Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.01.2008, Az.: 2 A 320/06

Bauvorbescheid; Bebauungsplan; Einzelhandel; Einzelhandelskonzept; Gewerbegebiet; Veränderungssperre; Zurückstellungsbescheid

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
24.01.2008
Aktenzeichen
2 A 320/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45357
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:0124.2A320.06.0A

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Möbelmarktes auf dem Grundstück L.... (Flur ..., Flurstücke ... und ...) in F.. B.C. ist seit 1988 Eigentümer dieses 14 742 m2 großen Grundstücks, über das ein Gewässerlauf mit eigener Flurstücksbezeichnung verläuft. Auf dem Grundstück befinden sich ein Gebäudekomplex, der aus drei Hallen besteht, und einige Nebengebäude. Die bebaute Fläche wird von der Klägerin mit 6 200 m2 angegeben. Auch der gesamte Rest des Grundstücks ist versiegelt und wird zum größten Teil als Parkplatz genutzt. Die nordöstliche (zur L. hin gerichtete) größere Halle wird, nachdem sich dort in der Vergangenheit das M.F., die Discothek N. und ein Möbelmarkt der Firma O. befunden hatte, im Erdgeschoss seit 2004/2005 etwa zur Hälfte als SB-Markt der Firma P. und zur anderen Hälfte als sog.Q. (den B.C. betreibt) genutzt. Die Verkaufsfläche beider Märkte beträgt ca. 2 100 m2. Zwischen 1995 und 2005 befand sich der Q. in der mittleren, ca. 1 400 m2 großen Halle; sie steht seit mindestens 2005 leer. Die südwestliche Halle wurde bis Ende 2003 als Möbellager für den Markt der Firma O. und wird zur Zeit als Papierlager genutzt. Ein Bebauungsplan besteht für das Grundstück nicht. Der Flächennutzungsplan der Beklagten stellt Gewerbegebiet dar.

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Zwischen Herbst 2004 und Frühjahr 2006 fanden Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten über den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags und über die zukünftige Nutzung des Geländes, die planungsrechtlich abgesichert werden sollte, statt. Die Beklagte beabsichtigte, die Klägerin einen Bebauungsplan erstellen zu lassen; Vorarbeiten dazu fanden durch das Architekturbüro R. statt. Die Vertragsverhandlungen scheiterten u.a., weil die Beteiligten sich über die Nachnutzung der mittleren und südwestlichen Halle nicht einigen konnten.

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Bereits am 15.12.2003 hatte der Rat der Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 201 "zwischen S. und L." beschlossen, der das Grundstück C. einschließlich des Gewässerlaufes betraf. Der Aufstellungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 23.12.2003 verkündet; in seiner Begründung wurden als Planungsziele die Sicherung bestehender und Steuerung künftiger Einzelhandelsnutzungen angegeben.

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Aufgrund eines umfassenden Gutachtens beschloss der Rat der Beklagten ferner am 16.12.2005 das kommunale Einzelhandelkonzept, in dem u.a. vorgesehen ist, dass Einzelhandel in F. hauptsächlich in der Innenstadt und in zwei Fachmarktagglomerationen (Kaufpark, Lutteranger) stattfinden soll, wozu eine wohngebietsbezogene Nahversorgung kommt; ferner ist dort festgelegt, dass solitäre Fachmarktstandorte (wozu auch das Grundstück C. gehört, das "Standort L." genannt wird) im wesentlichen auf ihre derzeitige Verkaufsfläche begrenzt werden sollen und dass in Gewerbe- und Industriegebieten Einzelhandel nicht mehr zulässig sein soll, wobei Ausnahmen im Bestand möglich sind. Bestandteil des Einzelhandelskonzepts ist die sog. Göttinger Liste, in der sortimentsbezogene Aussagen nach vier Sortimentsgruppen (Nahversorgung, nicht-innenstadtrelevante Sortimente, innenstadtrelevante Sortimente und restriktive innenstadtrelevante Sortimente) getroffen werden. Das Möbelsortiment ist nicht innenstadtrelevant. Mittlerweile hat der Rat der Beklagten das "Leitbild 2020: F. stellt sich der Zukunft" beschlossen, das im Hinblick auf den Einzelhandel - allerdings eher plakativ - ähnliche Aussagen enthält wie das Einzelhandelskonzept, jedoch als weiteres Agglomerationsgebiet den Standort "T. -Straße West" nennt, wo mittelfristig ein großflächiger Möbelmarkt angesiedelt werden soll.

