Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 05.11.2021, Az.: 6 A 1264/17
Abschiebungsverbote; elektronische Akte; Einscannen; Klagefrist; Postzustellungsurkunde; rechtsbeh; technische Richtlinie; Signatur; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Wiedereinsetzungantrag; Zulässigkeit; Flüchtlingszuerkennung; subsidiärer Schutz; Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung; Einreise- und Aufenthaltsverbot
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 05.11.2021
- Aktenzeichen
- 6 A 1264/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 44280
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2021:1105.6A1264.17.00
Rechtsgrundlagen
- AufenthG § 60 Abs 5
- EGovG § 6
- EGovG § 7
- VwGO § 58 Abs 2
- VwGO§ 60
- VwGO § 99
Fundstelle
- NVwZ-RR 2022, 236-237
Amtlicher Leitsatz
Bei dem ersetzenden Einscannen einer Postzustellungsurknde durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Grundlage des § 7 Abs. 1 Satz 2 EGovG ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Stand der Technik nicht erforderlich (entgegen VG Wiesbaden, Urteil vom 09.08.2017 - 6 K 808/17.WI.A -).
[Tatbestand]
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.
Der am F. in G. geborene und zur Person ausgewiesene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zum Volke der Tadschiken und ist Sunnit. Er reiste nach eigenen Angaben am 10.11.2015 auf dem Landweg ins Bundesgebiet ein. Am 06.09.2016 stellte der Kläger förmlich einen Asylantrag und wurde am 20.03.2017 persönlich angehört. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 24.03.2017 lehnte die Beklagte die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Anerkennung als Asylberechtigter ab. Ferner lehnte sie den Antrag auf subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Aufnahme verpflichtet ist, forderte sie ihn auf, das Bundesgebiet binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. im Falle der Klageerhebung nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen in dem Bescheid Bezug genommen.
Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. In dieser wurde unter anderem ausgeführt:
"Die Klage muss den Kläger, die Beklagte und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und in deutscher Sprache abgefasst sein."
Laut Vermerk vom 24.03.2017 wurde der Bescheid mit Postzustellungsurkunde am 27.03.2017 zur Post gegeben. Ausweislich der eingescannten Postzustellungsurkunde, die sich in der elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes befand, wurde der Bescheid am 28.03.2017 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt.
Der Kläger hat durch seinen früheren Prozessbevollmächtigten am 12.04.2017 Klage erhoben und beruft sich darauf, dass die vorliegend geltende Klagefrist von einem Jahr eingehalten sei. Diese Frist sei hier anzuwenden, weil die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides unrichtig sei. Dort werde erwähnt, dass die Klage in deutscher Sprache abzufassen sei. Hieraus könne nur geschlossen werden, dass die Klage schriftlich einzureichen sei und der Betroffene selbst für die Schriftlichkeit zu sorgen habe. Im Widerspruch dazu sei es aber auch möglich, die Klage zur Niederschrift beim Urkundsbeamten des Gerichts einzulegen.
Die Klage sei auch dann zulässig, wenn die Postzustellungsurkunde nicht im Original vorgelegt werden könne, weil es sich bei dem eingescannten Dokument um eine Kopie und nicht um eine Urkunde handele. Wenn Dokumente vom Bundesamt eingescannt würden, so hätte das Bundesamt dabei die technischen Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) einzuhalten, um die Übereinstimmung zwischen Papierdokument und Originaldokument sicherzustellen. Danach sei, so das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem Urteil vom 09.08.2017 (- 6 K 808/17.WI.A -), eine qualifizierte Signatur erforderlich.
Mit Schriftsatz vom 14.06.2017 hat sich eine neue Prozessbevollmächtigte für den Kläger gemeldet und "wegen Säumnis der Klagefrist" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diesen Antrag hat sie damit begründet, dass die Einhaltung der Frist aufgrund eines kanzleiinternen Organisationsverschuldens bei dem früheren Prozessbevollmächtigten nicht eingehalten worden sei. Sie hat eine eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters des früheren Prozessbevollmächtigten, Herrn H., eingereicht, in der dieser angegeben hat, dass ihm ein Rechenfehler bei der Berechnung der Frist unterlaufen sei. Er könne sich dies nur vor dem Hintergrund eines spontanen Irrtums bei der Berechnung des Tages des Fristablaufs erklären.
