Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.03.2020, Az.: 1 Ws 47/20

Lange Verfahrensverzögerung nicht durch angespannte Terminslage des Verteidigers gerechtfertigt

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
25.03.2020
Aktenzeichen
1 Ws 47/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 21264
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0325.1WS47.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 19.12.2019 - AZ: 8 KLs 60/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen findet grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn die Untersuchungshaft nicht vollzogen wird und lediglich Überhaft notiert ist. Allerdings erfährt das Beschleunigungsgebot in solchen Fällen wegen der geringeren Eingriffsintensität eine Abschwächung.

  2. 2.

    Der Grad dieser Abschwächung richtet sich stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Entscheidend ist insoweit, in welchem Maße der Gefangene in der Strafhaft Beschränkungen nach § 119 StPO unterliegt und ob die Überhaftnotierung der ansonsten denkbaren Unterbringung im offenen Vollzug und/oder der Gewährung von Lockerungen entgegensteht.

  3. 3.

    Der Verweis auf die angespannte Terminslage der Verteidiger eines Angeklagten in Untersuchungshaft kann allenfalls eine kurzfristige Verzögerung des Verfahrensfortgangs rechtfertigen. Denn das Recht eines Angeklagten, sich von einem Anwalt seines Vertrauens vertreten zu lassen, gilt nicht uneingeschränkt, sondern kann durch wichtige Gründe begrenzt sein. Ein solcher Grund kann in bestimmten Situationen auch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sein.

  4. 4.

    Das Hinausschieben der Hauptverhandlung wegen Terminsschwierigkeiten der Verteidiger ist infolgedessen kein verfahrensimmanenter Umstand, der eine Verzögerung von mehreren Monaten rechtfertigen könnte. Vielmehr muss zwischen dem Recht eines Angeklagten, in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, und seinem Recht, dass die Untersuchungshaft nicht länger als unbedingt nötig andauert, sorgsam abgewogen werden. Dabei hat auf Grund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) das Recht des Angeklagten auf Aburteilung binnen angemessener Frist regelmäßig Vorrang.

  5. 5.

    Die Aussetzung der Hauptverhandlung in einer (Über-)Haftsache "zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus" ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn sie ohne jegliche Begründung ergeht und der erneute Verhandlungsbeginn ungewiss ist. Der Schutz der Gesundheit der Verfahrensbeteiligten und Dritter kann gegenüber dem Recht des Angeklagten auf Aburteilung binnen angemessener Frist vielmehr nur dann überwiegen, wenn die Aussetzung der Hauptverhandlung tatsächlich erforderlich ist, weil ihre Fortführung auch unter Schutzvorkehrungen nicht verantwortbar wäre.

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 11. Februar 2020 werden der Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2019 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. April 2019 aufgehoben.

  2. 2.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

Das Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg. Die Fortdauer der als Überhaft notierten Untersuchungshaft ist nicht mehr verhältnismäßig.

I.

Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch: der Angeklagte) verbüßt derzeit aufgrund des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 27. Juni 2017 (Az.: 8 KLs 13/17) in der Justizvollzugsanstalt Celle eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten (Bl. 168 f. Bd. I d. SH "Haftbeschwerde ./. A", im Folgenden: d. SH).

Am 4. April 2019 hat das Amtsgericht Braunschweig (Az.: 7 Gs 768/19, Bl. 199-205 Bd. I d. SH) gegen den Angeklagten einen auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr sowie subsidiär auch den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl erlassen, der ihm am 9. April 2019 verkündet wurde. Aufgrund dieses Haftbefehls ist für den Angeklagten Untersuchungshaft als Überhaft notiert.

Mit dem vorgenannten Haftbefehl werden dem Angeklagten 14 Fälle des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erpressung, sowie weitere 9 Fälle des gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, begangen in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel zwischen dem 1. Juni 2018 und dem 18. März 2019,

zur Last gelegt. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe sich jedenfalls seit Juni 2018 mit den gesondert Verfolgten B, C und D zusammengeschlossen, um innerhalb der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, in welcher er sich zu dieser Zeit im Strafvollzug befand, Haschisch, Subutex und synthetische Cannabinoide an Mitinhaftierte zum gewinnbringenden Preis weiterzuverkaufen und sich so eine Einnahmequelle von einiger Dauer und Erheblichkeit zu verschaffen. Während der Beschwerdeführer das Verbringen der synthetischen Cannabinoide durch das Aufträufeln auf Haftpostbriefe und der weiteren Betäubungsmittel durch gezielte Mauerüberwürfe oder durch das Einschmuggeln durch Freigänger aus Haus III der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel veranlasst sowie die Betäubungsmittel selbst an Mitinhaftierte verkauft habe, sei C oftmals der Adressat der Postlieferungen in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel gewesen. Ferner hätten C und B die zuvor von dem Beschwerdeführer erhaltenen Betäubungsmittel an Mitinhaftierte verkauft und die Schulden aus den Betäubungsmittelverkäufen - auch für den Beschwerdeführer - eingetrieben. B habe zudem für die Lagerung der Betäubungsmittelvorräte in der Großküche der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel gesorgt. D habe schließlich außerhalb der Justizvollzugsanstalt die Überwachung und Verwaltung der aus den Betäubungsmittelverkäufen erzielten Gelder wahrgenommen. Die Bezahlungen der Betäubungsmittelverkäufe seien oftmals entweder durch die Abgabe der monatlichen Einkäufe der Mitinhaftierten beglichen oder bei höheren Schulden durch Zahlungen von Angehörigen der mitinhaftierten Abnehmer via Ankauf von Paysafe-Karten oder mittels Überweisungen auf die Konten von D sowie deren Mutter, E oder deren Freundinnen F und G beglichen worden. Die gesamte Koordination der Zahlungen sei durch D nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. April 2019 (Az.: 7 Gs 768/19, Bl. 199-205 Bd. I d. SH) verwiesen.

