Oberlandesgericht Celle
v. 30.06.1982, Az.: 3 U 258/81

Entscheidung durch Teilurteil zur Vermeidung nicht vertretbarer zeitlicher Verzögerungen; Nichtigkeit von Darlehens- und Schenkungsverträgen; Schutz der persönlichen Handlungsfreiheit durch den Tatbestand der sittenwidrigen Knebelung; Nichtigkeit einer Bürgschaftsverpflichtung wegen Übersicherung; Bewertung eines Vermögensgegenstandes als bankmäßige Sicherheit durch Prognoseentscheidung; Knebelung durch Übernahme des nahezu gesamten Vermögens des Schuldners; Beeinträchtigung der unternehmerischen Entschließungsfreiheit durch erhebliche Auflagen und Kontrollbefugnisse des Gläubigeres im Rahmen der Darlehensbedingungen; Kündigung zur Unzeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.06.1982
Aktenzeichen
3 U 258/81
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 1982, 12878
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1982:0630.3U258.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 22.10.1981 - AZ: 8 O 136/81

Fundstelle

  • ZIP 1982, 942-954

Verfahrensgegenstand

Forderung aus Bürgschaftsvertrag

Zusammenfassung

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Bürgschaften der Gesellschafter für ein Darlehen der Gesellschaft. Aufgrund einer Gesamtbetrachtung der Bedingungen, Umstände und Motive der Gewährung der auch landesverbürgten Kredite durch die Klägerin ergibt sich nicht der Vorwurf der sittenwidrigen Knebelung. Auch liegt keine Küdigung des Darlehens zur Unzeit vor. Eine Vermögensübernahme kann trotz umfangreicher Sicherheiten ebenfalls nicht bejaht werden.

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und Dr. ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. Oktober 1981 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 500.000,00 DM nebst 13,5 % Zinsen seit dem 16. April 1981 zu zahlen; in Höhe von 1,5 % Zinsen auf 500.000,00 DM seit dem 16. April 1981 wird die Klage abgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin auf Zinsen, Provisionen und Kosten auf 500.000,00 DM für die Zeit vor dem 16. April 1981 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Das Urteil ist, soweit der Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist, vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Beide Parteien können Sicherheit leisten durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bankbürgschaft, der Beklagte durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank, die Klägerin durch Bürgschaft der Norddeutschen Landesbank.

Der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 2,0 Mio. DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine öffentliche Sparkasse, steht in Geschäftsbeziehung zu dem Unternehmen F. in ... (im folgenden kurz "F."), Dieses hat begonnen, in ..., dem Geschäftssitz der Klägerin, eine chemische Fabrik zu errichten, deren Fertigstellung allerdings aussteht.

2

Die Klägerin gewährte der F. Kredite, und zwar die Investitionskredite auf dem Konto 600205959 über 600.000,00 DM und auf dem Konto 600414551 über 200.000,00 DM, ferner den Investitionskredit auf dem Konto 600414569 über 1,7 Mio. DM (Kreditvertrag FB 3251 - R 181 - Bd. I Bl. 8-15 d.A.) und den Betriebsmittelkredit für das Kontokorrentkonto 16501 über 1,0 Mio. DM (Kreditvertrag FB 3252 - Bd. I Bl. 27-32 d.A.). Für die beiden letztgenannten Kredite übernahm der Beklagte durch Urkunde vom 1. Dezember 1978 (Bd. I Bl. 6 d.A.) die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrage von 500.000,00 DM "zuzüglich Nebenleistungen", die in Nr. 3 der Bürgschaftserklärung als die auf die Bürgschaftssumme entfallenden Zinsen, Provisionen und Kosten bezeichnet werden, auch wenn dadurch die Bürgschaftssumme überschritten werden sollte. Für die Darlehen, für die sich der Beklagte verbürgt hatte, hatte zugleich das Land ... die Bürgschaft für 80 % des Ausfalls übernommen (Hefter B 62 Nr. 11). Mit Schreiben vom 15. Januar 1981 kündigte die Klägerin alle Darlehensverträge mit der F. unter Berufung auf Zins- und Tilgungsrückstände und stellte die Verbindlichkeiten zur sofortigen Rückzahlung fällig (Ablichtung Bd. I Bl. 44-46 d.A.); zugleich nahm sie den Beklagten als Bürgen in Anspruch (Bd. I Bl. 52 d.A.), dem sie den genauen Betrag ihrer Forderung mit Schreiben vom 29. April 1981 mitteilte (Bd. I Bl. 53/54 d.A.).

3

Die Parteien streiten darüber, ob diese Inanspruchnahme des Beklagten aus der Bürgschaft rechtens ist.

4

Der Beklagte ist Chemiker, dem es zusammen mit seinen Mitarbeitern gelang, auf verschiedenen Gebieten der organischen Chemie neue Verfahren zu erfinden, diese teilweise bis zur großtechnischen Anwendungsreife zu entwickeln und sie mit unterschiedlichem geschäftlichen Erfolg auch unternehmerisch zu nutzen. Im Jahre 1970 veräußerte er die Kapitalanteile an der Holdinggesellschaft der sogenannten E./E. Gruppe für 30 Mio. DM an ein Unternehmen der deutschen Großchemie (B.), zugleich wurden Patente und Know-How für weitere 31 Mio. DM übertragen. Die rechtlichen Auseinandersetzungen hieraus dauern unter den Vertragspartnern und mit den Finanzverwaltungen an (vgl. Bd. III Bl. 534 d.A. mit Hefter B 528). An einer Reihe von insbesondere noch in der Entwicklung befindlichen Verfahren zeigte sich entweder die Käuferin nicht interessiert, oder aber der Beklagte wollte sie behalten. Diesen ihm verbliebenen "Restbestand" von geschützten und nicht geschützten Verfahrensrechten faßte der Beklagte später in der R. GmbH (im folgenden "R.") zusammen. In die Entwicklung und Verwertung war schon zuvor und wurde weiter eingeschaltet eine ... Patentverwertungsgesellschaft, die Q. in ...; einen beherrschenden Einfluß auf diese Gesellschaft hat der Beklagte bestritten. Durch die Aufwendungen für Forschung, Entwicklung, Anmeldung der Schutzrechte und die Versuche der Verwertung waren Verluste entstanden, die steuerlich genutzt werden sollten. Eigenkapital für die weitere Entwicklung und unternehmerische Auswertung der Verfahren konnte und/oder wollte der Beklagte nur in beschränktem Umfang zur Verfügung stellen; an einer Zusammenarbeit mit der Großchemie war er aus persönlichen und sachlichen Gründen nicht interessiert, weil er die Möglichkeit fürchtete, daß die Großchemie an seinen Entwicklungen nur interessiert sein könnte, um sie als lästige Konkurrenz ihrer eigenen Verfahren nicht weiter zu betreiben. Der Beklagte entschloß sich deshalb, private Kapitalgeber zu finden und ihnen als Anreiz die steuerlichen Vorteile der Abschreibung von hohen Anlauf Verlusten zu bieten, verbunden mit der Erwartung hoher Gewinne im Falle des mittel- oder langfristigen Erfolges der dann zur Reife entwickelten Technologien (vgl. Bd. III Bl. 561 d.A. mit Hefter B 561, Schutzschrift Professor Schünemann S. 4/9). Ein Kind dieser unternehmerischen Strategie ist die F., die als Publikums-Kommanditgesellschaft unter Beteiligung auch stiller Gesellschafter konzipiert wurde; für sie wurde durch entsprechende Prospekte und durch Einsatz von privaten Anlageberatern bei mittelständischen Geldanlegern geworben (vgl. Bd. III Bl. 482, 530 mit Hefter K 480; ferner Hefter B 526, Schutzschrift Professor Schünemann S. 5/6). Der Beklagte selbst engagierte sich direkt und/oder indirekt durch die G. ... als Gesellschafter mit einer Einlage von zusammen 700.000,00 DM. Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der F. sollte zunächst sein, ... und ... für den Einsatz als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft nach einem neuen Verfahren der R. zu produzieren, dem sogenannten ... -Verfahren, bei dem das herkömmlicherweise eingesetzte hochgiftige ... durch einen ... (.../...-Komplex ersetzt wird, ein angeblich kostengünstigeres und umweltfreundlicheres Verfahren. Da diese Technologie bisher nur im Technikums-Maßstab erprobt worden war, sollte zunächst eine Pilot-Anlage mit einer Kapazität von 500 jato (Jahrestonnen) errichtet und alsdann eine Großanlage mit einer Kapazität von 2.500 jato gebaut werden. Hinzu kommen sollte die Produktion organischer Feinchemikalien nach Verfahren, welche die Q. erproben ließ. Durch Lizenz- und Know-How-Vertrag vom 28. Juni/2. Juli 1975 (Hefter B 62 Nr. 8) übertrugen R./Q. die entsprechenden Schutzrechte und das zugehörige Verfahrens-Know-How an den Vertragsverfahren auf die F. Neben laufenden Lizenzgebühren in Höhe von 5 % des Umsatzes auf Produktverkäufe und 50 % aus Unterlizenzverträgen wurde eine Lizenzgrundgebühr von 15 Mio. DM, fällig eine Woche nach Vertragsunterzeichnung, vereinbart (§§ 7, 8 des Vertrages). Der Anspruch der R. auf die Lizenzgrundgebühr wurde später in Höhe von 13,5 Mio. DM in ein Darlehen der G. umgewandelt.

5

Der Finanzierungsplan der F. sah von vornherein neben Eigenmitteln (Einlagen der Kommanditisten und stillen Gesellschafter) und herkömmlichen Bankkrediten auch den Einsatz von öffentlichen Investitionszuschüssen und solchen Fremdmitteln vor, für die im Rahmen der Wirtschaftsförderung des Landes ... Landesbürgschaften in Anspruch genommen werden sollten (vgl. bereits Beteiligungsprospekt vom Juli 1975, Hefter K 480); dabei wurden die ursprünglichen Finanzierungspläne im Laufe der Zeit verschiedentlich geändert und der Entwicklung der F. angepaßt. Aufgrund von Faktoren, deren Auswirkungen in den Einzelheiten nicht gegeneinander abgegrenzt sind, zu denen aber unstreitig auch die Dauer der Verhandlungen über die Gewährung der Landesbürgschaften gehörte, verzögerte sich die Bereitstellung der Fremdfinanzierungsmittel und der Bau der Anlage um Jahre. Spätestens seit Beginn des Jahres 1980 traten aufgrund fälliger Forderungen der Anlagenlieferanten und fälliger Zins- und Tilgungsraten für die Klägerin bei der F. ernste Liquiditätsschwierigkeiten auf; wegen der Einzelheiten der Entwicklung wird auf den vom Beklagten mit dem Schriftsatz vom 28. September 1981 überreichten Vermerk aus dem Hause der Klägerin ("Entwicklung des Engagements F." - Bd. II Bl. 257-282 d.A.) Bezug genommen.

6

Unstreitig geriet die F. im Laufe des Jahres 1980 mit Zins- und Tilgungsleistungen auf die Investitionskredite in Verzug.

7

Die Klägerin hat diese Rückstände - ohne Verzugszinsen, Kosten und Gebühren - zum 31. Dezember 1981 wie folgt beziffert (vgl. Kündigungsschreiben vom 15. Januar 1981 - Bd. I Bl. 44/46 d.A.):

8

a)

Darlehen 600205959

Tilgung75.000,00 DM
Zinsen15.078,47 DM
9

b)

Darlehen 600414551

Tilgung24.000,00 DM
Zinsen18.913,61 DM
10

c)

Darlehen 600414569

Tilgung100.000,00 DM
Zinsen144.500,44 DM
11

Der Valutenstand betrug nach den Angaben der Klägerin:

a) Kontokorrentkonto 16501 (Betriebsmittelkredit)128.614,62 DM
b) Darlehen 600205959487.510,00 DM
c) Darlehen 600414551170.010,00 DM
d) Darlehen 6004145691.600.010,00 DM
e) Avalkredit375.000,00 DM
12

Unstreitig verfügte die Klägerin Anfang Januar 1981 über folgende Sicherheiten für die gewährten Kredite:

  1. a)

    Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück in Höhe von nominal 3,5 Mio. DM,

  2. b)

    Sicherungsübereignung der Maschinen und Anlagen auf dem Betriebsgrundstück gemäß Vertrag vom 23. März 1979 (Hefter B 62 Nr. 4) mit einem Buchwert gemäß Bilanz per 31. Dezember 1979 (Hefter B 62 Nr. 5) von ca. 2,9 Mio. DM,

  3. c)

    Sicherungsübereignung von Warenvorräten gemäß Vertrag vom 27. März 1979 (Hefter B 62 Nr. 6),

  4. d)

    Sicherungsabtretung der Rechte der F. aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag mit der R. (Hefter B 62 Nr. 7),

  5. e)

    selbstschuldnerische Bürgschaften von 13 Gesellschaftern der F. über insgesamt 1.555.000,00 DM, darunter als höchste Bürgschaft die des Beklagten über 500.000,00 DM,

  6. f)

    Landesbürgschaften für 80 % des Ausfalls der Kredite der Konten 16501 und 600414569.

13

Die Sicherheiten zu d) und e) dienten ausschließlich der Absicherung der beiden landesverbürgten Kredite, während die Sicherheiten zu a) bis c) auch den "eigenen" Investitionskredit der Klägerin sichern sollten.

14

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei trotz der bestehenden Sicherheiten nicht verpflichtet gewesen, den nicht ausgeschöpften Betriebsmittelkredit weiter zu valutieren und daraus die offenen Zins- und Tilgungsleistungen für die Investitionskredite zu bedienen, weil die Sicherheiten nur mit ihrem "Zerschlagungswert" zu bewerten seien; diese Werte betrügen

für das Betriebsgrundstück1.000.000,00 DM,
für Maschinen und maschinelle Anlagen
höchstens 40 % des Buchwertes1.216.269,00 DM,
für die Bürgschaften höchstens 50 %
des Nominalwertes770.500,00 DM,
für die Rechte aus dem Lizenz- und
Know-How-Vertrag höchstens750.000,00 DM
3.741.269,00 DM.
15

Dem stünden - einschließlich Verzugszinsen, Gebühren und Kosten - Gesamtforderungen der Klägerin per 15. Januar 1981 in Höhe von 3.222.847,90 DM gegenüber, so daß unter Berücksichtigung der weiteren Risiken aus der offenbaren Zahlungsunfähigkeit der F. für weitere Kreditgewährungen kein Raum gewesen sei; daraus folge zugleich das Recht zur fristlosen Kündigung der Geschäftsverbindung.

