Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.01.2008, Az.: 2 A 306/06
(Kein) Fall eines besonderen Grundes im Sinne von § 18 I S. 2 BerzGG; Elternzeit; Fall, besonderer; Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.01.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 306/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45356
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2008:0124.2A306.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 18 I 2 BerzGG
Amtlicher Leitsatz
Verstöße eines Projektleiters gegen Dienstanweisungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge und zur Einhaltung von Haushaltsvorgaben begründen keinen besonderen Fall i.V.v. § 18 I S. 2 BerzGG, wenn die Maßnahmen notwendig waren, ein Schaden nicht entstanden ist, ein Straftatbestand nicht vorliegt und eine nachträgliche Haushaltsdelegierung problemlos möglich ist.
Tatbestand:
Der Beigeladene ist seit dem 2. Februar 2001 bei der Klägerin als Bauingenieur in der Vergütungsgruppe IV b BAT angestellt und als Projektleiter tätig. Unter anderem hatte er die Bauprojekte Sanierung der Stadtmauer südlich des Pulverturms und Sanierung der Kanalisation der K. schule in B. zu leiten. Die Klägerin hat den Beigeladenen am 8. Juli 2004 abgemahnt, weil er seine arbeitsvertraglichen Pflichten gravierend verletzt habe. Das dem Beigeladenen seinerzeit vorgeworfene Fehlverhalten betraf die Missachtung zeitlicher Vorgaben für die Ausschreibung der Renovierung des städtischen Museums, für die er als Projektleiter verantwortlich zeichnete. Ein möglicher Bewährungsaufstieg des Beigeladenen hat deshalb seinerzeit nicht stattgefunden.
Der Beigeladene ist verheiratet und hat zwei Kinder; die am ... bzw. ... geborenen Söhne L.M. und N.O.. Mit Schreiben vom 25. Januar 2006 beantragte er bei der Klägerin, ihm für die Zeit vom 27. März 2006 bis 8. Mai 2007 Elternzeit und gleichzeitig für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis 8. Mai 2007 eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Stunden zu bewilligen. Die Klägerin bewilligte dem Beigeladenen Elternzeit zunächst bis zum 8. Mai 2007 und verlängerte sie später bis zum 17. März 2009. Den Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung hat der Beigeladene vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt.
In seiner Sitzung vom 9. Februar 2006 beschloss der Verwaltungsausschuss der Klägerin, unter Berücksichtigung der Entscheidung über die umgehend einzuholende Ausnahmegenehmigung durch den Beklagten, dem Beigeladenen außerordentlich (fristlos) zu kündigen, ersatzweise, ihm zum nächstmöglichen Zeitpunkt ordentlich zu kündigen. Mit Schreiben vom 17. Februar 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, die beabsichtigte Kündigung für zulässig zu erklären. Sie sah das Vertrauen in die Integrität des Beigeladenen und eine korrekte Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben für die Zukunft als unwiderruflich zerstört an. Besonders sei zu berücksichtigen, dass dem Beigeladenen durch die Übertragung von Projektleitungen in hohem Maße Vertrauen entgegengebracht worden sei und daher sein nachstehendes Fehlverhalten besonders schwer wiege und das bestehende Arbeitsverhältnis dadurch erheblich belastet werde. Eine Wiederholung dieses Fehlverhaltens könne in Zukunft nicht ausgeschlossen werden, so dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm unmöglich sei. Grundlage der Kündigung und des Antrages an die Beklagte waren Pflichtverstöße des Beigeladenen im Zusammenhang mit den oben im folgenden dargestellten Sanierungsmaßnahmen an der Stadtmauer und der Kanalisation. Durch diese Verhaltensweisen habe der Beigeladene gegen für ihn verbindliche Dienstanweisungen verstoßen, die ihm hätten bekannt sein müssen. Dieses gravierende Fehlverhalten sei, wie sich aus der 2004 ausgesprochenen Abmahnung ergebe, nicht das erste des Beigeladenen. Die Möglichkeit, den Beigeladenen mit anderen Aufgaben zu betreuen bestehe für sie nicht.