Die Zuständigkeit für die im Vollzug der Untersuchungshaft zu treffenden Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen übertrug das Amtsgericht Braunschweig durch Beschluss vom 9. April 2019 (Bl. 2 SH Haftkontrolle A, im Folgenden: SH Haftkontrolle) bis zur Erhebung der öffentlichen Klage gemäß § 134 Abs. 3 NJVollzG auf die Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Aufgrund der Verdunkelungsgefahr wurden verschiedene Beschränkungen während der Untersuchungshaft gemäß § 119 StPO gegen den Beschwerdeführer angeordnet. Unter dem 17. April 2019 lehnte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Genehmigung der Teilnahme an Veranstaltungen mit Strafgefangenen und ehrenamtlichen Mitarbeitern, der Teilnahme am Gottesdienst gemeinsam mit Strafgefangenen und ehrenamtlichen Mitarbeitern und der Teilnahme an Sportveranstaltungen gemeinsam mit Strafgefangenen ab. Zugleich wurden allgemeine unüberwachte Besuche, unüberwachter Schriftverkehr und eine allgemeine Telefonerlaubnis (auch in der Muttersprache) versagt und die Verhinderung von Kontakten zu den Mitangeklagten B, C. und der Ehefrau des Beschwerdeführers, D, angeordnet (Bl. 28 SH Haftkontrolle). Darüber hinaus ordnete die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Einzelhaft für den Angeklagten an.

Besuchserlaubnisse wurden während des gesamten Verfahrens nur unter der Bedingung erteilt, dass die Gespräche in deutscher Sprache zu führen seien und eine Überwachung durch Beamte der ZKI Braunschweig zu erfolgen habe. Beantragte Besuchserlaubnisse für die Eltern sowie eine Schwester und einen Bruder des Beschwerdeführers wurden zunächst wegen des Verdachts der Tatbeteiligung in Form von Geldwäsche abgelehnt. Auch für weitere Personen - u.a. für einen Cousin des Angeklagten - wurden wegen des Verdachts der Tatbeteiligung Besuchserlaubnisse abgelehnt. Die Eltern des Beschwerdeführers erhielten schließlich am 17. Juni 2019 eine Besuchserlaubnis unter den vorgenannten Bedingungen. Telefonerlaubnisse wurden nur für Gespräche mit bevollmächtigten Rechtsanwälten erteilt.

Unter dem 31. Juli 2019 erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den Beschwerdeführer sowie die mutmaßlichen Mittäter / Bandenmitglieder B, C und D Anklage zum Landgericht Braunschweig wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 17 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Erpressung sowie wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 11 Fällen, räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bestechung (Bl. 2-154 Bd. I d. SH). Auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 wird verwiesen.

Mit der Abschlussverfügung vom 31. Juli 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Aufhebung der Isolationshaft und teilte diese der Justizvollzugsanstalt Celle mit; zugleich wies sie darauf hin, dass hiervon sämtliche im Rahmen der Untersuchungshaft angeordneten Beschränkungen nicht berührt und fortdauern würden (Bl. 14 Bd. XX d.A.).

Der Beschwerdeführer, der bis zu diesem Zeitpunkt auf der Sicherheitsstation der Justizvollzugsanstalt Celle in Einzelhaft untergebracht war, wurde daraufhin am 6. August 2019 in die dortige Untersuchungshaftabteilung verlegt. Am 20. September 2019 erfolgte dann aufgrund einer Sicherheitsverfügung der Justizvollzugsanstalt Celle vom selben Tage die erneute Verlegung des Beschwerdeführers auf die Sicherheitsstation und mithin in Einzelhaft. Ein hiergegen an das Landgericht Braunschweig - Strafkammer - gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Angeklagten blieb, ebenso wie seine anschließend dagegen eingelegte sofortige Beschwerde (1 Ws 1/20), erfolglos. Soweit hier bekannt, ist ein gegen die Sicherheitsverfügung der Justizvollzugsanstalt Celle an die gemäß § 110 StVollzG zuständige auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle gerichteter Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG noch anhängig.

Unter dem 8. August 2019 (Bl. 243 Bd. XX d.A.) und (inhaltsgleich) unter dem 28. August 2019 (Bl. 245 Bd. XX d.A.) aktualisierte das Landgericht die gerichtlichen Beschränkungen während der Untersuchungshaft dahingehend, dass nunmehr in Abweichung von der Anordnung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 17. April 2019 die Teilnahme am Gottesdienst gemeinsam mit Strafgefangenen und ehrenamtlichen Mitarbeitern genehmigt wurde und insgesamt die akustische Überwachung von Besuchen angeordnet wurde. Darüber hinaus wurde nunmehr auch die Zustimmung zu Ausführungen entzogen.

In der Folgezeit erhielten dann auch Personen, zu denen kein Verwandtschaftsverhältnis ersichtlich ist, eine Besuchserlaubnis (jeweils unter den vorgenannten Bedingungen). Am 28. November 2019 wurde ferner dem Vater des Beschwerdeführers wegen unzureichender Deutschkenntnisse die Erlaubnis erteilt, die - weiterhin im Beisein des ZKI Braunschweig zu führenden - Gespräche unter Hinzuziehung eines Dolmetschers in arabischer Sprache zu führen. Eine Erlaubnis für in deutscher Sprache im Beisein eines Beamten der ZKI Braunschweig zu führende Gespräche mit seiner Mutter erhielt der Beschwerdeführer am 13. Februar 2020. Weitere Telefonerlaubnisse wurden nicht erteilt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers, die Mitangeklagte D, erhielt am 21. Februar 2020 eine Besuchserlaubnis, wobei auch insoweit die Überwachung der in deutscher Sprache zu führenden Gespräche durch die ZKI Braunschweig und zusätzlich die Beschränkung des persönlichen Kontaktes durch eine Trennscheibe angeordnet wurde.