In der Sache trägt der Kläger vor, dass auch im Falle der Unzulässigkeit der Klage die Feststellung von Abschiebungsverboten zu prüfen sei und beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.06.2000 (-2 BvR 1989/97 -) sowie des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 25.05.2021 (- 4 K 2511/17.WI.A -). In diesem Zusammenhang hat er einen Psychologisch psychotherapeutischen Befundbericht der Psychologischen Praxis I. vom 26.07.2021 übermittelt, wonach er unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, die im Zusammenhang mit einer depressiven Störung verbunden mit Schlaf- und psychosomatischen Störungen stehe.
Der Kläger beantragt schriftlich,
unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Beklagte zu verpflichten,
festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Kläger vorliegen,
hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorliegen,
ganz hilfsweise festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60(5) / (7) S. 1 AufenthG vorliegen, und
die Verlassensaufforderung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, die Klage sei nicht fristgerecht erhoben worden und die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei nicht fehlerhaft. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht erkennbar.
Das Verfahren ist auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 16.10.2017 bis zu einer Entscheidung in dem Verfahren J. bei dem Nds. Oberverwaltungsgericht ruhend gestellt worden. Nachdem das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Schreiben vom 15.05.2019 mitgeteilt hat, dass die Berufung in dem Verfahren J. unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2018 (- 1 C 6.18 -) zurückgewiesen worden ist, sei ist das Verfahren am 16.05.2019 wiederaufgenommen worden.
Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 31.07.2017 (Beklagte) und vom 19.05.2019 (Kläger) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Mit Beschluss vom 10.06.2020 ist das Verfahren der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.
Wegen der weiteren ein seines Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen (elektronischen) Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der zuständigen Ausländerbehörde ergänzend Bezug.
Entscheidungsgründe
Die Einzelrichterin kann gemäß § 76 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) und § 101 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage entscheiden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig. Sie Klagefrist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides gemäß § 74 Absatz 1 Halbsatz 1 AsylG ist nicht eingehalten worden. Der Kläger hat am 12.04.2017 Klage erhoben. Die Klagefrist von zwei Wochen endete jedoch bereits mit Ablauf des 11.04.2017. Denn der Bescheid des Bundesamtes vom 24.03.2017 ist dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts am 28.03.2017 zugestellt worden. Dieses Datum ergibt sich aus der eingescannten Postzustellungsurkunde, die die Beklagte mitsamt ihren elektronisch geführten Verwaltungsakten vorgelegt hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Klage nicht bereits deswegen zulässig, weil die Beklagte die Postzustellungsurkunde nicht im Original, sondern nur in elektronischer Form vorgelegt hat. Die Beklagte ist nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet, die Postzustellungsurkunde im Original zu übermitteln. Nach dieser Vorschrift sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte mit Übermittlung ihrer elektronisch geführten Verwaltungsakte, in der sich die eingescannte Postzustellungsurkunde befindet, nachgekommen.
Die Beklagte ist berechtigt, ihre Akten vollständig elektronisch zu führen. Gemäß § 6 Satz 1 des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) sollen Behörden des Bundes - mithin auch das Bundesamt - ihre Akten elektronisch führen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EGovG sollen die Behörden des Bundes, soweit sie Akten elektronisch führen, an Stelle von Papierdokumenten deren elektronische Wiedergabe in der elektronischen Akte aufbewahren. Bei der Übertragung in elektronische Dokumente ist nach Satz 2 dieser Vorschrift nach dem Stand der Technik sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente mit den Papierdokumenten bildlich und inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden. Nach § 7 Abs. 2 EGoVG sollen Papierdokumente nach Absatz 1 nach der Übertragung in elektronische Dokumente vernichtet oder zurückgegeben werden, sobald eine weitere Aufbewahrung nicht mehr aus rechtlichen Gründen oder zur Qualitätssicherung des Übertragungsvorgangs erforderlich ist.
