Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.08.2018, Az.: 2 Ws 302/18

Berechnung der verlängerten Höchstfrist einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt; Anrechnung des Vorwegvollzugs von Strafhaft vor der Unterbringung; Anrechnung von Untersuchungshaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.08.2018
Aktenzeichen
2 Ws 302/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 57713
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 23.07.2018 - AZ: 165 StVK 55/18

Fundstelle

  • StV 2020, 519

Amtlicher Leitsatz

1. Zur Berechnung der verlängerten Höchstfrist einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt nach § 67d Abs. 1 S. 3 StGB.

2. Der durch das Tatgericht nach § 67 Abs. 2 StGB angeordnete Vorwegvollzug von Strafhaft vor einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist auf den Zwei-Drittel-Zeitraum nach § 67 Abs. 4 StGB anzurechnen, um den Zweck des Vorwegvollzugs zu erreichenden, dass am Ende der prognostizierten Behandlungsdauer die Vollstreckung der Unterbringung sowie die der parallel verhängten Freiheitsstrafe bei erfolgreicher Behandlung zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

3. Sofern der Verurteilte sich für das Strafverfahren in Untersuchungshaft befunden hat, sind diese Zeiten zunächst auf den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 StGB anzurechnen.

Redaktioneller Leitsatz

Die Dauer der verlängerten Höchstfrist einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67d Abs. 1 S. 3 StGB berechnet sich nach dem Beginn der Maßregelvollstreckung zuzüglich zwei Jahre Grundhöchstdauer zuzüglich 2/3 der parallel verhängten Strafe und dem maximal anrechnungsfähigen Teil der Strafe abzüglich dem Erledigtenteil der Strafe etwa durch Anrechnung des Vorwegvollzugs.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 23.07.2018 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1. Das Landgericht Oldenburg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 17.01.2013 (1 KLs 452 Js 25703/12 - 88/12) den Beschwerdeführer wegen besonders schweren Raubes sowie wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass von dessen Strafe zehn Monate vor der Maßregel vorweg zu vollziehen sind.

Der Verurteilung liegen im Wesentlichen die folgenden Umstände zugrunde:

Der Verurteilte sammelte bereits als Jugendlicher Erfahrungen mit Drogen wie Speed, Ecstasy und Heroin. Zur Tatzeit konsumierte der damals 26 Jahre alte Verurteilte regelmäßig Kokain und Cannabis. Zum Erwerb neuer Drogen überfiel er zusammen mit weiteren Tätern gemeinschaftlich Spielhallen, ohne dabei in der Steuerungsfähigkeit auch nur beeinträchtigt gewesen zu sein.

Am späten Abend des 13.05.2012 drangen sie maskiert in eine Spielhalle in H. ein. Der Verurteilte bedrohte die Spielhallenaufsicht mit einem Messer, um an den in der Kasse liegenden Bargeldbetrag von rund 900 € zu kommen, während seine Mittäter Spielautomaten aufbrachen und den Gästen der Spielhalle Bargeldbeträge abnahmen. Anschließend fesselten sie die Geschädigten mit Kabelbindern, schlossen sie in der Damentoilette ein und verließen mit etwa 3.000 € Beute den Tatort.

Rund einen Monat später am 24.06.2012 begaben sie sich wiederum maskiert in eine Spielhalle nach B. Der Verurteilte führte ein kleines Küchenmesser mit sich, das er jedoch nicht zur Drohung einsetzen musste. Die durch die Maskierung der Täter beeindruckte Spielhallenaufsicht setzte sich gegen die Entwendung des Bargelds aus der unverschlossenen Kasse und einem offenen Tresor sowie aus ihrem Portemonnaie nicht zur Wehr. Ferner brachen die Täter wiederum Spielautomaten auf. Einen Tresorwürfel nahmen sie verschlossen mit sich. Insgesamt erbeuteten sie über 4.000 €.

Beide Spielhallenaufsichten waren durch das Erlebte stark beeinträchtigt und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben.

Das sachverständig beratene Gericht hat bei dem Verurteilten einen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, in Form einer Polytoxikomanie festgestellt. Ferner bestand eine konkrete Erfolgsaussicht für die Behandlung im Rahmen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei einer Dauer von bis zu zwei Jahren.

