Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 09.04.2020, Az.: 3 B 6/20
Anhaltspunkte, konkrete; Bekanntgabe, fehlende; Zugang, Bestreiten
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 09.04.2020
- Aktenzeichen
- 3 B 6/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71684
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 122 AO 1977
- § 169 AO 1977
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Rügt der Antragsteller die fehlende Bekanntgabe eines Leistungsbescheids, der vollstreckt werden soll, kommt vorläufiger Rechtsschutz nicht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, sondern durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO in Betracht.
2. Bestreitet der Adressat eines Verwaltungsakts den Zugang desselben, muss er den Nichterhalt des Schriftstücks nicht besonders substantiieren, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Erhalt vorliegen.
Tenor:
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Vollstreckungsmaßnahmen auf der Grundlage des Bescheids vom 11. Dezember 2014 vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 830,92 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin wegen einer Kostenforderung für die Herstellung eines Hausanschlusses an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation.
Der Antragsteller beantragte unter dem 20. Oktober 2014 die Herstellung eines Hausanschlusskanals an die öffentliche Entwässerungsanlage zur Ableitung von Schmutzwasser für das Grundstück mit der Bezeichnung C. in D.. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller Eigentümer des Grundstücks. Durch Bescheid vom 6. November 2014 genehmigte die Antragsgegnerin den beantragten Anschluss. Mit weiterem Bescheid vom 6. November 2014 setzte die Antragsgegnerin für die erteilte Genehmigung eine Gebühr in Höhe von 111,- EUR fest, die der Antragsteller bezahlt hat. Unter dem 24. November 2014 erfolgte die Abnahme des hergestellten Hausanschlusses durch die Antragsgegnerin. Mit weiterem Bescheid vom 11. Dezember 2014 zog die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer Kostenerstattung für die Aufwendungen zur Herstellung des Abwasseranschlusses für das Grundstück C., Gemarkung D., Flur E., Flurstück F. in Höhe von 2.110,68 EUR heran. Der Antragsteller zahlte auf diese Forderung nicht.
Unter dem 26. August 2019 mahnte die Gemeindekasse der Antragsgegnerin den Antragsteller. Mit dem Mahnschreiben wurden folgende Forderungen geltend gemacht: Kostenerstattung für den Hauswasser-Anschluss C. in Höhe von 2.110,68 EUR, Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 12. Dezember 2014 bis 26. August 2019 in Höhe von 1.197 EUR sowie öffentliche Gebühren/Auslagen in Höhe von 16,00 EUR, mithin ein Gesamtbetrag von 3.323,68 EUR. Der Antragsteller wurde ferner darauf hingewiesen, dass bei einem weiteren Zahlungsverzug bzw. bei Nichtbezahlung Mahngebühren, Säumniszuschläge, Verzugszinsen und anderen Gebühren die fehlenden Beträge durch kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahmen eingefordert würden.
Mit Anwaltsschreiben vom 27. September 2019 an die Antragsgegnerin teilte der Antragsteller mit, dass er keinen Bescheid über die angemahnten Kosten erhalten habe, zudem beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist und legte Rechtsmittel gegen den der Mahnung zugrundeliegenden Bescheid ein. Ferner beantragte er die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2019 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der Bescheid am 11. Dezember 2014 an ihn versandt worden sei und dieses Schreiben am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gelte, da das Schreiben nicht zurückgekommen sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde nicht gewährt.
Am 23. Januar 2020 erhob der Antragsteller Klage wegen „negativer Feststellung“ und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Er macht geltend, dass er den Bescheid vom 11. Dezember 2014 nicht erhalten habe. Nach seiner Kenntnis sei ein Wasseranschluss für das Objekt mit der Bezeichnung C. nicht bereitgestellt worden, jedenfalls nicht zu einem Zeitpunkt, in dem er Eigentümer gewesen sei. Der erfolgte Eigentumswechsel sei wohl auch der Grund dafür, dass ihm ein Festsetzungsbescheid nicht zugegangen sei. Dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beigefügt ist eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 8. Dezember 2019. In dieser heißt es unter anderem: „Einen Bescheid der Gemeinde G., in welchem eine Kostenerstattung für ein AW-Hausanschluss für die C. in Höhe von 2110,68 € festgesetzt wurde, habe ich nie erhalten und ist mir nie bekannt gegeben worden. Über diese angebliche Forderung habe ich erstmals durch die Mahnung vom 26. August 2019 erfahren. Ich habe die Immobilie C. 2018 an Frau H. verkauft. Der Abwasseranschluss sowohl für die I. wie auch die C. lief stets über das Haus I..“
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2014, in welchem die Antragsgegnerin die Kostenerstattung für einen Abwasseranschluss C. in Höhe von 2.110,68 € fordert, anzuordnen.
