Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 20.12.2012, Az.: 8 U 7/12
Anspruch auf Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft i.R.e. Bauvertrages über die tiefbauliche Erschließung eines Wohngebietes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 20.12.2012
- Aktenzeichen
- 8 U 7/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 34070
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2012:1220.8U7.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 07.12.2011 - AZ: 8 O 243/09
Rechtsgrundlagen
- Ziff. 10.28 der EVM (B) BVB
- § 63 Abs. 2 NGO
- § 202 Abs. 1 BGB
- § 13 Nr. 5 Abs. 2 S. 1 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2013, 824
- BauR 2013, 970-974
- IBR 2013, 140
Redaktioneller Leitsatz
1.
Haben die Parteien eines Bauvertrags in dem gemeinsamen Abnahmeprotokoll das Datum des Verjährungseintritts einvernehmlich festgelegt, gilt die im Protokoll angegebene Gewährleistungsfrist, auch wenn dadurch u.U. die ursprünglich vereinbarte Gewährleistungsfrist verkürzt wird. Eine solche Abkürzung von Verjährungsfristen durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns ist auch beim VOB/B-Vertrag möglich.
2.
Entsendet der Auftraggeber zu einem rechtsgeschäftlichen Abnahmetermin einen nicht mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestatteten Mitarbeiter, der auch in seinem Namen das Abnahmeprotokoll unterschreibt, hat er sich dessen Erklärungen nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen zurechnen lassen, wenn er den im Abnahmeprotokoll enthaltenen und unterschriebenen Erklärungen des Vertreters nicht unverzüglich nach Zugang des Protokolls widerspricht. Er ist nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte gehalten, das ihm übersandte Protokoll zu prüfen und dem darin dokumentierten Verhandlungsergebnis zu widersprechen, wenn es die Verhandlungen nicht zutreffend wiedergibt.
3.
Die einvernehmliche Festlegung des Endtermins der Verjährung, durch die eine Abkürzung der Verjährungsfrist bewirkt wird, gehört nicht zu den Grundlagengeschäften, die eine vorherige Willensbildung durch den Gemeinderat oder die Unterschrift des Bürgermeisters voraussetzen.
In dem Rechtsstreit
des Flecken B., vertreten durch die Bürgermeisterin, 3 B.,
- Beklagten, Widerklägers und Berufungsklägers -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte G. & Partner, 3 N.,
Geschäftszeichen:
g e g e n
die Bauunternehmung H. & Partner GmbH & Co. KG i. L., vertreten durch deren Liquidator, Herrn L. O. H., 0 S.,
- Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H.-H. K.,3 N.,
Geschäftszeichen:
Streithelferin des Beklagten:
Ingenieurbüro W. GmbH, 3 G., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P. S. als Insolvenzverwalter, 3 G.,
Prozessbevollmächtigte:
S. Rechtsanwälte GbR, 5 H.,
Geschäftszeichen:
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. X, den Richter am Oberlandesgericht Y und die Richterin am Oberlandesgericht Z auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2012
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07. Dezember 2011 - 8 O 243/09 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin. Diese trägt ihre außergericht- lichen Kosten selbst.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicher-heit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird - unter gleichzeitiger Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz - auf die Wertstufe bis 22.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem Bauvertrag über die tiefbauliche Erschließung eines Wohngebietes auf Herausgabe einer Gewährleistungs-bürgschaft in Anspruch. Der Beklagte beansprucht im Wege der Widerklage einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Seite 3 bis 8, Bl. 156 bis 161 d.A.) Bezug genommen. Über das Vermögen der Streithelferin des Beklagten, der Ingenieurbüro W. GmbH, ist durch Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 01. Juli 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde folge aus Ziffer 23.7 der Vertragsinhalt gewordenen Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) ZVB/E. Danach ist sei Urkunde über die Gewährleistungsbürgschaft auf Verlangen zurückzugeben, wenn die Verjährungsfristen für die Gewährleistung abgelaufen und die bis dahin erhobenen Ansprüche erfüllt seien. Etwaige Gewährleistungsansprüche des Beklagten sind nach Auffassung des Landgerichtes verjährt. Die Parteien hätten gemäß Ziffer 10.28 der EVM (B) BVB für die Kanalbauarbeiten eine fünfjährige Gewährleistungsfrist vereinbart. Im Rahmen der förmlichen Abnahme der Leistungen der Klägerin am 05. Juni 2003 hätten die Parteien das Ende der Gewährleistungsfrist einvernehmlich auf den 04. Juni 2008 festgelegt. Daran müsse sich der Beklagte festhalten lassen. Eine bloße Falschbezeichnung (falsa demonstratio) liege mangels Auseinanderfallens von Wille und Erklärung nicht vor. Mit Schreiben vom 14. April 2008 habe der Beklagte den Ablauf der Gewährleistungsfrist am 04. Juni 2008 sogar ausdrücklich bestätigt. Eine Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums komme nicht in Betracht, weil die hierfür geltende Anfechtungsfrist abgelaufen sei. Ab Zugang des Schreibens der Klägerin vom 01. April 2008, mit dem diese nochmals auf den Ablauf der Gewähr-leistungsfrist am 04. Juni 2008 hingewiesen habe, sei der Beklagte über den vermeintlichen Irrtum in Kenntnis gewesen.
Eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist um zwei Jahre gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B sei nicht eingetreten. Das Schreiben der Streithelferin vom 27. Mai 2008 genüge den Anforderungen an eine schriftliche Mängelanzeige nicht. Aus ihm ließen sich Art und Umfang der gerügten Baumängel nicht entnehmen. Die darin enthaltene Angabe "Hierbei wurden in den Abwassersystemen Schäden lokalisiert." sei nicht hinreichend bestimmt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der sogenannten Symptomtheorie. Die Klägerin habe nicht erkennen können, was sie im Einzelnen nachbessern solle. Das Schreiben der Streithelferin lasse auch sonst nicht den Schluss zu, dass es als Mängelanzeige gemeint gewesen sei. Dafür spreche der darin enthaltene Hinweis auf eine weitere schriftliche Information der Klägerin nach Auswertung der Video-Aufnahmen.
Die Behauptung des Beklagten, ein Mitarbeiter der Streithelferin habe die Klägerin im April und Mai 2008 telefonisch mehrfach zur Mängelbeseitigung aufgefordert, sei nicht ausreichend substantiiert. Der genaue Inhalt der behaupteten Telefonate sei vom Beklagten nicht mitgeteilt worden. Es fehle darüber hinaus an der Einhaltung des Schriftformerfordernisses gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B. Dieses sei Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verlängerung der Gewährleistungs-frist. Einer Vernehmung des vom Beklagten benannten Zeugen S. bedürfe es daher nicht.
Die weitere Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe etwaige Gewähr-leistungsansprüche anerkannt, habe nicht zu einem Neubeginn der Verjährung geführt. Ein nach Ablauf der Verjährungsfrist abgegebenes Anerkenntnis beseitige die bereits eingetretene Verjährung nicht.
Die schriftliche Mängelanzeige der Streithelferin vom 02. Juni 2008 habe ebenfalls nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Diese sei der Klägerin erst nach Ablauf der Verjährungsfrist am 05. Juni 2008 zugegangen. Einen früheren Zugang des Schreibens habe der Beklagte nicht bewiesen.
Ein wirksamer Verzicht der Klägerin auf die Einrede der Verjährung liege ebenfalls nicht vor. Ein solcher Verzicht sei insbesondere der behaupteten telefonischen Erklärung des Liquidators der Klägerin nicht zu entnehmen, die Klägerin werde die Mängel ohne Inanspruchnahme der Bürgschaft selbst beseitigen. Ein Verzichtswille sei regelmäßig nicht zu vermuten. Er könne insbesondere dann nicht angenommen werden, wenn der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung den Eintritt der Verjährung weder gekannt noch für möglich gehalten habe. Dass sich die Klägerin des Eintritts der Verjährung bei Abgabe der behaupteten Erklärung bewusst gewesen sei, werde vom Beklagten nicht behauptet.
Auch durch ihre Erklärungen im Rahmen des Mediationsverfahrens habe die Klägerin nicht rückwirkend auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Die dort abgegebene Verzichtserklärung habe sich nur auf die Zukunft bezogen. Die Klägerin habe auf die Verjährungseinrede nur insoweit verzichtet, als Verjährung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eingetreten gewesen sei. Dies ergebe sich aus den vorangegangenen Schreiben der VHV Versicherung vom 27. April 2010 und der früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwältin M., vom 28. April 2010.
Weitere Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestände seien nicht ersichtlich.
Da etwaige Gewährleistungsansprüche des Beklagten verjährt seien, sei die Widerklage insgesamt unbegründet. Dem Beklagten stehe weder ein Anspruch auf Leistung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung noch ein solcher auf Feststellung der Ersatzpflicht der Klägerin in Bezug auf weitere, noch nicht bezifferte Aufwendungen und Schäden zu. Ein Anspruch des Beklagten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe ebenfalls nicht. Demgegenüber könne die Klägerin die ihr entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäß § 280 Abs. 1 BGB vom Beklagten erstattet verlangen.
