B. dann jedoch die Erledigung der Maßregel empfohlen. Der vollzugliche Verlauf sei zunächst wieder positiv gewesen. Am 15. April 2019 seien die Vollzugslockerungen wieder eingesetzt worden. Seitdem habe der Verurteilte von montags bis freitags jeweils in der Zeit von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr ehrenamtlich im hauswirtschaftlichen Bereich eines Seniorenzentrums gearbeitet. Er habe dort ein sehr gutes Zeugnis erhalten. Er habe von Mitte April bis Mitte Juni 2019 insgesamt 5 mehrtägige Urlaube bei seiner Ehefrau verbracht. Es sei zu keinen Beanstandungen gekommen. Ab dem 1. Juli 2019 habe sich der Verurteilte im Probewohnen in einer Komplementäreinrich-tung befunden. Dort habe er sich schnell und gut eingewöhnt. Sämtliche dort durchgeführten Suchtmittelkontrollen hätten keinen Hinweis auf einen Konsum ergeben. Der Verurteilte sei dann jedoch am 28. Juli 2019 nicht von einem bewilligten Urlaub bei seiner Ehefrau zurückgekehrt. Der Verurteilte hätte an jenem Tag erstmals aus dem Probewohnen in das Maßregelvollzugszentrum B. zurückkehren sollen. Die Komplementäreinrichtung habe mitgeteilt, dass er seine gesamte Kleidung aus der Einrichtung mitgenommen habe. Der Verurteilte sei zur Fahndung ausgeschrieben worden und sei am 16. August 2019 an der Autobahnraststätte W. festgenommen worden. Nach seiner Rückholung in das Maßregelvollzugszentrum B. habe der Verurteilte den Konsum von Alkohol und Cannabis eingeräumt. Darüber hinaus habe er angegeben, weder andere Suchtmittel konsumiert noch Straftaten während seiner Flucht begangen zu haben. Angesichts der Flucht und des erneuten Suchtmittelrückfalls sei aus Sicht der Maßregelvollzugseinrichtung das Therapieziel nicht mehr erreichbar. Die therapeutischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft.

Die Staatsanwaltschaft Aurich hat daraufhin beantragt, die Maßregelvollzugsbehand-lung wegen Aussichtlosigkeit für erledigt zu erklären.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Verurteilten im Beisein seines Verteidigers sowie des Dipl. Psychologen S. von der Maßregelvollzugseinrichtung persönlich angehört. Der Verurteilte hat dabei angegeben, dass er die Therapie brauche und fortsetzen wolle. Er habe seinen Rückfall und die Entweichung zwischenzeitlich aufgearbeitet. Er habe sich sehr darum bemüht, Einzelgespräche zu bekommen. Zu der Entweichung sei es gekommen, weil ihm seine Ehefrau am Ende des Urlaubs gestanden habe, dass sie "fremdgegangen" sei. Er sei dann - statt in die Einrichtung zurückzukehren - wieder zu seiner Ehefrau gefahren, weil sie alles sei, was er habe, und er befürchtet habe, sie zu verlieren. Auf dem Weg dorthin habe er sich in Bremen THC besorgt und konsumiert. Für den Konsum habe er sich sehr geschämt. Mit seiner Ehefrau sei jetzt wieder alles in Ordnung. Er sei während der Entweichung bei Kollegen und einer Freundin untergekommen; er habe Alkohol und synthetische Cannabinoide konsumiert. Der Verteidiger erklärte, eine Nachfrage seinerseits bei der Staatsanwaltschaft habe ergeben, dass es keine neuen Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten gebe. Der Dipl. Psychologe S. hat angegeben, dass zwischenzeitlich erneut ein Handy im Besitz des Verurteilten gefunden worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Anhörungsvermerk vom 1. November 2019 Bezug genommen (Bl. 116 Bd. II d. VH).

Mit Beschluss vom 5. November 2019 hat die Strafvollstreckungskammer angeordnet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt fortdauert. Zwar sei die bisherige Unterbringung des Verurteilten nicht unproblematisch verlaufen; jedoch solle ihm die Möglichkeit gegeben werden, die Therapie fortzuführen. Der Verurteilte habe nachvollziehbar geschildert, dass es aufgrund eines psychischen Ausnahmezustandes zu der Flucht gekommen sei; diese sei nicht geplant gewesen. Der Verurteilte sei weiter therapiemotiviert und wolle therapeutische Hilfen annehmen.

