Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.11.2000, Az.: L 3/5 KA 15/98

Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung zum Betrieb einer Zahnarztpraxis; Betrieb einer Zweigstelle einer Arztpraxis in einem Wohnstift; Ausreichende Bestimmtheit einer Verfügung; Einschränkung der Möglichkeit der freien Wahl eines Arztes; Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage als Voraussetzung für eine Untersagungsverfügung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
29.11.2000
Aktenzeichen
L 3/5 KA 15/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 30808
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:1129.L3.5KA15.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 21.01.1998 - AZ: S 21 KA 693/97

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2000
durch
die Richter am Landessozialgericht ... - als Vorsitzend.
den Richter am Landessozialgericht ...
die Richter am Landessozialgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom "21.01.1997" (richtig: 21.01.1998) wird auf die Berufung der Kläger geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 wird aufgehoben, soweit den Klägern aufgegeben worden ist, "den Betrieb der Zweigpraxis im GDA Wohnstift zu beenden und ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchbehandlung zu reduzieren".

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der ihnen "der Betrieb einer Zweigpraxis" untersagt worden ist.

2

Die Kläger sind als Vertragszahnärzte in ... mit der Praxisanschrift ... niedergelassen. Im ... befindet sich das Wohnstift der Gemeinschaft ... (im Folgenden: ... Wohnstift). Dort leben mehrere hundert ältere Menschen. In dem Haus befindet sich auch die Praxis eines Allgemeinarztes.

3

Mitte 1997 installierten die Kläger in den Räumen des im ...-Wohnstift praktizierenden Allgemeinarztes zahnärztliche Behandlungseinrichtungen für mehrere zehntausend DM. Mit einem Rundschreiben vom 11. Juni 1997 teilten sie allen Bewohnern und Bewohnerinnen des ... Wohnstiftes insbesondere Folgendes mit:

"Nachdem wir bereits viele von Ihnen in unserer Praxis im ... kennenlernen durften, hatten wir die Idee, Ihnen mit der Einrichtung unserer Zweigpraxis direkt in Ihrem Hause ein Stückchen entgegenzukommen. Sie finden uns ab Dienstag, den 17. Juni 1997, direkt neben der Praxis Dr. ....

Behandlungszeiten:Dienstag9:00 bis 12:00 Uhr und
Donnerstag9:00 bis 12:00 Uhr.

Telefonisch erreichen Sie uns während dieser Sprechzeiten unter der hausinternen Rufnummer ... Außerhalb der Sprechzeiten sind wir für Sie unter der Praxisrufnummer ... telefonisch erreichbar.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch ...."

4

Entsprechend dieser Ankündigung behandelten die Kläger seit dem 17. Juni 1997 dienstags und donnerstags jeweils von 9:00 bis 12:00 Uhr Bewohner des ... Wohnstiftes in dem von ihnen mit zahnärztlichen Behandlungseinrichtungen bestückten Raum der Allgemeinarztpraxis. Aufgrund der Interventionen der Beklagten änderten die Kläger ihre Tätigkeit im Wohnstift später dahingehend, dass die Patienten anlässlich ihrer Besuche bei dem Allgemeinarzt ihre Behandlungswünsche diesem gegenüber äußerten. Die Kläger wurden sodann von der Praxis des Allgemeinmediziners unterrichtet und setzten die Behandlungstermine jeweils individuell fest.

5

Mit Bescheid vom 20. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 gab die Beklagte den Klägern - unter gleichzeitiger Ablehnung eines von ihr angenommenen Antrages auf Genehmigung einer Zweigarztpraxis - auf, "den Betrieb der Zweigpraxis im ... Wohnstift zu beenden und ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchsbehandlung zu reduzieren". Zur Begründung erläuterte sie insbesondere, dass das Betreiben einer Zweigpraxis erst dann notwendig im Sinne des § 6 Abs. 6 Satz 2 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) sei, wenn für die Versorgung des betroffenen Personenkreises keine zugelassenen Vertragszahnärzte zur Verfügung ständen. Dies sei in ... in Anbetracht der flächendeckenden Versorgung mit Vertragszahnärzten nicht festzustellen, zumal dieser Zulassungsbezirk sogar wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrt sei.