16

Die Klägerin hat der F. im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung unstreitig angeboten, sämtliche Sicherheiten gegen Ablösung der Kredite durch ein anderes Kreditinstitut freizugeben? dieses Angebot hat sie außerdem mit Schreiben vom 15. Januar 1981 (Hefter B 62 Nr. 17) der R. zu Händen des Beklagten unterbreitet, zugleich mit dem Angebot, gemäß Nr. 7 des Sicherungsabtretungsvertrages vom 27. März 1979 (Hefter B 62 Nr. 7) die sicherungshalber abgetretenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag gegen Zahlung von 2,7 Mio. DM nebst Zinsen auf die R. zu übertragen. Durch den "Lizenz-Kaufvertrag" vom 20. Januar 1981 veräußerte daraufhin die R., vertreten durch den Beklagten, die der Klägerin sicherungshalber abgetretenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag mit der F. an die Q. für eine "Lizenzgrundgebühr" von 15 Mio. Schweizer Franken und laufende Lizenzgebühren wie im Ursprungsvertrag zwischen der R. und der F. vereinbart? eine Anzahlung in Höhe von 2,7 Mio. DM sollte die Q. bis zum 16. März 1981 leisten. Ferner schloß die R. mit der Q., ebenfalls am 20. Januar 1981, einen "Optionsvertrag", mit dem der Q. das Recht eingeräumt wurde, die Verbindlichkeiten der F. gegenüber der Klägerin in Höhe von 3.212.850,06 DM per 31. Dezember 1980 zuzüglich weiterer Zinsen, Kosten und Gebühren gegen Übernahme aller der Klägerin bestellter Sicherheiten abzulösen (Hefter B 62 Nr. 23). Daraufhin erwirkte die F. gegen die Klägerin eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin untersagt wurde, bis zum 1. Februar 1981 über die Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag und über die zur Sicherheit übereigneten Maschinen und maschinellen Anlagen zu verfügen (1 HO 16/81 LG ..., Bd. I Bl. 179, 180 d.A.); eine weitere einstweilige Verfügung erstreckte die Untersagung auf den Zeitraum bis zum 17. März 1981 (2 HO 30/81 LG ..., Bd. I Bl. 184 d.A.), sie wurde auf den Widerspruch der Klägerin durch Urteil vom 12. März 1981 aufgehoben (Bd. I Bl. 187 d.A.). Ein weiterer Antrag auf Erlaß einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung vom 26. März 1981 wurde abgelehnt (1 HO 67/81 LG ..., Bd. I Bl. 207 d.A.), die Berufung wurde vom Oberlandesgericht ... durch Urteil vom 6. Oktober 1981 zurückgewiesen (5 U 34/81 OLG ..., Bd. II Bl. 319 d.A.). In allen diesen Verfügungsverfahren hatte die F. geltend gemacht, die Darlehens- und Sicherungsverträge zwischen ihr und der Klägerin seien gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie, die F., durch eine Übersicherung der Klägerin und die sonstigen Bedingungen der Sicherungsverträge in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit geknebelt sei, so daß die Klägerin nicht berechtigt sei, insbesondere die ihr sicherungshalber abgetretenen Rechte an den Lizenzen, dem Know-How und den Maschinen und maschinellen Anlagen einem Dritten gegen Ablösung der Darlehen anzubieten. Das Oberlandesgericht ... hat in dem genannten Berufungsurteil eine Knebelung der F. verneint. Im Zusammenhang mit diesen Rechtsstreiten zwischen der Klägerin und der F. hatte die R., vertreten durch den Beklagten, von der Klägerin die Erklärung verlangt, daß sie die Verträge zwischen ihr und der F. für wirksam erachte; diese Erklärung gab die Klägerin mit dem Schreiben vom 23. Januar 1981 (Hefter B 62 Nr. 20) ab. Demgegenüber weigerte sich die F. gegenüber der R. mit Fernschreiben vom 23. Februar 1981 (Hefter B 62 Nr. 36), auf den Einwand der sittenwidrigen Knebelung bezüglich der landesverbürgten Darlehen zu verzichten. Im Verlaufe der weiteren Auseinandersetzung verlangte daraufhin die R. von der Klägerin, bei der Übertragung der sicherungshalber abgetretenen Rechte auf die R. die "Gewährleistung" gemäß § 434 BGB zu übernehmen und auf die Berufung auf § 439 Abs. 1 im Verhältnis zur Reutec zu verzichten (Fernschreiben vom 30. März 1981, Hefter B 62 Nr. 38). Die Klägerin ging darauf nicht ein.

17

Die Klägerin hat an "Nebenkosten" des Darlehens 600414569, bestehend aus Zinsen ab 6. Juli 1979, Bereitstellungszinsen, Verzugszinsen und Bürgschaftsprovision bis zum 15. April 1981 einen Betrag von 363.034,73 DM errechnet und diesen anteilig auf die Gesamtsumme der Bürgschaften und alsdann auf die Bürgschaft des Beklagten umgelegt; sie hat dem Beklagten insoweit 106.774,60 DM in Rechnung gestellt.

18

Die Klägerin hat zunächst im Urkundenprozeß geklagt und alsdann nach Übergang in das ordentliche Klageverfahren beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihr 606.774,60 DM nebst 15 % Zinsen seit dem 16. April 1981 auf 500.000,00 DM zu zahlen.

19

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Nach Übergang der Klägerin in das ordentliche Klageverfahren hat sich der Beklagte im wesentlichen wie folgt verteidigt:

21

Der Beklagte hat - wie übrigens schon vor der Kündigung der Darlehensverträge durch die Klägerin - den Standpunkt der F. aufgegriffen und unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten von Professor ... vom 8. Januar 1981 (Hefter B 62 Nr. 16) geltend gemacht, die Darlehensverträge der Klägerin mit der F. und die zugehörigen Sicherungsverträge seien wegen vorsätzlicher sittenwidriger Knebelung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Knebelung ergebe sich einmal aus einer "maßlosen" Übersicherung. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte insbesondere behauptet und näher ausgeführt, daß und aus welchen Gründen die Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag mit der R. wesentlich mehr Wert seien als die von der Klägerin angesetzten 750.000,00 DM. Zum zweiten hat sich der Beklagte zur Darlegung weiterer Merkmale der Knebelung auf die vom Landeskreditausschuß durchgesetzten Auflagen in den Darlehensverträgen FB 3251 (R 181) und FB 3252 (Bd. I Bl. 8-14 und 27-32 d.A.), insbesondere auf die Nr. 8 dieser Verträge bezogen. Danach hatte sich die F. verpflichtet, für wesentliche unternehmerische Entscheidungen die vorherige schriftliche Zustimmung des Landeskreditausschusses einzuholen, wie u. a. für wesentliche Änderungen des Gegenstandes des Unternehmens, für die Veräußerung, Belastung, Vermietung, Verpachtung oder Stillegung des Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile, für den Erwerb von Beteiligungen, für die Änderungen des Personenkreises der Gesellschafter und für Beschlüsse, die eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstand haben; ferner hatte sich die F. verpflichtet, während der Laufzeit der landesverbürgten Kredite Gesellschafterdarlehen nicht zurückzuzahlen, die landesverbürgten Kredite und übrige Fremdmittel vorrangig vor den Ansprüchen von Gesellschaftern zu befriedigen und für weitere Investitionen die Zustimmung der Klägerin einzuholen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.

22

Der Beklagte hat weiter geltend gemacht, die Klägerin habe durch die Sicherungsverträge das gesamte Vermögen der F. übernommen, so daß sie für die Verbindlichkeiten der F. gemäß § 419 BGB hafte, mithin er, der Beklagte, seinen Rückgriffsanspruch aus der Bürgschaft gegen die F. der Klägerin gemäß § 242 BGB einredeweise entgegenhalten könne.

23

Der Beklagte hat der Klägerin vorgeworfen, sie handele arglistig, weil sie den vorliegenden Rechtsstreit gegen ihn und die übrigen Bürgen nur mit dem Ziel führe, über die Bürgen als Gesellschafter der F. D. auf die F. zu dem Zweck auszuüben, die F. zu nötigen, auf Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu verzichten, die der F. unter dem Blickpunkt der sittenwidrigen Knebelung und der Kündigung der Darlehen zur Unzeit zustünden.

24

Die Valutierung der verbürgten Kredite "in voller Höhe" zu den von der Klägerin angegebenen Terminen hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten und einen insoweit nach seiner Auffassung widersprüchlichen Vortrag der Klägerin gerügt (Bd. II Bl. 211 d.A.); in diesem Zusammenhang hat der Beklagte auch die Höhe der "Nebenleistungen" bestritten.

25

Der Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt, und zwar in folgender Rangfolge (Klagebeantwortung vom 18. August 1981, S. 23-29, Bd. I Bl. 84-90 d.A.):

26

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin sei es wegen der ihr zur Verfügung gestellten übermäßigen Sicherheiten jedenfalls verwehrt gewesen, die Darlehensverträge unter Berufung auf die rückständigen Tilgungs- und Zinsleistungen für die Investitionskredite zu kündigen; das gelte insbesondere deswegen, weil der Betriebsmittelkredit über 1 Mio. DM erst mit ca. 130.000,00 DM valutiert gewesen sei, so daß aus diesem Kredit, entsprechend einem für die Zins- und Tilgungsleistungen für 1979 praktizierten Verfahren, die Investitionskredite hätten bedient werden können und müssen, zumal - wie der Beklagte behauptet hat - die Aussichten für eine Sicherstellung der Gesamtfinanzierung im Januar 1981 günstig gewesen seien. Durch diese Kündigung zur Unzeit sei alsdann, so hat der Beklagte weiter behauptet, der F. jede Möglichkeit genommen worden, ihre Investitionsvorhaben zu Ende zu führen und später einmal Gewinne zu erzielen. Den daraus der F. entstandenen Schaden hat der Beklagte mit mindestens 8,73 Mio. DM beziffert (vgl. Hefter B 62 Nr. 40) und sich davon durch Vereinbarung vom 24. März 1981 (Hefter B 62 Nr. 42) einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 500.000,00 DM abtreten lassen, mit dem er die Aufrechnung erklärt hat.

27

Der Beklagte hat behauptet, aus der Nichterfüllung des Lizenz Kaufvertrages und des Optionsvertrages vom 20. Januar 1981 zwischen der R. und der Q. sei der Q. ein Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 900.000 Schweizer Franken entstanden. Für diesen von der R. im Verhältnis zu Q. zu tragenden Schaden ist nach Auffassung des Beklagten die Klägerin deshalb verantwortlich, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, ihrer Verpflichtung zur rechtsmängelfreien Übertragung der ihr sicherungshalber abgetretenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. auf R. bei Eintritt des Sicherungsfalls zu genügen, und sie, die Klägerin, jedenfalls es schuldhaft unterlassen habe, die Angebotsfrist zu verlängern und dabei die Gewährleistung gemäß § 434 BGB ausdrücklich zu übernehmen und auf die Rechte des Verkäufers aus § 439 Abs. 1 BGB zu verzichten, um auf diese Weise die R. für den Fall der Weiterveräußerung an die Q. schadlos zu halten; deshalb, so hat der Beklagte gemeint, sei der Q. nichts anderes übriggeblieben, als nach Fristsetzung gegenüber der R. von den Verträgen vom 20. Januar 1981 zurückzutreten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern. Die R., vertreten durch den Beklagten, hat dem Beklagten von diesen ihren behaupteten Schadensersatzansprüchen gegen die Klägerin einen erstrangigen Teilbetrag von 950.000,00 DM durch Schreiben vom 29. April 1981 abgetreten (Hefter B 62 Nr. 43). Darüber hinaus hat die R. vertreten durch den Beklagten, unter dem 17. August 1981 der Q. zur Abgeltung von deren angeblichen Schadensersatzansprüchen ein Schuldanerkenntnis über 900.000,00 DM erteilt (Hefter B 62 Nr. 45).

28

Schließlich hat sich die R. eines Schadensersatzanspruches gegen die Klägerin in Höhe von 650.000,00 DM mit der Begründung berühmt, es sei ihr, obwohl sie entsprechende Angebote von Interessenten u. a. aus ... und ... gehabt habe, auch nach dem Abspringen der Q. nicht möglich gewesen, ihr Recht auf Rückübertragung der sicherungshalber übertragenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. zu realisieren, weil die Klägerin sich auch danach noch geweigert habe, für den Bestand der Rechte in ihrer Hand Gewähr zu leisten und/oder die R. als Erwerber durch Verzicht auf die Rechte aus § 439 Abs. 1 ZPO schadlos zu halten. Auch diesen behaupteten Schadensersatzanspruch der R. gegen die Klägerin hat sich der Beklagte abtreten lassen, und zwar durch Schreiben vom 30. April 1981 (Hefter B 62 Nr. 46).

29

Gegen die Verpflichtung, über den Höchstbetrag von 500.000,00 DM hinaus für "Nebenleistungen" einstehen zu müssen, hat sich der Beklagte dem Grunde nach mit dem Vorbringen verteidigt, die Bestimmung der Nr. 3 der Bürgschaftserklärung sei gemäß § 9 AGBG als "Überraschungsklausel" nichtig; es sei nicht erkennbar gewesen, daß unter "Nebenleistungen" Zinsen, Provisionen und Kosten über den Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus zu verstehen seien.

30

Der Beklagte hat schließlich auch die Auffassung vertreten, der formularmäßige Verzicht in Nr. 4 der Bürgschaftserklärung auf die dort genannten, dem Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einreden, sei ebenfalls unwirksam.

31

Die Klägerin ist den Behauptungen und den Rechtsauffassungen des Beklagten entgegengetreten. Sie hat insbesondere unter Bezugnahme auf das Privatgutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... - ..., ..., vom 9. September 1981 (Bd. I Bl. 147-174 d.A.) links unterzeichnet vom Wirtschaftsprüfer S. (im folgenden kurz: "Gutachten S.") vortragen lassen, daß die ihr abgetretenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. als bankmäßige Sicherheiten ohne jeden Wert seien. Dem Vorwurf der Übersicherung ist sie weiterhin mit dem Hinweis entgegengetreten, daß der F. freies Vermögen alle Forderungen gegen Gesellschafter und gegen Kunden verblieben seien.

32

Schließlich hat sie die Auffassung vertreten, daß bei der Bewertung der Sicherheiten die Landesbürgschaften außer Betracht bleiben müßten, und daß ihr unter dem Blickpunkt des § 138 Abs. 1 BGB die üblicherweise mit der öffentlichen Wirtschaftsförderung verbundenen Auflagen nicht zugerechnet werden könnten.

33

Das Landgericht in Verden hat durch das am 22. Oktober 1981 verkündete Urteil, auf das und dessen Verweisungen zur Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Es ist der Argumentation des Beklagten gefolgt und hat die Darlehens- und Sicherungsverträge der Klägerin mit der F, wegen sittenwidriger Knebelung für gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig erachtet; dabei hat es die Landesbürgschaften bei der Bewertung der der Klägerin eingeräumten Sicherheiten berücksichtigt und aufgrund dessen eine erhebliche Übersicherung der Klägerin festgestellt. Es hat sodann ausgeführt, daß sich die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten nach dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde nicht auf bereicherungsrechtliche Rückzahlungsansprüche der Klägerin gegen die F. aus der Nichtigkeit der Darlehensverträge erstrecke, so daß wegen Fehlens einer Hauptschuld ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht bestehe.

34

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, deren Rechtzeitigkeit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat festgestellt worden ist.

35

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Klägerin die antragsgemäße Verurteilung des Beklagten unter Erweiterung ihrer Klage um 4 % Zinsen auf den Betrag von 106.774,60 DM seit Zustellung der Klage.

36

Zur Rechtfertigung ihres Rechtsmittels trägt die Klägerin im wesentlichen vor:

37

Die Klägerin ist der Auffassung, daß bei der Antwort auf die Frage, ob eine Knebelung eines Kreditnehmers durch Übersicherung des Kreditgebers vorliegt, die aufgrund öffentlicher Wirtschaftsförderung gewährten Ausfallbürgschaften des Landes ... nicht berücksichtigt werden dürften; denn die Gewährung dieser Bürgschaften setze voraus, daß zuvor der Kreditnehmer alle ihm zumutbaren Sicherheiten gestellt habe, und daß danach noch ein sicherungsbedürftiges Kreditrisiko verbleibe. Die Addition der zuvor gestellten Sicherheiten und der nur für den Ausfall gegebenen Landesbürgschaften unter dem Blickpunkt der Übersicherung verkenne, daß die Ausfallbürgschaften das Versagen der übrigen Sicherheiten voraussetze. Wäre es anders, so läßt die Klägerin weiter vortragen, so würde das gesamte System der öffentlichen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt. Das gelte auch, wenn an die Auflagen und Kontrollbefugnisse des Landeskreditausschusses dieselben Maßstäbe angelegt würden wie an die Einflußmöglichkeiten, die ein privater Kreditgeber durchsetze. Das Ziel einer effektiven öffentlichen Wirtschaftsförderung verlange, den Einsatz öffentlicher Mittel durch Private zu kontrollieren, und zwar insbesondere dann, wenn diese Mittel deshalb eingesetzt werden, weil die Risikogrenze für die privatwirtschaftliche Kreditgewährung von Banken und Sparkassen überschritten sei. So sei es hier gewesen, weil ohne die Bürgschaften des Landes die von der F. beabsichtigte Fremdfinanzierung nicht durchführbar gewesen sei. Im übrigen hätten die Auflagen und Kontrollbefugnisse die F. rechtlich nicht gehindert, dagegen zu verstoßen und unternehmerische Entschlüsse zivilrechtlich wirksam durchzusetzen; die einzige Folge wäre die Aufkündigung der Landesbürgschaften und damit möglicherweise der Kredite der Klägerin gewesen. Von einer sittenwidrigen Knebelung könne deshalb keine Rede sein. Schließlich meint die Klägerin, daß ihr aus Rechtsgründen im Rahmen des § 138 Abs. 1 nicht zugerechnet werden könne, was das Land Niedersachsen kraft öffentlich-rechtlicher Befugnisse an Auflagen und Kontrollrechten durchgesetzt habe.

