Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.01.2014, Az.: 5 B 33/14

Abschiebungsanordnung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.01.2014
Aktenzeichen
5 B 33/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42680
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Zuständigkeit von Ungarn.

Tenor:

Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und Prozesskostenhilfe werden abgelehnt

Die Antragsteller tragen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der insoweitigen Anfechtungsklage vom 3. Januar 2014 (5 A 32/14) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Dezember 2013 anzuordnen (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)), ist zulässig, insbesondere auch nicht verfristet. Nach § 34a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 geltenden Fassung ist ein Eilantrag gegen die Androhung der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Mit der bereits am 3. Januar 2014 erfolgten Antragstellung ist die einwöchige Antragsfrist gewahrt.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in materieller Hinsicht begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt geht die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus, wenn die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angegriffene Bescheid vom 30. Dezember 2013 nach der sich dem Gericht derzeit darbietenden Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.

Wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, ordnet das Bundesamt gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 26a oder § 27a AsylVfG i.V.m. § 34a AsylVfG erfüllt sind. Vor Erlass der Abschiebungsanordnung ist zu prüfen, ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedstaat - wenn auch nur vorübergehend - rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 - juris, Rn. 27). Rechtlich unzulässig wäre die Überstellung des Antragstellers u.a. dann, wenn die Antragsgegnerin zuständig oder der Antragsteller nicht reisefähig wäre.

Die Abschiebung ist weder rechtlich unzulässig noch tatsächlich unmöglich.

Die Antragsgegnerin ist für den Asylantrag der Antragsteller nicht zuständig. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, vom 18. Februar 2003 (ABl. L 15/1) - Dublin II-VO -. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO finden nach Art. 49 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO -, auf Anträge auf internationalen Schutz, die - wie hier - vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, weiterhin Anwendung. Die unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung ab dem 1. Januar 2014 vorgesehene Anwendbarkeit der Dublin III-Verordnung für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche bezieht sich nicht auf bereits vor diesem Stichtag gestellte und beantwortete Gesuche (VG Hannover, Beschluss vom 9. Januar 2014 - 1 B 7895/13 -, juris).

Ausgehend von der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, nach der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedstaates von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt, ist Ungarn zuständig.

Ausweislich des Verwaltungsvorgangs haben die Antragsteller entweder am 9. oder am 5. Juli 2013 (vgl. Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes an Ungarn vom 28. November 2013, Bl. 58 Beiakte A, bzw. die Zustimmung durch die ungarischen Behörden vom 10. Dezember 2013, Bl. 66 der Beiakte A) in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren wurde am 5. August 2013 eingestellt, nachdem die Antragsteller untergetaucht waren (Bl. 66 der Beiakte A). Weil sich die Antragsteller vor einer Entscheidung über den Asylantrag unerlaubt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten haben, ist die ungarische Behörde gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin II-VO verpflichtet, die Antragsteller wieder aufzunehmen. Dem entsprechenden Wiederaufnahmegesuch der Antragsgegnerin hat Ungarn demgemäß mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 auch entsprochen.

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihre Asylanträge im Wege des Selbsteintritts gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO prüft (vgl. zu der Frage, ob überhaupt ein subjektives Recht auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts besteht, EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11 - im Ergebnis grundsätzlich verneinend).

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris).

Nach dem Art. 16 a Abs. 2 GG, §§ 26a, 27a, 34a AsylVfG zu Grunde liegenden Konzept der normativen Vergewisserung ist davon auszugehen, dass u.a. in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (sog. sichere Drittstaaten) die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 685, 953) sichergestellt ist und daher dort einem Asylsuchenden keine politische Verfolgung droht oder unzumutbare Bedingungen herrschen.

Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland ausnahmsweise Schutz zu gewähren, wenn nationale Abschiebungsverbote im Sinne des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 5 AufenthG berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - in seltenen Ausnahmefällen - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u.a. - juris). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der genannten im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.

Diese Einschränkungen der Schutzgewährung und des Rechtsschutzes stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der das gemeinsame europäische Asylsystem die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 - juris). Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann (Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 1333/12 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 B 6223/13 -).

Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ist dahingehend auszulegen, dass er einem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III dieser Verordnung nicht als zuständiger Staat bestimmt wird, erlaubt, einen Asylantrag zu prüfen, auch wenn keine Umstände vorliegen, die die Anwendbarkeit der in Art. 15 Dublin II-VO enthaltenen humanitären Klausel begründen. Diese Möglichkeit ist nicht davon abhängig, dass der nach den genannten Kriterien zuständige Mitgliedstaat ein Gesuch auf Wiederaufnahme des betreffenden Asylbewerbers nicht beantwortet hat (EuGH, Urteil vom 31. Mai 2013 - C-528/11 - juris).