Im Einzelnen warf die Klägerin dem Beigeladenen Folgendes vor:
Vor Beginn der Baumaßnahme "Sanierung der Stadtmauer" habe die Klägerin das Ingenieurbüro P. und Q. beauftragt, den Pulverturm und die südlich und nördlich angrenzenden Teile der Stadtmauer auf Schäden zu untersuchen und ein Sanierungskonzept mit Kostenberechnung zu erstellen. Der Beigeladene habe wesentliche Positionen der von dem Ingenieurbüro vorgelegten Kostenschätzung, insbesondere Erdarbeiten am Mauerfuß und Injektionsarbeiten, nicht in das der öffentlichen Ausschreibung zugrundeliegende Leistungsverzeichnis übernommen. Dadurch seien haushaltsplanmäßig nicht gedeckte Mehrausgaben entstanden. Für die Maßnahmen hätten Haushaltsmittel in Höhe von 46 000,00 € zur Verfügung gestanden. Der Beigeladene habe im Jahre 2005 jedoch Maßnahmen in einem Kostenumfang von 53 467,30 € über der veranschlagten Summe verursacht. In diesem Zusammenhang habe er zudem der bauausführenden Firma, der B. er Baugesellschaft, mündlich einen Auftrag über 18 443,35 € erteilt. Auf Weisung seines Vorgesetzten habe der Beigeladene dann das Bauvorhaben zunächst stillgelegt. Die Überschreitung der Haushaltsmittel und die Erteilung des dargestellten mündlichen Auftrags sind unstrittig. Die fehlenden Haushaltsmittel wurden im Jahre 2006 nachbewilligt und die Baumaßnahme wurde, wie vom Beigeladenen veranlasst, tatsächlich durchgeführt.
Nachdem der Beigeladene hierzu vortragen ließ, es habe seitens des Ingenieurbüros ein zweites offenbar vom Bereich Denkmalpflege in Auftrag gegebenes Leistungsverzeichnis gegeben, das er in die öffentliche Auftragsvergabe eingearbeitet habe, machte die Klägerin dem Beigeladenen später zum Vorwurf, es habe kein zweites Leistungsverzeichnis des Ingenieurbüros gegeben. Vielmehr habe das Ingenieurbüro in einer Fax-Mitteilung vom 20. Dezember 2004 in Bezug auf die Sanierung der südlich an den Pulverturm angrenzenden Stadtmauer mitgeteilt, Erdarbeiten am Mauerfuß und Injektionsarbeit seien nicht erforderlich. Der Beigeladene hätte den Widerspruch zwischen dieser Aussage und dem ursprünglichen Leistungsverzeichnis des Ingenieurbüros erkennen und hinterfragen müssen. In diesem Fall wäre es nicht, wie tatsächlich geschehen, zu hauhaltsplanmäßig nicht gedeckten Mehrausgaben gekommen.
Der zweite maßgebliche Vorwurf betrifft die vom Beigeladenen als Projektleiter geleitete Sanierung der Kanalisation der K. -Schule in B.. Hier habe der Beigeladene seinem Fachbereichsleiter, Herrn Baudirektor R., ohne Begründung und ohne Mittelnachweis eine Rechnung über 11 186,53 € zur Gegenzeichnung vorgelegt. Dabei hätte dem Beigeladenen klar sein müssen, dass im Jahre 2005 aus dem Vorjahr lediglich noch ein Haushaltsrest von 399,76 € zur Verfügung gestanden habe. Insgesamt seien die haushaltsplanmäßig für diese Maßnahme vorgesehenen 35 000,00 € um 20 839,31 € überschritten worden. Auch für diese, so wie vom Beigeladenen veranlasst tatsächlich durchgeführten, Maßnahmen wurden im Jahre 2006 entsprechende Haushaltsmittel nachbewilligt.