38

Zur Bewertung der übrigen Sicherheiten trägt die Klägerin vor, daß diese weder nach den Nominalwerten der Grundpfandrechte und Bürgschaften noch nach den Anschaffungskosten der realen Sicherungsgüter vorgenommen werden dürfe. Maßgeblich seien allein die real bei einer Verwertung der Sicherheiten erzielbaren Erlöse, die den "Zerschlagungswert" der Sicherheiten repräsentierten. Unter Bezugnahme auf das Gutachten S. behauptet die Klägerin, der Zerschlagungswert der ihr abgetretenen Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. sei Null. Der Betrag von 750.000,00 DM sei nur ein "fiktiver Wert", ein "Rechnungsposten" für die interne Kalkulation der Klägerin gewesen, aus dem keineswegs geschlossen werden könne, daß die Klägerin eine Werthaltigkeit der Lizenz in diesem Umfange einräume. Die Klägerin behauptet (Bd. III Bl. 421 d.A.), der Beklagte habe die Lizenzen für das ...- Verfahren von den sogenannten B-Gesellschaften der E.-Gruppe, d. h. von den bei der Veräußerung seiner Beteiligung an die B. "übriggebliebenen" Gesellschaften, für nur 26.000,00 DM erworben und alsdann über die Q. auswerten lassen. Das habe sie, die Klägerin, erst im Laufe des Verfahrens erfahren. Der Sinn der Sicherungsabtretung der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How - Vertrag R./F. habe lediglich darin bestanden, sicherzustellen, daß die Produktionsstätten der F. mit den Rechten an den für die Produktion angewendeten Verfahren zusammenbleiben, weil der Wert der Produktionsstätten und damit die Werthaltigkeit der hieran der Klägerin bestellten Sicherheiten (mit) dadurch bestimmt würden, daß der Inhaber der Produktionsstätten zugleich Inhaber der Verfahrensrechte sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist diese Auffassung der Klägerin weiterhin dahingehend erörtert worden, daß die Steigerung der Werthaltigkeit der übrigen Sicherheiten bloße Spekulation sei, wenn sich im Falle der Verwertung der Sicherheiten herausstelle, daß eine geschlossene Verwertung von Produktionsstätte und Verfahrensrechten nicht möglich sei. Den Darlegungen des Beklagten über den "Anschaffungswert" der Verfahrensrechte im Verhältnis F. zu R. und R. zu Q. und zu den angeblichen Forschungsaufwendungen der Q. tritt die Klägerin mit der Behauptung entgegen, die Q. sei nur "zwischengeschaltet" worden, um einen hohen Wert der Verfahrensrechte zu dem Zweck vorzutäuschen, über die schnelle Abschreibung der Anschaffungskosten die F. als Abschreibungsgesellschaft für mittelständische Kapitalanleger attraktiv zu machen, abgesehen davon, daß dem Beklagten hierdurch ein erheblicher Profit zugeflossen wäre; das alles erfülle den Tatbestand des Betruges (Bd. III Bl. 487/490 d.A.). Da sie, die Klägerin, nunmehr gezwungen sei, ihre Grundpfandrechte im Wege der Zwangsversteigerung zu verwerten, könnten diese und die Rechte aus der Sicherungsübereignung der Maschinen und maschinellen Anlagen, wie sie nunmehr meint, nur mit den bei der zwangsweisen Verwertung erzielbaren Erlösen angesetzt werden. Nach der Wertfestsetzung des Versteigerungsgerichts (Hefter K 399 Nr. 2) beliefen sich der Wert des Grundstücks auf 1.680.000,00 DM und der Wert der Maschinen und maschinellen Anlagen auf 384.000,00 DM. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß von dem so festgesetzten Verkehrswert des Grundstücks noch ein Abschlag von ca. 1/3 gemacht werden müsse, so daß ein realistischer "Zerschlagungswert" von 1.108.000,00 DM verbleibe. Der Wert der Maschinen und maschinellen Anlagen ist nach Auffassung der Klägerin praktisch nur ein "Schrottwert", da es sich um Spezialmaschinen handele, die so gut wie unverkäuflich seien; unter Bezugnahme auf das vom Versteigerungsgericht eingeholte Gutachten des vereidigten Sachverständigen D. (Hefter K 399 Nr. 4) behauptet die Klägerin einen Zerschlagungswert von höchstens 340.020,00 DM, wobei nicht einmal berücksichtigt sei, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls für einen Teil der Maschinen noch Vorbehaltsrechte der Lieferanten bestünden. Hinsichtlich der Bürgschaften sei es banküblich, von einem Zerschlagungswert von 50 % der Nominalbeträge auszugehen.

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Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung des Beklagten, sie sei verpflichtet gewesen, die rückständigen Tilgungs- und Zinsleistungen aus dem nicht voll valutierten Betriebsmittelkredit zu bedienen (Bd. III Bl. 497 f. d.A.). Dieser Kredit sei, so bringt die Klägerin vor, im Rahmen der Finanzplanung dazu bestimmt gewesen, die Anlaufskosten der Produktion zu decken, seine Auszahlung habe also die Fertigstellung der Produktionsstätte zur Voraussetzung gehabt, so daß seine vorzeitige Valutierung lediglich an anderer Stelle eine Finanzierungslücke aufgerissen hätte. Im übrigen hätte, so behauptet die Klägerin, die weitere Valutierung des Betriebsmittelkredites das Scheitern der F. nur kurzfristig hinausschieben, nicht aber endgültig aufhalten können. Hierzu trägt die Klägerin im einzelnen unter Bezugnahme u. a. auf den Bericht der Geschäftsführung für die Gesellschafterversammlung der F. am 17. Oktober 1980 (Hefter K 480 Nr. 9), auf das Ergebnis einer Besprechung im ... Finanzministerium am 3. November 1980, an welcher der Geschäftsführer der F. und der Beklagte selbst teilnahmen (Hefter K 480 Nr. 3), auf ein Schreiben der Geschäftsführung der F. an den Vorstand der Klägerin vom 3. März 1981 (Hefter K 480 Nr. 10) und auf Schreiben der Geschäftsführung der F. an die Gesellschafter ... und ... vom 7. Januar 1981 (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 5. Mai 1982, Bd. III Bl. 564-570 d.A.) vor, daß die Gesamtfinanzierung der F. bis zum Zeitpunkt des ersten Verkaufs von Produkten nicht mehr gesichert gewesen sei, benötigte Mittel in der Größenordnung von ca. 5 Mio. DM seien nicht aufzubringen gewesen.

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Abgesehen davon, so meint die Klägerin, daß die rückständigen Tilgungs- und Zinsleistungen sie zur Kündigung der Geschäftsverbindung berechtigt hätten, folge das Recht zur Kündigung der gewährten Kredite und zum Widerruf in Aussicht gestellter Darlehen aus der gravierenden Verschlechterung der Vermögenslage der F., die sich im Herbst 1980 abgezeichnet habe und im Januar 1981 offenbar geworden sei. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin weiterhin geltend, daß - wie sie behauptet - der Absatz der Produkte der F. nach Anlaufen der Produktion nicht gesichert gewesen sei, insbesondere hätten dem Verkauf des vorgesehenen Produktes als (formuliertes) Pflanzenschutzmittel die fehlende Genehmigung des Biologischen Bundesamtes entgegengestanden, die erst nach kosten- und zeitaufwendigen Prüfungsverfahren - wenn überhaupt - hätte erteilt werden können, und ferner hätten dem Verkauf des ...- ... in bestimmten Anwendungsformen auf bestimmten Märkten Anwendungspatente von ... entgegengestanden, und die Vermarktung von ... als Chemikalie sei ebenfalls nicht unproblematisch gewesen; hierzu bezieht sich die Klägerin wiederum auf das Ergebnis der Besprechung im Finanzministerium am 3. November 1980 (Hefter K 480 Nr. 3), in der der Beklagte selbst eingeräumt habe, daß die Absatzmöglichkeiten völlig ungeklärt seien und er selbst nur daran interessiert sei, die Produktionsfähigkeit seiner Technologie durch eine Pilotanlage zu demonstrieren.

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Im übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Zur Berechnung der "Nebenleistungen" auf die Bürgschaftsforderung trägt sie nicht weiter vor. Ihren Zinsanspruch in Höhe von 15 % stützt sie in erster Linie auf V. der mit der Hauptschuldnerin vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für langfristige Darlehen (Anlage zu den Kreditverträgen vom 27. März 1979, Bd. I Bl. 22, 39 d.A.), wonach bei Fälligkeit die Kapitalrestschuld mit 6 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens mit 9 % Jahreszinsen, zu verzinsen ist. Als weiteren Verzugsschaden - aus dem Verzuge des Beklagten - macht die Klägerin entgangenen Gewinn geltend und behauptet, sie hätte unter Berücksichtigung der Struktur ihres Aktivgeschäfts die Hauptforderung von 500.000,00 DM mit 15 % Jahreszinsen ausleihen können; dazu legt sie den Stand ihrer Ausleihungen nach Kapital und Zinssätzen dar (Bd. III Bl. 418/419 d.A.).

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Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr 606.774,60 DM nebst 15 % Zinsen seit dem 16. April 1981 auf 500.000,00 DM und 4 % Zinsen auf 106.774,60 DM seit Zustellung der Klage zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Im wesentlichen trägt er weiter vor:

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Der Beklagte vertritt zunächst die Auffassung, daß die Klägerin für den Inhalt der zwischen ihr und der F. geschlossenen Verträge privatrechtlich voll verantwortlich sei; die Klägerin könne sich nicht hinter den Richtlinien des Landes ... für die Übernahme von Bürgschaften (u. a. Bd. I Bl. 33-38 d.A:) "verstecken". Die Knebelung der Hauptschuldnerin durch die auf diesen Richtlinien beruhenden Darlehensbedingungen müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, und zwar sowohl unter dem Blickpunkt der Übersicherung als auch unter dem Blickpunkt der Einengung der unternehmerischen Freiheit durch die Auflagen und Kontrollbefugnisse. Zu Recht habe deshalb das Landgericht auch die Bürgschaften des Landes in die Bewertung der Frage einbezogen, ob eine Übersicherung der Klägerin vorliege; das sei zweifellos der Fall, denn die Addition der Zerschlagungswerte der Sicherheiten, auf welche die Klägerin habe zurückgreifen können, habe insgesamt mindestens 5,9 Mio. DM betragen (Bd. III Bl. 465 d.A.). Die Klägerin müsse sich insoweit daran festhalten lassen, wie sie die Sicherheiten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses selbst bewertet habe, sie müsse also inbesondere auch gegen sich gelten lassen, daß sie den Rechten aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. selbst eine "Werthaltigkeit" von mindestens 750.000,00 DM zugemessen habe. Das gleiche gelte für die

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Bewertung der übrigen Sicherheiten. Im übrigen, so meint der Beklagte, sei die Bewertung der Sicherheiten durch die Klägerin seinerzeit noch viel zu niedrig ausgefallen. Da die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, die Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. an R. zum Preise von 2,7 Mio. DM nebst Zinsen zu veräußern, sei als Zerschlagungswert dieser Nutzungsrechte mindestens dieser Betrag anzusetzen, unbeschadet dessen, daß der Wert in Wahrheit wesentlich höher, nämlich bei mindestens dem Anschaffungswert von 15 Mio. DM liege. Das Gutachten D. sei schon deshalb nicht verwendbar, weil dieser Sachverständige den Wert der Maschinen und maschinellen Anlagen für den Oktober 1981 ermittelt habe, es für die Beurteilung als bankmäßige Sicherheit jedoch auf den Verkehrswert zur Zeit des Vertragsschlusses ankomme, wobei der Sachverständige überdies übersehen habe, daß es sich keinesfalls um "Spezialmaschinen" handele, sondern um Anlagen und Anlageteile, die ausgebaut und in anderen Anlagen zur Herstellung chemischer Produkte Verwendung finden könnten. Schließlich, so meint der Beklagte, sei es unzulässig, den Wert der Bürgschaften lediglich mit 50 % anzusetzen, weil es sich - wie eine sorgfältige Prüfung der Bonität jedes einzelnen Bürgen durch einen Sachverständigen ergeben werde - durchweg um solvente Bürgen handele.

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Der Beklagte tritt insbesondere der Auffassung der Klägerin entgegen, der Wert der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. sei mit Null anzusetzen. Er legt hierzu im einzelnen Umfang, Entstehung, chemische und wirtschaftliche Bedeutung dieser Rechte dar und wendet sich damit im einzelnen gegen das Gutachten S.; auf S. 1 bis 14 des Schriftsatzes vom 16. April 1982 (Bl. 508-520 d.A.) nebst Anlagen (Hefter B 508) wird zur Darstellung der Einzelheiten Bezug genommen. In diesem Zusammenhang wendet sich der Beklagte gegen die Auffassung der Klägerin, daß dem Vertrieb der Produkte ernste Hindernisse im Wege gestanden hätten; ... ... sei als Chemikalie freiverkäuflich, eine Genehmigung des Biologischen Bundesamtes für den Einsatz des Wirkstoffes in formulierten Pflanzenschutzmitteln sei weitaus zeit- und kostengünstiger zu erhalten gewesen, als von der Klägerin behauptet; auf den Schriftsatz vom 27. April 1982 (S. 4-7, Bd. III Bl. 531/534 d.A:) wird verwiesen.

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Der Beklagte bestreitet eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der F. und wiederholt seine Auffassung, daß der Betriebsmittelkredit hätte weiter valutiert werden müssen; dazu nimmt der Beklagte Bezug auf ein weiteres Privatgutachten von Professor ... vom 3. Februar 1982 (Bd. III Bl. 525 d.A. mit Hefter K 480 Nr. 8). Der Beklagte behauptet, daß im Januar 1981, und zwar vor der Kündigung am 15. Januar, Gesellschafter der F. 1,6 Mio. DM aufbringen wollten, um diese Mittel über eine Beteiligungs- und/oder Auffanggesellschaft ("M.") der F. zur Verfügung zu stellen und damit die Fertigstellung der Produktionsanlage in ... sicherzustellen; hiervon habe die Klägerin gewußt.

49

Deshalb unterstellt der Beklagte der Klägerin sachfremde Motive für die Kündigung der Geschäftsverbindung; die Klägerin handele "auf Weisung" des ... Ministers der Finanzen, bei dem ein vernünftiges Interesse, das Projekt in ... zu Fall zu bringen, nicht erkennbar sei. Wegen der Einzelheiten wird u. a. auf S. 14 f. des Schriftsatzes vom 16. April 1982 (Bd. III Bl. 521 f. d.A.) und auf S. 7 f. des Schriftsatzes vom 27. April 1982 (Bd. III Bl. 534 f. d.A.) hingewiesen.

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Letztlich macht der Beklagte geltend, die Hauptforderung sei weitgehend erloschen, weil - unstreitig - das Land ...-. bisher 1,52 Mio. DM auf die Forderung aus dem Investitionskredit über 1,7 Mio. DM bezahlt hat.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze - mit Ausnahme des dem Beklagten nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 26. Mai 1982 (Bd. III Bl. 592 d.A.) - nebst Anlagen (Hefter K 399, K 480, B 508, B 528, K 546 und B 561) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Rechtsstreit ist nach Grund und Höhe entscheidungsreif, soweit die Parteien darüber streiten, ob der Beklagte wegen der Hauptsumme der Bürgschaftserklärung ("Bürgschaftssumme") - 500.000,00 DM - und der darauf ab 16. April 1981 geschuldeten Zinsen in Anspruch genommen werden kann; er ist darüber hinaus entscheidungsreif, soweit der Beklagte dem Grunde nach auch für die auf die Bürgschaftssumme vor dem 16. April 1981 entfallenden Nebenleistungen haftet.

53

Insoweit erweist sich das angefochtene Urteil als unrichtig, die Klage ist in Ansehung der Bürgschaftssumme voll und in Ansehung der Zinsen ab 16. April 1981 weitgehend aus §§ 765, 607, 284, 288 BGB begründet.

54

Der Betrag der - prozessual als Hauptforderung anzusehenden - Zinsen, Provisionen und Kosten, die gemäß Nr. 3 der Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 1. Dezember 1978 vor dem 16. April 1981 auf die Bürgschaftssumme von 500.000,00 DM entfallen, ist der Höhe nach noch ungeklärt und deshalb nicht entscheidungsreif.

55

Soweit Entscheidungsreife besteht, ist, um angesichts der Bedeutung des Rechtsstreits für die Parteien, die Hauptschuldnerin und die übrigen Beteiligten nicht vertretbare zeitliche Verzögerungen zu vermeiden, durch Teilurteil, § 301 ZPO, entschieden worden, das hinsichtlich des der Höhe nach noch offenen Teils der Hauptforderung zugleich ein Zwischenurteil über den Grund, § 304 ZPO, ist.

56

A.

Die Darlehens- und Sicherungsverträge zwischen der Klägerin und der F. sind wirksam. Sie sind nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Kündigung der Geschäftsverbindung durch die Klägerin geschah zu Recht. Die Rückforderungsansprüche der Klägerin gegenüber der F. bestehen gemäß § 607 BGB. Für sie haftet der Beklagte als Bürge gemäß § 765 BGB. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung bestehen nicht.

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I.

