Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.2023, Az.: 13 K 97/23

Betreiben der Vollstreckung wegen nicht befriedigter Steuerforderungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen und erlangter Restschuldbefreiung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.12.2023
Aktenzeichen
13 K 97/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 52732
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:1212.13K97.23.00

Fundstellen

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Vollstreckt ein Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nach Erteilung der Restschuldbefreiung Steuerforderungen, die mit einem Attribut versehen sind, auf der Grundlage des Auszugs aus der Insolvenztabelle, darf kein Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung dem Grunde nach eingetragen sein oder ein solcher Widerspruch muss beseitigt worden sein (§ 201 Abs. 2 InsO).

  2. 2.

    Beruft sich das Finanzamt auf die unterlassene Weiterverfolgung des Widerspruchs durch die Schuldnerin gemäß § 184 Abs. 2 InsO, muss diese besondere Form der Beseitigung des Widerspruchs entweder in entsprechender Anwendung des § 183 Abs. 2 InsO in die Tabelle eingetragen oder durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO festgestellt worden sein.

  3. 3.

    Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein irrtümlich nicht eingetragener Widerspruch der Schuldnerin erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Wege der Berichtigung der Tabelle durch das Insolvenzgericht eingetragen worden ist.

  4. 4.

    Das Finanzamt kann in einer solchen Situation die Vollstreckung nicht auf die ursprünglich ergangenen Steuerbescheide stützen. Die in den ursprünglichen Steuerbescheiden ausgewiesenen Steuerforderungen werden von der Restschuldbefreiung erfasst.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin die Vollstreckung wegen nicht befriedigter Steuerforderungen betreiben darf, obwohl die Klägerin Restschuldbefreiung erlangt hat.

Die Klägerin (geboren am xx. xx. xxxx) ist mit Urteil vom xx. xx. 2012 wegen Steuerhinterziehung (Einkommensteuer 2001 bis 2003, Gewerbesteuer 2001 bis 2003 und Umsatzsteuer 2001 bis 2003) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden.

Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts B vom xx. xx. 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet (Aktenzeichen: xx xx xx/xx).

In dem Beschluss wurde angekündigt, dass der Klägerin Restschuldbefreiung gewährt werden könne, wenn sie den Obliegenheiten nach § 295 Insolvenzordnung (InsO) nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach §§ 290, 297 bis 298 InsO nicht vorliegen würden.

Der Beklagte meldete mit Schreiben vom xx. xx. 2016 bei der Insolvenzverwalterin Steuerforderungen in Höhe von 184.xxx,xx € an. Er führte zu der beigefügten Rückstandsaufstellung aus, dass die laufenden Nummern 1 bis 40 tituliert und bestandskräftig seien. Rechtsbehelfe würden nicht vorliegen. Die laufenden Nummern 41 bis 64 seien Säumniszuschläge. Außerdem enthielt das Schreiben folgenden Hinweis:

"Bei den lfd. Nr. 1 bis 64 handelt es sich um Abgabenforderungen über welche das Steuerstrafverfahren am xx.xx.2006 eröffnet wurde. Das Verfahren wurde bisher nicht abgeschlossen. Eine rechtskräftige Verurteilung ist daher bisher nicht erfolgt. Ich bitte die Abgabenforderungen i.H.v. 184.xxx,xx € als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen nach § 302 Nr. 1 i.V.m. § 174 Abs. 2 InsO zu berücksichtigen."

Unter den angemeldeten Forderungen befanden sich auch Abgabenforderungen wegen Einkommensteuer 2001 bis 2003 und Umsatzsteuer 2001 bis 2003 sowie der dazu entstandenen Säumniszuschläge.

Mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 15. August 2016 widersprach die Klägerin den angemeldeten Forderungen. Der Widerspruch richtete sich gegen die Forderungen dem Grunde nach und gegen den behaupteten besonderen Rechtsgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat.

In dem Protokoll des Prüfungstermins vom xx. xx. 2016 wurde ausgeführt, dass die Forderungen des Beklagten als Forderungen aus einer Steuerstraftat gemäß §§ 370, 373 oder 374 Abgabenordnung (AO) angemeldet worden seien und dass die Schuldnerin Widerspruch erhoben habe.

Der Beklagte erhielt einen beglaubigten Auszug aus der Insolvenztabelle vom 24. August 2016, in dem folgendes ausgeführt war:

Angemeldeter Betrag EUR Grund der ForderungErgebnis der Prüfungsverhandlungen
91.xxx,xx Steuern, "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung aus Steuerstraftat i.H.v. EUR 184.xxx,xx angezeigt."Festgestellt für den Ausfall. Der Schuldner/Die Schuldnerin erhebt Widerspruch gegen das Privileg der Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
93.xxx,xxSäumniszuschläge
184.xxx,xx

Kurz vor Abschluss des Insolvenzverfahrens erhielt der Beklagte einen aktualisierten Auszug aus der Insolvenztabelle vom 12. August 2020, in dem neben den schon bekannten Eintragungen die zusätzliche Bemerkung enthalten war, dass der Ausfall der angemeldeten Forderung 184.xxx,xx € betrage.

Mit Beschluss des Amtsgerichts B vom xx. xx. 2020 wurde das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO aufgehoben. Mangels einer zu verteilenden Masse wurde keine Schlussverteilung vorgenommen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts B vom xx. xx. 2021 wurde der Klägerin gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO a.F. vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt. In dem Beschluss wurde ausgeführt, dass die in § 302 InsO aufgeführten Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien.

Der Beschluss wurde rechtskräftig. Der Beklagte ermittelte intern, dass infolge der Restschuldbefreiung Steuerforderungen in Höhe von 39.xxx,xx € erloschen waren. Im Übrigen ging der Beklagte davon aus, dass die angemeldeten Steuerforderungen wegen der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nicht von der Restschuldbefreiung umfasst waren.

Mit Pfändung- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 pfändete der Beklagte die Ansprüche der Klägerin aus dem Konto IBAN DE xx xxxx xxxx xxxx xxxx xx sowie aller weiteren Konten im Geschäftsbereich der S-Bank in xxxxx H sowie die Ansprüche aus dem Konto IBAN DE xx xxxx xxxx xxxx xxxx xx sowie aller weiteren Konten im Geschäftsbereich der N-Bank in xxxxx H. Der geltend gemachte Pfändungsbetrag lautete auf 232.xxx,xx €.

Mit Schreiben vom xx. xx. 2022 wandte sich die Klägerin gegen die Vollstreckungsmaßnahmen mit der Begründung, dass sie Restschuldbefreiung erlangt habe.

Der Beklagte entgegnete, dass er die Steuerforderungen als Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Steuerstraftat gemäß § 302 InsO angemeldet habe. Die weiterhin rückständigen und vollstreckbaren Forderungen seien von der Restschuldbefreiung ausgenommen.

Die Klägerin führte aus, dass sie seinerzeit Widerspruch eingelegt habe. Der Beklagte habe daraufhin keine weiteren Schritte mehr unternommen. Ihm sei es deshalb verwehrt, aus dem Auszug der Insolvenztabelle die Vollstreckung zu betreiben.

Der Beklagte entgegnete, dass er keinen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO habe erlassen müssen. Ein Feststellungsbescheid sei nur bei Einwendungen gegen die Höhe der angemeldeten Forderungen erforderlich. Die Klägerin habe den Widerspruch nur gegen das Privileg der Forderungen als Forderungen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erhoben. Die angemeldeten Forderungen seien in voller Höhe festgestellt worden. Wende sich der Schuldner nur gegen den Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung, sei der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, aus der Eintragung in der Tabelle die Vollstreckung gegen den Schuldner zu betreiben. Dies ergebe sich aus dem BGH-Urteil vom 3. April 2014 (IX ZB 93/13).

Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom xx. xx. 2022 klar, dass sie nicht nur gegen das Privileg der Forderungen als Forderungen im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat Widerspruch erhoben habe, sondern dass sie außerdem Widerspruch gegen die Forderungen als solche erhoben habe. Sie legte das Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 15. August 2016 vor. Der Beklagte hätte deshalb einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassen müssen.

Weiter führte die Klägerin aus, dass es dem Beklagten wegen des Widerspruchs der Schuldnerin gegen die Forderungen dem Grunde nach verwehrt sei, die Vollstreckung aus dem Auszug der Insolvenztabelle zu betreiben. Dies ergebe sich aus § 201 Abs. 2 InsO. Nach § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO würden nur Forderungen, bei denen der erhobene Widerspruch beseitigt worden sei, nicht bestrittenen Forderungen gleichstehen. Der Beklagte hätte den Widerspruch also durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO beseitigen müssen. Das sei nicht erfolgt.

Daraufhin informierte der Beklagte das Amtsgericht B darüber, dass der frühere Berater der Klägerin den Widerspruch nicht nur gegen den besonderen Rechtsgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat, sondern auch gegen die Forderungen als solche gerichtet habe. Dem Beklagten sei nicht bekannt gewesen, dass die Forderungen auch dem Grunde nach bestritten gewesen seien. Außerdem habe die Klägerin ihren Widerspruch nicht begründet.

Mit Schreiben vom xx. xx. 2022 übersandte das Amtsgericht B dem Beklagten einen korrigierten Auszug aus der Insolvenztabelle vom 9. Mai 2022, der neben den schon bekannten Eintragungen zusätzlich die Berichtigung enthielt, dass die Schuldnerin auch gegen die Forderungen an sich Widerspruch erhoben habe.

Im xxxx 2022 fand im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens eine geringfügige Ausschüttung statt. Auf die Forderung des Beklagten in Höhe von 184.xxx,xx € wurde ein Betrag in Höhe von xxx,xx € gezahlt (Quote: 0,2861 %).

Im Hinblick auf den korrigierten Auszug aus der Insolvenztabelle vertrat der Beklagte nunmehr in dem Schreiben vom xx. xx. 2022 die Auffassung, dass die Vollstreckung der Steuerforderungen nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens nur dann aus den Tabellenauszug erfolge, wenn die Forderungen vom Insolvenzverwalter festgestellt und nicht von dem Schuldner bestritten worden seien. Sei dies nicht gegeben, könne die Vollstreckung von titulierten Forderungen auch ohne Tabellenauszug aus den jeweiligen Titeln (hier: den Steuerbescheiden) erfolgen. Es obliege der Schuldnerin, gerichtlich gegen die jeweilige Vollstreckungsmaßnahme vorzugehen.

Die Klägerin entgegnete mit Schreiben vom xx. xx. 2022, dass sie sowohl gegen die Forderungen dem Grunde nach als auch in Hinblick auf das geltend gemachte Privileg Widerspruch erhoben habe. Dies führe nach § 201 InsO dazu, dass der Beklagte aus der Tabelle keine Zwangsvollstreckung betreiben könne. Es hätte der Klägerin zwar nach § 184 Abs. 2 InsO oblegen, den Widerspruch gegen die titulierten Forderungen weiter zu verfolgen. Mache die Schuldnerin dies nicht, gelte der Widerspruch als nicht erhoben. Diesen Umstand hätte das Insolvenzgericht aber in die Tabelle eintragen müssen. Erst dann hätten die Forderungen als festgestellt behandelt werden können.