2. Der Verurteilte ist am 20.07.2012 vorläufig festgenommen worden und befand sich seit dem Folgetag bis zum Ablauf des 16.01.2013 in Untersuchungshaft (insgesamt: 181 Tage). Mit Rechtskraft der Verurteilung am 17.01.2013 wurde zunächst Strafhaft in Form des Vorwegvollzugs bis zum Ablauf des 19.05.2013 vollstreckt (123 Tage). Aufgrund von Kapazitätsproblemen der niedersächsischen Entziehungsanstalten musste der Verurteilte bis zum Ablauf des 14.08.2013 im Strafvollzug verbleiben (87 Tage Organisationshaft) und konnte erst am 15.08.2013 in den Maßregelvollzug aufgenommen werden.

Die Staatsanwaltschaft hat sodann die verlängerte Höchstfrist der Unterbringung in der Entziehungsanstalt auf den Ablauf des 24.07.2018 berechnet. Ferner sind der Halbstrafentermin der Schattenstrafe auf den Ablauf des 19.05.2015 und der Zwei-Drittel-Zeitpunkt auf den Ablauf des 24.07.2016 bestimmt worden. Das verbleibende Restdrittel der Strafe ist unter Anrechnung der Organisationshaft auf eine Dauer von 603 Tagen berechnet worden.

3. Der Vollzugsverlauf des Verurteilten während seiner Unterbringung in der Entziehungsanstalt hat sich wechselhaft gestaltet. Zunächst wurde er in der Teilanstalt B. des Niedersächsischen Maßregelvollzugszentrums aufgenommen. Dort sind früh Zweifel an seiner Abstinenzmotivation aufgekommen, ferner ist der Verurteilte durch Verstöße gegen die Anstaltsordnung sowie eine aktive Flucht aufgefallen. Der Anregung auf Erledigung der Maßregel aus in der Person des Verurteilten liegenden Gründen ist die zuständige Strafvollstreckungskammer jedoch nicht nachgekommen. Der Verurteilte ist sodann zeitnah in die Psychiatrische Klinik nach L. verlegt worden. Dort hat er zunächst Behandlungsfortschritte gemacht, so dass ihm schrittweise Vollzugslockerungen gewährt werden konnten. Gleichwohl konnte die Behandlung auch in den Jahren 2015 bis 2017 nicht mit einer erfolgreichen Wiedereingliederung abgeschlossen werden, weil es immer wieder zu Lockerungsmissbräuchen wie beispielsweise untersagten Spielhallenbesuchen, den Verdacht subkultureller Aktivitäten sowie wiederholt zu Rückfällen in den Konsum opiathaltiger Substanzen gekommen ist. Auf eine weitere Empfehlung der Erledigung der Maßregel wegen mangelnder Erfolgsaussicht hat die zuständige Strafvollstreckungskammer im Juli 2017 gleichwohl die Fortdauer der Unterbringung in der Entziehungsanstalt angeordnet.

Zuletzt hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg am 13.02.2018 (165 StVK 16/18) die Fortdauer der Unterbringung beschlossen. Die Entscheidung ist nach Verzicht des Verurteilten ohne persönliche Anhörung ergangen. Die Maßregelvollzugseinrichtung hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 08.02.2018 ausgeführt, dass die psychische Erkrankung des Verurteilten noch nicht ausreichend gebessert sei und daher eine Aussetzung der Maßregel noch nicht empfohlen werden könne.

4. Im Hinblick auf den nahenden Termin des Ablaufs der verlängerten Höchstfrist am 24.07.2018 hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen aufgenommen, um die Notwendigkeit einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung (sog. elektronische Fußfessel) im Rahmen der anstehenden Führungsaufsicht prüfen.

In der eingeholten Stellungnahme der Psychiatrischen Klinik in L. vom 15.03.2018 sind sodann für den Fall der Entlassung aus dem Maßregelvollzug Weisungen näher benannt worden. In der Stellungnahme heißt es unter anderem: "Über den symbolischen Charakter dieser Weisungen sind wir uns bewusst.", sowie: "Dass ein Rückfall - ob stoffgebunden oder nicht stoffgebunden - mittelfristig die legalprognostische Einschätzung verschlechtert, steht hier jedoch außer Frage."

In diesem Zuge wurden die Vollstreckungsakten wieder der Strafvollstreckungskammer der Landgerichts Lüneburg vorgelegt, welche mit Beschluss vom 23.05.2018 ein Prognosegutachten über den Verurteilten eingeholt hat.