Eine sittenwidrige Knebelung der F. liegt nicht vor.

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Den von Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Tatbestand der "sittenwidrigen Knebelung", an den die Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB anknüpft, liegt der Gedanke zugrunde, daß auf einen Kernbereich menschlicher Freiheit, zu der auch die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung gehört, durch Rechtsgeschäft nicht verzichtet werden kann (vgl. Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl., § 138 Rdn. 30). Geschützt wird die persönliche Handlungsfreiheit, nicht das Vermögen an sich, sondern dieses nur, soweit es ein Mittel zur Verwirklichung dieser Freiheit (auf wirtschaftlichem Gebiet) ist. Einem Sicherungsvertrag als solchem haftet deshalb noch nicht das Unwertmoment der Knebelung an (Soergel/Hefermehl, BGB 11. Aufl., § 138 Rdn. 100). Es muß vielmehr geprüft werden, ob durch die Bindung, der das Vermögen durch Rechtsgeschäft unterworfen wird, zugleich die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Person oder eines Unternehmens rechtlich und/oder faktisch derart eingeengt wird, daß von einer unerträglichen, unzumutbaren, die wirtschaftliche und soziale Selbständigkeit vernichtenden Abhängigkeit gesprochen werden muß (vgl. Soergel/Hefermehl, a.a.O. Rdn. 100; Staudinger/Dilcher, a.a.O. Rdn. 31). Eine derartige Abgrenzung ist notwendig, weil im Rahmen der Vertragsfreiheit, die als Institution zu schützen eine der Aufgaben des § 138 Abs. 1 BGB ist, jedes Rechtsgeschäft eine Bindung bewirkt und dadurch notwendig zum Verlust von Handlungsfreiheit führt. Es kann deshalb stets nur um das Ausmaß dieses Verlustes gehen (vgl. RGZ 165, 1, 15; BGH WM 1961, 57 f.), und es ist zugleich zu fragen, welche Nachteile, Vorteile und Motive insgesamt mit dem Rechtsgeschäft verbunden sind. Eine sittenwidrige Knebelung kann nach alledem nur aufgrund einer möglichst umfassenden Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren Umstände des Rechtsgeschäfts festgestellt werden, wobei an dieser Stelle noch nicht zu entscheiden ist, welche subjektiven Voraussetzungen auf seifen des Knebelnden zu verlangen sind (vgl. Soergel/Hefermehl, a.a.O. Rdn. 97, 98). Bei der Gesamtwürdigung ist zu beachten: Die Übertragung nahezu des gesamten Vermögens auf ein Kreditinstitut als Sicherheit für gewährte Kredite kann eine Knebelung darstellen, sie muß es aber nicht, weil es auch entscheidend darauf ankommt, welche Verfügungsbefugnisse dem Schuldner zur Führung seines Unternehmens verbleiben, in die der Gläubiger nur unter eng begrenzten Voraussetzungen, z. B. nur aus wichtigem Grund, eingreifen kann (vgl. BGH LM BGB § 138 (Bb) Nr. 17). Eine Übersicherung kann ein Element der Knebelung darstellen; typischerweise bewirkt sie allerdings keine Knebelung (Soergel/Hefermehl, a.a.O. Rdn. 99). Es kommt stets auf das Ausmaß an, auf den verbleibenden Rest an unternehmerischer Freiheit, und darauf, ob und inwieweit sich der Gläubiger zur Freigabe nicht nur vorübergehend nicht mehr benötigter Sicherheiten vertraglich verpflichtet hat (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl., Rdn. 2654; danach kann die Bank gemäß § 19 Abs. 1 der AGB der Banken - entsprechend Nr. 21 Abs. 4 der hier anzuwendenden AGB der Sparkassen - "selbstverständlich eine angemessene Übersicherung" verlangen; vgl. auch BGH WM 1981, 150, 151). Durch die Verpflichtung, Sicherheiten aufzugeben, kann der Vorwurf der Übersicherung abgewendet werden (Staudinger/Dilcher, a.a.O. Rdn. 33; BGHZ 26, 185). Bei der Einräumung von Kontrollrechten hängt die Beurteilung des verbleibenden Restes an wirtschaftlicher Freiheit auch davon ab, nach welchen Maßstäben die Kontrollrechte auszuüben sind, d. h. ob z. B. der durch diese Rechte Begünstigte im Eigeninteresse und willkürlich handeln darf, oder ob er seinerseits Bindungen unterliegt, die einer dauerhaften Übernahme der aktiven Geschäftspolitik im Wege stehen (vgl. u. a. BGHZ 44, 158 f [BGH 12.07.1965 - II ZR 118/63]ür den Fall der Treuhand). Alles das gehört zu der gemäß § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung, d. h. in den komplexen Prüfungsmaßstab des § 138 Abs. 1 BGB hinein. Da die Privatgutachten von C. in Konsequenz des ihnen einseitig zugrundegelegten Sachverhalts diesen differenzierenden Ansatz vernachlässigen, wird im folgenden nicht weiter ausdrücklich auf sie eingegangen. Es ergibt sich:

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1. Eine Übersicherung der Klägerin kann nicht festgestellt werden.

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a) Es ist bereits fraglich, ob Bürgschaften überhaupt bei der Prüfung der Frage berücksichtigt werden dürfen, ob eine Übersicherung vorliegt, die als ein Element der sittenwidrigen Knebelung bezeichnet werden kann. Wie vorstehend dargelegt worden ist, ist "Schutzgut" dieses Tatbestandes die wirtschaftliche Freiheit des anderen Vertragspartners. Der Bürgschaftsvertrag wird zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger geschlossen. Von daher ergibt sich kein Argument dafür, eine Knebelung des Hauptschuldners durch einen solchen Vertrag anzunehmen. Es müssen also Beurteilungselemente hinzutreten, es muß gewissermaßen eine Brücke zwischen Hauptschuldner und Bürgen geschlagen werden, dergestalt, daß sich die durch den Bürgschaftsvertrag bewirkte Bindung des Bürgen im Ergebnis zugleich als Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Hauptschuldners darstellt. Das kann der Fall sein, wenn sich der eigentliche Geschäftsinhaber, der wegen der gewählten Organisationsform als Kommanditist einer KG oder als Gesellschafter einer juristischen Person persönlich nicht haftet, für "sein" Unternehmen verbürgt; denn er muß dann die Verpflichtungen aus dieser Bürgschaft bei seinen weiteren geschäftlichen Aktivitäten in Rechnung stellen. Ob allerdings bei einer derartigen Bürgschaft, durch die der wirtschaftliche Geschäftsinhaber für sein Unternehmen in die Pflicht genommen wird, in der ein Einzelkaufmann, der Gesellschafter einer OHG oder der Komplementär einer KG ohnehin steht, auch unter dem Blickpunkt der Übersicherung überhaupt von einem Sittenverstoß gesprochen werden könnte, kann dahinstehen; Beurteilungskriterium müßte jedenfalls sein, ob der wirtschaftliche Geschäftsinhaber "sein" Unternehmen mit dem Eigenkapital ausgestattet hat, deren es zu einer betriebswirtschaftlich vertretbaren Führung der Geschäfte bedarf. Im vorliegenden Fall fehlt es an jedem Vortrag dafür, ob überhaupt einer und gegebenenfalls welcher der Bürgen durch die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeengt worden ist. Es läßt sich deshalb auch nicht beurteilen, ob und inwieweit die von den Bürgen übernommenen Bürgschaften diese oder andere Gesellschafter daran hindern, der F. weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Daß Bürgen und/oder Gesellschafter wegen der Bürgschaften möglicherweise das Risiko eines weiteren finanziellen Engagements scheuen (um nicht gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen), spielt keine Rolle, denn das ist kein Problem der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, sondern schlicht eine Frage der Kalkulation des wirtschaftlichen Risikos. Vorstehende Erwägungen gelten insbesondere für den Beklagten. Gerade für seine Person ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß seine Vermögenslage durch das Engagement bei der F. derart beeinträchtigt wäre, daß seine übrige Betätigungsfreiheit im Wirtschaftsleben lahmgelegt wäre. Nach alledem ist der Senat der Auffassung, daß die Bürgschaften bei der Antwort auf die Frage, ob eine Übersicherung vorliegt, unberücksichtigt bleiben müssen. Dafür spricht zusätzlich die Erwägung, daß, wenn tatsächlich eine Übersicherung der Klägerin durch die Grundpfandrechte, die Sicherungsübereignungen und die Abtretung der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. vorläge, das für die Bürgen nur von Vorteil wäre; denn dann hätten sie eine realistische Chance, nach ihrer Inanspruchnahme gemäß §§ 774, 401 BGB auf eben diese Sicherheiten zuzugreifen. Aus dieser Überlegung erhellt umsomehr, daß es bei der Prüfung der Frage der Übersicherung unter dem Blickpunkt der sittenwidrigen Knebelung lediglich auf die Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des eigentlich Betroffenen, des Hauptschuldners, ankommt. Lediglich für den Fall, daß es - entgegen der Auffassung des Senats - darauf ankommen sollte, stimmt der Senat der Auffassung der Klägerin zu, daß der "Zerschlagungswert" der Bürgschaften bei vorsichtiger, bankmäßiger Einschätzung mit 50 % anzusetzen ist. Darüber, daß es auf den Nominalbetrag nicht unbesehen ankommen kann, streiten die Parteien nicht. Aus seiner mehrjährigen Erfahrung als Spezialsenat für Banksachen ist dem Senat bekannt, auf welche Schwierigkeiten die Realisierung von Bürgschaftsforderungen in der Praxis stößt. Insbesondere um dem Einwand entgegenzutreten, das Kreditinstitut habe durch eine Kündigung der Kredite zur Unzeit den Zusammenbruch des Hauptschuldners und damit den Bürgschaftsfall schuldhaft herbeigeführt und dadurch die Rechte aus dem Bürgschaftsvertrag verloren, ist das Kreditinstitut vielfach gehalten, zeit- und kostenaufwendige Prozesse zu führen. Gerade der Zeitfaktor ist geeignet, den Wert von Bürgschaften auszuhöhlen, weil die Belastung durch Zinsen und Kosten dazu führt, daß die Bürgen mit wesentlich höheren Forderungen konfrontiert werden, als ursprünglich kalkuliert war. Ausfälle werden zwangsläufig, und es muß auch damit gerechnet werden, daß ein Bürge aufgrund anderer mißlungener finanzieller Engagements unvermutet zahlungsunfähig wird oder derart zahlungsunwillig ist, daß er sein Vermögen dem Zugriff von Gläubigern durch vielfältige Manipulationen, die dem Kundigen offenstehen, entzieht. Die pauschale Behauptung des Beklagten - auf die es, wie ausgeführt worden ist, nach Auffassung des Senats nicht ankommt -, im vorliegenden Fall handele es sich durchweg um solvente Bürgen, deren Bonität durch Sachverständige nachgeprüft werden könne, ist demgegenüber schon deshalb unbeachtlich, weil zu der Person der Bürgen und deren Vermögen nichts Näheres vorgetragen worden ist.

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2. Nach den vorstehenden Erwägungen unter I. 1. a) bedarf es keiner weiteren Begründung, daß die Landesbürgschaften bei der Antwort auf die Frage, ob eine Übersicherung vorliegt, außer Betracht zu bleiben haben. Diese Bürgschaften haben die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Hauptschuldnerin, der FAC, nicht behindert, sondern sie haben sie im Gegenteil - wie unstreitig ist - überhaupt erst ermöglicht. Ohne diese Bürgschaften hätte die F. weder die Zusage der Klägerin für den Investitionskredit über 1,7 Mio. DM noch die für den Betriebsmittelkredit über 1,0 Mio. DM erhalten. Daß ein anderes Kreditinstitut bereit gewesen wäre, ohne derartige Bürgschaften Kredite zu geben, ist vom Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden und im übrigen nach Überzeugung des Senats ausgeschlossen, wie sich aus der weiteren Entwicklung ergibt, nämlich daraus, daß im Januar 1981 kein anderes Kreditinstitut für die Ablösung der Kredite der Klägerin gefunden werden konnte, obwohl die Klägerin dieses Angebot ausdrücklich gemacht hatte. Im übrigen können aber auch aus einem anderen Grunde die Landesbürgschaften bei der Bewertung der Sicherheiten unter dem Blickpunkt der Übersicherung nicht mitgerechnet werden. Diese Bürgschaften haben - wie dargelegt - die Kreditgrundlage der F. nicht nur nicht verkürzt, sondern erweitert, und sie sind aus ganz anderen Motiven heraus gegeben, als das bei Bürgschaften von Privaten der Fall ist. Die Wirtschaftsförderung ist eine öffentliche Aufgabe. Bei ihr tritt der Staat nicht als Teilnehmer am privaten Wirtschaftsverkehr auf, sondern er verfolgt öffentliche Ziele mit dem Mittel der Investitionslenkung durch Subventionen. Dabei hat er weder ein privatwirtschaftliches noch ein direktes fiskalisches Interesse. Es kann ihm vorgeworfen werden, den privaten Wettbewerb durch seine Subventionen zu verzerren und/oder sich als "Reparaturbetrieb des Kapitalismus" zu betätigen. Eine Gleichstellung von ihm übernommener Bürgschaften mit den Bürgschaften Privater, hinter denen ein privates Eigeninteresse steht, ist nicht erlaubt. Das alles schließt es aus, die Tatsache dieser Bürgschaften unter den Blickpunkt der sittenwidrigen Knebelung ins Feld zu führen, wiewohl die Bedingungen dieser Bürgschaften bei der Gesamtwürdigung in Betracht zu ziehen sind (unten 2.).

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c) Den Wert der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag Reutec/FAC durfte die Klägerin bei der Bewilligung der Darlehen und bei deren Kündigung vom Standpunkt eines kreditgebenden Kreditinstituts als Sicherungsmittel mit Null bewerten.

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aa) Dazu ist vorweg zu bemerken: Bei der Bewertung eines Vermögensgegenstandes als "bankmäßige Sicherheit" handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Es wird eine Antwort auf die Frage gesucht, welchen Erlös dieser Vermögensgegenstand im Falle der Verwertung unter den Bedingungen der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit und/oder Betriebsstillegung des Schuldners haben wird (sog. "Zerschlagungswert"). Die Entscheidung ist um so leichter und ist um so rationaler nachprüfbar einerseits, je liquider und marktgängiger ein Sicherungsgut ist (Wertpapiere, Edelmetalle, bestimmte problemlose Massengüter), oder andererseits, je stabiler die Wertvorstellungen für langlebige, fast beliebig verwendbare Wirtschaftsgüter sind (Grundstücke und viele Arten von Gebäuden). Eine Entscheidung ist um so schwieriger bis hin zur Grenze des rational nicht mehr voll Nachprüfbaren, je weniger die vorgenannten Kriterien der Liquidität, Marktgängigkeit und stabiler Wertvorstellungen gegeben sind. Wie bei vielen anderen Prognoseentscheidungen ist zumindest in letzteren Fällen den Kreditinstituten bei der Bewertung von Sicherheiten ein Beurteilungsspielraum im Sinne einer Einschätzungsprärogative einzuräumen. Zu prüfen bleibt, ob das Kreditinstitut ein ordentliches Verfahren beachtet, d. h. die Vorstellungen des Sicherungsgebers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen und die ihm offenstehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, und ob es seine Beurteilung frei von sachfremden Motiven und Erwägungen, d. h. frei von Willkür und unter Beachtung vergleichbarer Fälle vorgenommen hat. Das ist hier geschehen.