Etwas anderes gelte im Hinblick auf den Widerspruch der Schuldnerin gegen das geltend gemachte Privileg einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat. Die Beseitigung dieses Widerspruchs, der grundsätzlich auch isoliert möglich sei, sei von dem Gläubiger auch dann zu verfolgen, wenn die Forderungen als solche zwar tituliert seien, die Vollstreckungstitel aber keinen Ausspruch hinsichtlich der Privilegierung der Forderungen enthalten würden. Da die Steuerbescheide keinen Hinweis auf eine etwaige Privilegierung enthalten würden, hätte der Beklagte die Beseitigung des Widerspruchs verfolgen müssen. Solange dies nicht geschehen sei, bleibe der Widerspruch der Schuldnerin in der Insolvenztabelle bestehen. Deshalb könnten die Steuerforderungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden.

Die Klägerin war außerdem der Auffassung, dass aus den alten Titeln (den Steuerbescheiden) nicht mehr vollstreckt werden könne. Die Vollstreckung richte sich nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach dem Tabelleneintrag. Ein früher erwirkter Titel werde dadurch ersetzt.

Der Beklagte stellte in dem Schreiben vom xx. xx. 2022 heraus, dass dem Finanzamt während des Insolvenzverfahrens nur mitgeteilt worden sei, dass die angemeldeten Forderungen für den Ausfall festgestellt worden seien. In den beiden Tabellenauszügen vom 23. August 2016 und vom 12. August 2020 sei nur der Widerspruch der Schuldnerin gegen die Attributeigenschaft vermerkt worden. Ein Widerspruch gegen die Forderung selbst sei dem Finanzamt nicht bekannt gewesen. Deshalb seien die angemeldeten Forderungen sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach festgestellt worden.

Hinzu komme, dass der Widerspruch der Schuldnerin gegen die bereits titulierten Forderungen als solche der Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle nicht entgegenstehen würde, weil der Widerspruch von der Klägerin nicht weiterverfolgt worden sei. Der Widerspruch gelte deshalb als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO). Deshalb könne die Vollstreckung aus der Insolvenztabelle heraus erfolgen. Die gegebenenfalls zu beanstandende Unvollständigkeit des Tabellenauszugs ändere daran nichts. Die Ergänzung um den Widerspruch und dessen Nichtberücksichtigung habe nur nachrichtlichen Charakter.

Der (weitere) Widerspruch der Schuldnerin gegen die Einordnung der Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung mache die Zwangsvollstreckung nicht unzulässig (BGH-Urteil vom 3. April 2014, IX ZB 93/13). In dem Beschluss zur Erteilung der Restschuldbefreiung seien die nach § 302 InsO angemeldeten Forderungen ausdrücklich ausgenommen worden. Da die Klägerin wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sei, seien - wegen der uneingeschränkten Forderungsfeststellung - die Voraussetzungen für die Versagung der Restschuldbefreiung grundsätzlich gegeben. Zwar seien in den Steuerbescheiden nur die Steueransprüche tituliert worden, nicht deren strafbefangene Eigenschaft. Dennoch könne das Finanzamt unabhängig von dem erhobenen Widerspruch gegen das Privileg nach dem Verfahrensende die Vollstreckung aufnehmen. Der Schuldnerin bleibe es unbenommen, auf dem Rechtsweg überprüfen zu lassen, ob die privilegierten Forderungen unter die Restschuldbefreiung fallen würden.

Mit Schreiben vom xx. xx. 2022 schränkte der Beklagte die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auf den Betrag in Höhe von 116.xxx,xx € ein. Dies beruhte darauf, dass der Beklagte nunmehr den Anteil an den gesamten Steuerforderungen ermittelt hatte, der auf die Steuerarten und Jahre entfiel, wegen derer die Klägerin strafrechtlich verurteilt worden war:

Steuerart und Jahr BetragSäumniszuschläge
Einkommensteuer 2001 23.xxx,xx27.xxx,xx
Einkommensteuer 2002 11.xxx,xx12.xxx,xx
Einkommensteuer 2003 7.xxx,xx7.xxx,xx
Umsatzsteuer 2001 --11.xxx,xx
Umsatzsteuer 2002 3.xxx,xx5.xxx,xx
Umsatzsteuer 2003 3.xxx,xx3.xxx,xx
Summen 48.xxx,xx68.xxx,xx
gesamt 116.xxx,xx

Mit Einspruchsentscheidung vom xx. xx. 2023 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 zurück.

Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung aus, dass nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens die Vollstreckung grundsätzlich aus dem Tabellenauszug erfolge. Dies gelte allerdings nur dann, wenn die Forderungen vom Insolvenzverwalter festgestellt und nicht vom Schuldner bestritten worden seien (§§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 InsO, § 251 Abs. 2 Satz 2 AO). Eine ordnungsgemäß angemeldete Forderung gelte nach § 178 Abs. 1 InsO als festgestellt, soweit gegen sie im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren kein Widerspruch von dem Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger erhoben werde oder wenn ein erhobener Widerspruch beseitigt worden sei.

Der Widerspruch der Klägerin gegen die Forderung an sich sei nicht weiterverfolgt worden. Die Klägerin habe den Widerspruch nicht begründet und habe die fehlende Eintragung in die Tabelle nicht beanstandet. Da der Widerspruch gegen bereits titulierte Forderungen erhoben worden sei, hätte die Klägerin den Widerspruch weiterverfolgen müssen. Da dies nicht geschehen sei, gelte der Widerspruch als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO).

Zwar habe die Klägerin Restschuldbefreiung erlangt, sodass eine Vollstreckung von Insolvenzforderungen grundsätzlich gemäß § 301 InsO unzulässig sei. Dies gelte aber nicht für Abgabenforderungen, die im Zusammenhang mit Steuerstraftaten stehen würden, sofern eine rechtskräftige Verurteilung vorliege und die Insolvenzforderungen als von der Restschuldbefreiung ausgenommen angemeldet worden seien (§ 302 InsO).

Der Beklagte habe seine Steuerforderungen ausdrücklich mit dem Zusatz angemeldet, dass die strittigen Abgabenforderungen als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen gemäß § 302 Nr. 1 InsO in Verbindung mit § 174 Abs. 2 InsO behandelt werden sollten. Die Anmeldung sei wie beantragt zur Tabelle (zunächst für den Ausfall) festgestellt worden (beglaubigter Tabellenauszug vom 24. August 2016). Mit dem Tabellenauszug vom 12. August 2020 sei der Ausfall der Forderungen in voller Höhe nachgetragen worden.

In dem Beschluss zur Erteilung der Restschuldbefreiung seien die nach § 302 InsO angemeldeten Forderungen ausdrücklich ausgenommen worden. Deshalb sei eine Vollstreckung aus der Tabelle möglich. Nach der Einschränkung der Pfändung- und Einziehungsverfügungen auf 116.xxx,xx € würden nur noch die strafbefangenen Rückstände vollstreckt werden.

Der Widerspruch eines Schuldners gegen das Privileg der Forderung mache die Zwangsvollstreckung nicht unzulässig (BGH-Urteil vom 3. April 2014, IX ZB 93/13).

In den Fällen der Erteilung der Restschuldbefreiung komme es für die Vollstreckung darauf an, ob es sich um eine titulierte oder nicht titulierte Forderung handele. Im vorliegenden Fall seien die Abgabeforderungen mit Datum vom xx. xx. 2007 festgesetzt worden. Es handele sich um titulierte Forderungen. Die Voraussetzungen des § 254 AO seien erfüllt. Die Vollstreckung könne deshalb auch dann, wenn keine Feststellung zur Tabelle erfolgt sei, aus den ursprünglichen Titeln (den Steuerbescheiden) erfolgen.

Mit am xx. xx. 2023 beim Gericht eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin zunächst Prozesskostenhilfe.

Mit Schreiben vom xx. xx. 2023 schränkte der Beklagte die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auf einen Betrag in Höhe von 101.xxx,xx € ein. Dies beruhte auf dem hälftigen Erlass der ursprünglich entstandenen Säumniszuschläge und auf einer geringfügigen Tilgung der Einkommensteuer für das Jahr 2001. Der von den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erfasste Betrag gliedert sich wie folgt auf:

Steuerart und Jahr BetragSäumniszuschläge
Einkommensteuer 2001 23.xxx,xx22.xxx,xx
Einkommensteuer 2002 11.xxx,xx9.xxx,xx
Einkommensteuer 2003 7.xxx,xx6.xxx,xx
Umsatzsteuer 2001 --8.xxx,xx
Umsatzsteuer 2002 3.xxx,xx4.xxx,xx
Umsatzsteuer 2003 3.xxx,xx2.xxx,xx
Summen 48.xxx,xx53.xxx,xx
gesamt 101.xxx,xx

Nachdem das Gericht mit Beschluss vom xx. xx. 2023 der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt hatte, erhob die Klägerin am xx. xx. 2023 Klage und beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist. Inhaltlich führte die Klägerin folgendes aus:

Am xx. xx. 2016 sei ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden. Der Beklagte habe mit Schreiben vom xx. xx. 2016 bei der Insolvenzverwalterin Forderungen in Höhe von 184.xxx,xx € und eine Privilegierung gemäß § 302 InsO angemeldet. Mit Schreiben vom 15. August 2016 habe die Klägerin den angemeldeten Forderungen an sich und dem besonderen Rechtsgrund der unerlaubten Handlung widersprochen. Das Amtsgericht B habe den Widerspruch der Klägerin in die Insolvenztabelle eingetragen. Der Beklagte habe keinen Feststellungsbescheid erlassen. Das Insolvenzverfahren sei durch Beschluss vom xx. xx. 2020 aufgehoben worden. Der Klägerin sei mit Beschluss vom xx. xx. 2021 Restschuldbefreiung erteilt worden.

Dennoch habe der Beklagte mit Pfändung- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 die Bankkonten der Klägerin bei der S-Bank und der N-Bank gepfändet. Die ursprünglich geltend gemachten Abgabenrückstände in Höhe von 232.xxx,xx € seien mit Schreiben vom xx. xx. 2022 auf 116.xxx,xx € beschränkt worden. Im Rahmen der Vollstreckung habe der Beklagte schon ca. 9.000 € vom Bankkonto der Klägerin erlangt.

Die Steuerforderungen des Beklagten würden unter die Restschuldbefreiung fallen. Deshalb sei eine Vollstreckung unzulässig (§ 301 InsO). Die vom Beklagten vollstreckten Forderungen seien vor der Insolvenzeröffnung im Jahr 2016 entstanden. Sie würden Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO darstellen. Sie seien deshalb von der erteilten Restschuldbefreiung erfasst.

Es handele sich nicht um nach § 302 InsO ausgenommene Forderungen. Zwar habe der Beklagte im Rahmen der Anmeldung geltend gemacht, dass diese aus einer Steuerstraftat resultieren würden. Dies sei auch in die Insolvenztabelle eingetragen worden. Die Klägerin habe allerdings sowohl den Forderungen dem Grunde nach als auch hinsichtlich des geltend gemachten Privilegs widersprochen.

