Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.10.2014, Az.: 2 Ss (OWi) 278/14

Entbehrlichkeit von Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei der Festsetzung einer Regelgeldbuße von mehr als 250 €

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.10.2014
Aktenzeichen
2 Ss (OWi) 278/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 25122
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2014:1029.2SS.OWI278.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Cloppenburg - 14.07.2014

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 36/2015

Amtlicher Leitsatz

Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind bei Festsetzung einer Regelgeldbuße von mehr als 250 € nur dann für entbehrlich, wenn keine Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen vorhanden sind und dieser auch keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht.

In dem Bußgeldverfahren
gegen
wegen Ordnungswidrigkeit
Verteidiger: Rechtsanwalt Busch, Lübeck
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 29. Oktober 2014
durch
den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter (§ 80a Abs. 1 OWiG)
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg vom 14.07.2014 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Cloppenburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als offensichtlich unbegründet verworfen, dass der Betroffene des fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit fahrlässigen Rechtsüberholens außerhalb geschlossener Ortschaften schuldig ist.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 265,- € und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er unter näherer Darlegung die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Rechtsbeschwerde zum Rechtsfolgenausspruch für begründet.

Die Nachprüfung des Urteils lässt aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Erwägungen zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Den Schuldspruch konnte der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH Beschluss vom 08.04.2014 1 StR 126/14 [...]) dahingehend ergänzen, dass der Betroffene sich auch eines fahrlässigen Rechtsüberholens außerhalb geschlossener Ortschaften schuldig gemacht hat.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässig begründete, Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Im Urteil fehlen jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.

Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bemessung der Höhe der Geldbuße in Betracht. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.

Bei Geldbußen von mehr als 250,- € sind jedoch wegen Überschreitens dieser Geringfügigkeitsgrenze in der Regel nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich (Göhler/Gürtler OWiG 16. Aufl. § 17 Rdn. 24). Einschränkungen dieses Grundsatzes sind aber bei Geldbußen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten anzuerkennen, die den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung entsprechen (Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 22.12.2004 1 Ss 282/04 [...]; Göhler OWiG a.a.O.).

Im vorliegenden Fall beträgt die Geldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung nach der Bußgeldkatalogverordnung 240,- E, für das Rechtsüberholen 100,- E. Da das Amtsgericht lediglich eine geringfügige Erhöhung der Regelgeldbuße für die Geschwindigkeitsüberschreitung um 25,- € für das Rechtsüberholen vorgenommen hat, darüber hinaus die Geldbuße lediglich 15,- über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, sieht der Senat in Übereinstimmung mit der oben genannten zitierten Literatur und Rechtsprechung einen Sachverhalt als gegeben an, bei dem Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht allein wegen der Höhe der Geldbuße erforderlich sind.

In Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (Beschluss vom 13.06.2013 1 RBs 72/13 [...]) hält der Senat Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Festsetzung einer Regelgeldbuße von mehr als 250 aber nur dann für entbehrlich, wenn keine Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen vorhanden sind und dieser auch keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht. Das OLG Hamm hat dieses zutreffend damit begründet, dass das Gericht Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nicht erzwingen könne und Aufklärungsmöglichkeiten, wie z. B. Durchsuchungen, vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Sanktion als unverhältnismäßig erachtet werden müssten.

Dem angefochtenen Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, ob der Betroffene Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Insofern vermag der Senat nicht zu prüfen, ob eine Ausnahme vom Erfordernis, Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen, vorliegt.

Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot führt die rechtsfehlerhafte Entscheidung über die verhängte Geldbuße zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches insgesamt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beanstandungen der Generalstaatsanwaltschaft - soweit es die Verhängung des Fahrverbotes betrifft - durchgreifen würden.