Gegen diesen Beschluss, der der Staatsanwaltschaft Aurich am 12. November 2019 zugestellt worden ist, richtet sich deren sofortige Beschwerde vom 18. November 2019, eingegangen beim Amtsgericht Rotenburg (Wümme) am selben Tag.

Die Maßregelvollzugseinrichtung hat auf Nachfrage der Generalstaatsanwaltschaft am 12. Dezember 2019 ergänzend Stellung genommen (Bl. 133ff. Bd. II d. VH).

Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Aurich den Beschluss des Landgerichts Göttingen, auswärtige Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Rotenburg (Wümme), vom 5. November 2019 aufzuheben, die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären und den Vollzug der Strafhaft anzuordnen sowie festzustellen, dass die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, die weitere Vollstreckung des Strafrestes nicht zur Bewährung ausgesetzt wird und mit der Entlassung aus der Unterbringung Führungsaufsicht eintritt.

Der Verteidiger tritt dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer bei.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 463 Abs. 6 Satz 1, 462 Abs. 3 Satz 1 StPO i.V.m. § 67d Abs. 5 StGB statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die Strafvollstreckungskammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 67 d Abs. 5 S. 1 StGB noch nicht vorliegen.

Gem. § 67 d Abs. 5 S. 1 StGB erklärt das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB nicht mehr vorliegen, d.h. wenn unabhängig von etwaigen Wünschen des Untergebrachten keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Bei der Entscheidung hierüber hat das Gericht kein Ermessen. Das bedeutet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erst dann abzubrechen ist, wenn sie sich als zweifelsfrei aussichtslos erwiesen hat, sondern dass ihr weiterer Vollzug bereits unzulässig wird, sobald aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht seiner Behandlung im Maßregelvollzug nicht mehr erkennbar ist (st. Rspr. des Senates, vgl. Beschl. vom 7. Januar 2016, 1 Ws 337/15, Rn. 12, zitiert nach juris; zuletzt Beschl. vom 28. März 2019, 1 Ws 33/19, 20. März 2019, 1 Ws 28/19, jew. nicht veröffentl.; OLG Zweibrücken, Beschl. vom 19. Dezember 2002, 1 Ws 596/02, Rn. 3, zitiert nach juris). Um dies festzustellen, ist eine Prognose auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage erforderlich, dass der Zweck der Maßregel aller Voraussicht nach nicht mehr erreicht werden kann. Bei der Prognoseentscheidung muss der gesamte Verlauf der bisherigen Maßregelvollstreckung berücksichtigt werden (OLG Braunschweig, Beschl. vom 7. Januar 2016, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. vom 3. Januar 2008, 3 Ws 707/07, Rn. 11, zitiert nach juris).

Zu beachten ist hierbei, dass die Entscheidung der Vollstreckungsgerichte für den Verurteilten regelmäßig von weitreichender Bedeutung ist und die dem Verurteilten von Ärzten und Gerichten bescheinigte Aussichtslosigkeit der Behandlung regelmäßig dazu angetan ist, in ihm die Vorstellung zu verfestigen, dass weitere Bemühungen, von der Sucht los zu kommen, sinnlos sind (OLG Zweibrücken, Beschl. vom 19. Dezember 2002, 1 Ws 596/02, Rn. 3, zitiert nach juris). Bei der Prüfung der Frage, ob keine konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mehr besteht, ist entscheidend, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufbrechbare Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit des Verurteilten vorliegt, namentlich eine realistische Chance auf das Erreichen des Maßregelzwecks weder durch einen Wechsel der behandelnden Therapeuten und/oder der angewandten Therapie noch durch ein Überwechseln des Verurteilten in den Vollzug einer anderen Maßregel oder einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe begründet werden kann (OLG Frankfurt, Beschl. vom 8. August 2002, 3 Ws 831/02, Rn. 1, zitiert nach juris). Die dauerhafte Therapieunwilligkeit oder -fähigkeit muss sich ausreichend durch sichere Tatsachen untermauern lassen. Insbesondere stellt der Umstand, dass der Verurteilte in der Anstalt Schwierigkeiten bereitet, Rückfälle in sein Suchtverhalten erleidet oder gar Lockerungen zu Straftaten missbraucht, als solches noch keinen Anlass dar, ihn in den Strafvollzug zu überweisen (OLG Frankfurt, a.a.O.).