Der Beklagte hörte den Beigeladenen zu diesen Vorwürfen an, der hierzu wie folgt Stellung nahm:
Für die Sanierung der südlich des Pulverturms gelegenen Stadtmauer sei offenbar vom Bereich Denkmalpflege der Klägerin ein zweites Leistungsverzeichnis eingeholt worden. Dieses habe er, nachdem es vorgelegen habe, in die Ausschreibungsunterlagen eingearbeitet. Er verstehe deshalb nicht, was ihm zum Vorwurf gemacht werde. Er sei zunächst davon ausgegangen, dass einschließlich eines Landeszuschusses insgesamt 60 000,00 € für das Projekt zur Verfügung gestanden hätten. Dies sei jedenfalls die Baukostensumme gewesen, die dem Antrag des Fachbereichs Bauaufsicht und Denkmalschutz auf Bewilligung von Landeszuwendungen zugrunde gelegen habe. Es seien dann lediglich 46 600,00 € Haushaltsmittel veranschlagt worden. Davon hätten jedoch, wie er später in Erfahrung gebracht habe, lediglich 36 000,00 € tatsächlich zur Verfügung gestanden. Die Kosten für Injektionsarbeiten an der Mauer seien unerwartet in die Höhe gegangen. Als sich abgezeichnet habe, dass die für die Sanierung bereitgestellten Haushaltsmittel nicht ausreichen würden, habe er sich mit seinem Fachbereichsleiter R. am 11. Oktober und 1. November 2005 getroffen, um zu überlegen, was weiter geschehen solle. Baudirektor R. habe zu der Injektion keine Alternative gesehen. Da diese Treffen aber kein Ergebnis über das weitere Vorgehen gebracht hätten und ein weiteres für den 5. Dezember 2005 geplantes Treffen von Herrn R. nicht wahrgenommen worden sei, habe er die Bauarbeiten von sich aus stillgelegt. Er habe in der Tat der bauausführenden Firma mündlich Aufträge im Kostenumfang von 18 443,35 € erteilt, dies jedoch getan, um drohende Frostschäden und dadurch noch höhere Kosten zu verhindern. Ausweislich einer von der Klägerin eingeholten Stellungnahme der bauausführenden Firma, der B. er Baugesellschaft, vom 7. Februar 2006 war eine schnelle Entscheidung wegen drohender Frostschäden erforderlich.
Was die Sanierung der Kanalisation der K. -Schule in B. betreffe, sei Baudirektor R. durch ihn, den Beigeladenen, über die Baumaßnahmen informiert gewesen. Zudem habe er, der Beigeladene, mit einer Mitarbeiterin der Abteilung Bauunterhaltung Rücksprache genommen, wodurch sich ergeben habe, dass zusätzlich 7 000,00 € Haushaltsrest aus dem Vorjahr vorhanden gewesen seien. Er habe gemeint, diese verausgaben zu dürfen, wie dies auch schon im Jahr davor geschehen sei. Im Übrigen habe er durch eigene Ideen dazu beigetragen, dass ca. 76 000,00 € für die Sanierung dieser Schule eingespart worden seien, in dem er statt der Errichtung einer Brandschutztreppe eine andere, deutlich kostengünstigere Lösung entworfen habe.
Der Personalrat der Klägerin hat am 7. März 2006 das Einvernehmen zu der außerordentlichen Kündigung des Beigeladenen verweigert. Er habe zwar möglicherweise Dienstpflichten verletzt, jedoch führe dies nicht zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis. Auch gegenüber dem Beklagten nahm der Personalrat der Klägerin unter dem 9. Mai 2006 Stellung und äußerte hier die Ansicht, es läge keine schwerwiegende Pflichtverletzung vor, wobei er darauf aufmerksam machte, dass die erste dem Beigeladenen erteilte Abmahnung einen anderen Sachverhalt betroffen habe, als er jetzt streitgegenständlich sei. Dienstanweisungen würden in der Praxis nicht immer 1 zu 1 umgesetzt. Es bestehe zudem die Möglichkeit, den Beigeladenen alternativ zu verwenden und ihm andere Aufgaben als Projektleitung zu übertragen.