Der Beklagte hat gegen dieses ihm am 13. Dezember 2011 zugestellte (Bl. 169 d.A.) Urteil mit Schriftsatz vom 11. Januar 2012, bei dem Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen am 12. Januar 2012 (Bl. 171 d.A.), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. März 2012, eingegangen am selben Tage (Bl. 182 d.A.), begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Beklagten vom 09. Februar 2012 (Bl. 180 d.A.), eingegangen am 13. Februar 2012 (Bl. 180 d.A.), einem Montag, bis zum 13. März 2012 (Bl. 181 d.A.) verlängert worden war.
Der Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Eine Verjährung der Gewähr-leistungsansprüche des Beklagten sei nicht eingetreten. Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Parteien den Ablauf der Gewährleistungsfrist einvernehmlich auf den 04. Juni 2008 festgelegt hätten. Tatsächlich habe die Gewährleistungsfrist nach den einschlägigen Regelungen am 05. Juni 2008 geendet. Eine wirksame Änderungsvereinbarung liege nicht vor. Das Abnahmeprotokoll vom 05. Juni 2003 (Anlage B 12, Anlagenheft) könne zur Begründung einer solchen Vereinbarung nicht herangezogen werden. An der Abnahme habe für den Beklagten der Gemeindeangestellte D. F. mitgewirkt. Dieser sei - mit Ausnahme der Abnahme der Bauleistungen - nicht zu rechtsgeschäftlichen Erklärungen für den Beklagten bevollmächtigt gewesen (gegenbeweislich Zeugnis des Herrn D. F., Bl. 188 d.A.). Eine solche Bevollmächtigung hätte nach Ansicht des Beklagten auch gegen die Vertretungs-regelungen in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (§ 63 NGO) verstoßen, was der Klägerin als überregional tätigem Tiefbauunternehmen hätte bekannt sein müssen. Auch von Seiten der Streithelferin sei nur ein technischer Vertreter in den Abnahmetermin entsandt worden. Schriftliche Vollmachtserklärungen hätten nicht vorgelegen. Die Abnahmeerklärungen seien auch nicht von den vertretungs-berechtigten Organen des Beklagten genehmigt worden. Dafür habe es zwingend der Schriftform bedurft. Aus dem vom Landgericht zitierten Urteil des Oberlandes-gerichts München vom 20. Oktober 2009 - 9 U 3804/08 - ergebe sich nicht, ob die dort handelnden Gemeindevertreter ausreichend bevollmächtigt gewesen seien, so dass die Entscheidung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte sei nicht gewährleistet.
Die schriftliche Mängelanzeige der Streithelferin vom 02. Juni 2008 (Anlage B 7, Anlagenheft) sei unstreitig am 05. Juni 2008 bei der Klägerin eingegangen. Diese sei ausreichend spezifiziert. Sie habe daher zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist um zwei Jahre geführt. Auch die vorhergehende Mängelanzeige der Streithelferin vom 27. Mai 2008 (Anlage B 6, Anlagenheft) erfülle alle Voraussetzungen für eine wirksame Mängelrüge gemäß § 13 Nr. 5 VOB/B. Die dort in Bezug genommenen Schäden in den Abwassersystemen könnten nur Risse und Beschädigungen an den Stahlbetonrohren sein. Das Landgericht habe insoweit keinen Hinweis erteilt.
Bei dem Urteil handele es sich um eine Überraschungsentscheidung. Das Gericht habe angekündigt, den Zeugen G. S. zu vernehmen. Mit einer instanzbeendenden Entscheidung habe daher nicht gerechnet werden müssen. Ein entsprechender Hinweis sei nicht erteilt worden. Es sei auch vorgetragen worden, dass die Streithelferin die Klägerin im April und Mai 2008 mehrfach zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe (Beweis: Zeugnis G. S., Bl. 191 d.A.). In seiner Email vom 14. Juli 2008 (Anlage B 9, Bl. 23 d.A.) habe der Zeuge S. dem Beklagten mitgeteilt, dass der Liquidator der Klägerin bereits "vor Wochen" angerufen und die Zusage erteilt habe, die Schäden ohne Inanspruchnahme der Bürgschaft zu sanieren. Dabei handele es sich um ein pactum de non petendo, welches die Berufung der Klägerin auf die Einrede der Verjährung ausschließe. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft nicht darauf hingewiesen, dass es den Vortrag des Beklagten zum Inhalt der Telefonate als nicht ausreichend substantiiert erachte. Da der Zeuge S. noch vernommen werden müsse und anschließend Beweis über die Höhe der Mängelbeseitigungskosten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben sei, sei das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Sachanträge würden nur als Hilfsanträge gestellt.