6

Mit der am 15. Oktober 1997 erhobenen Klage haben die Kläger hervorgehoben, dass ihre regelmäßige Tätigkeit in den Räumlichkeiten des ...-Wohnstiftes sowohl den in ihrer Mobilität stark eingeschränkten Bewohnern, als auch den Kostenträgern zugute komme. Namentlich werde dadurch ein mit entsprechenden Fahrtkosten verbundener Transport in die umliegenden Zahnarztpraxen vermieden. Eine Einschränkung der freien Arztwahl sei damit für die Bewohner des Wohnstiftes nicht verbunden. Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihrer Verfügung auf die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Zweigpraxis berufe, gehe ihre Argumentation schon deshalb an der Sache vorbei, weil in den Räumen des ...-Wohnstiftes keine Zweigpraxis, sondern eine sogenannte Ausstrahlungspraxis betrieben werde. Dies sei auch von der Zahnärztekammer Niedersachsen mit Schreiben vom 09. Juli 1997 (Bl. 18 GA) bestätigt worden.

7

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zugleich im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass den Klägern für die in der nichtgenehmigten Zweigpraxis erbrachten zahnärztlichen Leistungen kein vertragszahnärztliches Honorar zustehe. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass außerhalb des Praxisstandortes abgehaltene Sprechstunden nicht im Rahmen der Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung erfolgten. Mit einem am 21. Januar 1998 erlassenen Urteil vom "21.01.1997" hat das Sozialgericht die Klage und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Bei der von den Klägern angefochtenen Untersagungsverfügung handele es sich um eine materiell-rechtlich rechtmäßige gebundene Entscheidung. Zwar würden die Kläger in den Räumen des ...-Wohnstiftes entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides keine Zweigpraxis betreiben, da der Kreis der Patienten auf die Bewohner des Wohnstiftes beschränkt sei. Gleichwohl sei die Beklagte nach § 75 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verpflichtet gewesen, den Klägern den "weiteren Betrieb der Praxis zu untersagen, soweit er über notwendige Besuchshandlungen hinaus geht". Der Gewährleistungsauftrag des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V müsse die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) auch dazu berechtigen, nicht ausdrücklich normierte, aber zur Durchsetzung des Gewährleistungsauftrages zwingend notwendige sonstige Maßnahmen wie die im vorliegenden Fall angefochtene Verfügung zu ergreifen.

8

Die Tätigkeit der Kläger im ...-Wohnstift könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sogenannten Besuchsbehandlung im Sinne des § 7 BMV-Z gebilligt werden. Besuchsbehandlungen würden die medizinische Indikation des Besuchs des Patienten durch den Vertragszahnarzt voraussetzen und könnten daher nur in Einzelfällen erfolgen. Demgegenüber würden die Kläger die Patienten im Wohnstift gerade auch unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen einer Besuchsbehandlung betreuen.

9

Die Widerklage der Beklagten sei ebenfalls abzuweisen, da ihr das erforderliche besondere Feststellungsinteresse fehle. Die Beklagte hätte die von ihr begehrte Überprüfung des Honoraranspruchs der Kläger für die Behandlungstätigkeit im Wohnstift zunächst im Wege eines Honorarberichtigungsverfahrens vornehmen müssen.

10

Gegen dieses ihnen am 12. Februar 1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 12. März 1998 Berufung eingelegt. Mit ihr verfolgen sie weiterhin das Ziel einer Aufhebung des in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Verbotes zum Betrieb der Zweigpraxis im ...-Wohnstift. Zur Begründung heben sie insbesondere weiterhin hervor, dass sie keine Zweigpraxis in den Räumen des ...-Wohnstiftes betreiben und dementsprechend auch keine Sprechstunden im Sinne des § 6 Abs. 1 BMV-Z dort abhalten würden. Vielmehr würden sie lediglich sogenannte Besuchsbehandlungen durchführen. Soweit zu diesem Zweck ein Mitglied ihrer Zahnarztpraxis das ...-Wohnstift wöchentlich zweimal für jeweils drei Stunden aufsuche, erkläre sich dies allein daraus, dass bei rund 400 Heimbewohnern ein erheblicher Bedarf solcher Besuchsbehandlungen bestehe. Es seien keine Rechtsvorschriften ersichtlich, die ihnen eine zweckmäßige Organisation der vorzunehmenden Besuchsbehandlungen untersagen würden.

