Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.08.2011, Az.: 14 UFH 2/11
Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Gerichts bei Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Familiensachen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.08.2011
- Aktenzeichen
- 14 UFH 2/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 26463
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0823.14UFH2.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 51 FamFG
Fundstellen
- FamFR 2011, 548
- FamRZ 2012, 390
- FuR 2012, 46-47
Redaktioneller Leitsatz
Bei einer bereits anhängigen Hauptsache ist das Beschwerdegericht nur dann auch für das Verfahren einer einstweiligen Anordnung nach § 51 FamFG zuständig, wenn sich die Verfahrensgegenstände in der Sache entsprechen, mithin identisch sind.
In der Familiensache K...H..., V..., Antragstellerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin... gegen C...S..., V..., Antragsgegner, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin ..., hat der 14. Zivilsenat - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... beschlossen:
Tenor:
In dem Verfahren auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses für das Beschwerdeverfahren erklärt sich das Oberlandesgericht Oldenburg für unzuständig und verweist das Verfahren auf den Hilfsantrag an das Amtsgericht Varel.
Gründe
Die Antragstellerin führt beim Oberlandesgericht ein Beschwerdeverfahren, in dem sie nach Trennung der Ehegatten Ansprüche auf Kindes- und Trennungsunterhalt verfolgt. In einem zwei Wochen vor dem Termin an das Beschwerdegericht gerichteten Antrag begehrt sie, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung die Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses von rund 3.030 Euro für das Beschwerdeverfahren aufzugeben. Nachdem der Senat auf Bedenken gegen seine Zuständigkeit hingewiesen hat, beantragt die Antragstellerin nunmehr hilfsweise eine Verweisung an das Amtsgericht.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dem Hilfsantrag entsprechend an das Amtsgericht Varel zu verweisen, da dieses für die beantragte Entscheidung zuständig ist.
Nach Inkrafttreten des FamFG ist das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als ein in jeder Hinsicht selbständiges Verfahren ausgestaltet (§ 51 Abs. 3 S. 1 FamFG). Für diese Verfahren ist nach § 51 FamFG das Gericht zuständig, welches für das Verfahren zur Hauptsache zuständig wäre. Bei einer bereits anhängigen Hauptsache ist das Beschwerdegericht zuständig, solange dieses Verfahren bei ihm anhängig ist. Diese Zuständigkeit ist allerdings nicht umfassend, sondern bezieht sich nur auf den Gegenstand der Hauptsache - die Verfahrensgegenstände müssen sich in der Sache entsprechen (OLG Stuttgart Beschluss vom 16. März 2010, 15 UF 38/10 - FamRZ 2010, 1828; Keidel/Giers § 50 FamFG Rn. 4; Prütting/Helms- Stößer FamFG § 50 Rn. 3; MünchKomm-Soyka § 50 FamFG Rn. 1; Horndasch/Viefhues Kommentar zum Familienverfahrensrecht § 50 FamFG Rn. 1; Zöller- Feskorn § 50 FamFG Rn. 3).
Daran fehlt es bei dem vorliegenden Antrag. Die im Beschwerdeverfahren angefallene Hauptsache bezieht sich auf den laufenden Unterhalt, also die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs, während der vorliegende Antrag die Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses, also eines aus einem konkreten Anlass anfallenden Mehrbedarfs betrifft. Allein der Umstand, dass beide Verfahren Unterhaltsleistungen zum Gegenstand haben, genügt nicht, um eine Identität der Verfahrensgegenstände zu begründen (die übrigens bei anderen Verfahren wie den Kindschaftssachen ohnehin nicht bestünde). Allein die sachliche Nähe des Beschwerdegerichts und die in die Prüfung einzubeziehende Erfolgsprognose rechtfertigen keine Ausweitung der nach dem Wortlaut gesetzlich eindeutig geregelten Zuständigkeit.
Vielmehr steht jeder erweiternden Auslegung ein Vergleich der früheren gesetzlichen Regelung mit dem vollständigen Systemwechsel durch das FamFG entgegen.
Das frühere Recht kannte keine selbständige einstweilige Anordnung - die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache bzw. eines entsprechenden Antrags auf Prozesskostenhilfe war eine unabdingbare Zulässigkeitsvoraussetzung. Sollte ein Kostenvorschuss geltend gemacht werden, handelte es sich unabhängig vom Verfahrensgegenstand um ein unselbständiges Annexverfahren zu dem bereits anhängigen Verfahren. War das Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig, bestand aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift die Zuständigkeit des Berufungs- bzw. Beschwerdegerichts (§ 620a Abs. 4 S. 2, 3 ZPO).
Diese Regelung hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des Verfahrens zur einstweiligen Anordnung nicht in das Gesetz übernommen. Damit gelten für alle Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften - und zwar unabhängig vom Verfahrensgegenstand. Diese schließen eine Zuständigkeit des Beschwerdegerichts aus, sofern sich die Verfahrensgegenstände von Hauptsache und einstweiliger Anordnung nicht entsprechen.
Diese Regelung mag man angesichts des engen Sachzusammenhangs zur Hauptsache für wenig zweckmäßig halten (vgl. Schwonberg in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 2. Aufl. § 246 FamFG Rn. 35). Dies rechtfertigt es aber nicht, die gesetzliche Systematik des Anordnungsverfahrens und die zwingenden Zuständigkeitsvorschriften zu umgehen.
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