Die Antragsgegnerin ist diesem Antrag entgegengetreten, ohne einen ausdrücklichen Antrag gestellt zu haben. Sie erwidert: Der Antragsteller habe mit Datum vom 20. Oktober 2014 einen Antrag zur Herstellung eines neuen Anschlusses an das öffentliche Schmutzwasserkanalsystem für die Anschrift „C.“ gestellt. Der Antrag sei mit Schreiben vom 6. November 2014 genehmigt worden. Zudem sei mit Schreiben vom 6. November 2014 ein Gebührenbescheid in Höhe von 111,- € erfolgt. Dieses Schreiben scheine der Antragsteller erhalten zu haben, da er die Rechnungen beglichen habe. Dass der Antragsteller seine Immobilie „C.“ 2018 veräußert habe, entbinde ihn nicht von seiner Pflicht, die Kosten für den Abwasseranschluss aus dem Jahr 2014 zu begleichen, da er zu diesem Zeitpunkt Eigentümer des Grundstückes gewesen sei. Zu dem weiteren Schmutzwasserhausanschluss sei es gekommen, da das ursprüngliche Altgebäude auf dem Grundstück einem Brand zum Opfer gefallen sei und mit Datum vom 22. August 2013 eine Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelwohnhauses vom Landkreis J. erteilt worden sei. Beide Gebäudehälften sollten aufgrund des Antrages des Antragstellers unabhängig voneinander an die Kanalisation angeschlossen werden.
Den mit Beschluss vom 13. Februar 2020 durch den Berichterstatter vorgeschlagenen Vergleich gemäß § 106 Satz 2 VwGO hat der Antragsteller abgelehnt. Auf die gerichtliche Verfügung vom 6. März 2020 trug der Antragsteller ergänzend vor, dass die Antragsgegnerin über einen erheblichen Zeitraum ihre Forderung gegen ihn nicht betrieben habe und er nach nunmehr fast sechs Jahren vieles nicht mehr erinnere oder nur noch vage in Erinnerung habe. Bislang sei er tatsächlich davon ausgegangen, dass die mit der Antragsgegnerin geführte Korrespondenz, soweit er sie erhalten hat, auf die Adresse I. gerichtet gewesen sei. Hinsichtlich dieser Adresse sei es so gewesen, dass die Schmutzwasserentsorgung sowohl der Hausnummer K. wie auch der Hausnummer L. eben über die Hausnummer L. erfolgt sei. Dementsprechend sei er davon ausgegangen, dass er keinen Antrag auf Anschluss sowohl der einen wie auch der anderen Adresse an die Abwasserentsorgung gestellt habe. Dass sich die mit dem Mahnschreiben geltend gemachte Forderung auf einen Schmutzwasseranschluss für die C. bezogen habe, sei ihm nach fast sechs Jahren weder erinnerlich noch nachvollziehbar gewesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist unter Berücksichtigung seines gesamten Vorbringens, insbesondere seiner Klage- und Antragsbegründung, nach § 122 VwGO i. V. m. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die (vorläufige) Einstellung der Verwaltungsvollstreckung aus dem Bescheid vom 11. Dezember 2014 begehrt. Denn der Antragsteller macht geltend, dass ihm dieser Bescheid nicht bekannt gegeben und damit nicht wirksam sei. Nach seinem Vorbringen fehlt es gerade an einem vollziehbaren Verwaltungsakt als Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung. Rügt der Antragsteller wie hier die fehlende Bekanntgabe des Bescheids, kommt damit vorläufiger Rechtsschutz nicht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, sondern durch eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO in Betracht (vgl. Sächsisches OVG, Beschl. v. 14.12.2017 - 5 B 298/17 -, juris Rn. 8; ferner OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 11.5.2009 - 2 M 49/09 -, juris Rn. 9; zu der in der Hauptsache zu erhebenden Feststellungsklage vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1986 - 8 C 127.84 -, juris Rn. 16; ferner Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Stand: Oktober 2019, § 11 Rn. 69 m. w. N.). Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wäre im Übrigen auch deshalb nicht statthaft, weil der durch Bescheid vom 11. Dezember 2014 geltend gemachte Betrag für die Erstattung von Aufwendungen für die Herstellung eines Grundstücksanschlusses keine Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist. Die durch Bescheid vom 11. Dezember 2014 erfolgte Anforderung der Herstellungskosten für den (weiteren) Hausanschluss beruht auf § 8 NKAG i.V.m. § 11 der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung der Abgaben für die Abwasserbeseitigung (Schmutzwasser) vom 29. Januar 2001. Bei diesem Erstattungsanspruch handelt es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch und nicht um eine Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 20.8.1984 - 3 A 122/83 -, dng 1987, S. 62; ferner Urt. v. 18.9.2003 - 9 LB 92/03 -, NdsVBl. 2004 S. 244; ferner Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, a.a.O., § 8 Rn 9).