64

bb) Ausgangspunkt aller Erwägungen hat zu sein, daß das ... Verfahren der R. noch nicht großtechnisch erprobt war. Es war - unstreitig - für den Beklagten das erste aller Ziele, daß die F. erstmalig eine Pilotanlage aufbaute, die als Demonstrationsobjekt dienen konnte (Niederschrift über die Besprechung im Niedersächsischen Finanzministerium vom 3. April 1980, S. 7, Hefter K 480 Nr. 3). Die großtechnische Anwendung des Verfahrens war mithin mit einem Risiko behaftet. Es mag sein, daß der Beklagte als Chemiker und auch als Geschäftsmann vom Funktionieren seiner Technologie überzeugt war. Aber dieser Beurteilungsstandpunkt ist ein anderer als der der Klägerin als eines Kreditinstituts. Diese mußte, bei vorsichtiger Bewertung der Abtretung der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. als Kreditsicherheit, dieses Risiko beachten. Insoweit unterscheidet sich die Bewertung der Rechte der F. aus dem Vertrag mit der R. grundlegend von der Bewertung einer Lizenz, die der Lizenznehmer von einem Lizenzgeber nimmt, der das Verfahren bereits großtechnisch angewendet und damit dessen Funktionieren bewiesen hat. Im letzteren Falle ist es möglich, den Wert einer Lizenz mit Hilfe einer Wirtschaftlichkeitsberechnung nach den Faktoren Kosten der Lizenz, der Produktion und des Vertriebs einerseits und den Erlösen andererseits betriebswirtschaftlich einigermaßen exakt zu errechnen. So ist das Gutachten S. vorgegangen, allerdings unter Berücksichtigung der - streitigen - Finanzierungs- und Vertriebsrisiken der F. Der Senat legt das Gutachten S. seiner Entscheidung nicht zugrunde. Denn der Wert der Rechte der F. aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag mit der R. hing - und hängt - nicht primär davon ab, ob die F. aufgrund von für sie spezifischen Finanzierungsschwierigkeiten und aufgrund von noch nicht gelösten Problemen des Vertriebes des ... und/oder einer Diversifikation der Produktion mit der Pilotanlage scheitert oder nicht. Denn das sagt zunächst nichts darüber aus, ob das ...-Verfahren etwas taugt oder nicht. Allerdings bleibt zu beachten, daß der Wert von Verfahrenspatenten und insbesondere von Know-How mit der Zeit dadurch ausgehöhlt wird, daß die Konkurrenz ebenfalls weiter forscht und insbesondere durch Verbesserungen des Know-How ihrer Verfahren den Rückgriff auf Patentlizenzen anderer unterläuft. Für den hier in Rede stehenden Zeitpunkt spielte das aber noch keine entscheidende Rolle. Gerade daraus folgt aber umgekehrt, daß eine rationale Bewertung der Rechte aus dem Vertrag R./F. in den Jahren 1975 bis 1980/81 mit einem bestimmten DM-Betrag nicht möglich war.

65

cc) Daß die Behauptungen des Beklagten zu den chemischen und verfahrenstechnischen Vorteilen des ...-Verfahrens, seiner Anwendungsbreite, zum Umfang der bestehenden Schutzrechte und vor allem zum angeblichen tatsächlichen und finanziellen Aufwand von R./Q. für Forschung und Entwicklung ebenso unbeachtlich bleiben müssen, wie die Anschaffungskosten im Verhältnis R./F., folgt aus der Erwägung, daß die Kosten einer technologischen Entwicklung nichts Endgültiges für ihre Brauchbarkeit im großtechnischen Maßstab aussagen, und zwar weder von der chemisch-verfahrenstechnischen noch von der finanziellen Seite her. Dabei geht es nicht darum, dem Verfahren zu attestieren, daß es nur keine oder nur eine ungenügende Chance für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg habe. Aus der Sicht eines Chemikers, eines Verfahrensingenieurs und/oder risikofreudigen Unternehmers mag das Verfahren eine große Chance der technologischen Innovation und des wirtschaftlichen Erfolges versprechen. Das aber ist - zulässigerweise - nicht die Sicht der Klägerin. Diese kann ihrer Einschätzung auch das Scheitern des Verfahrens zugrundelegen, auch wenn dieses unwahrscheinlicher als der Erfolg ist. Sie hat sich insoweit den ihr zur Kenntnis gebrachten Argumenten der F. und des Beklagten, die in den Verhandlungen des Jahres 1980 ausgesprochen worden sind (z. B. bei den Gesprächen über eine Zwischenfinanzierung mit der ... vgl. Aktenvermerk der Klägerin, vom Beklagten vorgetragen, S. 14 - Bd. II Bl. 270 d.A.) nicht verschlossen. Dabei ist darauf abgehoben worden, daß der Wert der Sicherheiten eben davon abhänge, daß die Produktion (und der Vertrieb) erfolgreich anlaufe. Daß dann, wenn der großtechnische Erfolg des Verfahrens nachgewiesen war, über die Bewertung der Abtretung des dann möglicherweise wichtigsten Vermögensgegenstandes der F., nämlich der Lizenzen und des Know-How, neu verhandelt werden mußte, und zwar unter den verschiedendsten Blickpunkten, nämlich möglicherweise wegen erheblicher zusätzlicher Kredite für eine zweite Ausbaustufe und/oder der Vergabe von Unterlizenzen oder schlicht wegen einer Freigabe, ist eine andere Frage, die der Senat nicht zu entscheiden hat; insoweit ist lediglich auf Nr. 21 Abs. 4 Satz 2 der AGB der Klägerin zu verweisen, wodurch die Klägerin verpflichtet wurde. Sicherungsgegenstände nach ihrer Wahl freizugeben, soweit sie diese nach ihrem billigen Ermessen nicht mehr benötigte, und wobei evident ist, daß ein Kreditinstitut in einem solchen Falle nach Treu und Glauben in erster Linie gehalten gewesen wäre, die Lizenzen als völlig atypisches Mittel der Kreditsicherung wieder zurückzugeben,

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dd) Dem Umstand, daß gemäß Nr. 7 des Sicherungsabtretungsvertrages vom 27. März 1979 (Hefter B 62 Nr. 7) die R. das Recht hatte, im Falle der Verwertung der Sicherungsrechte von der Klägerin die Rückabtretung der Nutzungsrechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. gegen Ausgleich der zu sichernden Forderungen zu verlangen, kommt keinerlei Beweiswert für die Werthaltigkeit dieser Sicherheit zu. Es liegt neben der Sache, daraus zu schließen, daß die Klägerin den Wert dieser Rechte mit 2,7 Mio. DM für den Fall der "Zerschlagung" bewertete, sondern es ist lediglich so, daß die R., d. h. der Beklagte, die Chance haben wollte, die Nutzungsrechte im Falle des Zusammenbruchs der FAC dadurch an sich zu ziehen, daß er die Klägerin schadlos hielt. Damit ist wiederum nur ein Indiz dafür gegeben, daß der Beklagte jedenfalls von der Chance überzeugt war und/oder diese jedenfalls nicht ohne weiteres aus der Hand geben wollte, mit dem ...-Verfahren unternehmerischen Erfolg zu haben.

67

ee) Es trifft auch keineswegs zu, daß die Klägerin gehalten wäre, die Nutzungsrechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. mit mindestens 750.000,00 DM zu bewerten. Es spricht zwar einiges dafür, daß sich ein Kreditinstitut beim Verlangen zusätzlicher Sicherheiten nach Treu und Glauben an einer selbst vorgenommenen Bewertung vorhandener Sicherheiten festhalten lassen muß, wenn nachträglich keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine Korrektur hervorgetreten sind. Zur Abwehr des Vorwurfs der Übersicherung, um die es hier geht, bleibt es dem Kreditinstitut aber unbenommen, nachträglich schärfere Bewertungsmaßstäbe ins Feld zu führen. In diesem Zusammenhang leuchtet es dem Senat ohne weiteres ein, daß der Betrag von 750.000,00 DM für die Klägerin ein interner "Merkposten" war, von dem aus auf eine endgültige Bewertung des Wertes dieser Sicherheit nicht geschlossen werden kann. Daß die Klägerin, unstreitig veranlaßt durch den Landeskreditausschuß, gleichwohl Wert darauf legte, diese nicht einmal "satzungsmäßige" Sicherheit hereinzunehmen, erklärt sich zwanglos aus der weiteren Überlegung, daß während der Aufbau- und Anlaufphase gewährleistet sein sollte, daß die F. sowohl Inhaberin der Produktionsstätte als auch der Verfahrensrechte blieb, um ein vorzeitiges Aussteigen aus dem Projekt durch Weiterübertragung der Verfahrensrechte unter Hinterlassung einer unfertigen, weitgehend wertlosen Produktionsstätte zu verhindern. Dieses Sicherungsstreben ist nicht unter den Begriff der finanziellen Übersicherung zu bringen, sondern im Rahmen der sonstigen Bedingungen der Landesbürgschaft zu erörtern (unten 2.).

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ff) Schließlich wird eine Werthaltigkeit der der Klägerin sicherungshalber abgetretenen Nutzungsrechte nicht durch § 12 des Lizenz- und Know-How-Vertrages R./F. vom 28. Juni 1975 (Hefter B 62 Nr. 8) begründet, wonach "R. die technologische Durchführbarkeit des Verfahrensgegenstandes garantiert". Diese "Garantie" gewährleistet nicht, daß das Verfahren großtechnologisch funktioniert, sondern sie gibt für den Fall, daß Schwierigkeiten beim Anlaufen der Produktion auftreten, eine Reihe von Ansprüchen, die unterschiedlicher Art. und je nach den Umständen nur sehr schwer durchsetzbar sein können. So dürfte als erstes die Klausel dahingehend auszulegen sein, daß F. mit dem Beweis belastet ist, daß ein praktisches Nichtfunktionieren seine Ursache im Bereich der Verfahrensrechte der Reutec und des lizensierten Know-How hat und nicht im Bereich der Umsetzung in den großtechnischen Maßstab durch die F. Weiter dürfte sich die Frage stellen, ob Ansprüche der F. zunächst auf Nachbesserung zu begrenzen sind, bevor Schadensersatz wegen Nichterfüllung gefordert werden könnte, wobei wiederum die F. beweisbelastet für die haftungsausfüllende Kausalität wäre. Das alles braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden. Es genügt die Feststellung, daß die "Garantie der technologischen Durchführbarkeit" durch die R. gegenüber der F. für die Klägerin keine entscheidende Veränderung der Grundlagen ihrer Beurteilung bilden konnte. Für die Klägerin hing die Bedienung ihrer Kredite durch die F. davon ab, daß diese erfolgreich produzierte und ihre Produkte verkaufte. Ein völlig Ungewisser, im Streitfalle nur gerichtlich mit erheblichen Risiken durchsetzbarer Schadensersatzanspruch der F. gegen R. schied als Sicherungsmittel von vornherein aus.

69

gg) Nach alledem kommt es auf die Behauptungen der Klägerin über ein "Vorschieben" der Q. durch den Beklagten mit dem Ziel, durch eine Verschleierung des wirklichen Wertes der Verfahren Profit zu machen, nicht an. Auch ohne dies durfte und darf die Klägerin den Wert der Verfahrensrechte als bankmäßige Sicherheit mit Null bewerten. Daran ändern schließlich auch nichts die Behauptungen des Beklagten dazu, daß sich verschiedene andere Interessenten um die Verfahrensrechte bemüht hätten. Diese Behauptungen sind insoweit unsubstantiiert, als konkrete, feste Angebote - außer dem der Q. Anfang 1981 - nicht vorgetragen worden sind. Das gilt auch für das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 26. Mai 1982 bezüglich des Interesses der V. das Schreiben dieses Unternehmens vom 18. März 1982 an den Geschäftsführer der F. (Bd. III Bl. 596 d.A.) zeigt im übrigen, daß das Unternehmen Interesse am Grundstück, den Gebäuden und den bisher fertiggestellten Anlagen zeigt, von einer Lizenznahme ist kein Rede. Im übrigen wäre das Vorbringen insoweit, wenn es erheblich wäre, als prozessual verspätet zurückzuweisen. Zum Angebot der Q. (Lizenz-Kaufvertrag vom 20. Januar 1981, Hefter B 62 Nr. 22) ist zu sagen, daß es sich dabei offenkundig um nichts anderes handelt als um die Zurückleitung der Lizenzen in die ... auf demselben Wege, wie sie nach dem Vortrag des Beklagten selbst an die F. gelangt sind, nämlich mit R. als Bindeglied zwischen Q. und dem deutschen Lizenznehmer. Unbeschadet dessen, daß der beherrschende Einfluß des Beklagten auf die Q. als bestritten festzustellen ist, rechtfertigt diese Rückführung durch die R. keine anderen Schlüsse als die Ausübung des Rücknahmerechts der R. gegenüber der Klägerin (dazu oben dd)). Im übrigen konnte das, weil nach der Fälligstellung der Kredite geschehen, in die Beurteilungsmaßstäbe der Klägerin seinerzeit überhaupt nicht eingehen.

70

d) Die Bewertung der Grundschulden, deren Nominalwert unstreitig höher ist als der Wert des belasteten Grundstücks, richtet sich nach dem Wert eben dieses Grundstücks. Das Ergebnis der Wertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren (Hefter K 399 Nr. 2) ist zwischen den Parteien unstreitig; der Verkehrswert beträgt danach 1.680.000,00 DM. Da sich im Zwangsversteigerungsverfahren solcher Grundstücke der volle Verkehrswert selten erreichen läßt, ist hiervon ein Abschlag zu machen. Ob dieser ca. 1/3 betragen muß, wie die Klägerin ausführt, kann dahinstehen. Der Senat rechnet mit einem Abschlag von ca. 25 %, gegen den sich auch der Beklagte nicht ernsthaft gewendet hat (vgl. Bd. III Bl. 463 d.A.: "mehr als 1 Mio. DM"), und schätzt den "Zerschlagungswert" für das Grundstück und die aufstehenden Gebäude ohne die Maschinen und maschinellen Anlagen, die möglicherweise als Bestandteile des Grundstücks für die Grundpfandrechte mithaften, auf 1,2 Mio. DM. Dabei ist für die Bewertung dieser Sicherheit das Rangverhältnis der Grundpfandrechte untereinander mit Bezug auf die landesverbürgten Kredite und auf den von der Klägerin gewährten Investitionskredit, für den keine Bürgschaften hereingenommen worden sind, unbeachtlich, weil das Engagement der Klägerin insgesamt zu beurteilen ist und im übrigen die Grundpfandrechte sich untereinander für den Fall des Ausfalls ergänzen.

71

e) Der Verkehrswert der Maschinen und maschinellen Anlagen beträgt nach der Wertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren und dem ihr zugrundeliegenden Gutachten des vereidigten Sachverständigen D. (Hefter K 399 Nr. 2 und Nr. 4) 384.000,00 DM bzw. 340.020,00 DM. Der Senat geht mit dem Versteigerungsgericht von 384.000,00 DM aus und ermäßigt diesen Betrag für den Fall der "Zerschlagung" auf 350.000,00 DM. Der Sachverständige D. hat bei seinem Gutachten bereits die Schwierigkeiten der allgemeinen und speziellen Wiederverwendbarkeit der einzelnen Anlagenteile, d. h. also deren schwere Verkäuflichkeit, berücksichtigt. Da das Gutachten vom Oktober 1981 datiert, erhöht der Senat diesen Betrag zugunsten des Beklagten auf 0,5 Mio. DM. Auf die Einwendungen des Beklagten gegen das Gutachten D. einzugehen, war der Senat im übrigen nicht gehalten. Die Klägerin hat insoweit behauptet, die Anlagen und Anlagenteile hätten nur "Schrottwert", weil es sieh weitgehend um Spezialanfertigungen handele, deren Wiederverwendbarkeit schwierig sei. Hiergegen hat sich der Beklagte mit dem Argument gewandt, die Anlagen seien allgemein zur Herstellung chemischer Produkte geeignet, die gegenüber den Buchwerten niedrige Bewertung durch den Sachverständigen sei deshalb ungerechtfertigt. Dieses Vorbringen ist nicht ausreichend substantiiert. In den Anschaffungs- und damit Buchwerten für derartige Anlagen stecken hohe Montagekosten und Kosten für Installationen, die für den Fall der Zerschlagung völlig nutzlos auf gewendet sind. Schon von daher hat das Gutachten D. eine gewisse Plausibilität für sich. Es wäre danach Aufgabe des Beklagten gewesen, für die Anlagenteile im einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen seine Auffassung von der Schätzung des Gutachters abweicht. Das wäre auch unschwer möglich gewesen, weil die Abschläge, die der Gutachter für den Verkehrswert gegenüber dem Anlagenwert gemacht hat, durchaus unterschiedliche Prozentsätze aufweisen, so sind z. B. die Werte von Tanks und Behältern teilweise mit mehr als 1/3 der Anlagenwerte angesetzt, ähnlich ist die Situation bei Pumpen, während Dünnschichtverdampfer (lfd. Nr. 2.1.32, S. 7 und Bl. 2 des Gutachtens) mit einem Anlagenwert von 208.000,00 DM nur noch mit 10.000,00 DM bewertet worden sind. Hier wären Möglichkeiten für eine qualifizierte Kritik des Gutachtens D. gewesen, daß diese nicht ausgenutzt worden sind, geht zu Lasten des Beklagten, weil der Senat zur Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne ein derartiges qualifiziertes Bestreiten nicht verpflichtet war.