In dem schriftlichen Gutachten des beauftragten Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie - Schwerpunkt forensischen Psychiatrie - kommt dieser zu dem Ergebnis, dass bei dem zwischenzeitlich 33 Jahre alten Verurteilten eine multiple Rauschmittelabhängigkeit (ICD-10: F19.20) sowie der Verdacht auf eine selbstunsichere Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.6) sowie pathologisches Spielen (ICD-10: F63.0) vorliege. Der Verurteilte habe von der Unterbringung im Maßregelvollzug durchaus profitieren können, benötige aber sicher weiter professionelle Hilfe. Akut seien keine scherwiegenden Straftaten zu erwarten, die längerfristige Prognose sei abhängig davon, dass es dem Verurteilten gelingt, sich weiter zu stabilisieren.

Im Beisein der notwendigen Verfahrensbeteiligten ist der Verurteilte am 23.07.2018 durch die Strafvollstreckungskammer persönlich angehört worden.

5. Daraufhin ist der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 23.07.2018 (165 StVK 55/18) ergangen. In diesem ist unter anderem angeordnet worden:

1. Die mit Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17.01.2013 angeordnete Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist nach Erreichen der Unterbringungshöchstfrist am 24.07.2018 erledigt und nicht weiter zu vollziehen.

2. Die Reststrafe wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilte ist mit Ablauf der Höchstfrist der Maßregelunterbringung in den Vollzug [zu] überführen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner am 25.07.2018 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde seines Verteidigers vom gleichen Tage. Mit dieser beantragt er,

den Beschluss insgesamt aufzuheben und den Mandanten in Freiheit zu entlassen und auszusprechen, dass die Freiheitsstrafe des Landgerichts Oldenburg aus dem Urteil vom 17.01.2013 (1 KLs 88/12) vollständig vollstreckt wurde, hilfsweise die "Reststrafe" zur Bewährung auszusetzen.

Der Verteidiger vertritt die Auffassung, durch den langjährigen Freiheitsentzug sei die Dauer der Strafe bereits faktisch überschritten, so dass die vollständige Anrechnung des Maßregelvollzugs auf die Strafhaft und die Entlassung seines Mandanten verfassungsrechtlich geboten seien. Im Übrigen erlaube die von der Maßregelvollzugseinrichtung sowie dem Sachverständigen dargestellte Prognose die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle beantragt in ihrer Zuschrift vom 10.08.2018,

den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 23.07.2018 - 165 StVK 55/18 - aufzuheben,

die Fortsetzung des Vollzuges der Maßregel anzuordnen und

die Höchstfrist für die Unterbringung des Verurteilten in der Entziehungsanstalt auf den 25.05.2019 festzusetzen.

Sie vertritt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Strafsenate des Oberlandesgerichts Celle im Ergebnis die Auffassung, dass im vorliegenden Falle neben der Organisationshaft auch die Untersuchungshaft sowie die im Vorwegvollzug verbüßte Strafhaft die zur Therapie in der Entziehungsanstalt zur Verfügung stehende Zeit nicht verkürzen dürfe und daher eine Anrechnung von insgesamt 390 Tagen auf das Restdrittel von 688 Tagen zu erfolgen habe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung mangels einer zureichenden Legalprognose nicht vor.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde erweist sich als unbegründet.

1. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg den Ablauf der verlängerten Höchstfrist der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt am 24.07.2018 (Tagesende) nach § 67d Abs. 1 S. 2 StGB und damit die zeitliche Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 4 S. 2 StGB festgestellt.

Die insoweit sowohl durch den Verurteilten als auch die Generalstaatsanwaltschaft erhobenen Bedenken gegen die Berechnung der verlängerten Höchstfrist greifen nicht durch. Die der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zugrundeliegende aktuelle Berechnung der Straf- und Maßregelvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg erweist sich auch nach dem Maßstab der Rechtsprechung der Strafsenate des Oberlandesgerichts Celle als vollumfänglich korrekt.

Die Dauer der verlängerten Höchstfrist einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bestimmt sich nach allgemeiner Auffassung (Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, § 67d Rn. 6 m.w.N.; Rissing-van Saan/Peglau in: Leipziger Kommentar StGB, 12. Auflage 2007, § 67d Rn. 17 m.w.N.) nach folgender Berechnung:

Beginn der Maßregelvollstreckung

(§ 67d Abs. 1 S. 2 StGB)

zuzüglich

2 Jahre

Grundhöchstdauer (§ 67d Abs. 1 S. 1 StGB)

zuzüglich

zwei Drittel der parallel verhängten Strafe

maximaler anrechnungs-fähiger Teil der Strafe (§§ 67 Abs. 4 S. 1, 67d Abs. 1 S. 3 StGB)

abzüglich

erledigter Teil jener Strafe

z.B. durch Anrechnung des Vorwegvollzugs (§ 67 Abs. 2 StGB)

Angewandt auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus den oben (I.2.) genannten Vollstreckungsdaten für die Berechnungsschritte Folgendes:

a) Die Maßregelvollstreckung begann am 15.08.2013 (Tagesbeginn).

b) Die Maßregel wurde zumindest zum Teil vor der parallel verhängten Strafe vollzogen. Anrechnungsfähig ist daher die Dauer von bis zu zwei Dritteln der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten.