Dies führe nach § 201 Abs. 2 InsO dazu, dass der Beklagte aus der Tabelle keine Zwangsvollstreckung betreiben dürfe. Die Vollstreckung sei ausschließlich aus dem Tabelleneintrag möglich, da die früher erwirkten Titel durch diesen ersetzt worden seien. Soweit sich der Beklagte vorgerichtlich darauf berufen habe, dass die Steuerforderungen bereits tituliert gewesen seien, würde dies nicht dazu führen, dass trotz abgeschlossenem Insolvenzverfahrens die ursprünglichen Titel weiterhin Gültigkeit haben würden und dass daraus vollstreckt werden könne. Vielmehr gelte auch insoweit, dass der Tabelleneintrag die alten Titel ersetze.

Unabhängig davon hätte der Beklagte den isoliert zu betrachtenden Widerspruch der Klägerin gegen das vom Beklagten geltend gemachte Privileg gesondert verfolgen müssen. Solange dies nicht geschehen sei, stehe der in der Insolvenztabelle eingetragene Widerspruch der Schuldnerin der weiteren Geltendmachung der Forderungen entgegen. Deshalb könnten die Insolvenzforderungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom xx. xx. 2023 abzuändern und die Vollstreckung des Beklagten wegen Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus den Jahren 2002 und 2003 sowie Einkommensteuerverbindlichkeiten aus den Jahren 2001 bis 2003 zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen für unzulässig zu erklären,

  2. 2.

    die Pfändung- und Einziehungsverfügungen des Beklagten vom xx. xx. 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die hieraus erlangten Vollstreckungserlöse an die Klägerin auszukehren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt der Beklagte aus, dass der Widerspruch gegen die Forderungen dem Grunde nach bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht in die Tabelle eingetragen gewesen sei und dass der Widerspruch durch die Klägerin nicht weiterverfolgt worden sei. Dadurch sei die fehlende Eintragung von der Schuldnerin anerkannt worden.

Nach § 184 Abs. 2 InsO hätte die Schuldnerin ihren Widerspruch binnen eines Monats weiterverfolgen müssen. Da dies nicht geschehen sei, gelte der Widerspruch als nicht erhoben (§ 184 Abs. 2 Satz 2 InsO).

Da die Forderungen bereits tituliert seien (Steuerbescheide) könne die Vollstreckung auch aus den Steuerbescheiden erfolgen.

Mit Schreiben vom xx. xx. 2023 hat die Klägerin auf mündliche Verhandlung verzichtet. Mit Schreiben vom xx. xx. 2023 hat der Beklagte auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

I. Das Gericht legt die Klageanträge der Klägerin dahingehend aus, dass die Klägerin einerseits eine Anfechtungsklage gegen die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. xx. 2023 erhoben hat. Zum anderen hat sie eine Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben, dass festgestellt wird, dass die aufgrund der beiden Pfändung- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 dem Beklagten zugeflossenen Vollstreckungserlöse ohne rechtlichen Grund erlangt worden sind.

1. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Für die Ermittlung des Klageziels und der Klageart kommt es nicht auf die formale Bezeichnung, sondern auf den Charakter des begehrten Urteilsspruchs an (BFH-Urteil vom 20. September 1996 VI R 43/93, BFH/NV 1997, 249, Rz. 8 bei juris). Der zu stellende Klageantrag (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist eine prozessuale Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Dabei sind alle dem Finanzgericht und dem Finanzamt bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232, Rz. 11 bei juris). Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2013 IX B 73/13, BFH/NV 2014, 178 [BFH 14.11.2013 - VI B 83/13], Rz. 4 bei juris; BFH-Urteil vom 20. November 2014 IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz. 18 bei juris). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und was der recht verstandenen Interessenlage der Klägerin entspricht (BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 35/08, BFH/NV 2009, 1777, Rz. 17 bei juris).

2. In der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin formulierten ersten Ziffer des Klageantrags beantragt die Klägerin "die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom xx. xx. 2023 "abzuändern". In der zweiten Ziffer des Klageantrags beantragt die Klägerin die Pfändung- und Einziehungsverfügungen des Beklagten vom xx. xx. 2022 aufzuheben. Diese beiden Formulierungen lassen zusammengenommen den Schluss zu, dass die Klägerin begehrt, dass die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. xx. 2023 aufgehoben werden sollen. Insoweit hat die Klägerin eine Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO erhoben.

3. Damit wird aber das gesamte Klagebegehren der Klägerin noch nicht ausreichend erfasst. Die Klägerin hat außerdem in der ersten Ziffer des Klageantrags formuliert, dass die Vollstreckung des Beklagten wegen Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus den Jahren 2002 und 2003 sowie Einkommensteuerverbindlichkeiten aus den Jahren 2001 bis 2003 zuzüglich Zinsen und Säumniszuschlägen für unzulässig erklärt werden solle. Zudem begehrt die Klägerin nach der zweiten Ziffer des Klageantrags, dass die Beklagte verpflichtet werden solle, die Vollstreckungserlöse auszukehren, die infolge der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 vereinnahmt worden sind.

a) Bei einem buchstabengetreuen Verständnis der Formulierung in der zweiten Ziffer des Klageantrags hätte die Klägerin eine allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1 Alt. 3 FGO erhoben, die aber allein deshalb keine Erfolgsaussichten hätte, weil über Erstattungsansprüche gemäß § 37 Abs. 2 AO zunächst durch Verwaltungsakt zu entscheiden wäre (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO) (vgl. nur BFH-Beschluss vom 5. März 1987 VII B 139/86, BFH/NV 1987, 663, Rz. 15 bei juris; BFH-Beschluss vom 7. Juli 1998 VII B 312/97, BFH/NV 1999, 150, Rz. 6 bei juris; BFH-Urteil vom 30. November 1999 VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412, Rz. 11 ff. bei juris; Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juli 2022 - 3 K 744/20 KV, EFG 2022, 1528, Rz. 23).

b) Das Gericht ist allerdings der Auffassung, dass die Formulierung in der ersten Ziffer des Klageantrags, die vorgenommene Vollstreckung für unzulässig zu erklären und die Formulierung in der zweiten Ziffer des Klageantrags, die Vollstreckungserlöse auszukehren, als einheitliches Begehren zu begreifen ist, das darauf gerichtet ist, die Folgen der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zu beseitigen. Dieses Begehren lässt sich als Feststellungsbegehren im Sinne von § 41 Abs. 1 FGO verstehen, welches auf die Feststellung gerichtet ist, dass kein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht, das die Grundlage dafür bietet, die erhaltenen Vollstreckungserlöse aus dem Pfändungs- und Einziehungsvorgang behalten zu dürfen. Folge einer solchen Feststellung wäre, dass die Klägerin wegen des fehlenden rechtlichen Grunds für das Behaltendürfen einen Anspruch auf Erstattung der Vollstreckungserlöse gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hätte. Deshalb ist das Gericht der Auffassung, dass die Klägerin zusätzlich zu der Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO eine Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 Alt. 1 FGO (und keine Leistungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 3 FGO) erhoben hat.

II. Die Klagen sind zulässig.

1. Die gegen die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig, obwohl die Klagefrist versäumt worden ist. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

a) Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Im vorliegenden Fall ist die Einspruchsentscheidung am Mittwoch, den xx. xx. 2023 mit einfachem Brief zur Post gegeben worden. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Danach wäre die Bekanntgabe am Samstag, den xx. xx. 2023 bewirkt worden. Nach § 54 Abs. 2 FGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 193 BGB verschiebt sich die Bekanntgabe bei einem Fristende auf einem Samstag auf den nächstfolgenden Werktag, mithin auf Montag, den xx. xx. 2023. Das Fristende für die Klagefrist war danach am Mittwoch, den xx. xx. 2023. Die Klägerin hat innerhalb der Frist lediglich den Prozesskostenhilfeantrag eingereicht. Die Klage erhob die Klägerin erst am xx. xx. 2023. Die Klagefrist ist daher versäumt worden.

b) Der Klägerin ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 56 Abs. 1 FGO erhält eine Person, die ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Antrag ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass ein Beteiligter, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, eine fristgebundene Klage rechtzeitig einzulegen, Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat, wenn er innerhalb der Klagefrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573, Rz. 12 bei juris; BFH-Beschluss vom 9. April 2013 III B 247/11, BFH/NV 2013, 1112, Rz. 14 bei juris). Die Klägerin hat bis zum Ablauf der Klagefrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen. Sie hat das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel dargestellt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der entsprechenden Belege vorgelegt. Nach der Gewährung der Prozesskostenhilfe am xx. xx. 2023 hat die Klägerin zeitnah - am xx. xx. 2023 - die Klage erhoben. Sie hat daher innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nach Wegfall des Hindernisses den Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und die versäumte Handlung nachgeholt. Der Klägerin ist somit Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren.

2. Auch die Feststellungsklage ist zulässig.

a) Die Feststellungsklage ist entsprechend den Anforderungen in § 41 Abs. 1 FGO auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet, nämlich auf die Feststellung, dass kein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht, welches es ermöglicht, dass die Beklagte die erhaltenen Vollstreckungserlöse aus der Pfändung und Einziehung etwaiger Bankguthaben der Klägerin behalten darf.

b) Die Klage ist ohne außergerichtliches Vorverfahren und ohne Einhaltung einer Klagefrist zulässig. Es ist aber die Subsidiaritätsklausel des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO zu beachten und die Klägerin hat ein besonderes Feststellungsinteresse darzulegen.

c) Die Subsidiaritätsklausel in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO besagt, dass eine Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnte. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob das Klagebegehren bereits durch die ebenfalls erhobene Anfechtungsklage gegen die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vollständig erreicht werden könnte. Das ist aber nicht möglich. Denn allein durch die begehrte Aufhebung der beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen werden die Folgen der Vollstreckungsmaßnahmen nicht zwangsläufig beseitigt. Richtet sich die begehrte Folgenbeseitigung auf die Rückgängigmachung der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung, hat die Finanzbehörde gemäß § 37 Abs. 2 AO nur dann eine Verpflichtung zur Erstattung oder Rückzahlung der erlangten Beträge, wenn diese ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 11. April 2001 VII B 304/00, BFHE 194, 338 [BFH 29.03.2001 - III R 1/99], BStBl II 2001, 525 [BFH 11.04.2001 - VII R 304/00], Rz. 14 bei juris; BFH-Beschluss vom 2. November 2007 VII S 20/07 (PKH), BFH/NV 2008, 331, Rz. 12 bei juris; Urteil des Sächsischen FG vom 17. März 2004 - 2 K 979/99, Rz. 21 bei juris; Urteil des FG Köln vom 30. Oktober 2009 - 15 K 2191/09, EFG 2010, 661, Rz. 19 bei juris; Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 1. März 2017 - 7 K 7188/16, Rz. 31 bei juris). Dabei stellt nicht die angegriffene und ggf. rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahme den rechtlichen Grund für das Behaltendürfen der Vollstreckungsbeträge dar. Der rechtliche Grund für das Behaltendürfen beruht auf dem zugrundeliegenden Vollstreckungstitel. Er ist also schon gegeben, wenn dem - ggf. rechtswidrigen - Vollstreckungsakt ein wirksamer Steuerbescheid zugrunde liegt (vgl. z.B. Urteil des FG Düsseldorf vom 22. Juli 2022 - 3 K 744/20 KV, EFG 2022, 1528, Rz. 24). Mit einer Anfechtungsklage allein gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen kann die Klägerin ihr Rechtschutzziel, auch die Folgen der Pfändung und Einziehung zu beseitigen, mithin nicht vollständig erreichen. Dazu bedarf es der weiteren Feststellung, dass kein rechtlicher (Behaltens-)Grund vorhanden ist. Die Subsidiaritätsklausel in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO steht der Feststellungsklage deshalb nicht entgegen.

