Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.08.2018, Az.: 3 Ss (OWi) 157/18

Zustellungsbevollmächtigung des Verteidigers nur bei ausdrücklicher Erklärung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.08.2018
Aktenzeichen
3 Ss (OWi) 157/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 66639
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Redaktioneller Leitsatz

Soweit § 167 BGB an die Form der Vollmacht keine besonderen Anforderungen stellt, muss sich der deutliche Erklärungsinhalt ergeben, dass der Rechtsanwalt über die Verteidigung an sich hinaus auch für die Empfangnahme von Zustellungen bevollmächtigt ist.

Tenor:

Der Senat ist zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel nicht berufen.

Die Sache wird daher an das Amtsgericht Hannover zurückgegeben.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 18.06.2018 durch das Amtsgericht Hildesheim wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt. Seitens des Verteidigers wurde die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Auf Verfügung des Amtsrichters vom 22.06.2018 wurde das schriftliche Urteil förmlich an den Verteidiger am 28.06.2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Dem Betroffenen wurde das Urteil unter Hinweis auf die förmliche Zustellung an den Verteidiger formlos übersandt. Eine Begründung der Rechtsbeschwerde seitens des Verteidigers ist am 30.07.2018 beim Amtsgericht eingegangen. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Der Senat ist zu einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (noch) nicht berufen, da die Zustellung des Urteils noch nicht wirksam erfolgt ist. Eine Zustellung erfolgte zwar auf Verfügung des Gerichts vom 22.06.2018 an den Verteidiger, diese Zustellung dürfte jedoch nicht wirksam sein, da eine Bevollmächtigung des Verteidigers zum Empfang von Zustellungen nicht ersichtlich ist.

Insbesondere befindet sich keine schriftliche Vollmacht bei den Akten, so dass die gesetzlich fingierte Zustellungsvollmacht gem. § 51 Abs. 3 OWiG nicht gegeben ist. Auch aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 01.03.2018 ergibt sich keine Zustellungsvollmacht.

Unabhängig von der gesetzlichen Fiktion des § 51 Abs. 3 OWiG ist eine rechtsgeschäftliche Verteidigervollmacht durchaus möglich. Die Regelung der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG schließt eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht keineswegs aus, sondern schafft nur daneben eine zusätzliche - fingierte - Rechtsmacht zur Entgegennahme von Zustellungen durch einen Strafverteidiger. Auch einem Verteidiger kann aber - zusätzlich - durch Rechtsgeschäft eine Zustellungsvollmacht erteilt werden. Diese bedarf dann keiner besonderen Form (§ 167 BGB), so dass sie bspw. auch mündlich erteilt werden kann (OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. Mai 2013 - 1 Ss (OWi) 83/13 -, Rn. 21, juris).

So kann etwa auch durch eine Bestätigung der Empfangslegitimation seitens der Verteidigung auf dem Empfangsbekenntnis der Nachweis einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht gegeben sein (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. Oktober 2015 - 2 (7) SsBs 467/15 -, juris). Auch kann ein Nachweis durch anwaltliche Versicherung erfolgen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 145a, Rn. 2a m.w.N.). Das Auftreten in der Hauptverhandlung reicht hingegen nicht aus (BGH, Beschluss vom 03. Dezember 2008 - 2 StR 500/08 -, juris). Eine mit Abschluss des Verteidigervertrages als Geschäftsbesorgungsvertrag entstandene rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht muß, notfalls auch nachträglich, nachgewiesen werden (BGH, Beschluss vom 18. Februar 1997 - 1 StR 772/96 -, Rn. 1, juris). Der Umfang ist im Einzelfall zu bestimmen (Göhler, OWiG, § 51, Rn. 44a).

Zwar hat der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 04.02.2018 eine Bevollmächtigung des Betroffenen angezeigt und anwaltlich versichert. Diese anwaltliche Versicherung umfasst jedoch nicht die Erklärung, dass der Verteidiger rechtsgeschäftlich zur Empfangnahme von Zustellungen bevollmächtigt ist. Nach außen erkennbar ist aufgrund der anwaltlichen Versicherung nur die Bevollmächtigung hinsichtlich der vom Verteidiger vorgenommenen Verteidigungshandlungen. Die Zustellungsvollmacht hat hingegen passiven Charakter. Aus dem Verhalten des Verteidigers kann hier eine entsprechende Bevollmächtigung daher nicht geschlossen werden. Auch die Regelungen der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG deuten darauf hin, dass ein bevollmächtigter Verteidiger auch über keine Zustellungsvollmacht verfügen könnte. Andernfalls wäre die gesetzliche Fiktion der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG überflüssig.