Der Beklagte beantragt,
- 1.
das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07. Dezember 2011 - 8 O 243/09 - aufzuheben und die Sache an das Landgericht Göttingen zurück- zuverweisen;
- 2.
hilfsweise
das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 07. Dezember 2011 - 8 O 243/09 - abzuändern und
- (1)
die Klage abzuweisen;
- (2)
die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an den Beklagten 17.064,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30. Juli 2010 zu zahlen;
- (3)
die Klägerin weiter zu verurteilen, an den Beklagten 961,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30. Juli 2010 zu zahlen und
- (4)
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche, über 17.064,60 EUR hinausgehenden Aufwendungen und Schäden zu ersetzen, die durch die Mängelbeseitigung nach der Mängelanzeige vom 02. Juni 2008 zu der Baumaßnahme: tiefbauliche Erschließung Baugebiet "I. d. L., OT L." entstehen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Streithelferin stellte keinen Antrag.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Das Ende der Gewährleistungsfrist sei wirksam auf den 04. Juni 2008 vereinbart worden. Eine falsa demonstratio liege nicht vor. Voraussetzung dafür sei, dass beide Parteien übereinstimmend etwas anderes gemeint hätten, als in dem Protokoll niedergelegt wurde. Daran fehle es. Durch die Aufnahme des Endtermins der Gewährleistung in das Abnahmeprotokoll hätten etwaige Unsicherheiten beseitigt werden sollen. Derartige Erklärungen seien in der Baubranche üblich. Es handele sich um eine Interpretation und nicht um eine Abänderung des Bauvertrages. Der Mitarbeiter F. der Beklagten habe sich daher im Bereich seiner Zuständigkeiten gehalten. Einer Genehmigung seiner Erklärungen durch den Gemeinderat habe es nicht bedurft. Es handele sich nicht um ein Verpflichtungsgeschäft. Der Beklagte sei auch wirksam und sachkundig durch die Streithelferin vertreten gewesen. Der Beklagte habe den Endtermin der Gewährleistung mit Schreiben des Amtsleiters des Bauamtes vom 14. April 2008 schließlich ausdrücklich bestätigt. Bei diesem handele es sich um den unmittelbaren Vorgesetzten des Zeugen F.. Der Zeuge F. habe daher im Rahmen seiner Vollmachten gehandelt. Der Beklagte müsse sich an dem Handeln seiner Verwaltung nach Treu und Glauben festhalten lassen. Verdeckte Vorbehalte bei Abgabe der Erklärung seien unbeachtlich. Das Schreiben der Streithelferin vom 25. Mai 2008 stelle im Übrigen keine ordnungsgemäße Mängelrüge dar. In diesem seien Mängelsymptome nicht (konkret) bezeichnet worden. Es treffe auch nicht zu, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Urteil um eine Überraschungsentscheidung handele. Das Landgericht habe die Streitsache in alle Richtungen eingehend erörtert und sich die Entscheidung offen gelassen. Eine Vernehmung des Zeugen S. habe es nicht angekündigt (Beweis: dienstliche Äußerung des erkennenden Richters).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
I.
Die Berufung ist zulässig.
1.
Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass sein Hauptantrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gerichtet ist. Zwar setzt ein ordnungsgemäßer Berufungsantrag gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO voraus, dass sich aus ihm ergibt, welche Abänderungen des erstinstanzlichen Urteils erstrebt werden. Mangels eines auf Abänderung gerichteten Sachantrages ist deshalb eine Berufung unzulässig, die lediglich das Ziel verfolgt, das erstinstanzliche Urteil wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurück-zuverweisen (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 520 Rdn. 28 m.w.N.). Es reicht aber aus, wenn ein solcher Sachantrag - wie im Streitfall - hilfsweise gestellt wird (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O.). Die Berufung ist dann insgesamt zulässig.
2.
Der Beklagte hat die Berufung auch im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet.
II.
Das Rechtsmittel ist in der Sache unbegründet.
Etwaige Gewährleistungsansprüche des Beklagten sind verjährt.
Die Klägerin hat deshalb gegen den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der Urkunde über die von ihr gestellte Gewährleistungsbürgschaft gemäß Ziffer 23.7 der Vertragsinhalt gewordenen Zusätzlichen Vertragsbedingungen EVM (B) ZVB/E und auf Ersatz der ihr im Rahmen der Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 544,42 EUR. Umgekehrt kann der Beklagte von der Klägerin keinen Vorschuss auf die behaupteten Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauvorhaben "I. d. L. - OT L., tiefbauliche Erschließung" im Wege der Widerklage verlangen. Ebenso besteht kein Anspruch des Beklagten auf die Feststellung, dass die Klägerin verpflichtet sei, dem Beklagten über den beantragten Vorschuss von 17.064,60 EUR hinausgehende Aufwendungen und Schäden aufgrund der behaupteten Mängel gemäß Mängelanzeige vom 02. Juni 2008 zu ersetzen. Der Beklagte hat gegen die Klägerin zudem keinen Anspruch auf Erstattung seiner eigenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
1.