d) Aus dem gleichen Grund kann die Klägerin auch ein besonderes Feststellungsinteresse geltend machen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein besonderes Feststellungsinteresse angenommen werden kann, wenn die Feststellungsklage zum Zwecke der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung erhoben wird (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1986 VII R 16/85, BFH/NV 1987, 780, Rz. 14 bei juris; BFH-Beschluss vom 11. April 2001 VII B 304/00, BFHE 194, 338 [BFH 29.03.2001 - III R 1/99], BStBl II 2001, 525 [BFH 11.04.2001 - VII R 304/00], Rz. 13 bei juris; BFH-Beschluss vom 19. April 2007 VII B 162/06, BFH/NV 2007, 1519, Rz. 6 bei juris; Urteil des Sächsischen FG vom 17. März 2004 - 2 K 979/99, Rz. 22 bei juris; Urteil des FG Köln vom 30. Oktober 2009 - 15 K 2191/09, EFG 2010, 661, Rz. 19 bei juris; Urteil des FG Köln vom 22. September 2016 - 13 K 66/13, EFG 2017, 101, Rz. 44 bei juris; Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 1. März 2017 - 7 K 7188/16, Rz. 31 bei juris). Genau das begehrt die Klägerin im vorliegenden Fall. Die Feststellung, dass kein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht, auf dessen Grundlage der Beklagte die erhaltenen Vollstreckungserlöse aus der Pfändung und Einziehung behalten darf, ist geeignet, zur Beseitigung der Folgen der - nach Ansicht der Klägerin rechtswidrigen - Vollstreckungsmaßnahmen beizutragen.

III. Die Klagen sind auch begründet.

1. Die Anfechtungsklage ist begründet, weil der Beklagte nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am xx. xx. 2020 und der Erteilung der Restschuldbefreiung am xx. xx. 2021 die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 nicht hätte erlassen dürfen. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx. xx. 2023 sind deshalb aufzuheben.

Dem Beklagten stand für die angegriffenen Vollstreckungsmaßnahmen nicht der Tabellenauszug vom 24. August 2016, aktualisiert am 12. August 2020 als Vollstreckungstitel zur Verfügung, weil das Amtsgericht B den Tabellenauszug mit Datum vom 9. Mai 2022 nachträglich dahingehend berichtigt hat, dass die Schuldnerin (die hiesige Klägerin) gegen die Forderungen dem Grunde nach Widerspruch erhoben hat (dazu unter Buchst. a)).

Außerdem standen dem Beklagten für die angegriffenen Vollstreckungsmaßnahmen nicht die ursprünglichen Steuerbescheide als Vollstreckungstitel zur Verfügung, weil Forderungen, die nicht im Rahmen des Verfahrens gemäß §§ 302 Nr. 1, 174 Abs. 2, 175 Abs. 2, 178 Abs. 3 (analog), 201 Abs. 2 Satz 1 InsO als Forderungen im Zusammenhangs mit einer rechtkräftig verurteilten Steuerstraftat festgestellt worden sind, unter die am xx. xx. 2021 gewährte Restschuldbefreiung fallen (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO) (dazu unter Buchst. b).

a) Der Beklagte durfte die beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 nicht unter Berufung auf die Aufhebung des Insolvenzverfahrens am xx. xx. 2020 (§ 200 Abs. 1 InsO) und unter Inanspruchnahme eines anschließenden Nachforderungsrechts gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO erlassen. Der zugrundeliegende Tabellenauszug aus der Insolvenztabelle stellt keinen tauglichen Vollstreckungstitel dar, da die Forderung dem Grunde nach von der Schuldnerin bestritten worden ist.

aa) Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AO können die Finanzbehörden Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Nach § 251 Abs. 1 Satz 1 AO können Verwaltungsakte vollstreckt werden, soweit ihre Vollziehung nicht ausgesetzt ist oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist. Nach § 254 Abs. 1 Satz 1 AO darf die Vollstreckung grundsätzlich erst beginnen, wenn die Leistung fällig, der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Zusammengefasst muss ein vollstreckbarer Verwaltungsakt als Grundlage für die Vollstreckung vorliegen und die Leistung muss fällig, angefordert und die Vollziehung nicht ausgesetzt worden sein.

bb) Die Einkommensteuer 2001 bis 2003 und die Umsatzsteuer 2001 bis 2003 wurde im Jahr 2007 festgesetzt. Die Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Rechtsbehelfe lagen nicht vor. Die Fälligkeit der Steuerbescheide datierte auf den xx. xx. 2007. Dementsprechend stellten die ursprünglichen Steuerbescheide vollstreckbare Verwaltungsakte im Sinne von § 251 Abs. 1 AO dar.

cc) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin am xx. xx. 2016 konnten die Insolvenzgläubiger (und damit auch der Beklagte) ihre Forderungen nur noch nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen (§ 87 InsO in Verbindung mit § 251 Abs. 2 Satz 1 AO). Während der Dauer des Insolvenzverfahrens war die Zwangsvollstreckung für den einzelnen Insolvenzgläubiger weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen der Schuldnerin zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 251 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Geltendmachung der Abgabenforderungen als Insolvenzforderungen erfolgte durch Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle gemäß § 174 Abs. 2 InsO.

Dementsprechend meldete der Beklagte mit Schreiben vom xx. xx. 2016 u.a. die Abgabenforderungen wegen Einkommensteuer 2001 bis 2003 und Umsatzsteuer 2001 bis 2003 einschließlich der steuerlichen Nebenleistungen an und gab zudem an, dass den Abgabenforderungen eine Steuerstraftat der Klägerin zugrunde gelegen habe (§ 274 Abs. 2 Halbsatz 2 InsO).

dd) Im Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am xx. xx. 2020 und im Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung am xx. xx. 2021 hatte der Beklagte lediglich Kenntnis davon, dass die Klägerin Widerspruch gegen das Forderungsattribut (Privilegierung der Forderung wegen des Zusammenhangs mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat) eingelegt hatte. In dem Auszug aus der Insolvenztabelle vom 24. August 2016, aktualisiert am 12. August 2020 war der Widerspruch der Klägerin gegen die Forderungen dem Grunde nach nicht aufgeführt. Deshalb ging der Beklagte davon aus, dass ihm hinsichtlich der Abgabenforderungen im Zusammenhang mit der rechtskräftig abgeurteilten Steuerstraftat ein unbeschränktes Nachforderungsrecht gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 302 Nr. 1 InsO zustand. Dies traf indes nicht zu.

ee) Das Insolvenzgericht hat den Auszug aus der Insolvenztabelle am 9. Mai 2022 dahingehend berichtigt, dass die Klägerin auch gegen die Abgabenforderungen dem Grunde nach Widerspruch erhoben hat. Die Berichtigung entspricht den tatsächlichen Verhältnissen. Die Klägerin hatte mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters am 15. August 2016 den angemeldeten Forderungen sowohl dem Grunde nach als auch im Hinblick auf den besonderen Rechtsgrund im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat widersprochen. Dies wird von dem Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.

aaa) Die nachträgliche Berichtigung der Insolvenztabelle war zulässig. Ein unrichtiger Tabelleneintrag, der darauf beruht, dass das Gericht versehentlich einen Widerspruch nicht vermerkt hat, kann jederzeit sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag berichtigt werden (vgl. BGH-Beschluss vom 24. November 2016 IX ZB 4/15, ZIP 2017, 386, Rz. 8 bei juris; BGH-Beschluss vom 16. Juli 2020 IX ZB 14/19, ZInsO 2020, 1760, Rz. 7 bei juris; vgl. auch Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178, Rz. 19; Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 178 Rz. 43; Schumacher in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 178, Rz. 51). Die Berichtigung erfolgt zwar nicht gemäß § 4 InsO in Verbindung mit § 319 ZPO, weil § 319 ZPO eine gerichtliche Entscheidung voraussetzt, die im Fall der Eintragung in die Insolvenztabelle ungeachtet der Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO nicht ergeht. Das Insolvenzgericht beurkundet lediglich die Erklärungen des Insolvenzverwalters, der Insolvenzgläubiger und des Schuldners, ohne hierzu eine Entscheidung zu fällen. Deshalb erfolgt die Berichtigung der Insolvenztabelle in entsprechender Anwendung des § 164 Abs. 1 ZPO (in Verbindung mit § 4 InsO) (BGH-Beschluss vom 29. September 2011 IX ZA 74/11, ZInsO 2011, 2278, Rz. 7 bei juris; BGH-Beschluss vom 24. November 2016 IX ZB 4/15, ZIP 2017, 386, Rz. 8 bei juris).

bbb) Die Berichtigung ist auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zulässig (BGH-Beschluss vom 16. Juli 2020 IX ZB 14/19, ZIP 2020, 1623, Rz. 7 bei juris unter Hinweis auf Schumacher in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 178, Rz. 52; vgl. auch Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178, Rz. 23; Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 178 Rz. 48 und Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23. Oktober 2007 - 6 T 592/07, ZInsO 2008, 514, Rz. 3 bei juris). Im Hinblick auf die Fortwirkung des Tabelleneintrags im Rahmen der Vollstreckung nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO) besteht ein ausreichendes Bedürfnis für eine Tabellenberichtigung nach Abschluss des Verfahrens. Zudem ergibt sich aus der Vorschrift des § 183 Abs. 2 InsO, dass eine Berichtigung der Tabelle auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens möglich ist. Denn auch das Ergebnis einer erfolgreichen Feststellungsklage eines Gläubigers ist nachträglich einzutragen. Gleiches gilt, wenn sich aufgrund nachträglicher Erkenntnisse herausstellt, dass der Tabelleneintrag infolge eines Versehens des Insolvenzgerichts unrichtig ist.

ccc) Gegen eine nachträgliche Berichtigung des Tabellenauszugs spricht auch nicht § 178 Abs. 3 InsO. Zwar besagt diese Vorschrift, dass die Eintragung in die Tabelle für die festgestellte Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt. Diese Urteilswirkung geht aber nur von einem zutreffenden Feststellungsvermerk aus. Gibt der Tabellenauszug die tatsächlichen Erklärungen der Beteiligten nicht wahrheitsgemäß wieder, kann der Fehler jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen berichtigt werden (Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 178 Rz. 27 und 43; Schumacher in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 178, Rz. 56).

ff) Dementsprechend entzieht die Berichtigung der Insolvenztabelle vom 9. Mai 2022 den beiden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom xx. xx. 2022 die Vollstreckungsgrundlage. Der Auszug aus der Insolvenztabelle in der Fassung vom 9. Mai 2022 ist nicht mehr geeignet, einen Vollstreckungstitel für die vom Beklagten betriebene Einzelzwangsvollstreckung darzustellen.

aaa) Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO können Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, aus der Eintragung in der Tabelle nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Nach der Berichtigung des Tabelleneintrags vom 9. Mai 2022 ist jedoch dokumentiert, dass die Schuldnerin (die Klägerin) gegen die Forderung dem Grunde nach Widerspruch erhoben hat. Anders als bei einem Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines anderen Insolvenzgläubigers (vgl. insoweit § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO), steht der Widerspruch des Schuldners der Feststellung der Forderung nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Forderung wird trotz des Schuldnerwiderspruchs in die Tabelle eingetragen und nimmt an der Verteilung teil.