Nach Maßgabe dessen besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Asylantrag der Antragsteller selbst zu prüfen. Denn es liegen dem Gericht keine Erkenntnisse zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn vor, die ernsthaft befürchten ließen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren.

Zwar ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln (u.a. Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom 1. Juli 2013 - Information note on the main asylum related legal changes in Hungary as of 1 July, 2013 -) durchaus, dass Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen aufgrund der hohen Zahl der Asylsuchenden beanstandenswert und teilweise unzureichend sind. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Auch in der Anwendungspraxis zeigten sich einige Mängel (vgl. UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012 - im Folgenden: UNHCR-Bericht - S. 6; EGMR; Urteil vom 23. Oktober 2012 - 13457/11 - S. und S. gg. Ungarn). Unregelmäßigkeiten tauchten vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der Dublin II-VO nach Ungarn rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete den Zugang zum ungarischen Asylverfahren für Dublin II-Rückkehrer als problematisch (UNHCR-Bericht S. 9). Diese hätten nur eingeschränkt Zugang zu einem Asylverfahren, weil sie nicht automatisch als Antragsteller behandelt würden. Ihr Asylantrag würde nach der Rücküberstellung als Folgeantrag gewertet (UNHCR-Bericht S. 9; Amnesty International, Positionspapier zu Rücküberstellungen nach Ungarn, 22. Oktober 2012, S. 1). In den meisten Fällen folge bei einer Rückkehr nach Ungarn die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht, S. 10). Die Asylsuchenden hätten im Verfahren zur Prüfung von Folgeanträgen keinen Anspruch auf dieselben Leistungen wie Personen, die einen Erstantrag gestellt haben, selbst wenn ihre Anträge inhaltlich noch nicht geprüft worden seien (UNHCR-Bericht, S. 14)

Nach einem aktuelleren Bericht des UNHCR vom Dezember 2012 (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, http://www.unhcr.org/refworld/docid/50d1d 13e2.html) sind diese Mängel der ungarischen Ausländer- und Asylverfahrenspraxis mit Verabschiedung und Umsetzung von Gesetzesänderungen zum Januar 2013 jedoch erheblich entschärft worden.  Insoweit wird auf die aktuelle Rechtsprechung zu Rücküberstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Ungarn verwiesen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 - 12 S 675/13 -, VG Ansbach, Beschluss vom 8. November 2013 - AN 11 S 13.30890 -, VG Augsburg, Beschlüsse vom 22. April 2013 - Au 6 S 13.30099 -, 28. Oktober 2013 - Au 6 E 13.30399 - und 5. Dezember 2013 - Au 7 S 13.30454 -, jeweils juris), der sich der Einzelrichter nach eigener Überprüfung der aktuellen Erkenntnismittel anschließt. Die Asylgründe von Asylsuchenden werden jetzt auch inhaltlich geprüft, selbst wenn es sich um Asylsuchende handelt, die im Wege der Rückführung nach Ungarn gelangen. Auch die vormals verbreitete Praxis, Asylsuchende in Haft zu nehmen, ist stark rückläufig und wird im Rahmen einer stärkeren Kontrolle durch die Polizeihauptquartiere und Staatsanwaltschaften sowie ergänzend durch eine Arbeitsgruppe von Richtern flankiert. Dublin-Rückkehrer werden nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen (vgl. UN High Commissioner for Refugees, Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update, Dezember 2012, http://www.unhcr.org/refworld/docid/50d1d 13e2.html). Diese Erkenntnisse decken sich auch mit dem Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom 1. Juli 2013. Auch nach Einschätzung des EGMR haben nach Ungarn überstellte Personen mittlerweile einen hinreichenden Zugang zum Asylverfahren, so dass eine Überstellung nach Ungarn keine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (Urteil vom 6. Juni 2013 - 2283/12 - Mohammed gg. Österreich).

Eine Änderung dieser Sachlage hat sich auch zwischenzeitlich nicht ergeben, jedenfalls erscheint eine solche als nicht ausreichend dokumentiert. Zwar traten zum 1. Juli 2013 in Ungarn weitere Gesetzesänderungen in Kraft (Asylum Act XCIII of 2013, zitiert nach Asylum Information Database - aida -, National Country Report Hungary, Stand: 5. September 2013), die unter anderem die Möglichkeit einer Inhaftierung von Asylantragstellern vorsieht, die sich rechtlich gesehen von Abschiebungshaft unterscheidet und bis zu sechs Monate, bei Familien mit Kindern unter 18 Jahren bis zu 30 Tage dauern, bei unbegleiteten Minderjährigen aber nicht verhängt kann. Eine Inhaftierung ist danach u.a. möglich zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit des Antragstellers, nach dem Untertauschen des Antragstellers oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens oder dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Die Verhängung der Asylhaft ist dabei nach vorheriger Einzelfallprüfung nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch die Anwendung weniger einschneidende Alternativen zur Inhaftierung erreicht werden, etwa durch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit, die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten oder Meldeauflagen.