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Am 03.04.2006 richtete die Klägerin eine planungsrechtliche Bauvoranfrage an die Beklagte im Hinblick auf die Einrichtung eines Möbelmarktes in der mittleren Halle mit einer Verkaufsfläche von ca. 650 m2 und einer Lagerfläche von 350 m2; es sollen ausschließlich Möbel angeboten werden, die von Kunden an den Versandhandel zurückgegeben worden sind. Die Beklagte stellte die Entscheidung über die Zulässigkeit dieses Vorhabens mit Bescheid vom 28.06.2006 für einen Zeitraum von 12 Monaten zurück, weil die Durchführung des Vorhabens die mit dem Ratsbeschluss vom 15.12.2003 eingeleitete Planänderung unmöglich machen oder zumindest erschweren würde; bereits seit August 2005 liege ein Bebauungsplanentwurf vor, der auf umfangreiche Absprachen zwischen Herrn C., dem Planaufsteller R. und der Beklagten basiere und wonach für den südwestlichen Bereich des Grundstücks C. ein Gewerbegebiet mit Ausschluss von Einzelhandel vorgesehen sei. Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2006 mit im wesentlichen folgender Begründung zurück: Aufgrund der Flächengröße des Gesamtkomplexes bestehe ein erhebliches Agglomerationsrisiko; ein ruinöser Standortwettbewerb müsse verhindert werden; die besondere Ausrichtung des Möbelmarktes sei unerheblich, weil aus der Sicht der Kunden kein Unterschied zu einem normalen Möbelmarkt bestehe. Die Nutzung dieses Gebäudeteils als Möbelmarkt würde die Durchführung der Planung unmöglich machen.

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Die Klägerin hat am 28.08.2006 Klage erhoben.

7

Am 04.12.2006 hat der Verwaltungsausschuss der Beklagten erneut die Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 201 "zwischen S. und L." beschlossen. Am 08.12.2006 hat der Rat der Stadt eine Veränderungssperre als Satzung beschlossen. Der Aufstellungsbeschluss und die Satzung sind im Amtsblatt der Stadt Göttingen vom 22.12.2006 veröffentlicht worden. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2007 den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Bauvorbescheides abgelehnt und den Zurückstellungsbescheid vom 28.06.2006 aufgehoben. Den Widerspruch der Klägerin vom 09.03.2007 gegen diese Entscheidung hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2007 zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat zunächst vorgetragen: Die Bearbeitung der Bauvoranfrage hätte nicht zurückgestellt werden dürfen, weil ein ausreichender Antrag (durch den Verwaltungsausschuss) nicht gestellt worden sei; die Beklagte habe noch keine positive Vorstellung über den Planinhalt; für den Ausschluss eines Möbelmarktes gebe es zudem keine städtebaulichen Gründe, zumal der Standort traditionell ein solcher für einen Möbelmarkt (der Firma O.) gewesen sei; die Beklagte könne auch nicht nachweisen, dass andere Standorte negativ berührt würden.