Trotz der Unbeachtlichkeit des Schuldnerwiderspruchs für die Verteilung ist der Schuldnerwiderspruch gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2 InsO in die Tabelle einzutragen. Dies ist nunmehr nach der Berichtigung vom 9. Mai 2022 geschehen. Grund ist, dass aus dem Tabelleneintrag wegen des eingetragenen Schuldnerwiderspruchs nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (vgl. Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178 Rz. 9; Hintzen in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 201, Rz. 21; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BStBl II 2018, 515, Rz. 32 ff. bei juris). Dies liegt an dem Wortlaut des § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO. Insolvenzgläubiger können danach nur dann aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn die "Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind". Der Widerspruch des Schuldners hindert demnach die Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags außerhalb des Insolvenzverfahrens (BGH-Beschluss vom 3. April 2014 IX ZB 93/13, ZIP 2014, 1185, Rz. 8 bei juris; BGH-Urteil vom 11. Juli 2013 IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640, Rz. 7 bei juris; BGH-Urteil vom 2. Dezember 2010 IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39, Rz. 8 bei juris; BGH-Urteil vom 18. Mai 2006 IX ZR 187/04, NZI 2006, 536, Rz. 9 bei juris; Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 19).

bbb) Nach § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO steht einer nicht bestrittenen Forderung eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt worden ist. Aus dieser Vorschrift kann der Beklagte aber nicht herleiten, dass er aus dem Auszug aus der Insolvenztabelle die Zwangsvollstreckung betreiben darf.

b.1.) Grundsätzlich sieht § 184 Abs. 1 Satz 1 InsO in den Fällen des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner vor, dass der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben muss. Ist für die Feststellung der Forderung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben, kann ein Finanzamt die Feststellung durch Verwaltungsakt selbst vornehmen (§ 251 Abs. 3 AO). Das ist für Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen der Rechtswegzuweisung in § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Fall (vgl. zudem § 185 Satz 1 InsO; zum Ganzen: BFH-Urteil vom 26. November 1987 V R 130/82, BFHE 151, 349, BStBl II 1988, 124, Rz. 20 bei juris; BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz. 24 und 25 bei juris; BFH-Urteil vom 7. August 2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BFHE 262, 208 [BFH 07.08.2018 - VII R 24, 25/17], BStBl II 2019, 19, Rz. 16 bei juris; Specovius in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 184, Rz. 11).

b.2.) Dies gilt regelmäßig jedoch nur dann, wenn vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch kein Steuerbescheid über die streitige Abgabenforderung ergangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 VII R 63/03, BFHE 209, 23, BStBl II 2005, 591, Rz. 14 ff. bei juris). Ein im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits ergangener Steuerbescheid ist ein vollstreckbarer Schuldtitel im Sinne des § 179 Abs. 2 InsO, der bei einem Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines anderen Insolvenzgläubigers dazu führt, dass der Bestreitende den Widerspruch zu verfolgen hat (BFH-Beschluss vom 10. August 1993 VII B 46/91, BFH/NV 1994, 293, Rz. 3 bei juris: zu § 146 KO; BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz. 12 bei juris). Dies gilt nicht nur bei einem Widerspruch durch den Insolvenzverwalter oder einen anderen Insolvenzgläubiger. Widerspricht der Schuldner der Anmeldung einer Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt, ordnet § 184 Abs. 2 InsO an, dass es dem Schuldner obliegt, binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen (vgl. BGH-Urteil vom 11. Juli 2013 IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640, Rz. 9 bei juris).

b.3.) Dies geschieht in den Fällen, in denen der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist, durch Aufnahme des bislang gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Einspruchsverfahrens oder der ebenfalls gemäß § 240 ZPO unterbrochenen finanzgerichtlichen Klage durch den Insolvenzverwalter (BFH-Urteil vom 18. August 2015 V R 39/14, BFHE 251, 125, BStBl II 2017, 755 [BFH 08.03.2017 - II R 2/15], Rz. 17 bei juris; Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 2018 - 10 K 1385/15 E, U, EFG 2018. 1250, Rz 31 bei juris). Der Schuldner selbst ist in diesem Prozess nicht beteiligungsfähig (BFH-Urteil vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573, Rz. 11 ff. bei juris).

Der Widersprechende hat aber im Rahmen des Insolvenzverfahrens nur die rechtlichen Möglichkeiten, die dem Schuldner auch ohne Insolvenzverfahren zugestanden haben (Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 174, Rz. 28). Waren die Steuerbescheide bei der Verfahrenseröffnung bereits unanfechtbar, können die bestandskräftigen Steuerbescheide nur noch unter Inanspruchnahme der Änderungsvorschriften gemäß §§ 172 ff. AO, der Wiedereinsetzungsvorschriften gemäß § 110 AO oder § 56 FGO oder der Wiederaufnahmevorschriften in § 134 FGO in Verbindung mit §§ 578 ff. ZPO angegriffen werden (Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 186 Rz. 14; Loose in Tipke/Kruse Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 178. Lieferung, 11/2023, § 251 AO, Rz. 66).

b.4.) Im vorliegenden Fall ist die widersprechende Schuldnerin (die Klägerin) in der Monatsfrist gemäß § 184 Abs. 2 InsO nicht erkennbar tätig geworden. Es ist auch nicht ersichtlich, was den bestandskräftigen Steuerbescheiden hätte entgegengehalten werden können. In einer solchen Situation lässt es die Rechtsprechung zu, dass die Finanzbehörde, unabhängig von der der widersprechenden Schuldnerin obliegenden Verfolgungslast (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO), einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO erlässt, mit dem festgestellt wird, dass die angemeldete Forderung bestandskräftig festgesetzt worden ist und Korrekturvorschriften oder Wiedereinsetzungsgründe nicht eingreifen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz. 13 bei juris; Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 2018 - 10 K 1385/15 E, U, EFG 2018, 1250, Rz. 29 bei juris; ebenso: Loose in Tipke/Kruse Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 178. Lieferung, 11/2023, § 251 AO, Rz. 66). Begründet wird diese Rechtsprechung damit, dass die Verfolgungslast des Widersprechenden (hier gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO) nicht bedeutet, dass der Gläubiger gehindert ist, seinerseits die Feststellung seiner Forderung zu verfolgen. Die Überbürdung der Verfolgungslast auf den Widersprechenden soll dem Insolvenzgläubiger nur die Verpflichtung abnehmen, das Verfahren weiter zu betreiben. Sie soll dem Insolvenzgläubiger aber nicht die Befugnis entziehen, selbst für Klarheit zu sorgen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz. 13 bei juris; vgl. auch BGH-Urteil vom 29. Juni 1998 II ZR 353/97, BGHZ 139, 132, Rz. 6 bei juris).

b.5.) Vorliegend ist ein solcher Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO von dem Beklagten nicht erlassen worden. Deshalb existiert keine Feststellung dahingehend, dass die angemeldeten Forderungen bestandskräftig festgesetzt worden sind und weder Korrekturvorschriften noch Wiedereinsetzungsgründe eingreifen. Auch für die angemeldeten und von der Schuldnerin bestrittenen Säumniszuschläge, die bislang nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt worden sind, weil sie kraft Gesetzes entstehen, gibt es keinen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO. Dem Beklagten wäre auch insoweit der Weg über den Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO eröffnet gewesen (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2008 II B 91/08, ZInsO 2009, 47, Rz. 15 bei juris: für den Fall des Widerspruchs durch den Insolvenzverwalter).

b.6.) Auf eine bestandskräftige Feststellung, die zur Beseitigung des Widerspruchs der Schuldnerin führt, kann in den Fällen des Widerspruchs gegen einen vollstreckbaren Schuldtitel allerdings grundsätzlich auch verzichtet werden, weil nicht der Insolvenzgläubiger den Widerspruch beseitigen, sondern die widersprechende Schuldnerin den Widerspruch weiterverfolgen muss (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die bei einem schon existierenden vollstreckbaren Schuldtitel der Schuldnerin zugewiesene Verfolgungslast führt in den Fällen, in denen die widersprechende Schuldnerin innerhalb der Monatsfrist des § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht tätig wird, dazu, dass der Widerspruch gemäß § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO als nicht erhoben gilt.

b.7.) Indes bedarf es für die nachinsolvenzliche Vollstreckung aus dem Tabellenauszug einer Berichtigung der Tabelle. Auch im Falle des § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO wird der Löschungsvermerk nach Ablauf der Monatsfrist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Gläubigers eingetragen. Grund ist, dass die Fiktion in § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO nur eine besondere Form der Beseitigung des Widerspruchs ist, sodass § 183 Abs. 2 InsO entsprechend anzuwenden ist (BGH-Urteil vom 2. Dezember 2010 IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39, Rz. 11 bei juris; BGH-Urteil vom 11. Juli 2013 IX ZR 286/12, ZIP 2013, 1640, Rz. 9 bei juris; Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 184, Rz. 11; Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 184 Rz. 23 und 24; Specovius in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 184, Rz. 14; Kießner in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Auflage, § 184 Rz. 13 f.; Schumacher in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 184, Rz. 8d; Hintzen in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 201, Rz. 24). In § 183 Abs. 2 InsO ist die Obliegenheit der obsiegenden Partei niedergelegt, die Berichtigung der Insolvenztabelle zu beantragen. Das Insolvenzgericht hat den Schuldner anzuhören und anschließend in die Tabelle einen Vermerk zur fehlenden Wirksamkeit des Widerspruchs einzutragen (vgl. Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 184 Rz. 23 und 24). Die Berichtigung kann auch noch nach der Schlussverteilung und Aufhebung des Verfahrens erfolgen (Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 23. Oktober 2007 - 6 T 592/07, ZInsO 2008, 514, Rz. 3 bei juris).

b.8.) Auf die Berichtigung der Insolvenztabelle kann nicht verzichtet werden. Soweit der Beklagte in dem Schreiben vom xx. xx. 2022 die Auffassung vertreten hat, dass er trotz des nachträglich eingetragenen Widerspruchs der Klägerin gegen die in der Tabelle festgestellten Forderungen des Beklagten unter Zugrundelegung der Insolvenztabelle vollstrecken dürfe, ohne dass zuvor die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs (§ 184 Abs. 2 Satz 2 InsO) in die Insolvenztabelle eingetragen worden ist, folgt das Gericht nicht. Der Beklagte muss einen Vollstreckungstitel vorweisen können, der die Grundlage für seine Vollstreckungsmaßnahmen darstellt. Dieser Vollstreckungstitel kann kein Tabellenauszug sein, der die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO nicht erfüllt.