Dafür, dass, wie teilweise von Nichtregierungsorganisationen angenommen (vgl. bordermonitoring.eu e.V. - Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012, Oktober 2013, Seite 9 ff.), zu befürchten steht, dass die ungarischen Behörden nunmehr (wieder) exzessiv von der Möglichkeit der Inhaftierung von Asylantragstellenden Gebrauch machen werden, bestehen jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte, zumal die in der Vergangenheit - vor 2013 - praktizierten regelmäßigen Inhaftierungen von Asylbewerbern nach zum Teil heftiger Kritik erst zu den dargestellten Gesetzesänderungen zum 1. Januar 2013 und in der Folge zu einem wesentlichen Rückgang von Inhaftierungen geführt haben. Die Europäische Kommission hat bereits auf eine Parlamentarische Anfrage hin mitgeteilt, dass die in Ungarn zum Juli 2013 erfolgten Gesetzesänderungen derzeit überprüft und geeignete Schritte eingeleitet werden, falls sich herausstellen sollte, dass Ungarn gegen EU-Recht verstößt (Antwort der Kommission vom 31. Oktober 2013 auf die Parlamentarische Anfragen vom 22. Juli 2013 - E-008939-13 -). Auf die bereits geäußerte Kritik der Vereinten Nationen (Working Group on Arbitrary Detention, Statement upon the conclusion of its visit to Hungary 23 September - 2 October 2013) hat die Kurie als höchste ungarische Instanz in straf-, privat- und verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten im Oktober 2013 festgestellt, dass die bisher teilweise geübte Praxis, im Rahmen der richterlichen Überprüfung alle 60 Tage automatisch mit der Begründung „Fluchtgefahr“ eine weitere Inhaftierung anzuordnen, die bis zu 12 Monate dauern kann, nicht aufrecht zu erhalten sei und vorgeschlagen werde, dass Flüchtlinge, die keine Aussicht auf Asyl haben, bei denen aber eine Abschiebung ins Herkunftsland trotz des behördlichen Versuchs nicht möglich wird, nach spätestens 120 Tagen freigelassen werden (vgl. Pester Lloyd, Ausgabe vom 14. Oktober 2013).

Im Übrigen ist zu beachten, dass auch die Richtlinie 2013/33 (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96 vom 29. Juni 2013) - EU-Aufnahmerichtlinie - die Möglichkeit zur Inhaftierung von Asylantragstellern grundsätzlich vorsieht (Erwägungsgründe 15 bis 20 sowie Art. 8 bis 11) und in ihrer Entsprechung auch nach den ungarischen Regelungen die Inhaftierung nicht die Folge der Stellung eines Asylantrags ist, sondern der Umstände, die das individuelle Verhalten dieses Antragstellers vor und bei der Antragstellung kennzeichnen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-534/11 –, juris). Auch die vom ungarischen Helsinki-Komitee (Briefing paper of the Hungarian Helsinki Committee for the Working Group on Arbitrary Detention UN Commission of Human Rights vom 8. Oktober 2013) bemängelte Regelung, nach der Minderjährige für bis zu 30 Tage zusammen mit ihren Eltern inhaftiert werden können, dürfte von der EU-Aufnahmerichtlinie gedeckt sein (vgl. dort Art. 11 Abs. 4).

Aus der Antwort der EU-Kommission zur Parlamentarischen Anfrage vom 22. Juli 2013 (a.a.O.) geht auch hervor, dass dort die mit dem starken Anstieg der Asylbewerber verbundenen Probleme bekannt seien. Ungarn habe bereits Soforthilfen aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds beantragt, die Aufnahmekapazität der bestehenden Einrichtungen erhöht, neue vorläufige Unterkünfte geschaffen (z.B. in S.) und staatseigene Immobilien umgewidmet worden sind (z. B. in V.), damit alle Asylbewerber untergebracht werden können.

Die Antragsteller selbst haben - ausgehend vom oben dargestellten Prüfungsmaßstab - aktuelle systemische Mängel des Asylsystems in Ungarn nicht substantiiert, sondern lediglich auf eine ihre Auffassung stützende untergerichtliche Entscheidung (VG München, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - M 21 S 13.31076 -) verwiesen, die zwar im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach summarischer Überprüfung zu einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kommt, eine endgültige Bewertung der Gesetzesänderungen allerdings nicht vorgenommen hat.

Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Abschiebungsanordnung bestehen auch nicht aus anderen Gründen.