72

f) Die durch den Sicherungsübereignungsvertrag (Raumsicherungsvertrag) übereigneten Warenvorräte spielen für den Zeitraum, über den der Senat unter dem Blickpunkt der Übersicherung zu entscheiden hat, keine Rolle, weil die FAC die Produktion noch nicht aufgenommen hatte und deshalb Warenvorräte nicht vorhanden waren. Es handelt sich um eine "Reservesicherheit", durch deren Bestellung die F. - zunächst - keinen Verlust an wirtschaftlicher Freiheit erleiden konnte, weil sie als Kreditunterlage für Dritte nicht in Betracht kam; erst zu einem späteren Zeitpunkt, für den dann wiederum Nr. 21 Abs. 4 Satz 2 der AGB der Klägerin gilt, konnte diese Sicherungsübereignung Bedeutung gewinnen.

73

g) Hiernach ergibt sich unter dem Blickpunkt der Übersicherung folgende Zusammenfassung der der Klägerin gewährten Sicherheiten:

(1) Bürgschaften0,00 DM
(2) Landesbürgschaften0,00 DM
(3) Rechte aus dem Lizenz- und Know-How -
Vertrag0,00 DM
(4) Grundschulden, nur Grundstück und
Gebäude1.200.000,00 DM
(5) Maschinen und maschinelle Anlagen500.000,00 DM
(6) Sicherungsübereignung Vorräte
(Raumsicherungsvertrag)0,00 DM
1.700.000,00 DM
74

Dem standen Kreditzusagen in Höhe von 3,5 Mio. DM gegenüber. Nach dem Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz kann die Valutierung der Kredite, wie sie im Kündigungsschreiben der Klägerin vom 15. Januar 1981 (Bd. I Bl. 44/46 d.A.) angegeben worden ist, als im Ergebnis nicht mehr bestritten gelten (wenn auch die Zeitpunkte der Valutierung und die daraus sich ergebenden Nebenleistungen als streitig angesehen werden müssen). Dann aber ist offenkundig, daß auch bereits die herausgelegten Beträge die unter dem Blickpunkt der Übersicherung zu bewertenden Sicherheiten erheblich überstiegen.

75

2. Keine Knebelung durch Übernahme (nahezu) des gesamten Vermögens der F. durch die Klägerin.

76

Unter dem Blickpunkt der sittenwidrigen Knebelung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB ist, wie eingangs dargelegt, die Übernahme "nahezu" des gesamten Vermögens eines Schuldners durch den Gläubiger in erster Linie danach zu beurteilen, über welche seiner Vermögenswerte der Schuldner noch für die aktive Führung seines Unternehmens verfügen kann, welche unternehmerische und Dispositionsfreiheit ihm noch verbleibt. Die vom Beklagten und von C. in seinem Privatgutachten vom 8. Januar 1981 angezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH WM 1978, 1400) besagt nichts anderes. Danach gilt für den vorliegenden Fall:

77

a) Durch die Grundschulden im Nominalwert von 3,5 Mio. DM wurde das unbewegliche Anlagevermögen der F., d. h. das Betriebsgrundstück nebst aufstehenden Gebäuden und Maschinen und maschinellen Anlagen, soweit diese als Grundstücksbestandteile für die Grundpfandrechte hafteten, für weitere Kreditaufnahmen vollständig blockiert. Eine weitere Beleihungsfähigkeit war nicht gegeben, wie sich aus den oben ermittelten Verkehrswerten ergibt. Die Sicherungsübereignung von Maschinen und maschinellen Anlagen, soweit diese noch Gegenstand selbständiger Rechte sein konnten, tritt ergänzend hinzu. Darin vermag der Senat keinen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB zu sehen. Im Gegenteil: Daß die "Hausbank", als welche die Klägerin im Verhältnis zur F. anzusehen ist, zunächst einmal ihre langfristigen Investitionskredite, hier also ein Kreditvolumen über 2,5 Mio. DM, durch Grundpfandrechte am Anlagevermögen sichert, ist das Schulbeispiel jeder Fremdfinanzierung; daran ändert nichts, daß der Betriebsmittelkredit über 1,0 Mio. DM an diese Grundpfandrechte noch gewissermaßen "angehängt" wurde, zumal Herauslage und Rückführung auch dieses Kredites in die Zukunft wiesen. Wenn ein Schuldner, wie hier die F., ein Kreditvolumen beansprucht, für das als erste Sicherheit das gesamte Anlagevermögen geradezustehen hat, so kann unter dem Blickpunkt der Übernahme des "nahezu" gesamten Vermögens nicht von einer sittenwidrigen Knebelung gesprochen werden, denn diese Sicherung der Kredite durch Grundpfandrechte am Anlagevermögen ist der Preis, den der Schuldner legitimerweise für diese Fremdfinanzierung leisten muß. Dabei ist ausschlaggebend, daß das Anlagevermögen nicht zur Veräußerung bestimmt ist, sondern nachhaltig die Erträgnisse erwirtschaften soll, aus denen die langfristigen Investitionskredite zu bedienen sind. Insoweit korrespondieren Sicherheiten und Sicherungszweck. Der Schuldner behält die volle wirtschaftliche Nutzung seines Anlagevermögens nach Maßgabe des Zweckes, dem er dieses gewidmet hat. Daß er es - entsprechend dieser Widmung - nicht veräußern kann, und daß es wegen Erschöpfung der Beleihungsfähigkeit als weitere Kreditunterlage nicht mehr zur Verfügung steht, beeinträchtigt die unternehmerische Freiheit nicht in einem unzumutbaren Ausmaß und führt für sich genommen nicht zu einer unerträglichen Abhängigkeit.

78

b) Die Sicherungsabtretung der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F. ist nach den gleichen Kriterien zu beurteilen wie die Erfassung des Anlagevermögens durch die Grundpfandrechte. Die technologischen Nutzungsrechte dienten ebenfalls der nachhaltigen Gewinnerzielung, sie waren auf die Produktionsstätte bezogen, deren Errichtung die Investitionskredite, und deren Betriebsbeginn die übrigen Kredite der Klägerin galten. In der Nutzung der Rechte in der eigenen Produktion und durch die Vergabe von Unterlizenzen wurde die F. nicht behindert.

79

c) Bei der Sicherungsübereignung der Warenvorräte ist entscheidend, daß die F. berechtigt blieb, über ihre Produktion im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu verfügen und die Erlöse aus dem Verkauf einzuziehen. Der Zugriff der Klägerin auf die Warenvorräte der F. und die Erlöse des Produktenverkaufs hing von der Voraussetzung ab, daß der Sicherungsfall eintrat, d. h. daß die Klägerin infolge Kündigung der Kredite das Recht zur Verwertung der Sicherheiten erwarb. Bis dahin blieb die unternehmerische Dispositionsfreiheit der F. unangetastet. Sie behielt insoweit die Befugnis zu verfügen, sie büßte lediglich die Möglichkeit ein, ihre Vorräte und Kundenforderungen als Sicherheit gegenüber Dritten einzusetzen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, daß die Sicherungsübereignung des Warenlagers und die damit zusammenhängenden Sicherungszessionen aus dem Produktenverkauf nicht auf eine Vermögensübernahme gerichtet sind, sondern lediglich Sicherungsrechte an einem stets wechselnden Bestand von Vermögensgegenständen begründen (vgl. BGHZ 71, 306 [BGH 10.05.1978 - VIII ZR 166/77]; BGH NJW 1981, 1835 [BGH 13.05.1981 - VIII ZR 117/80]), Vorräten und Produkten zumal, deren Anschaffung und/oder Herstellung durch die Kredite der Klägerin ermöglicht werden sollte.

80

d) Frei blieb die Klägerin im Hinblick auf die Schaffung weiteren Eigenkapitals, ihr verblieb die uneingeschränkte Befugnis, ausstehende Einlagen auf das Kommanditkapital und ausstehende Einlagen stiller Gesellschafter einzuziehen (darin liegt u. a. der entscheidende Unterschied zur Entscheidung BGH WM 1978, 1400). Angesichts des Umstands, daß unstreitig Einlagen im Nominalwert von mehr als 1 Mio. DM ausstanden, und daß es der F. unbenommen war und es jedenfalls im Sinne der Klägerin lag, die Finanz Struktur der F. durch die Aufnahme weiterer Kommanditisten und/oder stiller Gesellschafter zu stärken, war diese Freiheit für die F. durchaus wesentlich. Denn durch die Verstärkung der Eigenkapitalbasis waren Fremdfinanzierungen vermeidbar, möglicherweise abbaubar, jedenfalls waren auch die Bedingungen der Fremdfinanzierung und die dafür gewährten Sicherheiten veränderbar. So hätte eine funktionierende Produktionsanlage den Wert der Grundpfandrechte wesentlich erhöht, und es wäre möglicherweise Raum gewesen, die Sicherungsübereignung der Vorräte nachträglich gemäß Nr. 21 Abs. 4 Satz 2 der AGB der Klägerin zu beseitigen. Alles das brauchte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es geht lediglich darum darzutun, daß von einer sittenwidrigen Knebelung im Sinne eines unerträglichen Freiheitsverlustes durch "Übernahme nahezu des gesamten Vermögens" keine Rede sein kann.

81

3. Keine sittenwidrige Knebelung durch die übrigen Bedingungen der Darlehensverträge FB 3251 (R 181) und FB 3252.

82

Der Begriff der "guten Sitten" ist auszufüllen mit den Wertmaßstäben der herrschenden Rechts- und Sozialmoral und mit dem Bestand an Normen, die diese Moral prägen und ihrerseits durch sie beeinflußt sind. Deshalb kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht ganz unbeachtet bleiben, daß - soweit ersichtlich - bisher die üblichen Auflagen und Kontrollbefugnisse des Landeskreditausschusses und/oder der einen landesverbürgten Kredit gewährenden Sparkasse oder Bank noch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB vor Gericht in Zweifel gezogen worden sind. Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, daß die Auflagen und Kontrollbefugnisse das Maß des Hinnehmbaren überschreiten. Allerdings kann der Senat der Klägerin nicht darin folgen, im Verhältnis zwischen ihr und der F. sei § 138 BGB insoweit nicht anwendbar, als es um Regelungen gehe, die nicht ihrer, der Klägerin, sparkassenüblichen Praxis entsprächen, sondern die eben nur darauf beruhten, daß das Land ... wegen der Landesbürgschaften darauf bestanden habe. Die Tatsache, daß die Auflagen und Kontrollbefugnisse nur auf dem Hintergrund der gewährten Landesbürgschaften verständlich sind, ändert nichts an der privatrechtlichen Verantwortlichkeit der Klägerin als Sparkasse für den Inhalt der mit der F. geschlossenen Verträge. Insofern muß sich die Klägerin an den Normen des Privatrechts messen lassen, und es gibt keine Norm, die das Land ... bei der Gewährung öffentlicher Finanzhilfen von den Bindungen des Privatrechts freistellen kann. Insofern hat der Beklagte Recht, daß sich die Klägerin nicht hinter dem Landeskreditausschuß "verstecken" kann. Das ändert indessen nichts daran, daß die Tatsache, daß es sich um landesverbürgte Kredite handelt, ein Element der Beurteilung dafür ist, ob eine sittenwidrige Knebelung vorliegt oder nicht. Sie liegt nicht vor.

83

a) Die erste Erwägung ist, daß sämtliche Auflagen und Kontrollbefugnisse der Darlehensverträge auch zusammen genommen der Klägerin nicht die Möglichkeit eröffneten, die Geschäftspolitik der F. aktiv zu beeinflussen. Die Bedingungen geben der Klägerin keinerlei Initiativrechte, Befugnisse also von der Art, gegen den Willen der F. die Unternehmenspolitik in eine bestimmte Richtung zu drängen. Das wahrt die "unternehmerische Entschließungsfreiheit" in einem weitesten Sinne.

84

b) Die Bestimmungen über "Berichterstattung und Prüfung" (Nr. 7 der Darlehensbedingungen) gehen in der Substanz nicht über das Verlangen einer beliebigen kreditgebenden Bank hinaus, in regelmäßigen Abständen testierte Bilanzen vorgelegt zu bekommen. Daß die Einschaltung von Rechnungshöfen das Verfahren verlangsamt und bürokratisiert, hängt mit der Eigenart der öffentlichen Wirtschaftsförderung zusammen, bringt sicherlich Verzögerungen und Verärgerungen, begründet aber deshalb, weil sich die F. auf diese Art. der Kreditgewährung eingelassen hat, kein relevantes Argument für den Vorwurf der Knebelung.

85

c) Die Zustimmungsbefugnisse des Landeskreditausschusses gemäß Nr. 8 Abs. 1 des Darlehensvertrages sind einschneidend. Sie geben zwar - wie gesagt - weder dem Landeskreditausschuß noch der Klägerin irgendeine Möglichkeit zur Eigeninitiative, sie binden aber - um den Preis des Widerrufs der Bürgschaften und damit der Kündigung der Kredite - Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung der F. für wesentliche Änderungen der Geschäftspolitik. Sie fixieren den "Status quo". Da indessen die Gewährung der Landesbürgschaften und damit die Eingehung der Kreditverpflichtung der Klägerin gerade diesen "Status quo" zur Geschäftsgrundlage hat, kann darin keine unangemessene Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit gesehen werden. Das deshalb nicht, weil die Zustimmung des Landeskreditausschusses lediglich aus Gründen versagt werden kann, die nach dessen Meinungsbildung, auf die die F. selbstverständlich einen Einfluß hat, in schädlichen Folgen für die F. bestehen. Mit anderen Worten: Gemessen an objektiven Maß Stäben decken sich für die in Nr. 8 Abs. 1 genannten Maßnahmen, insbesondere für wesentliche Änderungen des Unternehmensgegenstandes, für die Eingehung von Beteiligungen und für die Änderungen des Personenkreises der Gesellschafter, die Interessen des Landes und der F.; objektiv der F. nützende unternehmerische Entscheidungen muß der Landeskreditausschuß in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens billigen. Divergenzen in der Meinungsbildung müssen dann notfalls gerichtlich ausgetragen werden, da zweifellos ein (zivilrechtlicher) Anspruch auf loyales Verhalten besteht, d. h. sich das Ermessen (zivilrechtlich) des Landeskreditausschusses auf Null reduzieren kann. Insoweit ist - ohne daß das hier näher vertieft werden kann - das Land durch den Bürgschaftsvertrag mit der Klägerin die Verpflichtung eingegangen, zugunsten der F. der Erteilung oder Verweigerung seiner Zustimmung keine sachfremden Motive zugrundezulegen. Sowohl die tatsächliche wie die Rechtslage sind völlig anders gegenüber der Situation, daß sich ein Gesellschafter oder eine Unternehmensführung ihrer eigenständigen Entscheidungsbefugnisse in das Belieben eines anderen entäußert.

86

d) Bedenken begegnet vom Wortlaut her die Bestimmung Nr. 8 Abs. 6, wonach Erweiterungsinvestitionen der vorherigen Zustimmung der Klägerin bedürfen. Indessen sind diese Bedenken mit dem Argument auszuräumen, daß die Klägerin keinerlei Recht gehabt hätte, die zweite Ausbaustufe zu verweigern, soweit die Finanzierung gesichert war. Der Senat legt insgesamt die Auflagen und die Kontrollbefugnisse der Kreditverträge dahingehend aus, daß der Landeskreditausschuß und/oder die Klägerin verpflichtet gewesen ist, alle diese Befugnisse stets und nur im Interesse der F. auszuüben, soweit das mit den ganz normalen Interessen der Klägerin als kreditgebender Sparkasse vereinbar war. Keineswegs können die entsprechenden Bestimmungen der Darlehensverträge dahingehend verstanden werden, daß der Landeskreditausschuß und/oder die klagende Sparkasse legitimiert worden wären, eigene unternehmerische Zielvorstellungen einzubringen. Diese reduzierende Auslegung der entsprechenden vertraglichen Klauseln ist zwingend, denn sie folgt aus der Prämisse der öffentlichen Wirtschaftsförderung, daß diese keine privaten, sondern nur öffentliche Ziele verfolgen darf.

87

e) Die Hintansetzung der Bedienung von Forderungen der Gesellschafter, und sei es aus Darlehen, gegenüber der Bedienung der "echten" Fremdmittel ist eine bare Selbstverständlichkeit, mag sie auch eigensüchtige Gesellschafter abschrecken. Das gilt insbesondere für Nr. 8 Abs. 7, die Zurückstellung der Verzinsung der Darlehensforderung der R. was angesichts der Umstände des Falles keiner weiteren Begründung bedarf.

88

f) Die Entsendung eines Beauftragten der Klägerin in den Beirat der F. begründet wegen der rechtlichen und faktischen Einflußlosigkeit eines derartigen Beiratsmitglieds keine Bedenken in Richtung auf eine sittenwidrige Knebelung.