b.8.1.) Wenn der Beklagte die Insolvenztabelle zur Grundlage der Vollstreckung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung macht, dann kann dies nur unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 InsO erfolgen. Die Zwangsvollstreckung kann nach dieser Vorschrift nur dann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil gegen die Schuldnerin betrieben werden, wenn entweder die Forderung des Insolvenzgläubigers festgestellt und von dem Schuldner nicht bestritten worden ist (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO) oder ein erhobener Widerspruch beseitigt worden ist (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dabei muss sich die Beseitigung des Widerspruchs aus dem Tabellenauszug ergeben. Denn der Tabellenauszug erlangt nur dann die Wirkung eines vollstreckbaren Urteils, aus dem die weitere Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, wenn sich die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO aus dem Inhalt des Tabellenauszugs ergeben. Gibt es - wie hier - keinen Beseitigungsvermerk zu dem Widerspruch der Schuldnerin, lassen sich die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht aus dem Tabellenauszug ablesen. Der Tabellenauszug mag unrichtig sein. Vor einer Berichtigung kann er aber nicht die Wirkung eines vollstreckbaren Urteils entfalten (Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 26; Pehl in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 201, Rz. 9 bis 11; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Auflage, S. 336 ff.; vgl. auch Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 2018 - 10 K 1385/15 E, U, EFG 2018, 1250, Rz. 33; Depré in Kreft, Insolvenzordnung, 6. Auflage, § 184, Rz. 1 am Ende). Er kann mithin nicht Grundlage für die Vollstreckung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens sein.

b.8.2.) Für dieses Ergebnis spricht die Titulierungsfunktion des Tabelleneintrags. Die Titulierung für die Vollstreckung außerhalb des Insolvenzverfahrens wird durch einen eingetragenen Widerspruch des Schuldners verhindert. Die Feststellung der Forderung zur Tabelle bewirkt erst dann gegenüber dem Schuldner Rechtskraft und Vollstreckbarkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens, wenn von seiner Seite entweder kein Widerspruch erhoben worden ist oder der erhobene Widerspruch durch (eingetragene) Zurücknahme, Nichtweiterverfolgung (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO) oder durch einen bestandskräftigen Feststellungsbescheid (§§ 184, 185 InsO in Verbindung mit § 251 Abs. 3 AO) beseitigt ist. Diese Rechtskraftwirkung ergibt sich unmittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO. Ohne Berichtigung des Tabelleneintrags kann der Tabelleneintrag dieser Titulierungswirkung nicht nachkommen (Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178 Rz. 65).

b.8.3.) Auch die beurkundende Funktion des Tabelleneintrags spricht für das gefundene Ergebnis. Der Tabelleneintrag dokumentiert gerade, ob und in welcher Höhe eine Forderung festgestellt worden ist und ob der Schuldner im Hinblick auf die nachinsolvenzliche Vollstreckung widersprochen hat. Deshalb kommt dem formalen Beurkundungsakt für die Feststellung der Forderung konstitutive Bedeutung zu. Erst aufgrund der Eintragung in die Tabelle erlangt die festgestellte Forderung die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils gemäß § 178 Abs. 3 InsO (BGH-Urteil vom 15. November 2012 IX ZR 103/11, ZInsO 2013, 196, Rz. 6 bei juris; BGH-Urteil vom 8. Mai 2014 IX ZR 118/12, BGHZ 201, 121, ZIP 2014, 1181, Rz. 16 bei juris; Schumacher in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 184, Rz. 47 f.). Nichts anderes kann im Verhältnis zu § 201 Abs. 2 InsO gelten. Denn erst wenn die Beseitigung des Widerspruchs des Schuldners in die Tabelle eingetragen ist, kann aus dem Tabellenauszug nachinsolvenzlich vollstreckt werden (Hintzen in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 201, Rz. 21).

b.8.4.) Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht angeführt werden, dass in dem Fall einer rechtskräftigen Beseitigung eines Widerspruchs durch einen zivilrechtlichen Feststellungsprozess gemäß § 184 Abs. 1 InsO die nachfolgende Berichtigung der Tabelle lediglich deklaratorische Wirkung hat (vgl. Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178, Rz. 13). Dieses Argument scheint der Beklagte im Sinn zu haben, als er vorgetragen hat, dass die Ergänzung der Tabelle um den Widerspruch des Schuldners und dessen Unbeachtlichkeit nur nachrichtlichen Charakter gehabt hätte.

b.8.4.1.) Das Argument der nur deklaratorischen Umsetzung einer bereits anderweitig erfolgten Entscheidung, dass der Widerspruch unbeachtlich sei, kann im vorliegenden Fall nicht durchgreifen. Der Beklagte hat eben gerade keinen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassen, gegen den der Schuldnerin der Rechtsbehelf des Einspruchs und der Klage zugestanden hätte. Über die Frage der Unbeachtlichkeit des Widerspruchs hat es keine bestandskräftige Entscheidung gegeben, die in ihren Bestandskraftwirkungen auf das vorliegende Verfahren hätte einwirken können. Ohne eine solche Feststellung hätte der Beklagte zumindest einen Antrag nach § 183 Abs. 2 InsO auf Berichtigung des Tabellenauszugs stellen müssen, der eine Anhörung der Schuldnerin durch das Insolvenzgericht nach sich gezogen hätte, sodass die Löschungsentscheidung des Insolvenzgerichts im Hinblick auf den Widerspruch der Schuldnerin erst nach der Gewährung von rechtlichem Gehör stattgefunden hätte, bevor auf der Grundlage des Tabellenauszugs die Vollstreckung erlaubt worden wäre.

b.8.4.2.) Dementsprechend wird in der Literatur davon gesprochen, dass die Eintragung grundsätzlich dem verfahrensrechtlichen "Beweis des Vorgangs" dient, dass also erst durch den Beurkundungsakt die Wirkung entsteht, dass der Tabelleneintrag "wie ein vollstreckbares Urteil" wirkt (was gemäß § 201 Abs. 2 InsO Voraussetzung für die nachinsolvenzliche Vollstreckung ist). Diese konstitutive Wirkung der Eintragung tritt nur dann nicht ein, wenn die Feststellung der Forderung als nicht bestritten bzw. die Feststellung der Beseitigung des Widerspruchs bereits anderweitig - also durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO - erreicht worden ist. Nur in diesen Fällen ist die nachfolgende Tabellenberichtigung nur noch als deklaratorisch anzusehen (siehe Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 178, Rz. 13).

b.8.5.) Das gefundene Ergebnis wird auch nicht durch die ungewöhnlichen Besonderheiten des vorliegenden Falls in Frage gestellt. Zwar trifft es zu, dass dem Beklagten der Widerspruch der Schuldnerin erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden ist. Dies ändert aber nichts daran, dass der Beklagte diesen Widerspruch nach Kenntnisnahme hätte beseitigen können aber nicht beseitigt hat.

b.8.5.1.) Der Beklagte hätte zum einen die Möglichkeit gehabt, in entsprechender Anwendung des § 183 Abs. 2 InsO bei dem Insolvenzgericht die Löschung des Widerspruchs wegen Untätigkeit der Schuldnerin gemäß § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO zu beantragen. Denn ebenso, wie der Widerspruch der Schuldnerin im Wege der Berichtigung noch nachträglich in die Insolvenztabelle eingetragen werden konnte, konnte auch noch der Umstand, dass der Widerspruch keine Wirkung mehr entfaltet, nachträglich in die Insolvenztabelle eingetragen werden (Eintragung: "Der Widerspruch gilt gemäß § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO als nicht erhoben.").

b.8.5.2.) Für den Fall, dass das Insolvenzgericht nicht bereit gewesen wäre, eine entsprechende Berichtigung vorzunehmen, hätte dem Beklagten die Möglichkeit offen gestanden, mittels eines Feststellungsbescheids gemäß § 251 Abs. 3 AO klarzustellen, dass die angemeldeten Forderungen bestandskräftig festgesetzt worden sind und weder Korrekturvorschriften noch Wiedereinsetzungsgründe eingreifen. Es ist bereits ausgeführt worden, dass die Rechtsprechung den Finanzbehörden trotz der Verfolgungslast der widersprechenden Schuldnerin (§ 184 Abs. 2 Satz 1 InsO) den Erlass eines klarstellenden Feststellungsbescheids gemäß § 251 Abs. 3 AO erlaubt (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562, Rz. 13 bei juris; ebenso: Loose in Tipke/Kruse Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, 178. Lieferung, 11/2023, § 251 AO, Rz. 66). Der erkennende Senat kann keinen Grund erkennen, weshalb der Beklagte im vorliegenden Fall, in dem der Beklagte erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens von dem Widerspruch der Schuldnerin Kenntnis erlangt hat, nicht befugt sein sollte, auch noch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO zu erlassen.

Der Wortlaut des § 251 Abs. 3 AO steht einer nachträglichen Feststellung jedenfalls nicht entgegen. Der Beklagte hat auch im vorliegenden Fall - wie es der Wortlaut des § 251 Abs. 3 AO verlangt - in dem Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend gemacht. Für die nachinsolvenzliche Vollstreckung ist es auch "erforderlich" im Sinne von § 251 Abs. 3 AO, dass die Steuerforderungen noch nachträglich als Insolvenzforderungen festgestellt werden. Dementsprechend kann dem Beklagten die Befugnis zum Erlass eines Feststellungsbescheids jedenfalls dann nicht abgesprochen werden, wenn ein vorher gestellter Antrag gemäß § 183 Abs. 2 InsO auf Löschung des Widerspruchs in der Insolvenztabelle beim Insolvenzgericht keinen Erfolg hatte.

b.8.5.3.) Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass im Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Anschein bestand, dass die Schuldnerin keinen Widerspruch gegen die Forderung dem Grunde nach erhoben hatte. Dieser Anschein wurde jedoch durch die spätere Berichtigung der Tabelle beseitigt. Mit der Berichtigung wurde rückwirkend richtiggestellt, was bereits seit der Erhebung des Schuldnerwiderspruchs tatsächliche Sachlage war. Da dem Beklagten Möglichkeiten zur Verfügung standen, den Schuldnerwiderspruch zu beseitigen, die er nicht genutzt hat, kann es nicht der Schuldnerin zum Nachteil gereichen, dass das Insolvenzgericht einen Fehler gemacht hat. Die Schuldnerin hat nichts falsch gemacht. Sie konnte sich darauf verlassen, dass das Insolvenzgericht ihre beiden Widersprüche zutreffend eintragen werde. Die Ursache für das Fehlen des Vollstreckungstitels liegt nicht in dem Verhalten der Schuldnerin, sondern in dem Nichttätigwerden des Beklagten, nachdem bekannt geworden war, dass doch ein Widerspruch dem Grunde nach eingetragen worden war.