Hieraus folgt bereits, dass das Führen einer elektronischen Akte und ggf. auch die Vernichtung des Originals der Postzustellungsurkunde zulässig ist, wenn bei der Übertragung in elektronische Dokumente nach dem Stand der Technik sichergestellt wird, dass die elektronischen Dokumente mit den Papierdokumenten bildlich und inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden.
Der Kläger macht insoweit in Bezug auf die Postzustellungsurkunde ohne Erfolg geltend, dass bei der Übertragung in ein elektronisches Dokument - hier durch Einscannen der Postzustellungsurkunde - nach dem Stand der Technik nicht sichergestellt wurde, dass das elektronische Dokument mit dem Papierdokument bildlich und inhaltlich übereinstimmt, weil eine qualifizierte elektronische Signatur nicht vorhanden ist. Der Kläger verkennt insoweit, dass bei dem Einscannen eine qualifizierte elektronische Signatur nicht vorzunehmen war.
Das Gericht vertritt ebenfalls die Auffassung, dass das Bundesamt bei dem ersetzenden Einscannen zur Sicherstellung der Übereinstimmung zwischen Papierdokument und Originaldokument die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) entwickelten Anforderungen der technischen organisatorischen Art an Scanprozesse grundsätzlich zu beachten hat (s. a. VG Wiesbaden, Urteil vom 09.08.2017 - 6 K 808/17.WI.A -, juris Rn. 35; Hoeren/Sieber/Holznagel MMR-HdB, Teil 28 E-Government Rn. 88; Degen/Emmert Elektron. Rechtsverkehr, § 6 Ersetzendes Scannen Rn. 30). Gleichwohl folgt aus der Technischen Richtlinie 03138 "Ersetzendes Scannen" des BSI in der hier maßgeblichen Fassung der Version 1.1 vom 02.03.2017 (abrufbar unter: https://www.fsdz.ch/file-docs/bsi_tr_03138_(tr_resiscan).pdf; letzter Abruf am 05.11.2021) nicht, dass bei dem Einscannen einer Postzustellungsurkunde eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich wäre (a. A. VG Wiesbaden, Urteil vom 09.08.2017, a. a. O., Rn. 36, ohne eine entsprechende Vorgabe in der technischen Richtlinie zu nennen). Eine qualifizierte elektronische Signatur muss nach der o. g. Technischen Richtlinie nur dann eingesetzt werden, wenn sehr hohe Integritätsanforderungen bei der Verarbeitung eines Dokuments zu stellen sind (S. 28f. der Technischen Richtlinie), wobei die technische Richtlinie hinsichtlich der Integrität zwischen den Schutzbedarfsklassen normal, hoch und sehr hoch unterscheidet (siehe S. 13 der Technischen Richtlinie).
Welchen Schutzbedarf das zu verarbeitende Dokument in Bezug auf dessen Integrität hat, hat der Anwender - mithin das Bundesamt - zu analysieren und zu entscheiden (S. 10 der Technischen Richtlinie). Da eine qualifizierte elektronische Signatur bei der eingescannten Postzustellungsurkunde fehlt, geht das Gericht davon aus, dass die Integrität als nicht sehr hoch eingestuft worden ist. Hiergegen wendet sich aber weder der Kläger noch hat das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass sehr hohe Integritätsanforderungen an das Einscannen einer Postzustellungsurkunde zu stellen sind. Gründe hierfür benennt auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden in der vom Kläger zitierten Entscheidung nicht. Dagegen spricht im Übrigen auch der Leitfaden "E-Scannen für Bundesbehörden" des BSI, der in der Anlage D ein Muster für die - in diesem Falle vom Bundesamt - vorzunehmenden Schutzbedarfsanalyse bereithält (abrufbar unter: https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/TechnischeRichtlinien/TR03138/Praxis_E-Scannen/leitfaden_praxisbeispiel_escannen_anlage_d.pdf?__blob=publicationFile&v=2; letzter Abruf am 05.11.2021). Danach wird der Schutzbedarf für Postzustellungsurkunden als hoch - nicht hingegen als sehr hoch - eingestuft (S. 46 der Anlage D des Leitfadens "E-Scannen für Bundesbehörden"). Die Technische Richtlinie sieht bei nur hohen Integritätsanforderungen keine qualifizierte elektronische Signatur vor (S. 26 der Technischen Richtlinie). Dass im Übrigen die Anforderungen der Technischen Richtlinie nicht eingehalten worden sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Andere rechtliche Gründe, die gegen die inhaltliche Richtigkeit der eingescannten Postzustellungsurkunde sprechen, hat der Kläger weder geltend gemacht noch drängen sich solche dem Gericht auf.