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Nunmehr macht sie ergänzend geltend: Die Behauptung der Beklagten, die Ansiedlung von weiteren Einzelhandelsnutzungen an dem Standort L. habe schädliche Auswirkungen auf die Gesamteinzelhandelsstruktur der Stadt, werde nicht belegt; der Möbelmarkt solle im übrigen kein innenstadtrelevantes Sortiment vertreiben; durch die Beschlussvorlage zur 35. Flächennutzungsplanänderung (nördlich T. -Straße) vom 19.01.2007 mache die Beklagte vollends deutlich, dass sie an dem Einzelhandelskonzept nicht mehr festhalten wolle; da die Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung keine Bemühungen entfaltet habe, den Bebauungsplan F. Nr. 201 zum Abschluss zu bringen, stelle sich die Veränderungssperre als reines Verhinderungsinstrument dar, dass einzig und allein dem Ziel diene, das Bauvorhaben der Klägerin zu blockieren.

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Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte,

  1. die Beklagte unter Aufhebung des Zurückstellungsbescheides vom 28.06.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2006 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Möbelmarktes auf dem Grundstück L.... in F. gem. Antrag vom 03.04.2006 zu erteilen,

  2. beantragt sie jetzt, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit im übrigen übereinstimmend für erledigt erklärt haben,

  3. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.02.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Möbelmarktes auf dem Grundstück L.... in F. gemäß ihrem Antrag vom 03.04.2006 zu erteilen und

  4. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gegen die Bescheide vom 28.06.2006 und vom 19.02.2007 für notwendig zu erklären.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Sie trägt im wesentlichen vor: Im Zeitpunkt der Zurückstellung sei man davon ausgegangen, dass der Bauvoranfrage aufgrund des § 34 BauGB vermutlich habe entsprochen werden müssen; um die zukünftige Planung nicht zu gefährden, sei die Bearbeitung der Bauvoranfrage deshalb zurückgestellt worden; dafür habe ein verwaltungsinterner Antrag genügt, denn es handele sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung; die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre hätten seinerzeit vorgelegen: Es habe einen wirksamen Planaufstellungsbeschluss gegeben, aus dessen Begründung sich positive und hinreichend konkrete Vorstellungen für die zukünftige Planung ergeben hätten; seit Mitte 2004 habe zudem festgestanden, dass neben dem P. - und dem Q. eine weitere Zulassung von Einzelhandelsfläche auf dem Grundstück C. nicht geplant gewesen sei; ein Planentwurf des Architekten R. vom August 2005 habe bereits die Aufteilung des Grundstücks in ein Sondergebiet Einzelhandel (nordöstlicher Bereich) und ein Gewerbegebiet unter Ausschluss von Einzelhandel (übriger Grundstücksbereich) vorgesehen; mit der wesentlichen Erweiterung der derzeitigen Einzelhandelsfläche seien negative städtebauliche Auswirkungen verbunden, die das Ungleichgewicht des Göttinger Einzelhandels in seinen drei räumlich abgegrenzten zentralen Versorgungsbereichen verstärke; zur Sicherung der Nahversorgung sei ferner in Gewerbe- und Industriegebieten die Ausweitung von Einzelhandel nicht vorgesehen; ein Möbelmarkt habe schädliche Auswirkungen auf die zentralen Versorgungsbereiche; auf frühere Nutzungen könne sich die Klägerin nicht berufen, weil diese aufgegeben worden seien.

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Das Bebauungsplanverfahren werde in jüngerer Zeit intensiv betrieben; eine frühzeitige Behördenbeteiligung habe bereits stattgefunden; mit dem Entwurfsbeschluss sei geplant, das Verfahren auf das beschleunigte Verfahren gem. § 13a BauGB umzustellen; umweltrelevante Belange würden demnächst geprüft werden, ein schalltechnisches Gutachten solle alsbald in Auftrag gegeben werden; bereits im Mai/Juni 2008 könne die öffentliche Auslegung erfolgen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten einschließlich der älteren Bauakten, des Vorgangs betreffend den Bebauungsplan und die Veränderungssperre und des Vorgangs betreffend den geplanten Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen den Beteiligten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

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Soweit die Klage aufrecht erhalten wird, ist sie zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Möbelmarktes in einer zur Zeit leerstehenden Halle auf dem Grundstück L.... in F.; dem steht die Veränderungssperre vom 08.12.2006 entgegen.