Nach Eingang der Anklage bemühte sich die zuständige 8. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig um zeitnahe Terminierung. Mit Verfügung vom 5. September 2019 (Bl. 210 Bd. I d. SH) teilte die Vorsitzende gegenüber den Verteidigern aller Angeklagten mit, es sei beabsichtigt, in Kürze über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden, weshalb bereits Termine für die etwaige Hauptverhandlung abgestimmt werden sollen und um Mitteilung gebeten werde, an welchen Tagen in den Monaten Oktober 2019 bis April 2020 die Verteidiger verhindert seien. Mit Verfügung vom 11. September 2019 (Bl. 221 f. Bd. I d. SH) bat die Vorsitzende der 8. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig sodann um die Vormerkung von Hauptverhandlungsterminen ab dem 13. Januar 2020 bis einschließlich 29. April 2020. Eine frühere Terminierung sei nicht möglich, weil die Auswertung der Rückmeldungen der Verteidiger ergeben habe, dass es keine früheren Termine gebe, an denen alle Verteidiger bzw. betreffend den Angeklagten A zumindest einer seiner Verteidiger teilnehmen könnten. Beispielhaft werde insoweit mitgeteilt, dass Rechtsanwalt V. (Anm.: Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers) im Oktober an 20 von 21 denkbaren Verhandlungstagen, im November 2019 an 19 von 21 denkbaren Verhandlungstagen und im Dezember 2019 vollständig verhindert sei. Rechtsanwalt Z. (Anm.: Pflichtverteidiger des Angeklagten C) sei im Oktober 2019 an 18 von denkbaren 21 Verhandlungstagen und im November 2019 an 16 von 21 denkbaren Verhandlungstagen verhindert. Rechtsanwalt N. als Verteidiger der Angeklagten D habe für Oktober 2019 lediglich den 25. und 31. Oktober 2019 - welcher in Niedersachsen ein gesetzlicher Feiertag sei und deshalb als Verhandlungstag ausscheide - als mögliche Verhandlungstage angeboten. Am 25. Oktober 2019 könne aber wegen Verhinderung von Rechtsanwalt Z. nicht verhandelt werden. Wegen der Einzelheiten der Mitteilungen der Verteidiger zu ihrer terminlichen Verhinderung wird auf die entsprechenden Verteidigerschreiben (Bl. 211-220 Bd. I SH Haftbeschwerde) verwiesen.

Einem Begehren des Angeklagten, ihm einen eigenen Laptop zur Einsichtnahme in die elektronischen Verfahrensakten zu überlassen, wurde im Oktober 2019 dahingehend entsprochen, dass ihm durch die JVA Celle ein nicht internetfähiger Laptop zur entsprechenden Einsichtnahme überlassen wurde (Bl. 190 Bd. XXI d.A.)

Die - ebenfalls als Überhaft notierten - Haftbefehle des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. April 2019 gegen die Angeklagten B und C hob das Landgericht Braunschweig mit Beschlüssen vom 14. Oktober 2019 (Bl. 108-110 und Bl. 111-113 Bd. XII d.A.) auf, weil Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorliege. Den die Angeklagte D betreffenden Haftbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 3. April 2019 hob das Landgericht Braunschweig im Rahmen eines Termins zur mündlichen Haftprüfung mit Beschluss vom 25. September 2019 insoweit auf, als er sich auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr stütze und setzt ihn im Übrigen gegen Auflagen außer Vollzug (Bl. 23 Bd. XXI d.A.).

Im weiteren Verlauf des Zwischenverfahrens teilte das Landgerichts mit Verfügung vom 29. November 2019 (Bl. 194 Bd. XXI d.A.) mit, dass aufgrund eines Wechsels in der Kammerbesetzung die Termine am 13., 16., 27. und 28. Januar 2020 entfallen müssten und der Prozess voraussichtlich am 30. Januar 2020 beginnen werde.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 29. November 2019 beantragte der Beschwerdeführer, aufgrund der vorgenannten Mitteilung über die Terminverschiebung den Haftbefehl wegen Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes aufzuheben (Bl. 155 d. SH).

Diesen Antrag wies das Landgericht Braunschweig durch Beschluss vom 10. Dezember 2019 (Bl. 160-162 d. SH) zurück und beschloss zugleich die Aufrechterhaltung des Haftbefehls des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. April 2019.

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2019 hat das Landgericht Braunschweig die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und den Haftbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 4. April 2019 (Az. 7 Gs 768/19) erneut aufrechterhalten (Bl. 163 Bd. I d. SH). Die Neufassung des Haftbefehls nach Maßgabe der Anklageschrift auf den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hin ist nicht erfolgt. Eine Begründung enthält die Haftfortdauerentscheidung vom 19. Dezember 2019 auch nicht.

Die Hauptverhandlung wurde für die Zeit ab dem 30. Januar 2020 bis zunächst 17. Juni 2020 terminiert. Wegen der Einzelheiten der anberaumten Termine wird auf Bl. 165 Bd. I d. SH verwiesen.

Eine gegen die Haftentscheidung des Landgerichts Braunschweig vom 10. Dezember 2019 gerichtete Beschwerde des Angeklagten vom 3. Januar 2020 verwarf der Senat mit Beschluss vom 28. Januar 2020 (Bl. 182 ff. Bd. I d. SH) als unzulässig.

Am 30. Januar 2020 begann die Hauptverhandlung.

Mit Schreiben seines Verteidigers vom 11. Februar 2020 (Bl 185 ff. Bd. I d. SH) hat der Angeklagte Beschwerde gegen den (Eröffnungs-)Beschluss vom 19. Dezember 2019, soweit mit diesem der Haftbefehl vom 4. April 2019 (7 Gs 768/19) aufrechterhalten wurde, erhoben. Zur Begründung des Rechtsmittels führt er aus, es lägen keine Haftgründe (mehr) vor. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr scheide aus, weil die Ermittlungen abgeschlossen, Anklage erhoben, das Hauptverfahren eröffnet sei und die Hauptverhandlung sowie die Beweisaufnahme begonnen hätten. Ein Großteil der Beweisführung werde auf der Grundlage abgehörter Telefon- und Raumgespräche erfolgen, so dass etwaige Verdunkelungsansinnen ohnehin aussichtslos seien. Hinsichtlich des Vorwurfs einer räuberischen Erpressung eines U habe die bereits erfolgte Beweisaufnahme ergeben, dass der Vorwurf zu Unrecht erhoben sei. Hinsichtlich einer angeblichen räuberischen Erpressung des V stehe dessen Vernehmung vor der Kammer unmittelbar bevor. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr verliere gemäß § 122a StPO spätestens am 3. April 2020 seine Gültigkeit.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ist mit Verfügung vom 13. Februar 2020 der Beschwerde des Angeklagten gegen die Haftfortdauerentscheidung vom 19. Dezember 2019 entgegengetreten.