Selbstständig tragend hat der Kläger nicht geltend gemacht, dass ihm der Bescheid erst nach dem 28.03.2017 zugegangen wäre, was für die Einhaltung der zweiwöchigen Klagefrist notwendig gewesen wäre.
Denn selbst, wenn sich vorliegend gemäß § 8 Verwaltungszustellungsgesetz die formgerechte Zustellung des Bescheides durch die Postzustellungsurkunde aus rechtlichen Gründen nicht nachweisen ließe, gilt der Bescheid als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Vorliegend hat der Kläger nicht vorgetragen, wann ihm der Bescheid zugegangen ist, insbesondere hat er nicht erklärt, dass ihm dieser erst nach dem 28.03.2017 zugegangen ist. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn H. vom 20.06.2017 zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages ergibt sich vielmehr, dass die Klage aufgrund eines Rechenfehlers erst am 12.04.2017 eingelegt worden sei, und nicht deshalb, weil der Bescheid dem Kläger erst nach dem 28.03.2017 zugegangen wäre. Diese Ausführungen sprechen gerade für die Zustellung am 28.03.2017 und damit auch für die inhaltliche Richtigkeit der eingescannten Postzustellungsurkunde.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt vorliegend auch nicht die Jahresfrist nach § 58 Absatz 2 VwGO, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides aufgrund des Hinweises auf die Abfassung der Klage in deutscher Sprache unrichtig war. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29.08.2018 in dem Verfahren 1 C 6.18 ausgeführt (- juris Rn. 13 ff):
"1.1 Die zweiwöchige Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) ist hier durch die am 12. April 2017 bewirkte Zustellung der Entscheidung in Lauf gesetzt und durch die am 4. Mai 2017 erhobene Klage nicht gewahrt worden; die dem Bescheid in deutscher Sprache beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung enthält die zwingend geforderten Angaben (a) und ist auch nicht wegen eines nicht erforderlichen Zusatzes unrichtig (b).
a) Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Klagefrist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Die dem Bescheid vom 10. April 2017 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung enthält diese zwingenden Angaben und gibt diese zutreffend wieder. Eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs ist nicht erforderlich (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Februar 1976 - 4 C 74.74 - BVerwGE 50, 248 <250 ff.>, vom 13. Dezember 1978 - 6 C 77.78 - BVerwGE 57, 188 <190> und vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 2 f. sowie Beschluss vom 17. September 1954 - 4 B 08.54 - BVerwGE 1, 192 <193> <zu § 35 MRVO Nr. 165>). Unschädlich ist daher, dass über die möglichen Formen der Klageerhebung einschließlich der Möglichkeit der Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht belehrt worden ist.
b) Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage "in deutscher Sprache" (bb) "abgefasst" (cc) sein muss, macht diese nicht unrichtig.
aa) Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist auch dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1978 - 6 C 77.78 - BVerwGE 57, 188 <190> und vom 21. März 2002 - 4 C 2.01 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 83 S. 16 sowie Beschlüsse vom 27. Februar 1981 - 6 B 19.81 - DÖV 1981, 635, vom 11. Mai 1994 - 11 B 66.94 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 63 S. 1, vom 14. Februar 2000 - 7 B 200.99 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 77 S. 10 f., vom 16. November 2012 - 1 WB 3.12 - NZWehrr 2013, 168 <170>, vom 31. August 2015 - 2 B 61.14 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 92 Rn. 8 und vom 24. August 2016 - 4 VR 15.16 - juris Rn. 6). Dabei ist darauf abzustellen, wie ein Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen konnte (BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 1981 - 6 B 19.81 - DÖV 1981, 635). Ungeachtet des Umstandes, dass der Empfänger eines Asylbescheids in der Regel der deutschen Sprache unkundig ist, ist wegen der Maßgeblichkeit der deutschen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung auf einen Empfänger abzustellen, der der deutschen Sprache mächtig ist (vgl. OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 2018 - 1 A 2/18.A - juris Rn. 51).