89

4. Nach alledem kann nicht geleugnet werden, daß die Auflagen und Kontrollbefugnisse, die dem Landeskreditausschuß und/oder der Klägerin durch die Darlehensbedingungen eingeräumt worden sind, eine Beeinträchtigung der unternehmerischen Entschließungsfreiheit der F. bedeuten. Es kann ferner nicht hinwegdiskutiert werden, daß diejenigen Sicherheiten, die im Zusammenhang mit den landesverbürgten Krediten hereingenommen worden sind, nämlich die Abtretung der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R./F., die Bürgschaften von Gesellschaftern und die - allerdings mit einem Betriebsmittelkredit üblicherweise verbundene - Sicherungsübereignung des Warenlagers mit der daraus folgenden Sicherungsabtretung von Kundenforderungen das Sicherungsvolumen der F. ausschöpften, unbeschadet dessen, daß die vom Beklagten behauptete Solvenz der Bürgen diese zu weiteren Sicherheitsleistungen instand gesetzt hätten. Indessen folgt das aus der "Natur der Sache". Es hat als unbestritten zu gelten, daß ohne Landesbürgschaften eine nennenswerte weitere Fremdfinanzierung nicht möglich gewesen wäre, d. h. daß der Verkehrswert des Grundstücks nebst aufstehenden Gebäuden in Höhe von ca. 1,7 Mio. DM die Kreditlinie der Klägerin zwangsläufig bei höchstens 1,5 Mio. DM begrenzt hätte, anstatt bis auf 3,5 Mio. DM zu gehen. Es kann unterstellt werden, daß die zugesagte Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln für das "Innovationsprojekt" der F. dieser als Werbeargument gegenüber ihren Anlegern nur recht war; die Prospekte der F. belegen das. Daß die nicht um des privatwirtschaftlichen Risikos und des damit verbundenen Profites ins Werk gesetzte öffentliche Wirtschaftsförderung an Maßstäben orientiert sein muß, die ihr nicht den Vorwurf eintragen, auf Kosten der Bürger dieses Landes ein bloßer "Reparaturbetrieb des Kapitalismus" zu sein, liegt auf der Hand und war für den Beklagten erkennbar. Insofern geht der Private, der sich darauf einläßt, von sich aus das Risiko ein, mit diesem Partner arbeiten zu müssen, und er geht das Risiko um deswegen ein, weil er sich davon Profit verspricht. Solange ihm dabei dasjenige Maß an Eigeninitiative erhalten bleibt, dessen er bedarf, um auf der Basis des von ihm selbst geschaffenen "Status quo" vorzugehen, kann darin ein Sittenverstoß nicht gesehen werden.

Auch zusammengenommen rechtfertigen Bedingungen, Umstände und Motive der Gewährung der landesverbürgten Kredite durch die Klägerin nicht den Vorwurf der sittenwidrigen Knebelung.

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II.

Die Kündigung der Geschäftsverbindung mit der F. durch die Klägerin war gerechtfertigt und ist wirksam.

91

Der Beklagte ist zu Unrecht der Auffassung, der Klägerin habe im Januar 1981 nicht das Recht zugestanden, die Geschäftsbeziehung mit der F. aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen und die weitere Valutierung der Kredite zu verweigern. Die Hauptschuld ist deshalb fällig. Der Beklagte kann auch nicht einwenden, die Klägerin habe durch eine schuldhafte Vertragsverletzung gegenüber der F., nämlich eine nicht gerechtfertigten Kündigung zur Unzeit, den finanziellen Zusammenbruch der F. verursacht und dadurch einen erfolgreichen Rückgriff der Bürgen auf das Vermögen der Hauptschuldnerin gemäß § 774 BGB dauernd vereitelt; es kann deshalb dahinstehen, ob eine derartige schuldhafte Vertragsverletzung des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner eine Verwirkung des Bürgschaftsanspruchs gemäß § 242 BGB zur Folge haben kann (vgl. BGH WM 1958, 218, 219; MünchKomm/Pecher, BGB § 665 Rdn. 40). Denn eine Vertragsverletzung der Klägerin liegt nicht vor.

92

1. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den Betriebsmittelkredit weiter zu valutieren und aus ihm die rückständigen Tilgungs- und Zinsraten für die Investitionskredite zu bedienen. Dabei kann unentschieden bleiben, ob der Kreditvertrag der Klägerin mit der F. dahin zu verstehen ist, daß ein Anspruch der F. auf Auszahlung dieses Kredites erst bestand, wenn die F. produktionsbereit war, oder ob, wofür einiges spricht, die Kosten für Geschäftsführung und Verwaltung jedenfalls gegen Ende der Aufbauphase als laufende Kosten des Betriebes anzusehen sind, zu deren Finanzierung der Betriebsmittelkredit jedenfalls schrittweise zu valutieren war. Denn die Klägerin war berechtigt, eine etwa dahingehende Zusage gemäß § 610 BGB zu widerrufen. Darüber hinaus durfte sie die Geschäftsverbindung mit der F. insgesamt aus wichtigem Grund aufkündigen, weil schwerwiegende Umstände die Rückzahlung der Kredite als gefährdet und ungewiß erscheinen ließen, Nr. 5 e) der Darlehensverträge (Bd. I Bl. 9/10 d.A.), ferner Nr. IV. e) der "Allgemeinen Bedingungen für langfristige Darlehen" (Bd. I Bl. 40/41 d.A.). Auch unabhängig von den jeweiligen Darlehensbedingungen können Kreditverträge als Dauerschuldverhältnisse unter entsprechender Anwendung der §§ 626, 554 a BGB aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden (BGH WM 1980, 380). Das dieser entsprechenden Anwendung der Grundsätze über die außerordentliche Kündigung korrespondierende Verbot der "Kündigung zur Unzeit" - analoge Anwendung von §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2, 675, 732 Abs. 2 BGB (vgl. Canaris, ZHR 143, 115) - stand dem vorliegend nicht entgegen. Zwar bedarf es keiner näheren Begründung, daß hier eine Kündigung zur Unzeit vorlag; zu keinem Zeitpunkt vorher benötigte die F. die Kredite der Klägerin dringender als Anfang 1981. Indessen ist die Klägerin in der Lage, ihre Kündigung aus einer Abwägung der Interessenlage und unter den Blickpunkten des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens und des Rechtsmißbrauchs (vgl. dazu Canaris, ZHR 143, 114 f.) zu rechtfertigen.

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a) Anfang 1981 war die Finanzierung des Projektes der F. zusammengebrochen. Das war dem Beklagten bekannt. Mit seinem Schreiben vom 6. November 1980 (Bd. II Bl. 283/287 d.A.) kündigte er sogar namens der R. um die Interessen der R. - Gruppe zu wahren, den Lizenz- und Know-How-Vertrag Reutec/FAC vom 28. Juni/2. Juli 1975, weil nach seiner Auffassung es der F. "trotz größter Unterstützung durch die R. - Seite nicht gelungen" sei, "die Finanzierung des Projektes in ... sicherzustellen"; er äußerte (a.a.O. S. 5) die Überzeugung, daß die F. nicht mehr in der Lage sein werde, "die Fertigstellung der Anlage in einer angemessenen Frist aus eigenen Kräften zu bewerkstelligen". Daran muß sich der Beklagte festhalten lassen. Denn es kann von der Klägerin, die in der Frage, ob die Rückzahlung der Kredite noch gewährleistet war, wiederum eine Prognoseentscheidung zu fällen hatte, nicht verlangt werden, daß sie über weitergehende Erkenntnisquellen verfügte und zu einer optimistischeren Auffassung neigte als der Beklagte selbst, der von Anfang an in die Planung und Finanzierung des Projektes als maßgeblicher Ratgeber eingeschaltet war. Diese Stellung des Beklagten ergibt sich mit Deutlichkeit aus dem von ihm selbst vorgetragenen Aktenvermerk der Klägerin über die Entwicklung des Engagements bei der F. (Bd. II Bl - 257-282 d.A.). Aus diesem Vermerk ergibt sich zugleich, daß es nicht damit getan gewesen wäre, den Betriebsmittelkredit zu dem Zwecke zu valutieren, laufende Verwaltungskosten und Zins- und Tilgungsverpflichtungen abzudecken, sondern daß das Geld für die Fortführung der Investitionen fehlte. In diesem Zusammenhang hatte im März 1980 die F. u. a. für die restlichen Investitionen einen Finanzbedarf von 1,94 Mio. DM angemeldet und einen Antrag auf einen Zwischenkredit von 2,3 Mio. DM gestellt (a.a.O. S. 16). Hierüber wurde vielfach mit der Klägerin auch unter Hinzuziehung des Beklagten verhandelt, Anträge auf weitere Landesbürgschaften wurden in Erwägung gezogen. Es wurde sogar ein weiteres Darlehen über 1,5 Mio. DM genehmigt, für das allerdings im September 1980 ein Valutierungsverbot ausgesprochen wurde. Auch in der Folgezeit bildete die Frage, ob die F. "noch zu retten" war, den Gegenstand vieler Verhandlungen und Gespräche, u. a. der bereits mehrfach zitierten Besprechung im Niedersächsischen Finanzministerium. In dem Bericht der Geschäftsführung der F. für die Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 1980 (Hefter K 480 Nr. 9) wird unter Berücksichtigung, daß der Betriebsmittelkredit nicht für Investitionen zur Verfügung steht, eine Finanzierungslücke von 2,5 Mio. DM eingeräumt und als Grund dafür auch angegeben, daß einige Gesellschafter ihren Verpflichtungen zur Einzahlung von Eigenkapital nicht nachgekommen waren. Noch schlechter stellte sich die Situation Anfang 1981 dar. Der gesamte Finanzierungsbedarf für dieses Jahr betrug nach den Angaben des Geschäftsführers der F. (Bd. III Bl. 564/570 d.A.) 1,52 Mio. DM für die restlichen Investitionen und 2,68 Mio. DM für die Finanzierung des Umlauf Vermögens; dabei leiden diese Zahlen darunter, daß in ihnen die Tilgungsverpflichtungen für die Investitionskredite nicht berücksichtigt sind und der Zinsaufwand nur von einer Gesamtfremdfinanzierung in Höhe von 2,5 Mio. DM ausgeht, während die allein von der Klägerin in Anspruch zu nehmende Fremdfinanzierung 3,5 Mio. DM betragen hätte. Nach alledem mußte die Klägerin davon ausgehen, daß die Valutierung des Betriebsmittelkredites die Schwierigkeiten der F. nur kurzfristig verschieben, nicht aber beseitigen würde. Der Betriebsmittelkredit war in Höhe von ca. 128.000,00 DM valutiert worden, um Zins- und Tilgungsrückstände für 1979 zu decken. Wenn die Klägerin eingewilligt hätte, den Betriebsmittelkredit zur Bedienung dieser Rückstände für das Jahr 1980 einzusetzen, so wären weitere ca. 380.000,00 DM zur Auszahlung gekommen, d. h. der Kredit wäre in Höhe von ca. 0,5 Mio. DM per 31. Dezember 1980 in Anspruch genommen worden. Da mit Einnahmen der F. aus der Produktion frühestens im zweiten Halbjahr 1981 zu rechnen gewesen wäre, hätten die jeweils am Quartalsende fälligen Zinsen zumindest des ersten Halbjahres mit weiteren ca. 100.000,00 DM aus dem Betriebsmittelkredit bedient werden müssen. In diesem ersten Halbjahr wären auch die Kosten der Verwaltung weitergelaufen und nur aus diesem Kredit zu finanzieren gewesen. Das bedeutet mit anderen Worten, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem das Umlaufvermögen aus dem Betriebsmittelkredit hätte finanziert werden müssen, dieser praktisch aufgebraucht gewesen wäre, so daß eine weitere Fremdfinanzierung des Umlaufvermögens unumgänglich geworden wäre. Bei diesen im wesentlichen unstreitigen Tatsachen bestand keine Verpflichtung der Klägerin, den Betriebsmittelkredit weiter auszuzahlen.

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2. Allerdings ist einzuräumen, daß die der Klägerin eingeräumten Sicherheiten einem weiteren Engagement der Klägerin nicht im Wege standen. Sie reichten aus, um auch eine Auszahlung des Betriebsmittelkredites noch abzudecken. Denn insoweit müssen - anders als bei der Prüfung der Frage der Übersicherung - sowohl die Bürgschaften der Gesellschafter mit ca. 0,8 Mio. DM als auch die Landesbürgschaften berücksichtigt werden. Beide haben zusammen einen "Zerschlagungswert" von ca. 3,0 Mio. DM. Rechnet man den Zerschlagungswert der Grundpfandrechte und der Sicherungsübereignungen mit zusammen 1,7 Mio. DM hinzu, so ergibt sich ein Gesamtbetrag von 4,7 Mio. DM. Damit war das Risiko der Klägerin auch unter Berücksichtigung im Falle eines Zusammenbruchs der F. auflaufender Zinsen hinreichend gedeckt, zumal die Klägerin nach Nr. 31 der Bürgschaftsrichtlinien des Landes (Bd. I Bl. 16/21 d.A.) das Land bereits bei erwiesener Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners und vor Verwertung noch vorhandener Sicherheiten in Anspruch nehmen konnte, wenn seit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5 Monate verstrichen waren. Insoweit, d. h. bei der Antwort auf die Frage, ob die Klägerin für die Aufrechterhaltung des Engagements hinreichend gesichert war, sind die Ausfallbürgschaften des Landes wie jede andere Sicherheit zu behandeln, der Klägerin war es nicht erlaubt, die Geschäftsverbindung mit der F. zur Unzeit abzubrechen, nur um das Land als Bürgen zu schonen. Indessen setzt die Verpflichtung eines Kreditinstitutes, trotz Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners das Kreditengagement fortzusetzen, weil ausreichende Sicherheiten vorhanden sind, voraus, daß der Schuldner sanierungsfähig ist. Denn wenn es an der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers fehlt, so verdient dieser gegenüber einer Kündigung grundsätzlich keinen Schutz und hat erst recht keinen Anspruch auf eine zusätzliche Kreditgewährung (Canaris, ZHR 143, 133). Dabei ist es Aufgabe des Kreditnehmers, seine Sanierungsfähigkeit darzutun, dem Kreditinstitut ist dabei ein verhältnismäßig breiter Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum zuzugestehen (Canaris, a.a.O.). Dabei geht es vorliegend nicht um die Sanierungsfähigkeit im herkömmlichen Sinne, also nicht darum, anhand der Strukturen eines lebenden Unternehmens und den aus der Vergangenheit bekannten Umsätzen, Kosten und Gewinnen die Chancen für eine nachhaltige Gesundung des Unternehmens einzuschätzen. Im vorliegenden Fall ging es darum, daß die F. ihre Lebensfähigkeit überhaupt erst unter Beweis stellen mußte. Neben der oben dargestellten Tatsache, daß die weitere Finanzierung der Investitionen nicht gewährleistet war, konnten deshalb bei der Meinungsbildung der Klägerin auch weitere, auf wirtschaftlichem Gebiet liegende Risikofaktoren eine Rolle spielen, so das insgesamt pessimistische Ergebnis der Besprechung im Niedersächsischen Finanzministerium am 3. November 1980 (Hefter K 480 Nr. 3), an welcher der Geschäftsführer der F. und der Beklagte teilnahmen, und in der insbesondere der Beklagte nicht in der Lage war, die mit dem Vertrieb des ... verbundenen Bedenken auszuräumen. Nach alledem ist festzustellen, daß der Klägerin Anfang Januar 1981 kein schlüssiges Konzept für die Sanierung der F. vorlag. Deshalb war sie, trotz ausreichender Sicherheiten, nicht verpflichtet, ihr Engagement fortzusetzen.

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3. Schließlich ist das Verhalten der Klägerin nicht zu beanstanden, das der außerordentlichen Kündigung am 15. Januar 1981 voraufging. Es kann im einzelnen dahingestellt bleiben, ob und inwieweit ein Kreditinstitut verpflichtet ist, je nach den Umständen des Falles vor der Aufkündigung der Geschäftsverbindung, die erkennbar zum Zusammenbruch des Kunden führt, Verhandlungen mit dem Kunden zur Überwindung der Krise zu führen und diesen gegebenenfalls unmißverständlich auf die Konsequenzen hinzuweisen, die das Institut aus Zahlungsrückständen oder anderen Umständen ziehen will. Im vorliegenden Fall ist während des ganzen Jahres 1980 intensiv verhandelt, über die Weigerung, die rückständigen Zins- und Tilgungsraten aus dem Betriebsmittelkredit zu bedienen, ist mehrfach gesprochen worden. Die Aufkündigung der Geschäftsbeziehung konnte danach für die F. keine Überraschung mehr darstellen. Das gilt auch insoweit, als vorgetragen worden ist, daß Gesellschafter der F. über eine Auffanggesellschaft "M." 1,6 Mio. DM aufbringen wollten. Nachdem monatelang praktisch ergebnislos verhandelt worden war, brauchte sich die Klägerin hierauf nur einzulassen, wenn ihr die Aufbringung dieses Kapitals und die bindende Verpflichtung, es unverzüglich der F. zuzuführen, nachgewiesen war. Dazu hat der Beklagte nichts vorgetragen. Auf bloße Absichtserklärungen brauchte sich die Klägerin nicht mehr einzulassen, auch wenn sie bis dahin, auch durch das von ihr entsandte Beiratsmitglied, verschiedene Vorschläge der F. wohlwollend geprüft hatte. Es kann nach alledem nicht festgestellt werden, daß die Kündigung vom 15. Januar 1981 einen Widerspruch zu früherem Verhalten oder einen Rechtsmißbrauch darstellt.