11

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom "21.01.1997" den Bescheid der Beklagten vom 28. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 insoweit aufzuheben, als ihnen aufgegeben worden ist, den Betrieb der Zweigpraxis im ...-Wohnstift zu beenden und ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchbehandlung zu reduzieren.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie beantragt weiter,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom "21.01.1997" festzustellen, dass den Klägern für die im Rahmen einer in den Räumen des ...-Wohnstiftes abgehaltenen Sprechstunde erbrachten zahnärztlichen Leistungen kein vertragszahnärztliches Honorar zusteht.

14

Die Kläger beantragen,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

15

Die Beigeladenen zu 5) und 6) beantragen schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

17

Zur Begründung ihrer Anschlussberufung macht die Beklagte geltend, dass das Sozialgericht zu Unrecht das erforderliche besondere Feststellungsinteresse verneint habe. Es habe insbesondere übersehen, dass das Verfahren der rechnerischen Berichtigung primär nicht auf eine Korrektur der Honorarverteilung der Beklagten, sondern auf eine Korrektur der von den gesetzlichen Krankenkassen zu entrichtenden Gesamtvergütungen abziele. Auch fehle es für die Einleitung eines solchen Verfahrens an dem erforderlichen Antrag der jeweils betroffenen Krankenkasse.

18

Darüber hinaus sei für sie auch gar nicht ersichtlich, welcher Teil der von den Klägern abgerechneten Behandlungen in der aus ihrer Sicht anzunehmenden Zweigpraxis in den Räumen des ...-Wohnstiftes erbracht worden sei.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

I.

Über die vorliegende Berufung konnte der Senat unter Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters Dr. ... entscheiden, da dieser von der Ausübung des Richteramtes nicht nach § 60 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen war. Er hat nicht an dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren im Sinne dieser Vorschrift, d.h. an demjenigen Verfahren mitgewirkt, in dem die angefochtene Verwaltungsentscheidung ergangen ist (vgl. dazu Meyer-Ladewig, 6. Aufl., § 60 Rn. 5). Die gegen die Kläger gerichteten Disziplinarverfahren, in denen Dr. ... an Beschlüssen mitgewirkt hatte, stellten vielmehr eigenständige andere Verfahren dar.

21

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg, wohingegen die Beklagte mit ihrer Anschlussberufung nicht durchzudringen vermag.

22

1.

Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 enthält, soweit er noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zwei Teilregelungen: Zum einen wird den Klägern aufgegeben, "den Betrieb der Zweigpraxis im ...-Wohnstift zu beenden"; zum anderen wird von ihnen verlangt, "ihre dortige Tätigkeit auf das Maß einer gelegentlichen Besuchsbehandlung zu reduzieren".

23

Beiden Verfügungssätzen mangelt es zunächst an der erforderlichen Bestimmtheit. Den Klägern wird nicht mit der gebotenen Klarheit verdeutlicht, welches konkrete Verhalten sie nach Auffassung der Beklagten künftig unterlassen müssen.