Das Landgericht Braunschweig hat der Beschwerde des Angeklagten durch Beschluss vom 13. Februar 2020 (Bl. 188-192 Bd. I d. SH) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung führte es aus, der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr bestehe fort. Im weiteren Verlauf der bis Juli 2020 geplanten Hauptverhandlung stehe noch die Vernehmung einer Vielzahl mutmaßlicher Abnehmer des Angeklagten als Zeugen an, so beispielsweise der Zeugen H, J und K. Ferner seien die Zeuginnen G, E und F zu vernehmen, die ihre Konten für die Entgegennahme von Bezahlungen aus den Betäubungsmittelgeschäften der Angeklagten zur Verfügung gestellt haben sollen. Durch den Angeklagten seien auch mit großer Wahrscheinlichkeit Verdunkelungshandlungen zu erwarten, indem er - wie bereits am 18. Juni 2018 bei einer vermeintlichen Straftat seiner Brüder L und M geschehen - entweder direkt oder über Dritte auf die noch zu vernehmenden Zeugen einwirke. Zudem bestünden dringende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte während des Strafvollzugs über einen längeren Zeitraum Zugriff auf eine Vielzahl von Mobiltelefonen gehabt habe, mit welchen er ohne wesentliche Einschränkungen Kontakt zu Personen außerhalb des Vollzugs gehabt habe. Die Anordnung der Untersuchungshaft sei angesichts der dem Angeklagten zur Last gelegten erheblichen Straftaten auch unter Berücksichtigung der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft nach wie vor verhältnismäßig. Der eine sechseinhalbjährige Haftstrafe verbüßende Angeklagte habe aktuell weder Vollzugslockerungen noch eine Verlegung in den offenen Vollzug zu erwarten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Kammer den Verteidigern bereits im Oktober, November und Dezember 2019 eine Vielzahl von Terminen angeboten hätte, an denen die Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden könne. Gleichwohl habe Rechtsanwalt V. als Pflichtverteidiger des Angeklagten im Oktober nur an einem von 21 angebotenen Terminen, im November an 2 von 21 denkbaren Verhandlungstagen und im Dezember 2019 gar nicht zur Durchführung der Hauptverhandlung zur Verfügung gestanden. Die Hauptverhandlung habe deshalb unter Beachtung der Fristen des § 229 Abs. 1 StPO nicht vor dem 13. Januar 2020 durchgeführt werden können. Diese auf einem Verteidigerverhalten beruhende Verfahrensverzögerung sei der Justiz nicht anzulasten. Die weitere Verfahrensverzögerung aufgrund einer personellen Veränderung in der Kammer betrage lediglich zweieinhalb Wochen. Die besonders einschneidenden Haftbedingungen durch die fortdauernde Isolationshaft des Angeklagten seien durch die Kammer nicht angeordnet, sondern erfolgten im Rahmen des Strafvollzugs.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 20. Februar 2020 das SH Haftbeschwerde A vorgelegt.

Dem Sonderheft beigefügt wurde eine CD, die ausweislich des beigefügten Schreibens vom 19. Februar 2020 (Bl. 5 Bd. II des SH Haftbeschwerde) ein elektronisches Doppel der vollständigen Ermittlungsakten enthalte. Das zum Öffnen des elektronischen Aktendoppels erforderliche Passwort hat die Generalstaatsanwaltschaft auf Anforderung des Senates nachgereicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde des Angeklagten gegen die Haftfortdauerentscheidung durch Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2019 als unbegründet zu verwerfen. Sie ist der Auffassung, der dringende Tatverdacht sowie die Haftgründe der Verdunkelungsgefahr und der Wiederholungsgefahr bestünden fort. Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls stünde zudem auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und den angesichts der Schwere der vorgeworfenen Taten zu erwartenden Rechtsfolgen. Das besondere Beschleunigungsgebot sei im bisherigen Verfahren hinreichend beachtet worden. Der insoweit geltende Maßstab für die Beurteilung des Gewichts von Verzögerungen und die Anforderungen an eine beschleunigte Verfahrensführung sei angesichts der geringeren Eingriffswirkung weniger streng, weil wegen der Vollstreckung von Strafhaft gegen den Beschwerdeführer der Haftbefehl lediglich als Überhaft notiert sei. Das Landgericht sei den Anforderungen an eine effiziente Verfahrensführung, soweit es ihm aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten möglich gewesen ist, gerecht geworden. Dass die Hauptverhandlung erst ab Mitte Januar terminiert werden konnte, beruhe auf der - auch im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht bestrittenen - Verhinderung der Verteidiger, insbesondere auch des Verteidigers des Angeklagten. Eine schuldhafte, vermeidbare Verfahrensverzögerung sei nicht erkennbar.

Bereits mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020 (Bl. 15 f. Bd. II d. SH), also vor Eingang des SH Haftbeschwerde, hat der Verteidiger P. das Beschwerdevorbringen weiter vertieft. Der Senat hat sämtlichen Verteidigern nach Eingang des Sonderheftes mit Verfügung vom 21. Februar 2020 unter Übersendung des Schreibens der Generalstaatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und deshalb mitgeteilt, dass der Senat frühestens am 2. März 2020 entscheiden werde.