Die Dauer von zwei Dritteln der Strafe berechnet sich vereinfacht wie folgt:

Die Strafvollstreckung hat hier formal mit der Rechtskraft der Anlassverurteilung (§ 38 Nr. 3 StVollstrO) am 17.01.2013 (Tagesbeginn) begonnen und endet damit fiktiv - zunächst ohne Berücksichtigung von Anrechnungszeiten - mit dem 16.09.2018 (Tagesende). Der Vollstreckungszeitraum umfasst damit 2.069 Tage. Zwei Drittel davon sind (gerundet) 1.379 Tage.

Alternativ kann die Berechnung auch abstrakt vorgenommen werden:

5 Jahre 8 Monate = 68 Monate,

68 Monate x 2/3 = 45 1/3 Monate = 45 Monate 10 Tage = 3 Jahre 9 Monate 10 Tage

c) Diese Zeitspanne von 1.379 Tagen wird jedoch reduziert um die Zeit des in der Anlassverurteilung nach § 67 Abs. 2 StGB angeordneten Vorwegvollzugs von zehn Monaten Freiheitsstrafe.

Beginnend von der Rechtskraft des Urteils am 17.01.2013 (Tagesbeginn) würde der - fiktive - Vorwegvollzug bis zum 16.11.2013 (Tagesende) und damit 304 Tage andauern.

In der Alternativberechnung ergeben sich unter Abzug von 10 Monaten Vorwegvollzug

35 Monate und 10 Tage (entsprechend 2 Jahre, elf Monate und 10 Tage)

d) Dies ergibt nach der in der obigen Tabelle vorgegeben Berechnung folgende Ergebnisse:

Beginn der Maßregelvollstreckung

a)

15.08.2013 (TB)

zuzüglich

2 Jahre

14.08.2015 (TE)

zuzüglich

zwei Drittel der parallel verhängten Strafe (1.379 Tage = 3 Jahre 9 Monate 10 Tage)

b)

24.05.2019 (TE)

abzüglich

erledigter Teil jener Strafe (304 Tage = 10 Monate)

c)

24.07.2018 (TE)

Die verlängerte Höchstfrist endet daher mit Ablauf des 24.07.2018. Eine Fortsetzung des Maßregelvollzugs über dieses Datum hinaus ist daher nicht möglich.

e) Diese Berechnung steht nicht im Widerspruch zu der durch die Strafsenate des Oberlandesgerichts Celle vertretenen Auffassung, dass eine Anrechnung sowohl von Organisationshaft als auch Untersuchungshaft nicht auf den für die Berechnung der verlängerten Höchstfrist heranzuziehenden Zwei-Drittel-Zeitraum, sondern grundsätzlich erst auf das Restdrittel zu erfolgen habe (vgl. OLG Celle, 3. Strafsenat, StV 1997, 477-478, juris Rn. 8; OLG Celle, 1. Strafsenat, StV 2007, 428, juris Rn. 9-12; OLG Celle, 2. Strafsenat, StV 2010, 494-495, juris Rn. 8).

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Erwägung, dass der Verurteilte regelmäßig keinen Einfluss auf die Dauer der Untersuchungshaft sowie der Organisationshaft hat. Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts führt dazu aus (a.a.O.):