Dem Vertragsverhältnis der Parteien liegen die Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB (Anlage B 2, Anlagenheft) zugrunde. Gemäß Ziffer 10.28 der EVM (B) BVB sollte die Gewährleistungsfrist für die Straßenbau- und Kanalbauarbeiten sowie die Erdarbeiten Gashochdruckleitung fünf Jahre betragen. Die Abnahme der Arbeiten der Klägerin durch den Beklagten erfolgte am 05. Juni 2003, so dass die Gewährleistungsfrist nach den gesetzlichen Vorschriften (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) am 05. Juni 2008 geendet hätte.
2.
Die Parteien haben sich im Rahmen der Abnahmeverhandlung jedoch wirksam darauf geeinigt, dass die Gewährleistungsfrist am 04. Juni 2008 endet. Im Abnahmeprotokoll vom 05. Juni 2003 (Anlage B 12, Anlagenheft, sowie Bl. 92 d.A.), welches für den Beklagten und dessen Bürgermeisterin von dem Gemeindeangestellten F. unterschrieben wurde, ist unter dem Punkt "Gewährleistung" ausgeführt:
"Ende der Gewährleistung: 04.06.2008"
Diese Regelung enthält eine wirksame Verkürzung der Gewährleistungsfrist um einen Tag. Im Einzelnen:
a)
Die Frage, welche Verjährungsfristen gelten, ist in erster Linie von den Vertrags-absprachen der Parteien abhängig. Die Verjährungsfristen sowie der Beginn der Verjährung können grundsätzlich individuell bestimmt werden (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rdn. 2821). Eine solche Bestimmung der Parteien hat Vorrang gegenüber den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Vereinbarung über den Beginn und das Ende der Verjährung kann dabei auch in einem Abnahmeprotokoll erfolgen (vgl. OLG München NJW-RR 2010, 824 [OLG München 20.10.2009 - 9 U 3804/08]; OLG Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2000, 283 ff. sowie Werner/Pastor, a.a.O.). Grundsätzlich können Verjährungsfristen durch vertragliche Individual-vereinbarung abgekürzt werden (vgl. Werner/Pastor, a.a.O. Rdn. 2823). Gemäß § 202 Abs. 1 BGB ist das aber nur insoweit zulässig, als die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert wird. Unzulässig kann die Abkürzung der Verjährungsfrist durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns sein, wenn diese Verkürzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in einem Formularvertrag enthalten ist (vgl. Werner/Pastor, a.a.O. Rdn. 2824 m.w.N.). Die Abkürzung von Verjährungsfristen durch Vorverlegung des Verjährungsbeginns ist jedoch auch beim VOB/B-Vertrag möglich (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B, 14. Aufl., § 13 Nr. 4 Rdn. 312).
Vorliegend handelt es sich bei der Festlegung des Verjährungsendes auf den 04. Juni 2008 im Abnahmeprotokoll um eine Indiviualvereinbarung der Parteien, die einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nicht unterliegt. Diese stellt sich als Ergänzung der Fristbestimmung für die einzelnen Bauleistungen in Ziffer 10.28 der EVM (B) BVB dar, die eine Regelung des Fristbeginns nicht enthält. Sie ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine bloße Wissenserklärung, sondern eine Willenserklärung, weil sie auf eine Klarstellung der Gewährleistungsfristen gerichtet ist.
b)
Gegenüber dieser individuellen Festlegung des Verjährungsendes kann der Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, der Zeuge F. sei zu vertragsändernden Vereinbarungen im Rahmen des Abnahmetermins nicht berechtigt gewesen, weil es hierfür eines Ratsbeschlusses bedurft habe.
aa)
Es ist bereits fraglich, ob der Vertretungsregelung in § 63 NGO Außenwirkung zukommt. Bedarf das Vertretungsorgan bei einem Rechtsgeschäft der Mitwirkung eines anderen Organs, so ist durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln, ob die Beschränkung Außenwirkung hat oder nicht (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., Einf. v. § 164 Rdn. 5a). Die Beschränkung der Vertretungsmacht des Bürgermeisters hat in der Regel nur Innenwirkung (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O.).
Nach § 63 Abs. 2 NGO sind Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, nur rechtsverbindlich, wenn sie von der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister handschriftlich unterzeichnet wurden. Die Festlegung des Endtermins der Verjährung, durch die eine Abkürzung der Verjährungsfrist bewirkt wird, stellt keine vertragliche Verpflichtungserklärung im Sinne des § 63 Abs. 2 NGO dar. Als Verpflichtungsgeschäft gelten nur Erklärungen, die auf eine Verpflichtung der Gemeinde abzielen. Es genügt nicht, dass die Verpflichtung nur eine Nebenfolge der Erklärung ist. Auch sind Erklärungen, die zwar die Gemeinde belasten, aber keine neue Verpflichtung zur Folge haben, hiervon nicht umfasst (vgl. BGH BauR 1986, 444 ff. Rdn. 9).