bb) Der Hinweis auf die Einreichung "in deutscher Sprache" ist weder fehlerhaft noch irreführend. Denn die Gerichtssprache ist deutsch (§ 55 VwGO i.V.m. § 184 Satz 1 GVG). Eine in einer anderen Sprache erhobene Klage ist unwirksam (BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 1990 - 9 B 506.89 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 168 S. 28; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1981 - 1 StR 815/80 - BGHSt 30, 182). Diesem zutreffenden Hinweis auf die Gerichtssprache wird ein objektiver Empfänger in der Situation des Klägers die maßgebliche Bedeutung beimessen; schon deswegen wird er dem Verb "abfassen" kein eigenständiges Gewicht einräumen. Asylantragstellern wird im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit eröffnet, ihr Anliegen - auch bei der Antragstellung - in ihrer Muttersprache vorzutragen (§ 17 Abs. 1 AsylG). Erst bei der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens müssen sie ihr Anliegen in deutscher Sprache formulieren. Da es sich hierbei um eine für die Asylantragsteller wesentliche Änderung der verfahrensrechtlichen Gegebenheiten handelt, werden sie den Zusatz als Information über die nunmehr vor Gericht zu verwendende Sprache auffassen.
cc) Auch sonst macht der Zusatz, dass die Klage in deutscher Sprache "abgefasst" sein muss, die Rechtsbehelfsbelehrung weder fehlerhaft noch irreführend. Er ist - unterstellt, der Adressat des Bescheids misst diesem Wort überhaupt ein eigenständiges Gewicht zu - nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Klage vom Kläger selbst schriftlich im Sinne des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben werden müsse, obwohl die Klageerhebung auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten (§ 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO) möglich ist.
Nicht zu vertiefen ist, inwieweit "abfassen" vorrangig oder gar ausschließlich auf eine Verschriftlichung der Klage weist oder bereits semantisch offen zu interpretieren ist und neben der schriftlichen Klageerhebung auch andere Formen einschließlich der Niederschrift durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle umschließt (aus der obergerichtlichen Rechtsprechung s. dazu einerseits OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 2018 - 1 A 2/18.A - juris; VGH Mannheim, Urteil vom 18. April 2017 - A 9 S 333/17- NVwZ 2017, 1477 [VGH Baden-Württemberg 18.04.2017 - A 9 S 333/17], andererseits OVG Hamburg, Urteil vom 28. Juni 2018 - 1 Bf 32/17.A - juris; VGH München, Beschluss vom 22. Februar 2018 - 6 B 17.31442 - juris; Urteil vom 10. Januar 2018 - 13a B 17.31116 - NVwZ 2018, 838; OVG Schleswig, Beschluss vom 16. November 2017 - 1 LA 68/17 - juris). Denn selbst wenn "abfassen" im Sinne einer Verschriftlichung zu verstehen wäre, wäre der Zusatz allein deswegen weder fehlerhaft noch irreführend. Denn eine wirksame Klageerhebung verlangt stets die Verschriftlichung des klägerischen Begehrens. Dies gilt auch für eine vom Kläger zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhobene Klage. Denn hierbei muss das vom Kläger mündlich geäußerte Begehren vom Urkundsbeamten (in deutscher Sprache) niedergeschrieben, protokolliert und vom jeweiligen Kläger gezeichnet werden; erst mit dieser Verschriftlichung liegt eine wirksame Klageerhebung vor.
Der Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Kläger selbst für die Verschriftlichung zu sorgen habe, mithin eine Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten nicht möglich sei. Dem steht die passivische Form des Partizips Perfekt "abgefasst" in Verbindung mit dem Hilfsverb "müssen" (" ... muss ... abgefasst sein") entgegen. Die Verwendung des Passivs trifft - zutreffend - allein eine Aussage dazu, dass eine Verschriftlichung notwendig ist. Sie enthält gerade keine Aussage dazu, wer die Klage abfassen bzw. für die Verschriftlichung der Klage sorgen muss. Dies kann mithin auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vorangegangenen Satz der Rechtsbehelfsbelehrung, wonach für die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung der Tag des "Eingangs" beim Verwaltungsgericht maßgebend ist. Eine wirksame Klageerhebung liegt (erst) vor, wenn die Klage in verschriftlichter Form beim Verwaltungsgericht vorliegt. Auch bei einer Klageerhebung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist damit für den Eingang der Klage maßgeblich, wann diese in verschriftlichter Form vorliegt."