17

Gemäß § 74 Abs. 1 NBauO ist auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden; das gilt auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist. Die Erteilung eines derartigen planungsrechtlichen Bauvorbescheides begehrt die Klägerin. Da das Baugrundstück in dem - derzeit noch - unbeplanten Innenbereich F. liegt, bemisst sich die Zulässigkeit des Vorhabens an sich nach § 34 BauGB. Hat die Gemeinde jedoch einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungplans gefasst, kann sie gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zur Sicherung der Planung für den zukünftigen Planbereich - nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes als Satzung - eine Veränderungssperre u.a. mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen, kann die Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 14 Abs. 2 des Gesetzes eine Ausnahme zulassen.

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Die Veränderungssperre tritt gem. § 17 Abs. 1 BauGB nach Ablauf von zwei Jahren außer Kraft; auf diese Frist ist der seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 abgelaufene Zeitraum anzurechnen; die Gemeinde kann sie um ein Jahr, unter Umständen um ein weiteres Jahr verlängern.

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Die Veränderungssperre vom 08.12.2006 ist wirksam zustande gekommen. Sie wurde vom Rat der Beklagten als Satzung beschlossen. Es ist ausreichend, dass - wie hier am 22.12.2006 geschehen - der Planaufstellungsbeschluss vom 04.12.2006 gleichzeitig mit der Satzung über die Veränderungssperre ortsüblich bekannt gemacht wird (vgl. dazu Rieger in Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 14, Rn. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Es bestehen auch keine anderen formellen Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Veränderungssperre. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - auf den es bei einer Verpflichtungsklage regelmäßig ankommt - gilt sie noch, denn die (erste) Zurückstellung des Baugesuchs der Klägerin wurde ihr Anfang Juli 2006 bekannt gegeben. Auch unter Anrechnung der Zurückstellungsdauer ist die Zweijahresfrist des § 17 Abs. 2 BauGB daher noch nicht abgelaufen. § 3 der Satzung vom 08.12.2006 bestimmt u.a., dass während der Veränderungssperre Bauvorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen. Bei der von den Klägerin beabsichtigten Errichtung eines Möbelmarktes handelt es sich um ein solches Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB, denn es berührt bodenrechtliche Belange; mit der Antragstellung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie sich nicht auf Bestandsschutz - im Rahmen bereits erteilter Baugenehmigungen - beruft, sondern ihr Nutzungskonzept zur rechtlichen Prüfung stellt.