Kein Verpflichtungsgeschäft ist auch die Abnahme der Bauleistung selbst. Die kommunalrechtlichen Formvorschriften, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung als Vertretungsregeln auslegt, welche die Vertretungsmacht der handelnden Organe einschränken, gelten nicht für die Abnahme der Bauleistung, weil es sich dabei nicht um eine Verpflichtungserklärung oder einen Verzicht handelt (vgl. BGH BauR 1986, 444 ff. Rdn. 8; Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, Aufl. 2011, Teil 3 Rdn. 281).
Gemäß § 63 Abs. 4 NGO gelten die Absätze 2 und 3 zudem nicht für Geschäfte der laufenden Verwaltung. Um ein solches handelt es sich hier. Die Festlegung eines Termins für den Beginn oder das Ende der Verjährung gehört nicht zu den Grundlagengeschäften, die eine vorherige Willensbildung durch den Gemeinderat und die Unterschrift des Bürgermeisters voraussetzen.
bb)
Auch wenn der Zeuge F. ohne wirksame Vertretungsmacht gehandelt haben sollte, müsste sich der Beklagte dessen Erklärungen im Rahmen des Abnahmetermins nach Rechtsscheinsgrundsätzen zurechnen lassen. Der Zeuge F., der das Abnahmeprotokoll vom 05. Juni 2003 unter "Rechtsverbindliche Unterschrift des jeweiligen bevollmächtigten Vertreters" für den Beklagten als Auftraggeber unterzeichnet hat, hatte hierfür zumindest Anscheinsvollmacht. Eine Anscheinsvollmacht ist anzunehmen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere Teil annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 172 Rdn. 11 m.w.N.). Entsendet der Auftraggeber zu einem (rechtsgeschäftlichen) Abnahmetermin einen Mitarbeiter, der das Abnahme-protokoll für diesen unterschreibt, erzeugt er regelmäßig den Anschein, er werde durch seinen Bevollmächtigten (wirksam) vertreten. Auf diesen Rechtsschein kann der Auftragnehmer vertrauen, weil er nicht damit rechnen muss, dass der Auftraggeber zu der Abnahmeverhandlung einen vollmachtlosen Vertreter entsendet, wenn nicht besondere Umstände vorliegen oder ihm dieses verdeutlicht wird. Im Rahmen eines rechtsgeschäftlichen und nicht nur technischen Abnahmetermins muss auch damit gerechnet werden, dass Erklärungen zum Beginn und/ oder zum Ende der Gewährleistungsfrist abgegeben werden.
Danach musste der Beklagte damit rechnen, dass der von ihm mit der Bauleistungsabnahme betraute Zeuge F. auch Erklärungen zum Beginn bzw. zum Ende der Gewährleistungsfrist abgibt. Eine falsa demonstratio liegt mangels Auseinanderfallens von Wille und Erklärung nicht vor. Allein der Irrtum des Zeugen F. bzw. des Beklagten über die Berechnung des Fristablaufes nach den gesetzlichen Vorschriften führt nicht zur Annahme einer falsa demonstratio (Falschbezeichnung).
cc)
Zumindest finden auf das Handeln des Zeugen F. die Grundsätze Anwendung, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2011 - VII ZR 186/09 - (in: MDR 2011, 417 ff. [BGH 27.01.2011 - VII ZR 186/09][BGH 27.01.2011 - VII ZR 186/09]) für das Handeln eines in einen Termin entsandten Vertreters und die Bindungswirkung eines darüber aufgenommenen Terminsprotokolls aufgestellt hat. Danach muss sich der Vertretene, der auf Einladung zu einem Termin zur Verhandlung über einen bereits geschlossenen Vertrag einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsendet, dessen Erklärungen nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen zurechnen lassen, wenn er dem im über die Verhandlung erstellten Protokoll enthaltenen und unterschriebenen Erklärungen des Vertreters nicht unverzüglich nach Zugang des Protokolls widerspricht. Der Vertretene ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der Verkehrssitte gehalten, das ihm zeitnah übersandte Protokoll zu prüfen und dem darin dokumentierten Verhandlungsergebnis zu widersprechen, wenn es die Verhandlungen nicht zutreffend wiedergibt.