24

Namentlich ist für die Kläger nicht hinreichend klar erkennbar, unter welchen Voraussetzungen ihre Tätigkeit in den Räumen des ...-Wohnstiftes als "Betrieb einer Zweigpraxis" zu qualifizieren und daher aus der Sicht der Beklagten von dem Verfügungsverbot umfasst sein soll. Die Beklagte hat in den Gründen des Bescheides vom 20. August 1997 allerdings versucht, die insoweit maßgebliche Grenze näher zu umschreiben. Sie hat dargelegt, dass die Grenze von der Besuchsbehandlung hin zum Betreiben einer Zweigpraxis "dadurch überschritten" worden sei, dass die Kläger in den Räumen des ...-Wohnstiftes "einen festen Behandlungsraum und feste Sprechzeiten eingerichtet und darüber hinaus durch die Mitteilung vom 11.06.1997 bei den Heimbewohnern die Vorstellung erweckt habe, diese Einrichtung sei nunmehr allein für ihre zahnärztliche Versorgung zuständig". Diese Ausführungen können jedoch schon deshalb nicht als eine dem Bestimmtheitsgebot genügende hinreichend genaue Umschreibung des Verbotsinhalts verstanden werden, da die Kläger mit ihrem Rundschreiben vom 11. Juni 1997 bei den Heimbewohnern aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Empfängerhorizontes entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Vorstellung erweckt haben, dass die von ihnen in dem ...-Wohnstift eingerichtete Zweig- bzw. Ausstrahlungspraxis künftig allein für die zahnärztliche Versorgung der Heimbewohner zuständig sei. Das Wissen vom Grundsatz der freien (Zahn-)Arztwahl (§ 76 SGB V) ist in der Bevölkerung fest verankert. Auch für ältere Menschen ist es selbstverständlich, dass sie einen Vertrags(zahn)arzt ihrer Wahl in der Praxis aufsuchen bzw. bei entsprechendem Bedarf zur Vornahme eines Hausbesuches auffordern können. Dementsprechend ist auch das Rundschreiben vom 11. Juni 1997 aus der Sicht der Empfänger dahingehend zu verstehen, dass eine der in Betracht kommenden - miteinander im Wettbewerb stehenden - Zahnarztpraxen um die Inanspruchnahme ihrer Dienste durch die Bereithaltung eines besonderen Serviceangebotes in Form der Abhaltung regelmäßiger Sprechstunden in den Räumen des ...-Wohnstiftes werben wollte. Völlig unabhängig von der Frage, ob eine solche Werbemaßnahme standesrechtlich zulässig war, brachte sie gerade das Bestehen eines aus dem Grundsatz der freien (Zahn-)Arztwahl resultierenden Wettbewerbes zum Ausdruck.

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Mithin ist festzustellen, dass die Kläger ohnehin eines der drei von der Beklagten selbst in der angefochtenen Verfügung aufgeführten kumulativen drei Merkmale (fester Behandlungsraum, feste Sprechzeiten und Erwecken des Eindruckes einer alleinigen Versorgungszuständigkeit) nicht erfüllt haben. Andererseits bringt die angefochtene Verfügung aber auch zum Ausdruck, dass die Kläger die aus der Sicht der Beklagten zu beanstandende Führung einer Zweigpraxis im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung bereits aufgenommen haben. Vor diesem Hintergrund ist für die Kläger nicht ersichtlich, was genau ihnen verboten werden soll. Entsprechendes gilt, soweit den Klägern des weiteren aufgegeben worden ist, ihre Tätigkeit in den Räumen des ...-Wohnstiftes "auf das Maß einer gelegentlichen Besuchsbehandlung zu reduzieren". In Anbetracht dessen, dass die Kläger ohnehin die Auffassung vertreten, dass sie dort lediglich solche Besuchsbehandlungen durchführen, weist die Verfügung keinen klar umgrenzbaren Verbotsinhalt auf, wenn den Klägern gerade die Reduzierung ihrer Tätigkeit auf solche "Besuchsbehandlungen" aufgegeben wird. Auch die Einschränkung, dass es sich um "gelegentliche" Besuchbehandlungen handeln müsse, verleiht der Verfügung nicht die erforderliche Bestimmtheit, da sich auch im Wege der Auslegung keine klare Abrenzung zwischen "gelegentlichen" und "mehr als nur gelegentlichen" Besuchsbehandlungen gewinnen lässt.