gg) Der Beklagte scheint der Auffassung zu sein, dass auch noch in einem nachfolgenden finanzgerichtlichen Prozess über die Rechtmäßigkeit der ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen festgestellt werden könne, dass der Schuldner seinen Widerspruch nicht weiterverfolgt habe und dass die Insolvenztabelle unrichtig sei. Das trifft nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht zu. Das erkennende Gericht hat zu prüfen, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Dazu gehört das Vorhandensein eines Vollstreckungstitels. Ist dies nicht gegeben, ist der Klage stattzugeben. Dem erkennenden Gericht ist es also versagt, in dem nachfolgenden Prozess über die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen den Inhalt der Insolvenztabelle zu verändern und dem Beklagten damit erst den Vollstreckungstitel zu verschaffen, den der Beklagte bislang nicht hatte. Der Inhalt der Insolvenztabelle kann nur durch das Insolvenzgericht, nicht aber durch das Prozessgericht abgeändert werden. Alternativ hätte der Beklagte einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassen können.

hh) Da der Auszug aus der Insolvenztabelle schon nicht als Vollstreckungstitel für die Vollstreckung der Steuerforderungen des Beklagten herhalten kann, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Steuerforderungen unter die Restschuldbefreiung (§ 301 Abs. 1 InsO) fallen oder ob sie wegen der Eintragung des Vermerks, dass die Steuerforderungen im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 AO stehen (sog. Attribut), gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind.

ii) Unbeachtlich ist auch, dass die Schuldnerin auch gegen die Anmeldung und Feststellung des besonderen Rechtsgrunds der rechtskräftig verurteilten Steuerstraftat Widerspruch eingelegt hat. Ein solcher (weiterer) Widerspruch steht - ohne dass er hätte beseitigt werden müssen - der Vollstreckung aus der Insolvenztabelle nicht entgegen (vgl. BGH-Beschluss vom 3. April 2014 IX ZB 93/13, ZInsO 2014, 1055, Rz. 11 ff. bei juris; BGH-Beschluss vom 3. April 2014 IX ZB 83/13, NZI 2014, 507, Rz. 11 ff. bei juris). Dies beruht darauf, dass der Widerspruch des Schuldners gegen das Attribut keine Auswirkung auf die Frage hat, ob die jeweiligen Forderungen überhaupt (dem Grunde nach) vollstreckt werden können. Ein Widerspruch gegen den besonderen Schuldgrund des Zusammenhangs mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat ist lediglich für die Frage von Bedeutung, ob die Forderungen von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind. Dagegen wirkt sich der Widerspruch gegen das Attribut auf die übrigen tabellenrelevanten Feststellungen - also insbesondere auf die Feststellung des Bestands der Forderungen als solche - nicht aus (vgl. BGH-Urteil vom 2. Dezember 2010 IX ZR 41/10, ZIP 2011, 39. Rz. 8 bei juris; Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 20 am Ende).

jj) Zur Vermeidung von Missverständnissen weist das Gericht aber darauf hin, dass es in dem vorliegenden Fall für eine erfolgreiche Vollstreckung aus der Insolvenztabelle wegen der Erteilung der Restschuldbefreiung auch noch darauf angekommen wäre, ob der Widerspruch gegen das Attribut beseitigt worden wäre. Ansonsten fallen die Steuerforderungen unter die Restschuldbefreiung (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2022 VII R 23/21, BFHE 276, 547, BStBl II 2022, 791, Rz. 46 bei juris; Sinz in Hirte/Vallender 15. Auflage, § 184 Rz. 20; Sternal in Hirte/Vallender 15. Auflage, § 302 Rz. 38; Pehl in Braun, 8. Auflage 2020, § 302 Rz. 7 und 8; Meller-Hannich in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 201, Rz. 10; Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 1. Auflage, § 302, Rz. 47 und 55 ff.). Die Verfolgungslast zur Beseitigung des Widerspruchs obliegt dem Beklagten, da der besondere Rechtsgrund der "rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat" bislang nicht tituliert worden ist (vgl. § 184 Abs. 1 InsO). Die Steuerbescheide weisen im Tenor nur die festgesetzte Steuer, nicht aber den besonderen Rechtsgrund für die Festsetzung aus. Für die Beseitigung des Widerspruchs stände dem Beklagten - ebenso wie für den Widerspruch gegen die Forderungen dem Grunde nach - das Instrument des Feststellungsbescheids gemäß § 251 Abs. 3 AO zur Verfügung (BFH-Urteil vom 7. August 2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BFHE 262, 208 [BFH 07.08.2018 - VII R 24, 25/17], BStBl II 2019, 19, Rz. 12 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 28. Juni 2022 VII R 23/21, BFHE 276, 547, BStBl II 2022, 791, Rz. 33, 39 bis 41 bei juris; a.A. Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 1. Auflage, § 302, Rz. 25).

b) Allerdings ist der frühere Insolvenzgläubiger (hier: der Beklagte) nur dann auf den Auszug aus der Insolvenztabelle als Vollstreckungsgrundlage angewiesen, wenn die Forderung in der Insolvenztabelle festgestellt worden ist und entweder kein Widerspruch des Schuldners vorliegt oder der Widerspruch beseitigt worden ist (dazu unter Buchst. aa)). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann der Beklagte die nachinsolvenzliche Vollstreckung auf die ursprünglichen Steuerbescheide stützen (dazu unter Buchst. bb). Im vorliegenden Fall hilft dies dem Beklagten aber nicht weiter, weil die ursprünglichen Steuerforderungen, soweit sie nicht aufgrund der Feststellungen in der Insolvenztabelle einschließlich des ebenfalls festgestellten Attributs vollstreckt werden, unter die Restschuldbefreiung fallen (dazu unter Buchst. cc)).

aa) Ist die Forderung in der Insolvenztabelle festgestellt worden und liegt kein Widerspruch des Schuldners vor oder ist dieser Widerspruch beseitigt worden, findet die nachinsolvenzliche Vollstreckung nur noch aus dem Tabellenauszug statt.

aaa) Durch einen Auszug aus der Insolvenztabelle, aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, werden frühere Titel "aufgezehrt". Der Auszug aus der Insolvenztabelle tritt an die Stelle des früheren Vollstreckungstitels (BGH-Urteil vom 18. Mai 2006 IX ZR 187/04, NZI 2006, 536, Rz. 9 bei juris; BGH-Beschluss vom 14. Mai 1998 IX ZR 256/96, ZIP 1998, 1113, Rz. 6 bei juris; Pehl in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 201, Rz. 12). Die Nachhaftung des Schuldners nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestimmt sich nur noch nach dem Inhalt des Tabelleneintrags. Aus dem vor der Insolvenzeröffnung erwirkten Titel darf nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vollstreckt werden (Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 22; Hintzen in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 201, Rz. 37; Meller-Hannich in: Jaeger: Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 201, Rz. 14).

bbb) Für den Bereich des Steuerrechts ist die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle einer bestandskräftigen Festsetzung der Forderung vergleichbar (BFH-Beschluss vom 22. Juni 2011 VII S 1/11, BFH/NV 2011, 2014, Rz. 24 bei juris; BFH-Urteil vom 16. April 2013 VII R 44/12, BFHE 241, 291, BStBl II 2013, 778, Rz. 21 bei juris; BFH-Urteil vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BStBl II 2018, 515, Rz. 29). Die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle stellt das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 36/07, BFHE 222, 205, BStBl II 2009, 90, Rz. 15 bei juris; BFH-Urteil vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BStBl II 2018, 515, Rz. 29 bei juris). Die bisherigen Steuerbescheide erledigen sich dadurch im Sinne des § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise (BFH-Urteil vom 21. November 2013 V R 21/12, BFHE 244, 70, BStBl II 2016, 74, Rz. 23 bei juris; BFH-Urteil vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BStBl II 2018, 515, Rz. 29 bei juris; Urteil des FG Düsseldorf vom 8. Mai 2018 - 10 K 1385/15 E, U, EFG 2018, 1250, Rz. 35 bei juris; Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 178 Rz. 40; Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 26; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8, Auflage, S. 336 f.).

ccc) Diese Grundsätze gelten nicht nur für "einfache" Forderungen, die in der Insolvenztabelle festgestellt worden sind, sondern auch für Forderungen, die mit einem besonderen Rechtsgrund, dem sogenannten Attribut, angemeldet und eingetragen worden sind. Werden solche Forderungen dem Grunde nach widerspruchslos festgestellt, verdrängt auch für solche Forderungen der Auszug aus der Insolvenztabelle einen vormals erwirkten Vollstreckungstitel. Die Vollstreckung erfolgt nur noch aus der Insolvenztabelle (vgl. Beschluss des LG Kleve vom 7. September 2012 - 4 T 192/12, DGVZ 2013, 38, Rz. 6 und 7 bei juris).

bb) Anders verhält es sich aber, wenn der Schuldner der Feststellung der Forderungen dem Grunde nach - wie hier - widersprochen hat.

aaa) Solange der erhobene Widerspruch nicht beseitigt ist, kann aus dem Tabellenauszug die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden, da die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InsO nicht gegeben sind (siehe oben). Deshalb tritt der Tabellenauszug nicht an die Stelle des ursprünglichen Vollstreckungstitels. Es findet keine "Aufzehrung" des ursprünglichen Titels statt. Der Gläubiger darf dementsprechend auf den schon früher erwirkten Titel zurückgreifen, ohne dass die Grenzen des § 201 InsO beachtet werden müssen (Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 178 Rz. 34; Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 6; Depré in Kreft, Insolvenzordnung, 6. Auflage, § 201, Rz. 10; Hintzen in Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 4. Auflage, § 201, Rz. 35 und 36; Meller-Hannich in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 201, Rz. 13). Grund ist, dass titulierte Forderungen, die von dem Auszug aus der Insolvenztabelle nicht erfasst werden, nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach allgemeinen Grundsätzen weiterhin vollstreckbar sein müssen (Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 23).

bbb) Allerdings muss sich für diese Rechtsfolge der Widerspruch des Schuldners gegen die Forderungen als solche richten. In den Fällen, in denen der Schuldner nur den besonderen Schuldgrund (hier: des Zusammenhangs mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat) bestreitet, bleibt die Forderung dem Grunde nach unbestritten und es kann auf der Grundlage der Insolvenztabelle vollstreckt werden (Specovius in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 184, Rz. 2). In einem solchen Fall bleibt es bei der Aufzehrung der älteren Titel durch den Tabellenauszug (Beschluss des Landgerichts Köln vom 3. Juli 2012 - 13 T 50/12, NZI 2012, 682, Rz. 16 und 17 bei juris).

ccc) Im vorliegenden Fall kann keine Vollstreckung der Steuerforderungen des Beklagten aus der Insolvenztabelle erfolgen, weil der Widerspruch der Klägerin gegen die angemeldeten und festgestellten Forderungen - dem Grunde nach - erfolgt und in der Tabelle nicht beseitigt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, dass die Schuldnerin ihren Widerspruch nicht gemäß ihrer Obliegenheit in § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO weiterverfolgt hat. Da der Tabellenauszug nicht in entsprechender Anwendung des § 183 Abs. 2 InsO berichtigt worden ist, kann er keine Vollstreckungsgrundlage für die nachinsolvenzliche Vollstreckung bilden. In einem solchen Fall kann die Finanzbehörde die Steuerforderungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens unter Berufung auf die bestandskräftigen Steuerbescheide grundsätzlich unabhängig von den Einschränkungen des § 201 InsO vollstrecken (vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Auflage, S. 338 f.; Wegener in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 201 Rz. 26 und 27).