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Die Veränderungssperre ist auch materiell rechtmäßig. Als Sicherungsmittel zukünftiger Planung darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn der künftige Planinhalt bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar ist. Die Gemeinde muss positive Vorstellungen hinsichtlich dieses Planinhalts haben (eine reine Verhinderungsplanung genügt mithin nicht), mindestens die Art der baulichen Nutzung muss bereits feststehen, ein detailliertes Konzept ist jedoch noch nicht erforderlich. Der Sinn der Veränderungssperre besteht nämlich darin, der Gemeinde die Entwicklung ihrer - im groben bereits verlässlich festgelegten - planerischen Ziele zu ermöglichen (vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 14, Rn. 9; Rieger in Schrödter, a.a.O., § 14, Rn. 7 ff.; BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 - 4 NB 40.93 -, NVwZ 1994, 685 [BVerwG 21.12.1993 - BVerwG 4 NB 40.93]; BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 - 4 CN 16.03 - DVBl. 2004, 950; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 MN 297/02 - NVwZ-RR 2003, 547 [OVG Niedersachsen 19.12.2002 - 1 MN 297/02]. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Der Beschlussvorschlag des Oberbürgermeisters vom 03.11.2006 ist recht ausführlich. In ihm wird im wesentlichen ausgeführt: Das Grundstück C. solle geteilt werden in einen nordöstlichen Bereich (in dem bereits Einzelhandel betrieben wird), für den ein Sondergebiet Einzelhandel festgesetzt wird, sowie in einen südwestlichen Bereich, in dem sich die hier streitbefangene Halle befindet, für den Gewerbegebiet festgesetzt werden solle unter Ausschluss bestimmter Arten von Nutzungen (hier: Sortimente) gemäß § 1 Abs. 5 und 9 der Baunutzungsverordnung auf der Grundlage des Einzelhandelkonzepts der Stadt F.; eine Vergrößerung der bestehenden Einzelhandels-Verkaufsfläche - von 2 100 m2 - solle wegen eines erheblichen Agglomerationsrisikos aufgrund der Flächengröße ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss des Einzelhandels in Gewerbegebieten verhindere einen ruinösen Standortwettbewerb, der nicht nur zu Lasten der Innenstadt gehe, sondern auf Dauer auch zu Lasten der weiteren Fachmarktagglomerationen im Stadtgebiet. Hierbei handelt es sich um ein positives und hinreichend konkretes Konzept, das einerseits allgemeine Vorgaben des Einzelhandelskonzepts der Beklagten umzusetzen beabsichtigt und andererseits konkret auf den Standort L. mit seinen örtlichen Besonderheiten abstellt. Dass noch nicht im Einzelnen festgelegt wird, welche Einzelhandelssortimente (ob beispielsweise auch ein nicht innenstadtrelevanter Möbelmarkt darunter fallen soll) ausgeschlossen werden sollen, ist unschädlich.

21

Allerdings besteht ein Sicherungsbedürfnis nur für eine Planung, die nicht von vornherein verfehlt ist, sich also aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten nicht verwirklichen lassen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.1993 und Urteil vom 19.02.2004, OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.12.2002, sämtlich a.a.O.). An dieser Stelle setzt im wesentlichen die Kritik der Klägerin an, die das Gericht jedoch nicht teilt. Die Klägerin verkennt, dass nicht schon jetzt Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis im Einzelnen im Hinblick auf einen Bebauungsplan zu überprüfen sind, sondern dass lediglich die beabsichtigte Planung prognostisch beurteilt werden kann. Die Beklagte hat vor, § 1 Abs. 5 oder Abs. 9 BauNVO anzuwenden. Nach § 1 Abs. 5 kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann ferner nach § 1 Abs. 9 BauNVO bei Anwendung der Abs. 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Daneben sind die allgemeinen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Bebauungsplänen zu beachten. Nach § 1 Abs. 3 BauGB sind Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist; gem. § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange - die im einzelnen in Abs. 6 aufgeführt sind - gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Gegenwärtig ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte diese gesetzlichen Gegebenheiten nicht verwirklichen kann.