Der so verstandene Antrag des Antragstellers auf Erlass der einstweiligen Anordnung der vorläufigen Einstellung der Verwaltungsvollstreckung ist in der Form der Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Das Gericht kann eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass ein Anordnungsgrund und ein Anordnungsanspruch des Antragstellers bestehen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist hier der Fall.
Ein Anordnungsgrund ist gegeben, da die Antragsgegnerin mit dem Mahnschreiben vom 26. August 2019 kostenpflichtige Vollstreckungsmaßnahmen bei einem weiteren Zahlungsverzug bzw. bei Nichtbezahlung der geltend gemachten Forderungen angedroht hat.
Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsanspruch besteht. Ein solcher Anspruch besteht, weil die Voraussetzungen für die rechtmäßige Vollstreckung wegen der geltend gemachten Forderungen nach summarischer Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht bestehen. Es dürfte an der wirksamen Bekanntgabe eines Leistungsbescheids fehlen, der gemäß § 2 Abs. 1 NVwVG vollstreckt werden kann. Demzufolge können auch Nebenforderungen wie Säumniszuschläge, Zinsen und Kosten nicht gemäß § 3 Abs. 2 NVwVG zusammen mit der Hauptforderung vollstreckt werden. Dass der Bescheid vom 11. Dezember 2014 gegenüber dem Antragsteller nicht bekannt gegeben, damit auch nicht wirksam geworden sein dürfte und folglich nicht Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin sein kann, ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO - der für Bescheide über die Erstattung von Kosten für Haus- und Grundstücksanschlüsse nach den §§ 8 Satz 4, 11 Abs. 1 Nr. 3b) NKAG entsprechend gilt - gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Bestreitet der Adressat - wie hier der Antragsteller - den Zugang des Schriftstücks überhaupt, bedarf es keiner besonderen Substantiierungen des Nichterhalts des Schriftstücks, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für einen tatsächlichen Erhalt vorliegen (Nds. OVG, Beschl. v. 3.12.2018 - 9 LA 124/18 -, juris Rn 8, 9 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Für den Erhalt des Bescheids vom 11. Dezember 2014 dürfte zwar - wie in dem Vergleichsbeschluss gemäß § 106 Satz 2 VwGO vom 13. Februar 2020 zu dem Hauptsacheverfahren 3 A 13/20 ausgeführt - eine gewisse Wahrscheinlichkeit sprechen, denn die Antragsgegnerin hat einen Genehmigungsbescheid und einen Gebührenbescheid jeweils vom 6. November 2014 etwa einen Monat zuvor an den Antragsteller an die Adresse, an die auch der fragliche Bescheid vom 11. Dezember 2014 gerichtet gewesen ist, geschickt. Der Antragsteller hat diese Bescheide offensichtlich auch erhalten, da er die Gebühr für die Genehmigung des für die C. beantragten Hausanschlusses bezahlt hat. Gründe, warum der Genehmigungsbescheid und der Gebührenbescheid den Antragsteller erreicht haben, der streitgegenständliche Bescheid vom 11. Dezember 2014 hingegen nicht, sind nicht ersichtlich. Im Falle des Bestreitens des Zugangs des Schriftstücks überhaupt bedarf es allerdings - wie ausgeführt - konkreter Anhaltspunkte für den tatsächlichen Erhalt des in Frage stehenden Schriftstücks selbst, d. h. des Bescheids vom 11. Dezember 2014. Der Umstand, dass der Bescheid vom 11. Dezember 2014, der nach dem Vermerk auf dem Bescheidentwurf am 11. Dezember 2014 abgesandt worden ist, nicht zur Antragsgegnerin „zurückgelaufen" ist, lässt