Bei Fällen, in denen der Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen. Anders als bei der Entscheidung über die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG oder über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) hat das Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsanordnung gegebenenfalls auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 - Rn. 27 nach juris; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11- juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 B 6223/13 -).

Ein tatsächliches oder rechtliches inlandsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG - das hier allein in Betracht kommt - ist vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) dann anzunehmen, wenn die Gesundheit eines abzuschiebenden Ausländers so angegriffen ist, dass das ernsthafte Risiko besteht, dass sein Gesundheitszustand unmittelbar durch den Abschiebungsvorgang wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert wird, sofern nicht einzelfallbezogen effektive Schutzmaßnahmen durch die Ausländerbehörde ergriffen werden.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich zwar, dass sich die Antragstellerin zu 1. vom 28. Juli bis 2. August 2013 nach einem dissoziativem Krampfanfall in stationärer psychiatrischer Behandlung befand (A…. Klinikum O., Entlassungsbericht vom 2. Oktober 2013) und sich seit dem 11. Dezember 2013 aufgrund der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung erneut und voraussichtlich bis Mitte Februar 2014 in stationärer Behandlung befindet (Ambulanzbericht der U.-Klinik vom 3. Dezember 2013 sowie ärztliche Bescheinigung vom 2. Januar 2014). Gleichwohl wird ihr trotz ihrer psychischen Beeinträchtigungen keine Reiseunfähigkeit bescheinigt.

Eine aktuelle Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 1. dürfte trotz ihrer psychischen Beeinträchtigungen auch auszuschließen sein, da es ihr auch gelungen ist, im Juli 2013 mit dem Bus bzw. mit dem Zug aus der Republik Kosovo nach Ungarn auszureisen und im Anschluss daran in das Bundesgebiet einzureisen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Erkrankung der Antragstellerin zu 1. nach ihren eigenen Angaben bereits seit 17 Jahren besteht und in den letzten 13 Jahren vorwiegend medikamentös behandelt worden ist, ohne dass eine völlige Beschwerdefreiheit aufgetreten ist (Bl. 40 der Beiakte A), und dass es zu der stationären Einweisung im Juli/ August 2013 gekommen ist, nachdem die Antragstellerin zu 1. die Medikamente, die sie im Kosovo eingenommen hat, abgesetzt hat. Dass sich die Antragstellerin zu 1. nunmehr - wg. Therapieresistenz - erneut in stationärer Behandlung befindet, rechtfertigt vor diesem Hintergrund nicht die Annahme, dass im Falle einer Abschiebung - hier einer Rückführung nach Ungarn - das ernsthafte Risiko besteht, dass sich ihr Gesundheitszustand unmittelbar durch den Abschiebungsvorgang wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert.

Soweit die vorgelegten Bescheinigungen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren, genügt diese Diagnose im Übrigen bereits nicht den formalen Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251; Beschluss vom 26. Juli 2012 - 10 B 21.12 - <juris>) gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer solchen Erkrankung angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds und seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diesen Maßgaben entsprechen die vorgelegten Bescheinigungen vom 2. Oktober 2013, 3. Dezember 2013 und vom 2. Januar 2014 nicht einmal im Ansatz.

Dafür, dass der Antragstellerin zu 1. in Ungarn grundsätzlich keine medizinische Versorgung zur Verfügung stünde und es im Falle einer Rückführung nach Ungarn zu einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes kommen würde, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Augsburg vom 23. Mai 2013 auch für Dublin II-Rückkehrer eine medizinische Notfallversorgung gesichert (VG Augsburg, Beschluss vom 5. Dezember 2013 - Au 7 S 13.30454 -, Rn. 28 nach juris; vgl. auch aida -, National Country Report Hungary, a.a.O., Seite 41). Zudem sieht der in Ungarn am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Act LXXX of 2007 on Asylum Government Decree 301/2007 (XI.9.) für Asylsuchende einen Zugang zur Gesundheitsversorgung als Teil der materiellen Aufnahmebedingungen vor. Danach sind Asylsuchende berechtigt, kostenlose Gesundheitsversorgung und insbesondere psychologische Betreuung oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, wenngleich in der Praxis die Kapazitäten eingeschränkt sind und Sprachbarrieren die Behandlung erschweren. Darüber hinaus findet - mit begrenzter Kapazität - in den Aufnahmezentren D. und B. eine Betreuung durch die nichtstaatliche Cordelia Foundation statt (aida -, National Country Report Hungary, a.a.O., Seite 41).

Auch für die weiteren Antragsteller sind Gründe, die ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis im Hinblick auf ihre Reisefähigkeit begründen könnten, nicht ersichtlich.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war demnach abzulehnen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 166 VwGO i.V.m. 114 ff. ZPO abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.