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Bereits in dem Beschluss vom 03.05.1992 (- 4 NB 13.93 - Buchholz, 406.12, § 1 BauNVO Nr. 16) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass schon nach § 1 Abs. 5 BauNVO einzelne der unter einer Nummer in einer Baugebietsvorschrift der Baunutzungsverordnung zusammengefassten Nutzungen ausgeschlossen werden können; das gelte auch für den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in einem Gewerbegebiet, obwohl § 8 BauNVO nicht ausdrücklich von Einzelhandelsbetrieben spreche; daneben sei aber auch die Anwendung von § 1 Abs. 9 BauNVO möglich. Die Beklagte muss nur dann, wenn sie nach § 1 Abs. 9 der Verordnung vorgehen will, besondere städtebauliche Gründe anführen, die den vollständigen oder teilweisen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben rechtfertigen; diese Gründe werden sich nicht allein aus ihrem Einzelhandelskonzept ergeben können, weil dieses zu unpräzise ist, was die einzelnen Standorte betrifft (vgl. dazu weitere Ausführungen unten). Das muss sie, wenn sie ihre Entscheidung auf § 1 Abs. 5 BauNVO stützt, nicht tun, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. In dem Beschluss vom 13.05.1999 (- 4 NB 15.99 - BRS 62, Nr. 19) ergänzt das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung, indem es ausführt, die Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes werde nicht beeinträchtigt, wenn Einzelhandelsbetriebe gänzlich ausgeschlossen würden; aus dem Erforderlichkeitsmerkmal des § 1 Abs. 3 BauGB lasse sich nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig seien, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten seien; was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich sei, bestimme sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption; welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setze, liege in ihrem planerischen Ermessen; der Gesetzgeber ermächtige sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspreche; hierzu gehöre die Entscheidung, in welchem Umfang sie Gemeindegebietsteile zur Unterbringung von Gewerbebetrieben zur Verfügung stelle; wünsche sie an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe, so sei es ihr nicht verwehrt, ein Gewerbegebiet unter Ausschluss dieser Nutzungstypen festzusetzen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben (die das Bundesverwaltungsgericht neuerdings bekräftigt hat, vgl. Urteil vom 04.10.2007 - 4 BN 39.07 - juris) und die den Gemeinden einen erheblichen Planungsspielraum eröffnen, wird es der Beklagten möglich sein, ihr derzeitiges Planungskonzept (ganz oder teilweise) zu verwirklichen. Welcher Stellenwert dabei im Ergebnis dem Einzelhandelskonzept der Beklagten, das möglicherweise in einigen Punkten überholt ist, zukommt, mag beurteilt werden, wenn Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis des künftigen Bebauungsplanes Nr. 201 auf dem rechtlichen Prüfstand stehen.

23

Es ist offensichtlich, dass das Vorhaben der Klägerin die Planung der Beklagten zumindest erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen würde. Deshalb hat die Beklagte auch zu Recht keine Ausnahme gem. § 14 Abs. 2 BauGB zugelassen.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

25

Die hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffende Kostenentscheidung ergeht zum Nachteil der Beklagten. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Beklagte den Zurückstellungsbescheid vom 28.06.2006 mit Bescheid vom 19.02.2007 aufgehoben hat, denn die Aufhebung geschah nicht aus freien Stücken, sondern war zwingend geboten, nachdem die Veränderungssperre erlassen war (vgl. Rieger in Schrödter, a.a.O., § 15, Rn. 12). Vielmehr ist auf den mutmaßlichen Verfahrensausgang abzustellen. Ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses hätte das Gericht der Klage vermutlich stattgegeben. Das ergibt sich aus Folgendem:

26

Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu 12 Monaten auszusetzen, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 des Gesetzes nicht beschlossen wird, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, oder eine beschlossene Veränderungssperre noch nicht in Kraft getreten ist, und wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Während der Erlass einer Veränderungssperre (durch Satzung) in der Hand der planenden Gemeinde liegt, stellt die Zurückstellung von Baugesuchen ein Instrument der Baugenehmigungsbehörde dar. Ist die Gemeinde selbst Baugenehmigungsbehörde (wie hier), ist ein förmlicher Antrag nicht nötig, jedenfalls stellt er - wenn er denn erfolgt - ein Geschäft der laufenden Verwaltung dar und kann mithin verwaltungsintern gestellt werden (vgl. dazu Rieger in Schrödter, a.a.O., § 15, Rn. 8). Das ist hier geschehen. Allerdings lagen bei der Zurückstellung des Baugesuchs die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre noch nicht vor.