nicht auf einen tatsächlichen Zugang beim Antragsteller schließen, stellt mithin keinen konkreten Anhaltspunkt für den tatsächlichen Erhalt des Bescheids vom 11. Dezember 2014 dar (zur fehlenden Aussagekraft eines fehlenden Rücklaufs vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 3.12.2018 - 9 LA 124/18 -, juris Rn 9). Sonstige konkrete Anhaltspunkte für den Erhalt des Bescheids vom 11. Dezember 2014 vermag das Gericht - auch nach weiterer Ermittlung des Sachverhalts auf der Grundlage der gerichtlichen Verfügung vom 6. März 2020 nach dem Vergleichsvorschlag durch Beschluss vom 13. Februar 2020 - nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat über einen langen Zeitraum wegen der geltend gemachten Forderung für den Anschluss des Grundstücks C. keine Korrespondenz nach Erlass des Bescheids vom 11. Dezember 2014 geführt, insbesondere den Antragsteller nicht frühzeitig gemahnt. Schreiben zwischen den Beteiligten oder sonstige Vorgänge tatsächlicher Art, anhand derer geschlossen werden könnte, dass der Antragsteller nicht nur den Genehmigungsbescheid vom 6. November 2014 und den Gebührenbescheid vom 6. November 2014, sondern auch den zeitlich nachgehenden Bescheid vom 11. Dezember 2014 erhalten hat, bestehen daher nicht bzw. sind dem Gericht nicht bekannt. Auch wenn nicht überzeugend ist, dass der Antragsteller nicht erkannt haben will, dass sowohl die Hausnummer 3 als auch die Hausnummer L. der M. seinerzeit an die Abwasserentsorgung angeschlossen worden sind, verbleiben (Rest-) Zweifel am tatsächlichen Zugang des Bescheids vom 11. Dezember 2014 betreffend den Hausanschluss für die N.. Diese verbleibenden Zweifel gehen nach der Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zu Lasten der Antragsgegnerin.
Aus der gemäß §§ 8 Satz 4, 11 Abs. 3 NKAG sinngemäß anwendbaren Vorschrift des § 169 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach die Frist zur Festsetzung einer Steuer gewahrt ist, wenn der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat, folgt nicht, dass bei rechtzeitiger Absendung des Bescheids die wirksame Bekanntgabe eines Abgabenbescheids ersetzt wird (vgl. dazu Klein, Kommentar zur AO, 14. Aufl. § 169 Rn 39). § 169 Abs. 1 Satz 3 AO entbindet die Behörde nur davon, den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Ein Verzicht auf eine wirksame Bekanntgabe kann daraus nicht abgeleitet werden (Sächsisches OVG, Beschl. v. 18.5.2015 – 3 B 96/14 -, juris Rn. 6). Demzufolge verbleibt es trotz der erfolgten rechtzeitigen Absendung des Bescheids vom 11. Dezember 2014 bei der Beweislast der Antragsgegnerin hinsichtlich des tatsächlichen Zugangs dieses Schreibens bei dem Antragsteller.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Nach Ziffer 1.7.1 Satz 1 Halbsatz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) beträgt der Streitwert in selbstständigen Vollstreckungsverfahren ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache, wenn es – wie hier – nicht um die Festsetzung eines Zwangsgelds oder um eine Ersatzvornahme geht. Dementsprechend beläuft sich der Streitwert auf ein Viertel von 3.323,68 EUR (die Vollstreckung wurde wegen einer Gesamtforderung in dieser Höhe angekündigt), also auf 830,92 EUR. Eine weitere Reduzierung gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs findet trotz der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.10.2019 - 9 ME 390/19 -, n.v.).