Nachdem im Rahmen der vertieften Bearbeitung der Haftbeschwerde am 11. März 2020 aufgefallen war, dass das elektronische Aktendoppel mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 schließt, ersuchte der Senat zunächst die Generalstaatsanwaltschaft um Übersendung der fehlenden Aktenbestandteile. Diese erklärte, dass die vollständigen Akten dort nicht vorlägen und auch nicht vorgelegen hätten. Die daraufhin am 11. März 2020 beim Landgericht Braunschweig angeforderten fehlenden Aktenbestandteile gingen am 16. März 2020 beim Oberlandesgericht ein.

Mit Beschluss vom 17. März 2020 setzte das Landgericht die Hauptverhandlung zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus aus. Eine weitere Begründung enthält die Aussetzungsentscheidung nicht. Einer Pressemitteilung des Landgerichts Braunschweig hierzu ist zu entnehmen, dass zurzeit nicht absehbar sei, wann der neue Prozessbeginn sein werde. Die Angeklagten befänden sich entweder in Freiheit oder in Strafhaft in anderer Sache.

Die Entscheidung über die Verfahrensaussetzung wurde dem Senat auf Anforderung am 18. März 2020 übersandt. Am 19. März 2020 übersandte das Landgericht ferner Anträge der Rechtsanwälte S. und P. vom 16. März 2020 auf Aufhebung der Verhandlungstermine für eine Woche bzw. Aussetzung der Hauptverhandlung. Insoweit wird auf die genannten Verteidigerschreiben (Bl. 28-34 Bd. II d. SH Haftbeschwerde) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 304 Abs. 1 StPO), formgerecht angebracht (§ 306 Abs. 1 StPO) und auch sonst zulässig.

Dem Rechtsmittel kann auch in der Sache der Erfolg nicht versagt werden. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen unverhältnismäßig. Denn das Landgericht hat es unterlassen, zeitnah nach Eingang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden und mit der Durchführung der Hauptverhandlung zu beginnen.

1.

Allerdings ist der Angeklagte nach dem Ergebnis der Ermittlungen der in dem Haftbefehl vom 4. April 2019 bezeichneten Taten - mit Ausnahme der Tat zu Ziffer 7 - aus den dort sowie in der Anklageschrift vom 31. Juli 2019 dargelegten Gründen dringend verdächtig. In Bezug auf den im Haftbefehl unter Ziffer 7 angeführten Vorwurfs, am 11. Januar 2019 gegen 16:35 Uhr dem gesondert Verfolgten O 20 Konsumeinheiten synthetische Cannabinoide für 100 € verkauft zu haben, wobei die Bezahlung durch die Tante des O erfolgt sei, kann ein dringender Tatverdacht dagegen nicht mehr angenommen werden. Denn diesbezüglich haben die weiteren Ermittlungen ergeben, dass der Angeklagte am 11. Januar 2019 um 16:35 Uhr nicht an den Gefangenen O, sondern an einen T verkauft habe. Insoweit wird auf den Vermerk zu Ziffer 7. a) der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 (Bl. 1 f. Bd. XX d.A.) sowie das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zu dem Anklagevorwurf zu Ziffer I.7. verwiesen (Bl. 25, 69 ff. Bd. XX d.A.). Da - entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft - eine Neufassung des Haftbefehls nach Maßgabe der Anklageschrift nicht erfolgt ist, kann der Tatvorwurf zu Ziffer 7 des Haftbefehls nicht aufrechterhalten bleiben.

2.

Mit der im Haftbefehl vom 4. April 2019 und der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts Braunschweig vom 13. Februar 2020 angeführten Begründung kann auch der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr weiterhin angenommen werden. Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 20. Februar 2020 Bezug genommen.

Vor dem Hintergrund des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens merkt der Senat ferner in Bezug auf den subsidiären Haftgrund der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) an, dass die Jahresfrist des 122a StPO hier nicht zum Tragen kommt. Denn schon wegen der Subsidiarität des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr handelt es sich nicht um den Vollzug von Untersuchungshaft aufgrund dieses Haftgrundes. Vielmehr beruht die Untersuchungshaftanordnung tragend nur auf dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr. In einem solchen Fall findet § 122a StPO aber keine Anwendung (vgl. Schultheis in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 122a Rn. 3). Vielmehr würde die Jahresfrist des § 122a StPO erst bei Entfallen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr und Fortdauer der Untersuchungshaft aufgrund von Wiederholungsgefahr beginnen (Karlsruher Kommentar zur StPO, a.a.O.).

3.

Die weitere - wenn auch bislang nicht vollzogene - Untersuchungshaft - ist vor dem Hintergrund der eingetretenen Verfahrensverzögerungen aber unverhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das Landgericht hat es unterlassen, nach dem am 6. August 2019 erfolgten Eingang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 zeitnah über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden und mit der Durchführung der Hauptverhandlung zu beginnen. Diese Verzögerung kann auch nicht in den Verantwortungsbereich der Verteidiger verwiesen werden, weil das Landgericht auf deren terminliche Verhinderung nicht sachgerecht reagiert hat.

a.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit ein verfassungsrechtliches Beschleunigungsgebot in Haftsachen. Sowohl bei der Anordnung als auch der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden und in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich normierten Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig Verurteilten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (st. Rspr. des BVerfG, vgl. statt vieler: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 46 m.w.N., zitiert nach juris).

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 47, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 55, juris; vgl. auch bereits BVerfGE 20, 45, 49 f [BVerfG 03.05.1966 - 1 BvR 58/66]). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 47, juris, m.w.N.).

Im Rahmen der von den Gerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 37; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 56).

Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 - Rn. 48, m.w.N.).

Der Beschleunigungsgrundsatz beansprucht dabei auch für das Zwischenverfahren nach den §§ 199 ff. StPO Geltung. So ist nach Anklageerhebung bei Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen und im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen (st. Rspr. des BVerfG: Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2781/10 -, Rn. 15; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, Rn. 43; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 -, Rn. 21; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2017 - 2 BvR 2552/17 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2018 - 2 BvR 819/18 -, Rn. 28, 37; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2018 - 2 BvR 1258/18 -, Rn. 25; Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 49; jeweils zitiert nach juris).

Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben. Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen indes regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 51, juris). Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 51; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2018 - 2 BvR 819/18 -, Rn. 29; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 58; jeweils zitiert nach juris).

Der Verweis auf die angespannte Terminslage der Verteidiger eines Angeklagten in Untersuchungshaft kann allenfalls eine kurzfristige Verzögerung des Verfahrensfortgangs rechtfertigen. Zwischen dem Recht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, und seinem Recht, dass der Vollzug von Untersuchungshaft nicht länger als unbedingt nötig andauert, ist sorgsam abzuwägen. Die Terminslage der Verteidiger kann angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nur insoweit berücksichtigt werden, wie dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt. Das Hinausschieben der Hauptverhandlung wegen Terminsschwierigkeiten der Verteidiger ist infolgedessen kein verfahrensimmanenter Umstand, der eine Verzögerung von mehreren Monaten rechtfertigen könnte (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2007 - 2 BvR 2563/06 -, Rn. 37, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 53, juris).

Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen findet grundsätzlich ungeachtet der geringeren Eingriffswirkung auch dann Anwendung, wenn ein Haftbefehl - wie hier - wegen nach § 116b Satz 2 StPO vorrangig zu vollstreckender Strafhaft in anderer Sache nicht vollzogen wird und lediglich Überhaft notiert ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 -, Rn. 36; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 11. Februar 2020 - 1 Ws 20/20, Rn. 13; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Januar 2019 - 1 Ws 13/19, Rn. 19; KG Berlin, Beschluss vom 31. März 2017 - 5 Ws 81/17, Rn. 14; jeweils zitiert nach juris). Die notierte Überhaft stellt allein durch ihre bevorstehende, drohende Vollstreckung einen Grundrechtseingriff dar; sie ist deshalb auf das sachlich vertretbare Mindestmaß zu beschränken (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 -, Rn. 36, juris). Zudem unterliegen Gefangene in Strafhaft bei Notierung von Überhaft regelmäßig weiteren Freiheitsbeschränkungen, etwa, wenn haftgrundbezogene Beschränkungen nach § 119 StPO angeordnet sind. Sie sind vom offenen Vollzug und von Lockerungen ausgeschlossen, so dass es für sie oft praktisch nicht möglich ist, Tatsachen zu schaffen, die eine Reststrafenaussetzung hinsichtlich der verbüßten Freiheitsstrafe begründen könnten (KG Berlin, a.a.O.). Allerdings erfährt der Beschleunigungsgrundsatz dann, wenn der Haftbefehl nicht vollzogen wird und lediglich Überhaft notiert ist, eine Abschwächung (KG Berlin, a.a.O.). Wegen der geringeren Eingriffswirkung verschiebt sich der Maßstab für die Beurteilung des Gewichts von Verzögerungen und sind die Anforderungen an die beschleunigte Verfahrensführung weniger streng (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, a.a.O., Rn. 13; KG Berlin, a.a.O.). Ungeachtet dieser Abschwächung müssen aber die Zeiten, in denen der Haftbefehl nicht vollzogen wird, genutzt werden, um das Verfahren nachhaltig zu fördern und abzuschließen. Dabei ist auch stets im Blick zu behalten, in welchem Maße der Gefangene im konkreten Einzelfall in der Strafhaft Beschränkungen nach § 119 StPO unterliegt (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 21. Juli 2016 - 2 Ws 146/16 -, Rn. 33, juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. September 2002 - 2 BvR 1375/02 -, juris Rn. 19).

b.

Diesen von Verfassung wegen zu stellenden Anforderungen an eine beschleunigte Bearbeitung in Haftsachen ist das Landgericht mit der Behandlung des Verfahrens nach Eingang der - trotz des beachtlichen Umfangs des Verfahrens zügig erhobenen - Anklage nicht gerecht geworden. Vielmehr ist es bereits im Zwischenverfahren zu erheblichen, von dem Angeklagten nicht zu vertretenen und nicht durch in der Sache liegende Gründe gerechtfertigten Verfahrensverzögerungen gekommen, die auch unter Berücksichtigung der nur abgeschwächten Geltung des Beschleunigungsgebotes der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegenstehen.

(1)

Vorerst ist aber auch zu beanstanden, dass der Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2019 die verfassungsrechtlich gebotene Begründung gänzlich fehlt. Dieser Mangel wird zwar durch die Ausführungen der Kammer in der Nichtabhilfeentscheidung vom 13. Februar 2020, die zumindest Ausführungen zum weiteren Vorliegen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr enthält und die Gründe für die späte Terminierung enthält, in gewissem Maße relativiert. Auch insoweit fehlt allerdings jegliche Auseinandersetzung mit den dem Angeklagten im vorliegenden Verfahren auferlegten weitreichenden haftgrundbezogenen Beschränkungen nach § 119 StPO, obgleich diese für die Beurteilung der gebotenen Verfahrensbeschleunigung maßgeblich sind. Vielmehr beschränken sich die Ausführungen der Kammer zu den den Angeklagten aufgrund der Untersuchungshaft treffenden Einschränkungen darauf, festzustellen, dass aktuell weder Vollzugslockerungen noch eine Verlegung in den offenen Vollzug zu erwarten sind.

Dass die Kammer das Gewicht der angeordneten Beschränkungen gemäß § 119 StPO nicht erkannt hat, ergibt sich im Übrigen auch aus ihrer Haftfortdauerentscheidung vom 10. Dezember 2019; dort wird ausgeführt, den Angeschuldigten (Anm.: jetzt Angeklagten) träfen zum jetzigen Zeitpunkt die Post- und die Besuchskontrolle und die Trennung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen als belastende Maßnahmen, die üblicherweise mit der Untersuchungshaft einhergingen (Bl. 162 Bd. I d. SH Haftbeschwerde). Insbesondere bei dem mit der vorgenannten Trennung einhergehenden Ausschluss des Beschwerdeführers von jeglichen Gemeinschaftsaktivitäten (mit Ausnahme der Teilnahme am Gottesdienst) einschließlich der Ausübung einer Beschäftigung handelt es sich jedoch mitnichten um eine stets im Rahmen von Untersuchungshaft erfolgende Maßnahme, sondern - offenkundig - um einen weitreichenden - den Besonderheiten der sich aus der mutmaßlichen Tatbegehung ergebenden Umstände geschuldeten - Grundrechtseingriff.