[...] Die vom Bundesverfassungsgericht gerade in diesem Zusammenhang ausdrücklich geforderte verfassungsrechtlich gebotene Beachtung des Übermaßverbotes muß sich besonders dann auswirken, wenn vor Beginn des Maßregelvollzuges ein Teil der Strafe durch Anrechnung von Untersuchungshaft und Verbüßung von Strafhaft (der sogenannten Organisationshaft nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils und während der Dauer der Suche nach einem Therapieplatz) bereits vollstreckt ist. Denn eine uneingeschränkte Anrechnung dieser Vollstreckungszeiten auf die Strafe vor Anwendung von § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB mit der Konsequenz, daß sich die Anrechnung der Maßregel auf 2/3 der Strafe um diese Vollstreckungszeit verkürzte, hätte sonst zur Folge, daß das Maß der Anrechnung nach dieser Vorschrift von den vom Verurteilten in der Regel nicht verschuldeten Unwägbarkeiten in der Dauer des Strafverfahrens und des Vollstreckungsverfahrens abhängig wäre. Daraus ergäbe sich weiterhin, daß für die Anrechnung des Maßregelvollzuges bei dieser Verfahrensweise nicht mehr 2/3 der Strafe zur Verfügung stünden, sondern nur ein um frühere Haftzeiten verkürzter 2/3-Zeitraum. Unter Beachtung des Übermaßverbots sind diese Folgen jedenfalls dann zu vermeiden, wenn die Maßregel entsprechend dem Normalfall des § 67 Abs. 1 StGB vor der Strafe zu verbüßen ist. Denn in diesem Falle ist die Dauer der vor Antritt des Maßregelvollzuges verbüßten Haftzeit nicht Folge einer Entscheidung des die Maßregel anordnenden erkennenden Gerichts (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf StV 1996, 47 f). [...]

Anders liegt es jedoch dann, wenn gerade aufgrund der vom Tatgericht getroffenen Entscheidung Strafhaft vor der Maßregel verbüßt wird, wie im Falle des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel nach § 67 Abs. 2 StGB. Hierzu hat der 2. Strafsenat (a.a.O.) klarstellend ausgeführt:

[...] Gegen diese Auffassung spricht aber, dass für die Anrechnung des Maßregelvollzuges dann nicht zwei Drittel der Strafe zur Verfügung stehen, sondern nur ein um frühere Haftzeiten gekürzter Zweidrittelzeitraum, wobei das Maß der Anrechnung dabei von vom Verurteilten in der Regel nicht verschuldeten und nur begrenzt beeinflussbaren Unwägbarkeiten in der Dauer des Strafverfahrens abhängig wäre (vgl. dazu OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2006, 251 [OLG Düsseldorf 08.02.2006 - III-4 Ws 50/06]). Auch ist in diesen Fällen die Dauer der vor Antritt des Maßregelvollzuges verbüßten Haftzeiten nicht Folge einer Entscheidung des die Maßregel anordnenden erkennenden Gerichts, anders als etwa bei Anordnung eines Vorwegvollzuges. [...]

So liegt der Fall jedoch hier. Das Landgericht Oldenburg hat ausdrücklich einen Vorwegvollzug von zehn Monaten Dauer angeordnet. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass nach § 51 Abs. 1 S. 1 StGB Untersuchungshaft hier von 181 Tagen auf diesen Vorwegvollzug Anrechnung findet. Da die Dauer der verbüßten Untersuchungshaft geringer ist als die Dauer des angeordneten Vorwegvollzugs, geht die Untersuchungshaft vollständig im Vorwegvollzug auf, ohne dass ein Rest verbleibt, der auf andere Vollstreckungszeiten - wie insbesondere das Restdrittel der Strafe - noch anrechenbar wäre.

Dies korrespondiert im Übrigen auch mit dem Sinn und Zweck der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils einer die Dauer von drei Jahren übersteigenden Strafe vor einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 S. 2 und 3 StGB. Denn am Maßstab der prognostizierten Dauer des Maßregelvollzugs bis zum Eintritt eines erwarteten konkreten Behandlungserfolgs im Sinne des § 64 S. 2 StGB soll der Vorwegvollzug so bemessen werden, dass am erwarteten Ende der Behandlung die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel sowie der parallel verhängten Freiheitsstrafe ermöglich wird (Fischer, a.a.O., § 67 Rn. 10 ff. m.w.N.). Dieser Zweck kann jedoch nur erfüllt werden, wenn der Vorwegvollzug auf die ersten zwei Drittel des Straf- und Maßregelvollzuges angerechnet und somit bei der Berechnung des Aussetzungszeitpunktes nach § 67 Abs. 5 S. 1 StGB berücksichtigt wird(vgl. BGH NStZ-RR 2010, 171-172, juris Rn. 5; BGH StRR 2009, 230-231, juris Rn. 5).

Erst nach Ende des Vorwegvollzugs mit Ablauf des 19.05.2013 findet nach der oben genannten Rechtsprechung die Anrechnung der vom 20.05.2013 bis zum Ablauf des 14.08.2013 verbüßten Strafhaft (87 Tage sogenannter Organisationshaft) auf das verbleibende Restdrittel Anwendung. Dieses hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg zutreffend mit verbleibenden 603 Tagen Dauer berechnet.