27

Bei der Beschlussfassung über die Planaufstellung im Dezember 2003 hatte die Beklagte noch keine positiven Vorstellungen im Hinblick auf die zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten auf dem Grundstück C.. In der Begründung des Beschlusses wird lediglich die Sicherung bestehender und die Steuerung künftiger Einzelhandelsnutzungen (recht vage) angesprochen. Ob damals schon erwogen wurde, der Klägerin die Aufstellung des Bebauungsplanes zu überlassen, ist dem Gericht nicht bekannt. Bei den - letztlich gescheiterten - Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten wurden ersichtlich von vornherein unterschiedliche Ziele verfolgt. Das Planungsbüro R. hat mehrere Entwürfe erstellt; in den Akten befindet sich auch eine zeichnerische Darstellung, die für den südwestlichen Bereich des klägerischen Grundstücks Mischgebiet vorsieht. Es wird deutlich, dass die Beklagte (wohl nach Beschlussfassung des Einzelhandelskonzepts) mehr und mehr dazu neigte, für den streitbefangenen Grundstücksbereich - auf dem konkret keine Einzelhandelsnutzung stattfand - auch zukünftig keine Einzelhandelsnutzung zuzulassen, während der Kläger immer auch Einzelhandelsnutzung für den südwestlichen Bereich seines Grundstücks im Auge hatte. Das Einzelhandelskonzept selbst äußert sich nur allgemein zu den solitären Fachmarktstandorten. In dem Ratsbeschluss vom 16.12.2005 wird etwa ausgeführt, die solitären Fachmarktstandorte seien Bereiche, die vor allem neueren Angebotsformen Raum geben würden, und würden im wesentlichen auf ihre derzeitige Verkaufsfläche begrenzt; in Gewerbe- und Industriegebieten sei Einzelhandel unzulässig, Ausnahmen seien im Bestand möglich. Es wird deutlich, dass weitere Planungsschritte nötig waren, um von einem positiven Planungskonzept sprechen zu können, das - durch Erlass einer Veränderungssperre oder Zurückstellung - sicherungsfähig erscheint. Das sieht die Beklagte letztlich auch so, wenn in dem Beschlussvorschlag vom 03.11.2006 ausgeführt wird: "Die Neufassung des Aufstellungsbeschlusses wird notwendig, um die Ziele der beabsichtigten Planung konkreter zu benennen. Dies ist Voraussetzung, um die Planungssicherungselemente nach Baugesetzbuch (Veränderungssperre, Zurückstellung) anwenden zu können".

28

Wird der Zurückstellungsbescheid hinweg gedacht, hätte der Klägerin der begehrte Bauvorbescheid erteilt werden müssen. Davon ging auch die Beklagte seinerzeit aus. Die Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks entspricht unzweifelhaft einem Gewerbegebiet; sie wird auch in dem Flächennutzungsplan der Beklagten so dargestellt. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich deshalb über § 34 Abs. 2 BauGB nach § 8 BauNVO; danach sind hier (Abs. 2 Nr. 1) Gewerbebetriebe aller Art, also auch Einzelhandelsbetriebe, zulässig. Ein Planungserfordernis gem. § 11 Abs. 3 BauNVO hätte die Beklagte wohl nicht ins Feld führen können, da die Klägerin für alle auf dem Grundstück befindlichen und die geplanten Einzelhandelsbetriebe selbständige Nutzungskonzepte entwickelt hatte (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 14.04 -, NVwZ 2006, 455 [BVerwG 24.11.2005 - BVerwG 4 C 14.04]).

29

Da nicht nur einfache rechtliche Probleme zu bewältigen waren, hält das Gericht die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Bevollmächtigten für das Vorverfahren (gegen den Bescheid vom 28.06.2006) für notwendig. Die Erwähnung des Bescheides vom 19.02.2007 im Tenor des Urteils ist nicht erforderlich (weil insoweit die Klägerin die Kosten zu tragen hat), aber auch unschädlich.

30

Das Gericht bemisst das Interesse der Klägerin an der Aufhebung des Zurückstellungsbescheides mit einem Drittel ihres Gesamtinteresses; daraus resultiert die Kostenquote.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.