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Abgesehen von ihrer mangelnden Bestimmtheit ist die angefochtene Verfügung auch deshalb aufzuheben, weil ihr die erforderliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. Zwar hat die Beklagte die Vertragszahnärzte nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V hinsichtlich der Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu überwachen und sie erforderlichenfalls zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten, bezüglich der ihr dabei offen stehenden Maßnahmen trifft § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V jedoch eine abschließende Regelung: Soweit Beratungen und Hinweise bzw. honorarverteilungsrechtliche Regelungen nicht ausreichen, können die KZVen allein Disziplinarmaßnahmen i.S.d. § 81 Abs. 5 SGB V ergreifen, soweit ohne sie ein Vertragszahnarzt zur Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten nicht erfolgreich angehalten werden kann. Selbst wenn der Auffassung der Beklagten zu folgen sein sollte, dass die Kläger mit ihrer Tätigkeit im ...-Wohnstift ihre vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt haben könnten, wäre die Beklagte mithin nicht berechtigt, den Klägern das aus ihrer Sicht zu beanstandende Verhalten in einer eigenständigen Verbotsverfügung zu untersagen (vgl. Hess in Kasseler Kommentar, § 75 SGB V Rn. 36). In Anbetracht der vom Gesetzgeber als abschießend gewollten Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist auch kein Raum, eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage der allgemeinen Vorschrift des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu entnehmen.

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Schließlich hat die Beklagte übersehen, dass die Kläger im ...-Wohnstift schon deshalb keine Zweigpraxis im Rechtssinne betrieben haben, weil sich ihr dortiges Angebot nicht an einen unbestimmten Personenkreis, sondern nur an die Heimbewohner richtete.

28

Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass selbst unter der - aus der Sicht des Senates abzulehnenden - Annahme einer Ermächtigungsgrundlage der Erlass entsprechender Verfügungen im Ermessen der Beklagten stände. Dies hätte nach § 35 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Buch X Verwaltungsverfahren (SGB X) zur Folge, dass die Begründung der Verfügung - anders als im vorliegenden Fall - auch die Gesichtspunkte erkennen lassen müsste, von denen die Beklagte bei der Ausübung eines solchen Ermessens ausgegangen ist. Hierzu würde namentlich auch eine Auseinandersetzung mit dem materiellen Gewicht des angenommenen Pflichtenverstoßes, namentlich seiner etwaigen Bedeutung für eine Gefährdung der Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung, gehören.

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2.

Demgegenüber bleibt die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend dargelegt, dass für den - im Berufungsverfahren geringfügig modifizierten - Feststellungsantrag das nach § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse fehlt. Selbst wenn eine Feststellung in dem von der Beklagten begehrten Sinne zu treffen sein könnte, wäre nicht ersichtlich, welcher Vorteil hiermit für die Beklagte verbunden sein soll. Bezeichnenderweise hebt diese selbst hervor, dass die Voraussetzungen für eine sachlich-rechnerische Berichtigung der klägerischen Honorarabrechnung nicht gegeben seien. Ebenso wenig kann die Frage der Aufnahme einer Zweigpraxis und ggfs. ihrer Zulässigkeit zum Gegenstand einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V gemacht werden.

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Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit klargestellt, wann aus ihrer Sicht die Kläger im ...-Wohnstift eine "Sprechstunde" abhalten und wann sie dort lediglich im Rahmen von Besuchsbehandlungen tätig sind. Damit hat sie nicht einmal das aus ihrer Sicht festzustellende Rechtsverhältnis mit der erforderlichen Klarheit bezeichnet. Im Übrigen kann Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ohnehin nicht summarisch der Gesamtbestand aller Honorarbeziehungen zwischen den Klägern und der Beklagten sein, die aus der klägerischen Tätigkeit im ...-Wohnstift resultieren. Ein derart komplexes Rechtsverhältnis ist einer generellen Feststellung nicht fähig. Insoweit ließen sich allenfalls allgemeine Aussagen über eine abstrakte Rechtsfrage treffen, aber nicht, wie das Gesetz es fordert, über erhobene Ansprüche entscheiden (vgl. BSG, Urt. vom 20. Juli 1976 - 3 R Ka 79/74 - SozR 1500 § 54 SGG Nr. 12).

31

Bei dieser Sachlage ist nur ergänzend hervorzuheben, dass ohnehin kein Rechtssatz des Inhalts besteht, dass ein Vertrags(zahn)arzt, der außerhalb seiner Praxisräume und außerhalb einer zulässigen Besuchsbehandlung - ordnungsgemäß - ärztliche Leistungen in der Stadt des Praxissitzes erbringt, dafür kein Honorar beanspruchen kann. Auch insoweit sind die aus Anlass eines solchen etwaigen Pflichtverstoßes von der KZV zu ergreifenden Maßnahmen in § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V abschließend geregelt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.