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2006 verweigerte der Beklagte die Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen. Zur Begründung führte er an, der Beigeladene habe zwar in nicht unerheblichem Maße Pflichtverletzungen begangen. Diese seien jedoch nicht so schwer wiegend, dass ein besonderer Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG - vorliege. Bei der Sanierung des südlich des Pulverturms gelegenen Mauerteils habe der Beigeladene nicht vorsätzlich die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel überschritten oder Dienstanweisungen vorsätzlich missachtet. Vielmehr sei es nicht zu widerlegen, dass er davon ausgegangen sei, die Bausumme von ca. 60 000,00 € sei durch Landesmittel abgedeckt. Mit Zustimmung des Baudirektors R. der Klägerin sei am 11. Oktober 2005 beschlossen worden, die Sanierungsmaßnahmen in abgeänderter Form fortzuführen. Am 1. November 2005 habe Baudirektor R. der Bauausführung unter Verwendung eines Zwei-Komponenten-Materials zugestimmt. Erst in der zweiten Novemberhälfte 2005 habe sich herauskristallisiert, dass die Baukosten die ursprünglich vorgesehenen 46 000,00 € übersteigen würden. Wegen des nahenden Winters und der Gefahr von Frostschäden sowie der Befürchtung einer mit einhergehenden weiteren Kostensteigerung seien die Arbeiten vom Beigeladenen nicht sofort, sondern erst am 5. Dezember 2005 unterbrochen worden. Hinsichtlich des Leistungsverzeichnisses für dieses Sanierungsvorhaben habe der Beigeladene davon ausgehen können, dass das von der Ingenieurfirma P. und Q. nachgereichte Leistungsverzeichnis, dessen Fehlerhaftigkeit später festgestellt worden sei, das maßgebliche sein sollte. Dem Beigeladenen sei hier zwar ein fachlich erheblicher Fehler unterlaufen, der jedoch einen besonderen Fall im Sinne des § 18 BErzGG nicht begründe. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass der Beigeladene von der Klägerin am 8. Juli 2004 im Hinblick auf die termingerechte Aufgabenwahrnehmung abgemahnt worden sei, wodurch das Bemühen des Beigeladenen erklärlich sei, so schnell wie möglich mit dem Bauvorhaben fertig zu werden.
Bei der überhaushaltsplanmäßigen Vergabe von Aufträgen für die Sanierung von Kanalisation der K. -Schule sei der Beigeladene davon ausgegangen, diese Aufgaben könnten aus nicht ausgeschöpften Haushaltsmitteln des Bauunterhalts finanziert werden, wie dies bereits im Vorjahr geschehen sei. Der Beigeladene habe sich hiermit zwar über Haushaltsvorschriften und Dienstanweisungen hinweggesetzt. Diese erhebliche Pflichtverletzung werde allerdings durch seine Motivation abgeschwächt, dafür Sorge zu tragen, dass die Bauarbeiten, die wegen eines ungestörten Schulbetriebs in den Herbstferien stattfinden sollten, schnellstmöglich abgeschlossen würden.
Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin die ihr zur Konfliktbewältigung und -lösung zur Verfügung stehenden Maßnahmen wie Umsetzung oder Versetzung ausgeschöpft habe. Sowohl der Beigeladene wie auch der Personalrat der Klägerin stünden einer solchen Möglichkeit offen und positiv gegenüber.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 21. August 2006 Klage erhoben.
Zur Begründung führt sie an, die vom Beigeladenen begangenen Pflichtverstöße seien so gravierend, dass ihr Vertrauen in seine ordnungsgemäße Arbeit unwiederbringlich zerstört sei. Dies begründe einen besonderen Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG. Haushaltsausgaben für Bauvorhaben unterlägen einem strengen Prozedere, das in Haushaltsvorschriften und verbindlichen Dienstanweisungen normiert sei. Dies sei dem Beigeladenen bekannt. Deshalb habe er weder davon ausgehen dürfen, dass für das Vorhaben "Pulverturm" ca. 60 000,00 € aus Landesmitteln gedeckt seien, noch davon, dass die "Sanierung Kanalisation K. -Schule" aus nicht ausgeschöpften Haushaltsmitteln des Bauunterhalts finanziert werden könnte. Die vom Beigeladenen geschilderte Motivation für diese überhaushaltsplanmäßigen Ausgaben sei eine bloße Schutzbehauptung. Die von ihr ausgesprochene Abmahnung am 8. Juli 2004 belege, dass der Beigeladene auch in der Vergangenheit gravierende Verletzungen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten begangen habe. Alles in allem müsse davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene die jeweiligen Mehrausgaben vorsätzlich verursacht habe. Ein Alternativarbeitsplatz stehe für den Beigeladenen nicht zur Verfügung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die von der Klägerin beabsichtigte fristlose Kündigung des Beigeladenen für zulässig zu erklären,