cc) Die von dem Beklagten angestrebte Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens scheitert aber daran, dass die Steuerforderungen, soweit die ursprünglichen Steuerbescheide zugrunde liegen, von der Restschuldbefreiung umfasst sind.

aaa) Nach § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO wirkt eine erteilte Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger. Nach § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt dies auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Von der Restschuldbefreiung werden lediglich diejenigen Forderungen nicht erfasst, die in § 302 InsO besonders aufgeführt worden sind. Nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO gehören hierzu auch Verbindlichkeiten des Schuldners aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Voraussetzung für diese Rechtsfolge ist nach § 302 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO, dass der Gläubiger die entsprechenden Forderungen unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 InsO angemeldet hat.

bbb) Die Voraussetzung, dass der Gläubiger seine Forderungen unter Angabe des besonderen Rechtsgrunds angemeldet haben muss, impliziert, dass der Gläubiger an dem Insolvenzverfahren teilnehmen muss, um die Privilegierung der Forderungen zu erreichen (Pehl in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 302, Rz. 6; Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 1. Auflage, § 302, Rz. 34). Sinn und Zweck des § 174 Abs. 2 InsO (Anmeldung der Forderung und des Attributs) und des § 302 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO ist, dass die Frage, ob eine Forderung im Hinblick auf § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung erfasst wird oder nicht, nicht erst nach Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens geklärt wird (Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 174, Rz. 88; Sternal in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 302 Rz. 23, 24 und 26). Es soll dem Interesse des Schuldners Rechnung getragen werden, möglichst früh darüber informiert zu werden, welche Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden (Pehl in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 302, Rz. 7).

ccc) Im vorliegenden Fall kann der Beklagte die Vollstreckung wegen des nicht beseitigten Widerspruchs gegen die Forderungen dem Grunde nach nicht auf die Insolvenztabelle stützen. Er muss auf die bestandskräftigen Steuerbescheide zurückgreifen (siehe oben und BGH-Urteil vom 18. Mai 2006 IX ZR 187/04, ZInsO 2006, 704, Rz. 9 bei juris; Sternal in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 302 Rz. 37). Dies bedeutet aber, dass § 302 Nr. 1 InsO keine Anwendung finden kann. Nach § 302 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO wird für die Herausnahme der Forderungen aus der Restschuldbefreiung die Anmeldung der Forderungen und des Attributs zur Insolvenztabelle verlangt. Dies bedeutet nach Ansicht des erkennenden Gerichts, dass die Forderungen nur dann von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden können, wenn die nachinsolvenzliche Vollstreckung auf der Grundlage der Insolvenztabelle erfolgt, mithin die angemeldeten Forderungen und das Attribut nicht nur angemeldet und festgestellt sind, sondern dass auch kein Widerspruch des Schuldners vorliegt oder ein eingelegter Widerspruch beseitigt worden ist. Erfolgt die Vollstreckung dagegen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens außerhalb der Vorschriften des Insolvenzverfahrens auf der Grundlage des ursprünglichen Titels, werden die Forderungen nicht von den Wirkungen der Restschuldbefreiung ausgenommen. § 302 Nr. 1 InsO greift insoweit nicht ein. Es verbleibt bei der Restschuldbefreiung (ebenso: Sternal in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 302 Rz. 54: "Dies gilt auch, wenn der Gläubiger von einer Anmeldung der Forderung abgesehen hat und aus einem bereits vorliegenden Titel vollstreckt. Auch wenn die nicht angemeldete Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, hat die fehlende Anmeldung der Forderung zur Folge, dass dem Insolvenzgläubiger auch ein Zurückgreifen auf den ursprünglichen Titel nicht mehr möglich ist."). Die von der Restschuldbefreiung erfassten Verbindlichkeiten wandeln sich zu sogenannten "unvollkommenen Verbindlichkeiten", die nicht mehr zwangsweise durchgesetzt werden können (vgl. nur Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Auflage, § 301, Rz. 15 und 17).

ddd) Auch wenn man - abweichend von der Auffassung des erkennenden Gerichts - der Meinung wäre, dass § 302 Nr. 1 InsO in den Fällen entsprechend anwendbar wäre, in denen die Vollstreckung nicht aus der Insolvenztabelle, sondern aus den ursprünglichen Titeln (den bestandskräftigen Steuerbescheiden) erfolgt, könnte der Beklagte jedenfalls in dem vorliegenden Fall die ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf die ursprünglichen Steuerbescheide stützen. Die analoge Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO würde auf jeden Fall voraussetzen, dass in dem Tenor der Steuerbescheide - entsprechend der Feststellung des Attributs in der Insolvenztabelle - eine Feststellung zum besonderen Rechtsgrund getroffen worden ist, dergestalt, dass der Zusammenhang der Verbindlichkeiten der Schuldnerin mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat festgestellt wird (vgl. BGH-Urteil vom 2. Dezember 2010 IX ZR 41/10, ZInsO 2011, 39, Rz. 12 bis 16 bei juris). Solche Feststellungen finden sich in Steuerbescheiden nicht.

eee) Wenn man diesen Gedankengang fortführt, wird man verlangen müssen, dass sich die Finanzbehörde nur dann auf die entsprechende Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO berufen könnte, wenn sie in entsprechender Anwendung der §§ 184 Abs. 1 Satz 1, 185 Satz 1 InsO einen ergänzenden Feststellungsbescheid im Sinne von § 251 Abs. 3 AO erlassen hätte, mit dem sie - zusätzlich zu den bereits in den Steuerbescheiden titulierten Zahlungsansprüchen - ergänzend festgestellt hätte, dass diese Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat stehen (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 2018 VII R 24/17, VII R 25/17, BFHE 262, 208 [BFH 07.08.2018 - VII R 24, 25/17], BStBl II 2019, 19, Rz. 12 ff. bei juris; BFH-Urteil vom 28. Juni 2022 VII R 23/21, BFHE 276, 547, BStBl II 2022, 791, Rz. 33, 39 bis 41 bei juris; Specovius in Braun, Insolvenzordnung, 8. Auflage 2020, § 185, Rz. 4; a.A. Preuß in: Jaeger: Insolvenzordnung, 1. Auflage, § 302, Rz. 25, die dem Finanzamt die Befugnis zum Erlass eines Feststellungsbescheids abspricht, sodass eine Feststellungsklage erhoben werden müsste). Grund für die - der Finanzbehörde als Gläubigerin obliegende - Verfolgungslast ist, dass eine entsprechende Anwendung des § 184 Abs. 2 InsO nur dann in Betracht kommen würde, wenn sich aus dem Entscheidungstenor des vollstreckbaren Titels bereits ergeben würde, dass der besondere Rechtsgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat bejaht worden ist. Solche Feststellungen fehlen aber in Steuerbescheiden regelmäßig. Eine bloße Bejahung des besonderen Rechtsgrunds in den Gründen der Entscheidung reicht für die analoge Anwendung des § 184 Abs. 2 InsO nicht aus (Sinz in Hirte/Vallender, Insolvenzordnung, 15. Auflage, § 184 Rz. 20).

fff) Der Beklagte hat keinen ergänzenden Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO zwecks Feststellung des besonderen Rechtsgrunds erlassen. Selbst wenn man also - entgegen der Auffassung des Gerichts - davon ausgehen würde, dass eine entsprechende Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO für die Fälle in Betracht kommen würde, in denen die nachinsolvenzliche Vollstreckung nicht aus der Insolvenztabelle, sondern aus den ursprünglichen Steuerbescheiden erfolgen soll, wäre die analoge Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO im vorliegenden Fall zu verneinen. Denn ohne Feststellung des besonderen Rechtsgrunds und ohne Möglichkeit der Schuldnerin, sich gegen diese Feststellung mit einem Rechtsbehelf wehren zu können, können die in § 302 Nr. 1 InsO vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten. Es bleibt deshalb in jedem Fall bei dem Eingreifen der Restschuldbefreiung.

2. Auch die Feststellungsklage der Klägerin ist begründet.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH muss ein Finanzamt, das unter Verstoß gegen ein Vollstreckungsverbot etwas erlangt hat, das Erlangte dem Vollstreckungsschuldner wieder herausgeben, sofern dieser die unzulässige Vollstreckungsmaßnahme erfolgreich angefochten hat, selbst wenn sich das Finanzamt auf einen Steuerbescheid als Behaltensgrund stützen kann. Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass vollstreckungsrechtliche Schutzvorschriften ansonsten keine ausreichende Schutzwirkung für den Vollstreckungsschuldner entfalten würden. Eine Steuerfestsetzung stellt in solchen Fällen keinen Behaltensgrund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO dar (BFH-Beschluss vom 11. April 2001 VII B 304/00, BFHE 194, 338 [BFH 29.03.2001 - III R 1/99], BStBl II 2001, 525 [BFH 11.04.2001 - VII R 304/00], Rz. 16 bei juris).

b) Nichts anderes kann gelten, wenn Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen werden, obwohl dem Finanzamt kein Vollstreckungstitel zur Verfügung steht. Der fehlende Vollstreckungstitel bedeutet die fehlende Berechtigung zur Vollstreckung, weil die von dem Beklagten reklamierten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entweder nicht feststehen oder nicht durchsetzbar sind. In solchen Fällen ist kein rechtlicher Grund erkennbar, der als Grundlage für ein Behaltendürfen der Vollstreckungserlöse herhalten könnte.

aa) Soweit sich der Beklagte auf den Auszug aus der Insolvenztabelle als Vollstreckungstitel berufen hat, hat das Gericht gezeigt, dass die dort bezeichneten Steuerforderungen wegen des nicht beseitigten Widerspruchs der Schuldnerin nicht festgestellt worden sind. Somit kann der Auszug aus der Insolvenztabelle keinen rechtlichen Grund für das Behaltendürfen von Vollstreckungserlösen bilden. Es ist bis zur Beseitigung des Widerspruchs vielmehr nicht geklärt, ob dem Beklagten die reklamierten Steuerforderungen zustehen. Ohne einen Titel kann der Beklagte die Vollstreckungserlöse nicht behalten.

bb) Soweit sich der Beklagte auf die ursprünglichen Steuerbescheide als Vollstreckungstitel berufen hat, hat das Gericht gezeigt, dass die daraus resultierenden Steuerforderungen unter die Restschuldbefreiung fallen. Zwar führt eine Restschuldbefreiung nicht zum Erlöschen der zugrundeliegenden Verbindlichkeiten. Es handelt sich um "unvollkommene Verbindlichkeiten", die erfüllbar aber nicht durchsetzbar sind. Leistet der Schuldner ungeachtet der Erteilung der Restschuldbefreiung, so besteht für diese Leistung nach § 301 Abs. 3 InsO zwar grundsätzlich ein bereicherungsrechtlicher Behaltensgrund. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Schuldner die Leistung nicht freiwillig erbracht hat (Preuß in Jaeger, Insolvenzordnung, 1 Auflage, § 301 Rz. 16). In diesem Fall kann sich der Beklagte nicht auf § 301 Abs. 3 InsO berufen. Vielmehr fehlt es an einem rechtlichen Grund für das Behaltendürfen des Erlöses.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V. Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).