Diese Grundsätze sind auf denjenigen Vertreter zu übertragen, den ein Auftraggeber in einen Abnahmetermin entsendet und der im Namen des Auftrag-gebers das Abnahmeprotokoll unterschreibt. Auch im Rahmen der Abnahme werden rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben und Vereinbarungen zur Gewährleistung getroffen, die es dem Auftragnehmer ermöglichen, sich über den Umfang und das Ende seiner Gewährleistungspflichten Klarheit zu verschaffen. Abnahmeprotokolle enthalten deshalb häufig Erklärungen zum Beginn und/ oder zum Ende der Gewährleistungsfrist. Mit derartigen Erklärungen seines Vertreters im Abnahmetermin musste der Beklagte daher rechnen. Nach den (entsprechend anwendbaren) Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben hätte der Beklagte der im Abnahmeprotokoll enthaltenen Erklärung zum Ende der Gewährleistungsfrist unverzüglich widersprechen müssen, um zu verhindern, dass sein Schweigen wie eine nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt wird und die Vereinbarung mit diesem Inhalt zustande kommt. Dies hat der Beklagte nicht getan. Stattdessen hat der Amtsleiter des Bauamtes des Beklagten M. das auf den 04. Juni 2008 festgelegte Ende der Gewährleistungsfrist mit Schreiben vom 14. April 2008 (Bl. 124 d.A.) vor Fristablauf ausdrücklich bestätigt. Der Beklagte muss sich an der Festlegung des Endtermins der Gewährleistung im Abnahmeprotokoll daher festhalten lassen.
3.
Eine Unterbrechung der Verjährung durch schriftliche Mängelanzeige gegenüber der Klägerin gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (in der Fassung vom 30. Mai 2000) ist nicht eingetreten.
a)
Das Schreiben der Streithelferin vom 27. Mai 2008 (Anlage B 6, Anlagenheft) genügt den Anforderungen an eine wirksame Mängelanzeige nicht, weil sich daraus Art und Umfang der behaupteten Mängel sowie deren Lokalisierung in den weitläufigen Abwassersystemen nicht ergeben. Die Streithelferin hat in diesem Schreiben lediglich ausgeführt:
"Im Auftrage des Flecken B. hat die Fa. H. die Schmutz- und Regenwasserkanalisation mit einer TV-Kamera befahren.
Hierbei wurden in beiden Abwassersystemen Schäden lokalisiert.
Unser Büro wird die Videos in den kommenden Tagen sichten und auswerten.
Anschließend werden wir Sie hinsichtlich des Sachstandes über den Flecken B., Amt für Bauen und Verkehr, schriftlich informieren."
Die Mängelanzeige muss so bestimmt sein, dass sie den Auftragnehmer in die Lage versetzt, die Berechtigung der Mängelrüge des Auftraggebers zu überprüfen und Abhilfe zu schaffen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rdn. 1980 m.w.N.). Der Unternehmer muss wissen, was ihm vorgeworfen und was von ihm als Abhilfe erwartet wird. Dies war der Klägerin aufgrund des vorgenannten Schreibens der Streithelferin, das auf noch auszuwertende Video-Aufnahmen verweist, mit zumutbarem Aufwand nicht möglich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sogenannten Symptomtheorie. Danach genügt der Auftraggeber seiner Darlegungslast bereits dann, wenn er die Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Auftragnehmers zuordnet, hinreichend genau bezeichnet (vgl. BGH BauR 2005, 1626 ff. Rdn. 22). Er ist dann nicht gehalten, zu den Ursachen dieser Mangelerscheinungen vorzutragen. Erforderlich ist aber stets, dass die Mangelerscheinungen ihrem äußeren Erscheinungsbild nach hinreichend konkret bezeichnet werden (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 1980). Dem entspricht die Mängelanzeige der Streithelferin vom 27. Mai 2008 nicht.
b)
Die weitere Mängelrüge der Streithelferin vom 02. Juni 2008 (Anlage B 7, Anlagenheft) ist der Klägerin nicht nachweislich am 04. Juni 2008 (vor Ablauf der Gewährleistungsfrist) zugegangen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Liquidators der Klägerin vom 01. Oktober 2008 (Anlage B 13, Anlagenheft). Wenn man dieses Schreiben überhaupt als Zugangsbestätigung wertet, so ergibt sich daraus lediglich ein Zugang am 05. Juni 2008. Zu diesem Zeitpunkt war die Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen. Sie endete am 04. Juni 2008. Die Mängelanzeige vom 02. Juni 2008 vermochte einen Neubeginn der Verjährung mit einer Frist von zwei Jahren daher nicht mehr zu bewirken. Eine schriftliche Mängelanzeige, die nach Ablauf der Verjährungsfrist eingeht, führt nicht zur Unterbrechung der Verjährung (vgl. Ingenstau/Korbion, a.a.O., § 13 Nr. 4 Rdn. 401).
c)
Soweit der Beklagte behauptet, die Mängel seien der Klägerin bereits im April / Mai 2008 vereinzelt mündlich angezeigt worden, so steht dem zum einen der Inhalt des Schreibens der Streithelferin vom 27. Mai 2008 (Anlage B 6, Anlagenheft) entgegen. Danach sollten die Videos über die Kanalbefahrung in den kommenden Tagen erst gesichtet und ausgewertet werden. Zum anderen handelte es sich nicht um eine wirksame Mängelanzeige gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B, weil diese die Einhaltung der Schriftform zwingend voraussetzt (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B, 14. Aufl., § 13 Nr. 4 Rdn. 403 i.V.m. § 13 Nr. 5 Rdn. 495 und 496).