hilfsweise,
den Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf seine Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid. Er habe aufgrund einer umfassenden Sachverhaltsermittlung den unbestimmten Rechtsbegriff des "besonderen Falles" des § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG zutreffend ausgelegt. Er äußert zudem die Vermutung, die Abmahnung des Beigeladenen vom 8. Juli 2004 habe zu dem pflichtwidrigen Verhalten des Beigeladenen hinsichtlich überplanmäßiger Haushaltsaufgaben beigetragen. Die Klägerin habe nach der Abmahnung eine Kontrolle des Beigeladenen vermissen lassen.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf seine Einlassungen im Verwaltungsverfahren. Soweit die Klägerin ihm im Klageverfahren vorsätzliches Handeln vorwerfe, sei sie hiermit ausgeschlossen. Dieser Vorwurf sei nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen. Im Verwaltungsverfahren sei er erst einen Monat nach den ihm vorgeworfenen Ereignissen angehört worden; das sei zu spät.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht dadurch entfallen, dass die ursprünglich bewilligte Elternzeit des Beigeladenen am 8. Mai 2007 abgelaufen war. Denn der Beigeladene genießt weiterhin, auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, Elternzeit.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zu Recht hat der Beklagte die Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen versagt.
Gemäß § 18 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG -), in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 2004 (BGBl I Seite 206), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Dezember 2004 (BGBl I Seite 3852), darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit, und während der Elternzeit nicht kündigen.
Diesem Kündigungsschutz unterliegt der Beigeladene. Er hat mit Eingang bei der Klägerin am 27. Januar 2006 Elternzeit ab 27. März 2006 beantragt. Maßgeblicher für den Beginn des Kündigungsschutzes ist somit der 30. Januar 2006. Dieses Datum liegt 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit. Der Beigeladene hat, das ist zwischen den Beteiligten unbestritten, gemäß § 15 BErzGG auch Anspruch auf Elternzeit. Die von der Klägerin beabsichtigte und von ihrem Verwaltungsausschuss am 9. Februar 2006 beschlossene Kündigung des Beigeladenen ist daher grundsätzlich unzulässig.
Nur ausnahmsweise kann gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG in besonderen Fällen eine Kündigung für zulässig erklärt werden; hierfür ist der Beklagte gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 BErzGG zuständig. Einen solchen Ausnahmefall vermag das Gericht mit dem Beklagten nicht zu bejahen.
Als unbestimmter Rechtsbegriff unterliegt die Frage, ob ein besonderer Fall im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 3 vorliegt, im vollen Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ( BVerwG, Urteil vom 18.08.1977 - 5 C 8.77 -, BVerwGE 54, 276 zu § 9 MuSchG; OVG Münster, Urteil vom 27.02.1998 - 24 A 4632/96 -, zitiert nach Juris; Nds. OVG, Beschluss vom 15.02.2000 - 4 L 41/00 -, zitiert nach Juris). Die Annahme eines besonderen Falles im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG setzt voraus, dass zu dem arbeitsrechtlichen fristlosen Kündigungsgrund des wichtigen Grundes nach § 626 BGB weitere außergewöhnliche Umstände hinzutreten, die ein Zurückdrängen der vom Gesetzgeber als vorrangig angesehenen Interessen des Erziehenden hinter diejenigen des Arbeitgebers rechtfertigen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kündigungsschutzbestimmungen leer laufen. Ziel des Gesetzes und damit auch Maßstab für die Entscheidung, ob ein besonderer Fall vorliegt, der ausnahmsweise die Zustimmung zur Kündigung zulässt, ist, die ständige Betreuung eines Kindes in der ersten Lebensphase durch einen Elternteil zu fördern und mehr Wahlfreiheit für die Entscheidung zwischen dieser Tätigkeit in der Familie und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit zu schaffen. Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass der den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmende Elternteil während der Zeit des Erziehungsurlaubs keine Kündigung zu befürchten braucht. Obwohl der Zweck der rechtsähnlichen Vorschrift des § 9 Abs. 3 MuSchG insoweit ein anderer ist, als er die werdende Mutter auch im Interesse der Allgemeinheit so schützen will, dass sie ein gesundes Kind zur Welt bringen kann, lässt sich doch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Vorschrift auch für die Auslegung des besonderen Falles im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BErzGG heranziehen. So kann ein solcher Fall vorliegen, wenn dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des in Erziehungszeit befindlichen Elternteils wegen wiederholten Fehlverhaltens, das als beharrliche Pflichtverletzung zu würdigen ist, unzumutbar ist (Urteil vom 21.10.1970, a.a.O.; Beschluss vom 17.07.1998 - 5 B 38.98 -, Buchholz, 436.4 § 9 MuSchG Nr. 7). Dem folgend liegt nach den auf § 18 Abs. 1 S. 4 BErzGG beruhenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz nach § 18 BErzGG vom 2. Januar 1986 (Bundesanzeiger 1986 Nr. 1, Seite 4, inhaltsgleich der Nachfolgeerlass vom 03.01.2007 zu § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG, Bundesanzeiger 2007 Nr. 5, Seite 247) insbesondere dann vor, wenn besonders schwere Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Pflichten oder vorsätzliche strafbare Handlungen des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Ist das Arbeitsverhältnis durch ein Verhalten des Arbeitnehmers derart zerrüttet, dass eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf des Erziehungsurlaubs ausgeschlossen ist, weil für den Arbeitgeber das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, besteht für den Arbeitnehmer die vom Gesetz vorausgesetzte Wahlfreiheit für die Entscheidung zwischen Tätigkeit in der Familie und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit jedenfalls beim bisherigen Arbeitgeber nicht mehr (vgl. OVG Münster, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
Ein derart gravierendes Fehlverhalten des Beigeladenen liegt hier nicht vor.
Zunächst nimmt das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die wohl abgewogenen Ausführungen des Beklagten in dessen Bescheid vom 26. Juli 2007 und stellt fest, dass es dieser Begründung folgt.
Allerdings hat der Beigeladene bewusst gegen für ihn verbindliche Vorschriften verstoßen. So hat er, wie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts feststeht, als Projektleiter sowohl bei der Sanierung der Stadtmauer südlich des Pulverturms als auch bei der Sanierung der Kanalisation der K. schule Ausgaben für Bauvorhaben veranlasst, für die Haushaltsmittel nicht zur Verfügung standen. Hierzu ist er gemäß der Dienstanweisung für die Festlegung von Wertgrenzen bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben vom 20. Dezember 2001 nur bis zur Höhe von 2 500 € berechtigt. Die vom Beigeladenen verursachten Mehrkosten liegen deutlich darüber. Nach der weiteren Dienstanweisung der Klägerin über die Vergabe von Aufträgen der Klägerin war der Beigeladenen gemäß Abschnitt XIII zudem lediglich zu einer Auftragsvergabe bis zu einer Bruttoangebotssumme von 2 500 € befugt und durfte derartige Aufträge gemäß Abschnitt XV lediglich schriftlich erteilen. Dass sich der Beigeladene auch hierüber - und zwar bewusst - bei der Sanierung der Stadtmauer hinweg gesetzt hat, steht fest.