(2)

Das Verfahren ist nach Eingang der Anklageschrift beim Landgericht nicht in der durch das Gewicht des Freiheitseingriffs gebotenen Zügigkeit gefördert worden.

aa.

Wie bereits dargelegt, beurteilt sich die konkret gebotene Beschleunigung der Verfahrensbearbeitung in Überhaftsachen stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass zwar der Freiheitsentzug durch die Inhaftierung als solche nicht auf dem - nicht vollzogenen - Untersuchungshaftbefehl vom 4. April 2019 beruht; aufgrund der nach § 119 StPO angeordneten einschneidenden haftgrundbezogenen Beschränkungen kommt dem mit der Überhaftnotierung einhergehenden Grundrechtseingriff hier aber ein ganz erhebliches Gewicht zu.

Allerdings war - wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat - der Umstand, dass aufgrund der Überhaftnotierungen Lockerungen oder gar eine Verlegung in den offenen Vollzug ausscheiden, hier zu vernachlässigen. Denn angesichts dessen, dass das Ende der Strafvollstreckung gegen den Beschwerdeführer (erst) auf den 4. April 2025 notiert ist (vgl. Bl. 182 Bd. XXI d.A.), kommen derartige Maßnahmen in Bezug auf den Beschwerdeführer auf absehbare Zeit ohnehin nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war und ist vorliegend aufgrund der - nicht vollzogenen - Untersuchungshaft aber der unter I. dargelegten Vielzahl freiheitsbeschränkender Maßnahmen unterworfen. Nach wie vor ist es ihm gerichtlich untersagt, in der (Straf-) Haft einer Beschäftigung nachzugehen oder an Bildungsmaßnahmen sowie auch weiteren Beschäftigungsangeboten - insbesondere auch am Anstaltssport - gemeinsam mit Strafgefangenen teilzunehmen. Mag sich diese Beschränkung aufgrund der durch Sicherheitsverfügung der Justizvollzugsanstalt Celle vom 20. September 2019 angeordneten Einzelhaft zur Abwehr einer Gefahr für Sicherheit und Ordnung der Anstalt derzeit faktisch nicht auswirken, so gilt dies nicht für die weiteren fortgeltenden Beschränkungen nach § 119 StPO. Der Angeklagte darf nach wie vor nur im Beisein eines Ermittlungsbeamten der ZKI Braunschweig Besucher empfangen und die Gespräche auch - mit Ausnahme der Besuche seines Vaters - nur in deutscher Sprache führen. Hinzu kommt, dass Besuchserlaubnisse auch für enge Familienangehörige zunächst versagt wurden; seine als Mittäterin verdächtige Ehefrau erhielt erstmals im Februar 2020 eine Besuchserlaubnis. Telefonate darf der Beschwerdeführer bis heute allein mit seiner Mutter und dies auch nur im Beisein einer Ermittlungsperson der ZKI Braunschweig in deutscher Sprache führen. Hinzu kommt noch die andauernde Postkontrolle. Insgesamt ergeben sich mithin aus der Anordnung der Untersuchungshaft für den Beschwerdeführer hier schwerwiegende Einschränkungen, die auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken sind.

bb.

Den sich danach ergebenden Anforderungen an eine angemessene Verfahrensförderung im konkreten Fall wird die Verfahrensbearbeitung des Landgerichts bereits im Zwischenverfahren nicht gerecht.

Die Akten gingen am 6. August 2019 mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom 31. Juli 2019 beim Landgericht Braunschweig ein. Nachdem anschließend die unverzügliche Zustellung der Anklage an die Verteidiger des Beschwerdeführers und seiner Mitangeklagten erfolgte - an den Pflichtverteidiger des Beschwerdeführers am 12. August 2019 (Bl. 198 Bd. XX d.A.) -, folgte unter dem 6. September 2019 die Mitteilung der Vorsitzenden, es solle in Kürze über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden und daher bereits jetzt Termine für die etwaige Hauptverhandlung abgestimmt werden, weshalb um Mitteilung der Verhinderungen der Verteidiger in den Monaten Oktober 2019 bis April 2020 gebeten werde. Nach Auswertung der Rückmeldungen der Verteidiger bat die Vorsitzende diese sodann mit Verfügung vom 11. September 2019, für die etwaige Hauptverhandlung Termine ab dem 13. Januar 2020 bis einschließlich 29. April 2020 vorzumerken.

Weitere verfahrensfördernde Maßnahmen ergingen sodann bis zur - erst rund drei Monate später erfolgenden - Eröffnungsentscheidung am 19. Dezember 2019 und der zeitgleichen Terminierung der Hauptverhandlung ab dem 30. Januar 2020 nicht.

Die um rund drei Monate verzögerte Eröffnungsentscheidung der Kammer - sie sollte gemäß der Mitteilung vom 6. September in "Kürze" ergehen - sowie der um etwa denselben Zeitraum verzögerte Beginn der Hauptverhandlung - die Kammer hätte selbst ab Oktober 2019 verhandeln können - ergeben sich auch nicht etwa allein aus einem der Justiz nicht anzulastenden Verteidigerverhalten, sondern aus der nicht sachgerechten Reaktion der Kammer auf die Verhinderungsanzeigen der Verteidiger.

Zwar ist es richtig, dass ein gemeinsamer Verhandlungsbeginn mit allen vier im vorliegenden Verfahren angeklagten Personen und deren (damaligen) Verteidigern bereits im Oktober 2019 nicht möglich gewesen wäre. Ausweislich der Verhinderungsmitteilungen der Verteidiger des Beschwerdeführers dürfte aber eine Wahrnehmung von Hauptverhandlungsterminen ab Oktober 2019 zumindest durch einen der drei Verteidiger des Beschwerdeführers bei wechselnder Terminswahrnehmung möglich gewesen sein.