2. Entgegen der Auffassung der Verteidigung verstößt die dargestellte Anrechnungsentscheidung in Auslegung des § 67 Abs. 4 StGB nicht gegen "das Verbot der Doppelbestrafung, das Willkürverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip". Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Zeit der Unterbringung in der Entziehungsanstalt seit Ablauf des Zwei-Drittel-Zeitpunktes der Schattenstrafe am 24.07.2016 - also seit nunmehr über zwei Jahren - keine Anrechnung mehr auf die verhängte (Rest-)Strafe findet.

Gleichwohl lässt sich durch Auslegung der Vorschrift ein anderes Ergebnis nicht erzielen. Die Vorschrift hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16.03.1994 (BVerfGE 91, 1-70, juris Rn. 76-102) ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt. Lediglich den nach früherer Gesetzeslage (§ 67 Abs. 4 S. 2 StGB a.F.) geltenden Ausschluss einer Anrechnung im Falle einer abgebrochenen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich beanstandet und für nichtig erklärt.

In Fällen wie dem hier vorliegenden hat das Bundesverfassungsgericht (StV 1997, 476-477, juris Rn. 2, 11, 12) lediglich angemahnt, dass die Organisationshaft gerade auf das letzte Drittel anzurechnen sei, um eine effektive Verlängerung der Strafhaft zu vermeiden. Genau dies wurde hier beachtet.

3. Nicht zu beanstanden ist ferner die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer, die Vollstreckung der verbliebenen Reststrafe von 603 Tagen nicht nach §§ 67 Abs. 5 S. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB zur Bewährung auszusetzen. Auch nach Auffassung des Senats kann dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden. Auf die zutreffenden Ausführungen der Strafvollstreckungskammer wird vollumfänglich Bezug genommen.

Bereits die Tatsache, dass es in den zurückliegenden knapp fünf Jahren nicht gelungen ist, den Verurteilten zu stabilisieren und in Freiheit zu resozialisieren deutet auf seine fortbestehende Gefährlichkeit hin. Bereits im Jahr 2016 hat der Verurteilte weitreichende Vollzugslockerungen genossen, die er jedoch durch Rückfälle in seine stoffgebundene und nicht-stoffgebundene Sucht zunächst wieder verloren hat. Auch zeigte er sich im Jahr 2017 mit der Suche nach einer eigenen Wohnung überfordert und verfiel wiederum in bekannte Verhaltensweisen mit Spielhallenbesuchen und den Konsum eines opiathaltigen Medikaments. Derzeit ist nach Ablauf eines weiteren Jahres festzustellen, dass der Verurteilte sich nicht entscheidend weiterentwickelt und mit dem Probewohnen noch nicht einmal begonnen hat.

Auch wenn dem Verurteilten sowohl durch den Maßregelvollzug als auch durch den externen Sachverständigen durchaus bescheinigt wird, er habe durch die Behandlung im Maßregelvollzug profitiert, reicht dies im Hinblick auf den sich aus der Gefährlichkeit der Anlasstaten ergebenden Prognosemaßstab nicht aus. Aufgrund seiner fehlende Stabilität stehen spätestens mittelfristig wieder erhebliche Straftaten des Verurteilten zu erwarten. Im Hinblick auf die bei den Geschädigten der Anlasstaten verbliebenen und bei weiteren Taten zu erwartenden seelischen Folgen der Taten lässt sich eine Strafaussetzung daher derzeit nicht verantworten.

4. Soweit die Strafvollstreckungskammer die Anordnung des Vollzuges der Strafe im Rahmen der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 67 Abs. 5 S. 2 StGB offenbar nicht in Betracht gezogen hat, entspricht dies der Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Celle (NdsRpfl 2017, 348, juris Rn. 4 und 6), wonach die gesetzlichen Voraussetzungen eines solchen Vollzuges weder direkt noch analog vorliegen.

In tatsächlicher Hinsicht bedurfte es der Erwägung bereits deshalb nicht, weil einerseits im Hinblick auf die bisherigen langjährigen Versuche der Resozialisierung im Maßregelvollzug ein Erfolg der Maßnahmen in absehbarer Zeit nicht ersichtlich ist und andererseits die Dauer der weiteren Strafvollstreckung von bis zu 603 Tagen einer solchen Anordnung entgegensteht (vgl. OLG Celle, 2. Strafsenat, NdsRpfl 2016, 199-200; juris Rn. 33).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).