4.
Es liegt auch kein pactum de non petendo vor, welches die Berufung der Klägerin auf die Einrede der Verjährung ausschließen würde.
Beim pactum de non petendo (Stillhalteabkommen), welches einen Anwendungsfall des § 205 BGB darstellt, muss der Wille der Parteien darauf gerichtet sein, für den Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zu begründen oder die Klagbarkeit der Forderung vorübergehend auszuschließen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 205 Rdn. 2 m.w.N.). Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, dass der Anspruch einstweilen nicht geltend gemacht werden soll. Die behauptete Zusage des Liquidators der Klägerin, die Schäden ohne Inanspruchnahme der Bürgschaft zu sanieren, ist kein Angebot auf Abschluss eines Stillhalteabkommens, sondern nur das Inaussichtstellen einer (möglichen) Leistungsbereitschaft, welches nicht zu einer Hemmung der Verjährung gemäß § 205 BGB führt. Die Erklärung war weder auf die Begründung eines Leistungsverweigerungsrechtes noch auf den Ausschluss der Klagbarkeit eines Anspruches gerichtet.
Die Erklärung hätte eine Hemmung der Verjährung lediglich gemäß § 203 BGB bewirken können. Für eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen war sie jedoch verspätet. Die Erklärung wurde nach den unstreitigen tatbestandlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil (LGU, Seite 11, unter 3., Bl. 164 d.A.) erst nach Eintritt der Verjährung abgegeben (vgl. auch Schriftsatz des Beklagten vom 03. November 2009, Seite 1 f., Bl. 21 f. d.A.). Erst nach Eintritt der Verjährung geführte Verhandlungen vermögen eine Hemmung jedoch nicht mehr herbeizuführen.
5.
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gründet sich auf § 280 Abs. 1 BGB und auf §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Mehrfachen Aufforderungen zur Herausgabe der Gewährleistungs-bürgschaft, zuletzt mit Schreiben vom 01. Oktober 2008, ist der Beklagte nicht nachgekommen. Die gesetzte Nachfrist bis zum 15. Oktober 2008 ist erfolglos verstrichen. Erst im November 2008 schaltete die Klägerin sodann ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten ein. Die hierdurch entstandenen (vorgerichtlichen) Kosten sind der Klägerin als Schaden zu ersetzen.
6.
Der mit der Widerklage geltend gemachte Vorschussanspruch des Beklagten ist aus den vorstehenden Gründen (zu B. II. 1. bis 3.) verjährt. Es besteht deshalb auch kein Anspruch des Beklagten auf Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht der Klägerin.
Mangels vertraglicher Pflichtverletzung der Klägerin (§ 280 Abs. 1 BGB) kann der Beklagte gegenüber der Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten mit Erfolg geltend machen.
Die vom Beklagten gerügten Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Verfahrens sind jedenfalls nicht erheblich, weil der Beklagte nicht vorgetragen hat, welchen weiteren Sachvortrag er im Falle eines (weiteren) Hinweises des Landgerichts gehalten hätte.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711, 709 Satz 1 ZPO.
Der Streitwertfestsetzung liegen §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zugrunde. Dem Klageantrag zu 1. auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde kommt neben dem Widerklage-Leistungsantrag zu (2) und dem Widerklage-Feststellungsantrag zu (4) keine eigene wirtschaftliche Bedeutung zu. Wird mit der Zahlungsklage gleichzeitig die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt, so wird der Herausgabeanspruch nicht bewertet, weil er wirtschaftlich von dem Zahlungsantrag gedeckt wird (vgl. OLG Bamberg Jur.Büro 1971, 1437; Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rdn. 16 unter 'Bürgschaft'). Wirtschaftliche Gleichwertigkeit (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG) ist auch dann gegeben, wenn - wie hier - Herausgabeklage und Gewährleistungs-Widerklage zusammentreffen (vgl. OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 1998, 427; Zöller-Herget, a.a.O.). Den Wert des Feststellungs-Widerklageantrags hat der Senat mit 3.000,00 EUR bewertet. Die jeweiligen Anträge der Parteien auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wirken nicht streitwerterhöhend (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 4 ZPO Rdn. 13). Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen entsprechend abzuändern.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.