Da der Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in diesem Verfahren nicht erneut angeordnet werden kann, wenn zuvor bestandskräftig gemäß § 67d Abs. 5 StGB entschieden wurde, dass die Maßregel nicht weiter zu vollziehen ist (OLG Frankfurt, Beschl. vom 23. September 2002, 3 Ws 1021 - 1022/02, juris; OLG Hamm, Beschl. vom 16. November 1999, 4 Ws 334/99, OS, zitiert nach juris; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 67d, Rn. 22), ist die Endgültigkeit der fehlenden Erfolgsaussicht genau zu prüfen. Wenn nur eine vorübergehende Krise vorliegt, ist dies kein Grund für eine Erledigungserklärung (Rissing-van Saan/Peglau in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., Band 3, § 67d, Rn. 31).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer - wenngleich nur knapp begründet - nicht zu beanstanden. Denn im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der heute 32 Jahre alte Verurteilte bereits seit vielen Jahren suchtmittelabhängig ist. Nach den im Urteil des Landgerichts Aurich vom 26. Mai 2017 getroffenen Feststellungen konsumiert er seit seiner Jugend Alkohol und Cannabis. In den Stellungnahmen des Maßregelvollzugszentrums B. ist jeweils ausgeführt, dass bei dem Verurteilten eine Polytoxikomanie (ICD-10: F19.21) mit den Hauptsuchtmitteln Opiate und Alkohol bestehe sowie dass er an einem generalisierten Krampfleiden/epileptischen Anfällen (ICD.10: G40.4) leide. Den Feststellungen der Anlassverurteilung lässt sich entnehmen, dass der Verurteilte Marihuana zumindest auch konsumiert, um die Krampfanfälle einzudämmen.

Vor diesem Hintergrund ist zu bedenken, dass Rückfälle in den Suchtmittelkonsum nicht gänzlich abwegig sind und nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Therapie gescheitert ist und der Verurteilte sich mit seiner Drogenabhängigkeit abgefunden hat. Bei der Beurteilung des Unterbringungsverlaufs ist hier ganz wesentlich von Bedeutung, dass sich der Verurteilte seit dem 15. Dezember 2017 im Maßregelvollzugszentrum B. befindet und der Unterbringungsverlauf bis Anfang Februar 2019, also deutlich mehr als ein Jahr, positiv war. So hat das Maßregelvollzugszentrum B. mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Aurich den Verurteilten schnell in den halboffenen sowie dann in den offenen Vollzug verlegt und ihm weitreichende Lockerungen in Form von Beurlaubungen gewährt, die jeweils ohne Beanstandungen und absprachegemäß verlaufen sind. Die häufig und in unregelmäßigen Zeitabständen durchgeführten Suchtmittelkontrollen hätten bis März 2019 keinen Hinweis auf Rauschmittelkonsum ergeben. Insoweit kann festgestellt werden, dass der Verurteilte über die Dauer von 14 Monaten in der Lage war, abstinent zu leben und Regelverstöße auch nicht bekannt wurden.

Wie sich der weiteren, an die Staatsanwaltschaft Aurich gerichteten Stellungnahme des Maßregelvollzugszentrums vom 24. Mai 2019 mit der Bitte um Zustimmung zu geplanten Lockerungen (Probewohnen) entnehmen lässt, hat der Verurteilte seinen Rückfall aus März 2019 umfassend und zufriedenstellend aufgearbeitet. Er hat regelmäßig an den ihm angebotenen therapeutischen Angeboten teilgenommen und seine im April 2019 aufgenommene ehrenamtliche Tätigkeit zuverlässig und gewissenhaft ausgeübt.

Dass nunmehr das Entweichen und der erneute Suchtmittelkonsum des Verurteilten im Juli 2019 seine Therapiebereitschaft grundsätzlich in Frage stellt, hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht nicht angenommen, sondern dies nachvollziehbar als vorübergehende Krise, begründet in dem Fremdgehen der Ehefrau, gewertet. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der Verurteilte nach Beginn des Probewohnens bereits fünf mehrtägige Beurlaubungen zu seiner Ehefrau beanstandungsfrei absolviert hat, bevor er aus dem sechsten Urlaub nicht zurückgekehrt ist, nicht zu beanstanden. Warum sich in der Einrichtung keinerlei Kleidung des Verurteilten mehr befunden hat, hat er nachvollziehbar erklärt; zumindest lässt dieser Umstand nicht den zwingenden Schluss darauf zu, dass die Flucht von langer Hand geplant gewesen ist. Hinzu kommt, dass der Verurteilte offenbar während seiner länger als zwei Wochen währenden Flucht - trotz Suchtmittelkonsums - keine neuen Straftaten begangen hat.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 StPO.