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4. Die Hauptschuld aus dem Investitionskredit FB 3251 (R 181) ist deshalb in Höhe von mindestens 500.000,00 DM fällig, der Beklagte ist als Bürge zur Zahlung verpflichtet. Von einer völligen oder teilweisen Erfüllung durch die Zahlungen, die das Land ... als Abschlagszahlung aufgrund seiner Bürgschaften an die Klägerin gezahlt hat, kann keine Rede sein. Denn es handelt sich um Zahlungen gemäß Nr. 33, 31 Abs. 2 der Bürgschaftsrichtlinien, die nicht als endgültige Befriedigung der Klägerin anzusehen sind, sondern als Vorschüsse (zum Zwecke der Zinsersparnis), über die die Klägerin nach Verwertung der übrigen Sicherheiten abzurechnen hat. Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt werden, so ändert sich am Ergebnis nichts, weil dann die Klägerin gemäß Nr. 36 und 37 der Bürgschaftsrichtlinien verpflichtet und berechtigt ist, die hier streitigen Forderungen für das Land treuhänderisch geltend zu machen.

97

III.

Der Bürgschaftsvertrag ist weder teilweise noch gar vollständig (§ 139 BGB) gemäß § 9 AGBG unwirksam. Der Senat geht nicht davon aus, daß der Beklagte diese Rechtsauffassung in der Berufungsinstanz noch ernsthaft vertritt und bemerkt deshalb nur kurz: Die selbstschuldnerische Bürgschaft weicht vom gesetzlichen Bild der Bürgschaft keineswegs ab, § 349 HGB. Sie ist die übliche Form der Bankbürgschaft. Üblich ist auch der Verzicht des Bürgen auf die Einreden aus §§ 770, 768 BGB, wie er in Nr. 4 der Bürgschaftserklärung vereinbart worden ist. Dadurch wird das Wesen der Bürgschaft, die Abhängigkeit vom Bestand der Hauptschuld, nicht berührt. Von einer unangemessenen Benachteiligung des Bürgen kann deshalb keine Rede sein. Das gilt auch für Nr. 3 der Bürgschaftserklärung. Es stellt keine "Überraschungsklausel" dar, wenn bei einer Höchstbetragsbürgschaft "zuzüglich Nebenleistungen" unter eben diesen Nebenleistungen Zinsen, Provisionen und Kosten zu verstehen sind, und diese auch dann, wenn dadurch die Bürgschaftssumme überschritten wird (vgl. BGHZ 77, 256).

98

IV.

1. Eine Vermögensübernahme im Sinne des § 419 BGB, aus welcher der Beklagte irgendwelche Rechte herleiten könnte, liegt eindeutig nicht vor. Die Bestellung von Grundpfandrechten, auch wenn diese - wie hier - den Wert eines Grundstücks eines Schuldners wirtschaftlich aushöhlt, vermag nicht den Tatbestand des § 419 BGB zu erfüllen (MünchKomm/Möschel, BGB § 419 Rdn. 26; BGHZ 54, 101, 105) [BGH 03.06.1970 - VIII ZR 199/68]. Danach müssen die wertvollsten Bestandteile des Anlagevermögens der F., nämlich das Grundstück mit aufstehenden Gebäuden und den Maschinen und den maschinellen Anlagen, soweit diese für die Grundpfandrechte haften, als nach wie vor der F. gehörend angesehen werden. Schon daran scheitert die Anwendung des § 419 BGB, so daß es auf die Frage, wie die Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen zu behandeln sind, nicht mehr ankommt. Nach zutreffender Auffassung (MünchKomm/Möschel, a.a.O. Rdn. 28 m.w.N.) ist jedoch davon auszugehen, daß, weil der Sicherungsnehmer dem Schuldner und dessen Gläubigern das Vermögen nicht auf Dauer entzieht, auch hierin nicht der Tatbestand einer Vermögensübernahme liegt; das gilt erst recht, wenn - wie hier - der Schuldner berechtigt bleibt, bis zum Eintritt des Sicherungsfalles über die sicherungsübereigneten Vorräte und Forderungen im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu verfügen und aus den eingehenden Erlösen seine übrigen Gläubiger zu befriedigen. Letztlich ist darauf zu verweisen, daß der F. die Einlageforderungen gegen vorhandene und künftige Gesellschafter zur freien Verfügung blieben.

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2. Den Einwand, die Klägerin handele arglistig, weil die Prozesse gegen die Bürgen nur dazu dienten, auf diese als Gesellschafter der F. in dem Sinne Druck auszuüben, daß diese die F. veranlaßten, auf Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu verzichten, hat der Beklagte nicht ausreichend vorgetragen. Das gleiche gilt für die Unterstellung, das Land ... habe die Klägerin aus sachfremden Motiven, die gegen ihn, den Beklagten, gerichtet seien, zur Prozeßführung veranlaßt. Da nach den bisherigen Feststellungen des Senats davon auszugehen ist, daß die Aufkündigung der Geschäftsverbindung, die Fälligstellung der Kredite und die Inanspruchnahme der Bürgen - einschließlich des Landes - rechtens ist, steht zugleich fest, daß die Klägerin legitime Interessen mit legitimen Mitteln verfolgt. Nach der zu Recht erfolgten Kündigung der Kredite ist die F. zahlungsunfähig, die Klägerin ist darauf angewiesen, die ihr gegebenen Sicherheiten zu verwerten. Der Nebeneffekt, daß dadurch das Risiko des Landes aus den Landesbürgschaften zurückgeführt wird, ist in der rechtlichen Konstruktion der Ausfallbürgschaft angelegt. Ob daneben auf seiten des Landes Motivationen eine Rolle spielen, die in der Person des Beklagten ihre Ursache haben, bleibt unbeachtlich und ist inbesondere der Klägerin nicht zuzurechnen. Im übrigen könnte unterstellt werden, daß es der Klägerin darum geht, durch Druck auf die Bürgen den - wie festgestellt - unbegründeten Vorwurf der Übersicherung endlich aus der Welt zu schaffen, die Bürgen und/oder Gesellschafter zu veranlassen, sich mit dem noch fehlenden Eigenkapital bei der F. zu engagieren und alsdann das Unternehmen - im Interesse aller - doch noch zu einem Erfolg zu führen. Ein treuwidriges Verhalten könnte darin nicht gesehen werden.

100

B.

Dem Beklagten stehen gegen die Klägerin keine aufrechenbaren Ansprüche zu.

101

I.

Die Abtretung von angeblichen Schadensersatzansprüchen der F. an den Beklagten durch die Vereinbarung vom 24. März 1981 geht ins Leere. Derartige Schadensersatzansprüche stehen der F. weder unter dem Blickpunkt der sittenwidrigen Knebelung (oben A. I.) noch unter dem Blickpunkt einer positiven Forderungsverletzung durch Kündigung der Darlehensverträge zur Unzeit (oben A. II.) zu.

102

II.

Der R. sind im Zusammenhang mit der Rückübernahme der Rechte aus dem Lizenz- und Know-How-Vertrag R/F. nach der Kündigung der Geschäftsverbindung mit der F. keine Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin erwachsen. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung dem unstreitigen Umstand zuzumessen ist, daß der Beklagte bereits im November 1980 namens der R.-Gruppe den Vertrag aufgekündigt hatte.

103

1. Die Klägerin hat der R. durch Schreiben vom 15. Januar 1981 (Hefter B 62 Nr. 17) ordnungsgemäß angeboten, gemäß Nr. 7 des Sicherungsabtretungsvertrages vom 27. März 1979 (Hefter B 62 Nr. 7) die sicherungshalber abgetretenen Nutzungsrechte gegen Zahlung von 2,7 Mio. DM nebst Zinsen zu übertragen. Zu mehr war die Klägerin nicht verpflichtet. Der Beklagte, nicht sie, hatte bereits etwa ein Jahr vor Kündigung der Geschäftsverbindung die Behauptung in die Welt gesetzt, die Kredit- und Sicherungsverträge der Klägerin mit der F. seien wegen sittenwidriger Knebelung nichtig. Die Klägerin hat diese Auffassung nie geteilt. Eine über die beim Rechtskauf gesetzlich vorgesehene Gewährleistung hinausgehende Zusicherung schuldete die Klägerin der R. (dem Beklagten) nicht. Das gilt um so mehr, als die Klägerin in den einstweiligen Verfügungsverfahren, die die F. gegen sie angestrengt hatte, konsequent ihre Auffassung von der Wirksamkeit der Verträge vertreten und dafür auch gerichtliche Anerkennung gefunden hatte. Es ist unerfindlich, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin dafür einzustehen hätte, daß die F. sich weigerte, gegenüber der R. auf den Einwand der sittenwidrigen Knebelung zu verzichten. Wenn und soweit die Q. das zum Anlaß nahm, von den bereits am 20. Januar 1981 geschlossenen Verträgen mit der R. zurückzutreten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern, so liegt das im Risikobereich der R. Bei einer Weiterveräußerung der Nutzungsrechte, die sie vornahm, war es ihre Sache, gemäß den gesetzlichen Regeln des Rechtskaufs gegenüber der Q. einzustehen, und nicht Sache der Klägerin, die eine Gewährleistung mit Blick auf die Weiterveräußerung dieser Rechte durch die R. aus keinem Rechtsgrund zu übernehmen verpflichtet war. Die Klägerin haftet der R. also nicht für den dieser angeblich im Zuge der Weiterveräußerung an die Q. entstandenen Schaden. Die Abtretung dieser Ansprüche durch das Schreiben vom 29. April 1981 in Höhe eines Teilbetrages von 950.000,00 DM (Hefter B 62 Nr. 43) geht ins Leere.

104

2. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, daß der R. kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin deshalb zusteht, weil die R. nach dem Abspringen der Q. die Nutzungsrechte nicht anderweitig veräußerte. Auch insoweit bestand keine Verpflichtung, auf die Haftungsfreistellung des Verkäufers gemäß § 439 Abs. 1 BGB zu verzichten. Mithin geht auch die Abtretung dieser angeblichen Ansprüche der R. in Höhe von 650.000,00 DM durch Schreiben vom 30. April 1981 an den Beklagten (Hefter B 62 Nr. 46) ins Leere. Auch insoweit kann der Beklagte die Bürgschaftsforderung der Klägerin nicht durch Aufrechnung zu Fall bringen.

105

C.

Wie oben (A. III.) ausgeführt worden ist, ist die formularmäßige Klausel, nach der sich die Bürgschaft des Beklagten auf die auf die Bürgschaftssumme entfallenden Zinsen, Provisionen und Kosten auch dann erstreckt, wenn dadurch die Bürgschaftssumme überschritten wird, wirksam (vgl. dazu BGHZ 77, 256 für die im wesentlichen gleichlautenden, früheren Vordrucke des Deutschen Sparkassenverlags; ferner BGH, WM 1978, 10, 11). Dem Grunde nach haftet der Beklagte deshalb für die Zinsen, Provisionen und Kosten, die auf den Betrag von 500.000,00 DM aus dem Investitionskredit FB 3251 (R 181) entfallen. Diesen Anspruch hat die Klägerin mit der Klage geltend gemacht und ihn mit 106.774,60 DM beziffert. Unbeschadet dessen, daß feststeht, daß insoweit erhebliche Zinsrückstände entstanden und anteilig vom Beklagten zu tragen sind, ist der Rechtsstreit insoweit zur Höhe nicht entscheidungsreif. Denn die Abrechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 31. August 1981 (Bd. I Bl. 95/96 d.A.) ist nach Auffassung des Senats teilweise unklar. Darauf hat der Senat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht hingewiesen, wozu er gemäß § 278 Abs. 3 ZPO verpflichtet gewesen wäre, weil die vor Fälligstellung aufgelaufenen Nebenkosten als Hauptsache anzusehen sind und es sich keineswegs um Beträge von untergeordneter Bedeutung handelt. Insoweit ist insbesondere ungeklärt, mit welcher Berechtigung die Klägerin dem Beklagten Zinsen auf den Investitionskredit aus dem Jahre 1979 in Rechnung stellt, die nach ihrem eigenen Vortrag durch Leistungen zu Lasten des Kontos 16501 - und zwar endgültig - bezahlt worden sind; ferner bleibt dunkel, mit welcher Berechtigung die Klägerin Verzugszinsen auf das volle Darlehenskapital für einen Zeitraum (im Jahre 1980) verlangt, für den die F. als Hauptschuldnerin zwar mit Tilgungs- und Zinsleistungen in Verzug geraten, eine Kündigung des Darlehenskapitals indessen nicht ausgesprochen worden war. Im übrigen wird auf den Hinweis- und Auflagenbeschluß des Senats vom 30. Juni 1982 Bezug genommen.

106

D.

Entscheidungsreif ist der Zinsanspruch der Klägerin für den Zeitraum nach dem 16. April 1981, soweit Zinsen auf die Bürgschaftssumme von 500.000,00 DM zu entrichten sind.

107

I.

Der Nachweis des von der Klägerin in erster Linie geltend gemachten Verzugsschadens - und zwar aus dem Verzug des Beklagten - gemäß §§ 284, 288, 286, 252 BGB ist ihr nicht gelungen. Die Klägerin beachtet zwar die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 62, 103 [BGH 01.02.1974 - IV ZR 2/72]), nach der ein Kreditinstitut, das sich mit verschiedenen Bankgeschäften beschäftigt, den durch eine unterbliebene Ausleihung entgangenen Gewinn unter Berücksichtigung aller Geschäftsparten darlegen muß. Die überreichten Unterlagen (Bd. III Bl. 418/419 d.A.) rechtfertigen indessen nicht die Annahme eines Zinssatzes von 15 %. Die einzige Geschäftssparte, in der deutlich höhere Zinsen als 15 % erzielt werden, sind die Kontokorrentkredite der Positionen 13-15 der Zusammenstellung mit einem Bestand von ca. 75 Mio. DM und einer Zuwachsrate von ca. 3 %. Demgegenüber umfaßt das Geschäft in den langfristigen Ausleihungen, Positionen 19-22, ein Gesamtvolumen von ca. 232 Mio. DM mit einem jährlichen Zuwachs von 9,6 % und Durchschnittszinsen in Höhe von nur ca. 9 %. Schon diese beiden Schwerpunkte machen deutlich, daß von einem Durchschnittszins von 15 % für die Ausleihungen und Anlagen der Klägerin keine Rede sein kann. Noch klarer wird das, wenn man noch zusätzlich das Geschäft mit Kreditinstituten, das Wertpapier-Anlagegeschäft und das Wechselgeschäft hinzunimmt, Positionen, die zusammen auch über 70 Mio. DM ausmachen und Durchschnittszinsen von deutlich unter 10 % bringen. Angesichts dieser deutlichen Zahlen, bei denen die Realkredite auch außer Acht gelassen werden können, bedurfte es weder der Vernehmung eines von der Klägerin angebotenen sachverständigen Zeugen noch des Gutachtens eines Sachverständigen. Das gilt um so mehr, als es lediglich darum gegangen wäre, eine Differenz von 1,5 % Jahreszins zu decken (unten II.).

108

II.

Da sich die Bürgschaft des Beklagten auch auf die von der Hauptschuldnerin vertraglich geschuldeten Zinsen erstreckt, kann die Klägerin von ihm jedenfalls für den ausgeurteilten Zeitraum die Zinsen verlangen, die die Hauptschuldnerin als Verzugszinsen zu zahlen hätte. Das sind gemäß V: der Allgemeinen Bedingungen für langfristige Darlehen (Bd. I Bl. 41 d.A.) für die Kapitalrestschuld 6 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, der seit dem 2. Mai 1980 unverändert 7,5 % beträgt, das sind zusammen 13,5 % Jahreszinsen

109

E.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung ist dem Schlußurteil vorzubehalten, weil erst dann das endgültige Maß des Unterliegens des Beklagten feststeht.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 2,0 Mio. DM.