Nachdem die Kammer eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer offenbar für nicht sachgerecht gehalten hat - was in der vorliegenden Sache angesichts von Komplexität und Umfang des Verfahrens auch vertretbar erscheint -, wäre es angezeigt gewesen, zu versuchen, mit den verhinderten Verteidigern Einigkeit über die Wahrnehmung zumindest einzelner Termine durch Vertreter zu erzielen. Wäre auch dies nicht möglich gewesen, hätte eine Auswechselung der längerfristig verhinderten Verteidiger - dies dürfte in erster Linie Rechtsanwalt N. und Rechtsanwalt Z. sowie ggf. auch Rechtsanwalt V. betroffen haben - nahegelegen. Hieran wäre die Kammer auch rechtlich nicht gehindert gewesen.

Das Recht eines Angeklagten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens vertreten zu lassen, gilt nicht uneingeschränkt, sondern kann entsprechend den einfachgesetzlichen Vorschriften der §§ 142, 145 StPO durch wichtige Gründe begrenzt sein. Ein solcher Grund kann in bestimmten Konstellationen auch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sein (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2007 - 2 BvR 2563/06 -, Rn. 37, juris).

Es ist deshalb von vornherein verfehlt, bei der Terminierung jede Verhinderung eines Verteidigers zu berücksichtigen. Vielmehr muss zwischen dem Recht eines Angeklagten, in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, und seinem Recht, dass die Untersuchungshaft nicht länger als unbedingt nötig andauert, sorgsam abgewogen werden (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. Februar 2007 - 2 BvR 2563/06 -, Rn. 37, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 53, juris). Die Terminslage der Verteidiger kann angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) nur insoweit berücksichtigt werden, wie dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt. Denn die Alternative, den Beginn der Hauptverhandlung so weit hinauszuschieben, bis auch der zuletzt benannte Verteidiger uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist mit dem Beschleunigungsgebot ersichtlich nicht vereinbar (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 15. Februar 2007 und vom 18. Februar 2020, a.a.O.). Dies würde zu der auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht hinnehmbaren Situation führen, dass der Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen werden müsste, nur weil die von ihm gewählten Verteidiger für die Hauptverhandlung keine Zeit haben (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 29. Dezember 2005 - 40 HEs 37-41/05 -, Rn. 19. juris). Das Hinausschieben der Hauptverhandlung wegen Terminsschwierigkeiten der Verteidiger ist infolgedessen kein verfahrensimmanenter Umstand, der eine Verzögerung von mehreren Monaten rechtfertigen könnte. Vielmehr hat auf Grund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Zweifel das Recht des Angeklagten auf Aburteilung binnen angemessener Frist Vorrang (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 15. Februar 2007 und vom 18. Februar 2020, a.a.O.).

Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn nicht der Verteidiger des von der Untersuchungshaft betroffenen Angeklagten, sondern der Verteidiger eines Mitangeklagten auf längere Zeit verhindert ist und eine Abtrennung des Verfahrens wegen Komplexität und Umfang des Verfahrens nicht vertretbar erscheint.

Der Senat verkennt nicht, dass einem neu hinzutretenden Verteidiger angesichts des Umfangs des Verfahrens eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit zugebilligt hätte werden müssen. Selbst bei einem Vorlauf von einigen Wochen hätte bei einer Umbeiordnung oder der Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers (§ 144 StPO) Mitte / Ende September 2019 aber jedenfalls im November 2019 mit der Durchführung der Hauptverhandlung begonnen werden können. Dass ein Verteidiger mit den notwendigen freien Kapazitäten nicht verfügbar gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Bereits diese im Zwischenverfahren eingetretene Verfahrensverzögerung führt, auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Gesamtumstände, dazu, dass die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 4. April 2019 in der Fassung der Haftfortdauerentscheidung vom 19. Dezember 2019 unverhältnismäßig ist.

(3)

Ergänzend bleibt anzumerken, dass auch die weitere im Hauptverfahren eingetretene Verfahrensverzögerung der Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 4. April 2019 entgegenstehen.

Das Landgericht Braunschweig hat die am 30. Januar 2020 begonnene Hauptverhandlung durch Beschluss vom 17. März 2020 "zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus" ohne weitere Begründung ausgesetzt. Ein erneuter Prozessbeginn ist zurzeit nicht absehbar.

Damit ist eine weitere erhebliche Verfahrensverzögerung eingetreten, die aus den unter (2) aa. angeführten Gründen der Aufrechterhaltung des - nicht vollzogenen -Haftbefehls entgegensteht.

Die Aussetzungsentscheidung der Kammer lässt die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 4. April 2019 (in der Fassung der Haftfortdauerentscheidung vom 19. Dezember 2019) bereits deshalb als unverhältnismäßig erscheinen, weil sie jegliche Begründung vermissen lässt. Insbesondere lässt sich der Aussetzungsentscheidung nicht entnehmen, dass der Schutz der Gesundheit der Verfahrensbeteiligten diese Maßnahme tatsächlich erfordert und eine Fortführung der bereits fortgeschrittenen Hauptverhandlung auch bei denkbaren Schutzvorkehrungen - z.B. ein größerer Abstand zwischen den einzelnen Sitzplätzen der Verfahrensbeteiligten und das Tragen von Schutzkleidung für Wachtmeister - nicht möglich gewesen wäre (vgl. insoweit Beschluss des Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen vom 20. März 2020, Vf. 39-IV-20, juris, Rn. 23; keine Haftsache). Schließlich rechtfertigt die Verfahrensaussetzung auch nicht, dass Rechtsanwalt S. aufgrund seiner gesundheitlichen Situation sicherlich die weitere Teilnahme an der Hauptverhandlung derzeit nicht hätte zugemutet werden können. Denn der Beschwerdeführer hat noch zwei weitere Verteidiger, wobei jedenfalls in Bezug auf den erfahrenen Strafverteidiger V. ein besonders erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Infektion mit Covid-19 nicht zu erkennen ist.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.