Indes sprechen weitere Gesichtspunkte, neben der vom Beklagten schon berücksichtigten Motivation des Beigeladenen, zu dessen Gunsten, so dass eine gravierende, die Annahme eines besonderen Falles im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 BerzGG rechtfertigende Pflichtverletzung nicht angenommen werden kann. Zum einen ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unbestritten geblieben, dass die vom Beigeladenen veranlassten Ausgaben notwendig und sinnvoll waren, um das jeweilige Bauvorhaben zum Abschluss zu bringen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass die Arbeiten, wie vom Beigeladenen veranlasst, schließlich durchgeführt wurden und dass hierfür die nötigen Haushaltsmittel bereitgestellt worden sind. Das heißt, dass die Arbeiten offensichtlich sachlich gerechtfertigt waren und im Umkehrschluss, dass die zunächst bereit gestellten Haushaltsmittel ebenso offensichtlich zu niedrig angesetzt waren. Zugunsten des Beigeladenen ist ferner zu berücksichtigen, dass dadurch, dass die Klägerin durch die ausgeführten Bauleistungen einen entsprechenden Gegenwert erhalten hat, ihr ein Schaden nicht entstanden ist. Die Kammer verkennt nicht, dass dieser (Schadens-) Gesichtspunkt für die Annahme einer Untreue im Sinne von § 266 StGB in der strafgerichtlichen Rechtsprechung keine ausschlaggebende Bedeutung hat. So kann eine sog. Haushaltsuntreue auch dann vorliegen, wenn der überhaushaltsplanmäßige Mitteleinsatz den vorgegebenen Zwecken entspricht und die durch Einsatz öffentlicher Mittel erzielte Gegenleistung gleichwertig ist. Der Straftatbestand der Untreue ist aber erst dann erfüllt, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird und er durch den Mittelaufwand insbesondere in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird (vgl. BGH, Urteil vom 8.4.2003 -5 StR 448/02 -, NJW 2003, 2179). Von einer solchen Einschränkung der Dispositionsfreiheit sind die vom Beigeladenen verursachten, nicht gedeckten Ausgaben indes erkennbar weit entfernt. Weiter ist zugunsten des Beigeladenen zu berücksichtigen, dass die Injektionsarbeiten an der Stadtmauer nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag dem Grunde nach in Absprache mit seinem Vorgesetzten, Herrn Baudirektor R., erfolgten.
Diese Arbeiten haben letztlich die Kostenexplosion verursacht, und es hätte nahe gelegen, durch Nachfrage beim Beigeladenen herauszufinden, ob denn für solche Maßnahmen genügend Haushaltsmittel zur Verfügung gestanden haben. Eine solche Nachfrage unterblieb ebenso wie wohl insgesamt eine effektive Kontrolle der Arbeitsleistungen des Beigeladenen nach der im Jahre 2004 erfolgten Abmahnung. Eine solch effektive Arbeitskontrolle, wie sie auch der Beklagte vermisst, hätte wohl der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entsprochen. Für die Annahme einer schwerwiegenden und beharrlichen Pflichtverletzung lässt sich diese Abmahnung insgesamt nicht heranziehen. Zum einen erfolgte sie ca. 1 ? Jahre vor den dem Beigeladenen jetzt vorgeworfenen Vorgängen; zum anderen betraf sie ein zu langsames Arbeiten des Beigeladenen, das gerade nicht Gegenstand der jetzigen Beanstandungen der Klägerin ist. Die Vermutung des Beklagten, diese Abmahnung sei vielleicht sogar die Ursache für das jetzige Fehlverhalten des Beigeladenen, liegt zudem nicht fern. Ob zu guter Letzt das vom Beigeladenen gezeigte Fehlverhalten in der kommunalen Praxis durchaus nicht unüblich ist, wie die Stellungnahme des Vorsitzenden des Personalrats der Klägerin vom 9. Mai 2006, festgehalten in einem Vermerk des Beklagten vom 10. Mai 2006, vermuten lässt, kann in Anbetracht der zugunsten des Beigeladenen sprechenden Gesichtspunkte offen bleiben.
Ein unwiederbringlich zerstörtes Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen und damit ein besonderer Fall der Kündigung im Sinne von § 18 Abs. 1 S. 2 BerzGG liegt im Ergebnis somit nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Das Verfahren ist nicht gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Kammer folgt in dieser Annahme dem Bayerischen VGH (Beschluss vom 25.07.2006 -9 ZB 06.1778 -, zitiert nach Juris), der ausführt, es handele sich bei einer Klage auf Erteilung der Zustimmung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG weder um eine Angelegenheit der Sozialhilfe noch eine solche der Schwerbehindertenfürsorge. Vielmehr ergibt sich aus § 22 Abs. 1 BErzGG, dass nur Verfahren betreffend Erziehungsgeld gemäß § 64 Abs. 1 SGB X kostenfrei seien, nicht aber solche wegen Elternzeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (a.A. ohne Begründung das Nds. OVG in seinem Beschluss vom 15.02.2000, a.a.O.).
Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil er einen Klagabweisungsantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.