Dieser Auffassung, die das Bundesverwaltungsgericht in einem weiteren Urteil vom 26.02.2019 (- 1 C 39/18 -, juris Rn. 15) bestätigt hat, schließt sich das Gericht in diesem Verfahren an. Der Kläger hat weder Gründe genannt noch sind solche ersichtlich, die gegen diese Auffassung sprechen.
Dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers vom 14.06.2017 war nicht stattzugeben. Nach § 60 Absatz 1 VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 60 Absatz 2 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Weggefallen ist das Hindernis, sobald die Ursache der Verhinderung beseitigt oder nunmehr vom Beteiligten verschuldet ist. Für einen Rechtsanwalt ist der Hinderungsgrund einer unerkennbar falschen Fristberechnung behoben, sobald er die Frist selbst zu überprüfen hat, etwa bei Vorlage der Akte zur Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung oder bei Vorlage einer datierten Eingangsbestätigung des Gerichts (BeckOK VwGO/Peters, 53. Ed. 1.4.2020, VwGO § 60 Rn. 32). Gemessen hieran ist der Antrag nicht fristgerecht gestellt worden. Denn spätestens mit gerichtlichem Schreiben vom 04.05.2017, abgesandt am selben Tag an den früheren Prozessbevollmächtigten, ist der Kläger aufgefordert worden, zur Frage der fristgerechten Klageerhebung Stellung zu nehmen, nachdem die Beklagte sich darauf berufen hat, dass die Klage nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist allerdings erst am 14.06.2017 gestellt worden und damit mehr als zwei Wochen nach Absendung des gerichtlichen Schreibens.
Unabhängig davon ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn H. vom 20.06.2017, einem Mitarbeiter des früheren Prozessbevollmächtigten, aber auch nicht, dass die Klagefrist von zwei Wochen unverschuldet nicht eingehalten worden war.
Zwar kann ein Prozessbevollmächtigter auch die Bearbeitung einfacher, regelmäßig behandelter prozessualer Fristen bewährtem und überwachtem Büropersonal überlassen. Er aber durch organisatorische Vorkehrungen sicherstellen, dass sofort mit dem Eingang eines fristauslösenden Schriftstücks Beginn und Ende der Frist in das Fristenbuch oder den Fristenkalender eingetragen werden und bei aufwendigen Schriftsätzen zudem eine Vorfrist vermerkt wird. Dabei muss er den Fristablauf dann selbst prüfen, wenn ihm die Akte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (BeckOK VwGO/Peters, 53. Ed. 1.4.2020, VwGO § 60 Rn. 19). Zwar mag es sich bei Herrn H. um eine bewährte Person handeln, der ein Rechenfehler unterlaufen ist, allerdings ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der frühere Prozessbevollmächtigte den hier aufgezeigten Kontroll- bzw. Überwachungspflichten ausreichend nachgekommen ist. Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger nunmehr von einer anderen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.
Aufgrund der Unzulässigkeit der Klage ist eine Überprüfung der Ablehnung des Asylantrages und der Feststellung von Abschiebungsverboten in diesem gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen. Für Abschiebungsverbote folgt etwas Anderes entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere nicht aus der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.06.2000 (- 2 BvR 1989/97 - juris). Vielmehr wird dort ausgeführt, dass nach der damals geltenden Rechtslage der Asylbewerber jedenfalls einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens stellen könne, damit das Bundesamt einen Zweitbescheid zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen erlassen könne. Auf diese Weise könne der Asylbewerber trotz der im Asylerstverfahren erfolgten Zurechnung des Verschuldens seines ehemaligen Bevollmächtigten zumindest Abschiebungsschutz - gegebenenfalls im Wege gerichtlicher Nachprüfung - erlangen. Eine gerichtliche Überprüfung eines Abschiebungsverbotes im ersten Asylverfahren ist danach nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.