Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.01.2005, Az.: 2 W 268/04
amtliche Verwahrung; amtliche Weiterverwahrung; Erstversterbender; gemeinschaftliches Testament; Nachlassgericht; Testamentseröffnung; Tod; weitere Verwahrung; Weiterverwahrung; örtliche Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 06.01.2005
- Aktenzeichen
- 2 W 268/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50963
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2258a BGB
- § 2261 BGB
- § 2273 BGB
Tenor:
Das Amtsgericht Braunschweig ist das für die weitere Verwahrung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute ... vom 30.Mai1996 zuständige Gericht.
Gründe
I. Das Amtsgericht Braunschweig (ursprüngliches Verwahrgericht) und das Amtsgericht Oldenburg in Holstein (Nachlassgericht nach dem Tod der Frau ...) sind unterschiedlicher Auffassung darüber, bei welchem Gericht das gemeinschaftliche Testament der Eheleute ... vom 30. Mai 1996 nach dem Tod der erstverstorbenen, früher in Sickte wohnhaften Frau ... weiter zu verwahren ist. Das Amtsgericht Oldenburg in Holstein verneint seine Zuständigkeit u.a. unter Hinweis auf die Auffassung des ihm übergeordneten Oberlandesgerichts Schleswig in SchlHA 1978, 101. Das Amtsgericht Braunschweig seinerseits verweist insbesondere auf einen gegenteiligen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Januar 1994 (NJW-RR 1995, 460, 461) und hat die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig gem. § 5 FGG zur Bestimmung des für die besondere amtliche Weiterverwahrung des Testaments örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Die Vorlage ist gem. § 5 FGG zulässig. Die beteiligten Amtsgerichte streiten ausschließlich über die örtliche Zuständigkeit für die besondere amtliche Weiterverwahrung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute ... Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig ist anstelle des an sich dazu berufenen Bundesgerichtshofes zuständig für die Entscheidung. Denn zu seinem Bezirk gehört das zuerst mit dieser Sache befasste Gericht (ursprüngliches Verwahrgericht).
Die Frage, welches Gericht für die besondere amtliche Weiterverwahrung eines gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tode des Erstversterbenden zuständig ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass § 2261 S. 2 BGB zur Zuständigkeit desjenigen Amtsgerichts führe, das die Aufgaben des Nachlassgerichts nach dem Tode des Erstversterbenden wahrzunehmen habe. Eine Gegenmeinung geht zum anderen dahin, dass die Zuständigkeit für die besondere amtliche Weiterverwahrung eines gemeinschaftlichen Testaments durch den ersten Erbfall keine Veränderung erfährt und bei dem bisher zuständigen Amtsgericht verbleibt.
Zu dieser Streitfrage hat das BayObLG in seinem Beschluss vom 22. 02. 1989 (FamRZ 1989, 1010, 1011/1012), mit dem es seine abweichende frühere Ansicht ausdrücklich aufgegeben hat unter ausführlicher Darstellung des Streitstandes ausgeführt:
„Diese Zuständigkeit ist im Gesetz eindeutig bestimmt. Die Ansicht, die Regelung des § 2261 BGB sei durch § 2273 BGB nicht eingeschränkt, lässt sich nicht halten.
Der § 2273 BGB ist gegenüber dem § 2261 BGB eine Spezialregelung für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente. Das ergibt schon die Stellung im Gesetz. Die Vorschriften für das gemeinschaftliche Testament sind im 8. Titel des dritten Abschnitts enthalten; seine letzte Vorschrift ist der § 2273 BGB. Demgegenüber steht § 2261 BGB im vorausgehenden siebten Titel, in dem die Errichtung und Aufhebung von Testamenten allgemein geregelt ist. Dementsprechend hat auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 91, 105, 107 = FamRZ 1984, 690) entschieden, dass der § 2273 BGB den § 2260 f. BGB vorgehe. Ebenso hat schon das Reichsgericht (RGZ 137, 222, 229) erkannt. Da § 2273 Abs. 2 BGB vorschreibt, dass das eröffnete gemeinschaftliche Testament, welches Verfügungen des überlebenden Ehegatten enthält, die sich nicht sondern lassen, in die besondere amtliche Verwahrung zurückzubringen ist, hat der Gesetzgeber gegenüber dem § 2261 S. 2 BGB eine Spezialregelung getroffen, derzufolge ein eröffnetes Testament in die besondere amtliche Verwahrung desjenigen Gerichts zu bringen ist, welches das Testament vor Eröffnung verwahrt hat. Dessen Zuständigkeit leitet sich allein aus § 2258 a BGB ab. Das Nachlassgericht, das für den ersten Erball aufgrund des § 73 FGG zuständig war, hat keine Zuständigkeit für die Verwahrung des Testaments erlangt, weil dies in der ausschließlichen und besonderen Zuständigkeitsvorschrift des § 2258 a BGB nicht vorgesehen ist. Das Amtsgericht Ce. könnte hier auch nicht in seiner Eigenschaft als Nachlassgericht, sondern nur in der des verwahrenden Amtsgerichts gem. § 2258 b BGB tätig werden. Dies wird vom OLG Hamm, das die Gegenansicht vertritt, auch erkannt (Rechtspfleger 1971, 398). Dann müsste aber das Amtsgericht Ce. seine Zuständigkeit aus § 2258 a BGB ableiten können. Daran fehlt es. Eine Zuständigkeit des für den ersten Erbfall berufenen Nachlassgerichts ist dort nicht vorgesehen, vermutlich aus guten Gründen; denn es müsste ein neues Verwahrungsverfahren (§ 2258 b BGB) durchgeführt werden und es würde der in § 2258 a Abs. 3 BGB für maßgebend erachtete Wille des Testierenden übergangen, der ein anderes Amtsgericht benannt hat. Auch im übrigen schließt sich der Senat dem OLG Stuttgart (Rechtspfleger 1988, 189) und dem Kammergericht an, dass in seiner Entscheidung (Rechtspfleger 1972, 405, 406) auch die Argumente aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes angeführt hat. Diese hat das Kammergericht bereits in seiner früheren Rechtsprechung herangezogen (KGJ 20 A 262, 264).
Demgegenüber können Gründe einer vorteilhafteren Praxis die Zuständigkeitsordnung nicht ändern. Dessen ungeachtet sind Vorteile nicht erkennbar; denn das Nachlassgericht wird nur in vergleichsweise wenigen Fällen die Urschrift des gemeinschaftlichen Testaments benötigen, so dass die Gefahr des Verlustes infolge der Übersendung eher geringer ist, und ob das Nachlassgericht auch für den zweiten Erbfall zuständig sein wird, ist ungewiss.“
Diesen Ausführungen, an denen das Bayerische Oberste Landesgericht in Kenntnis der Entscheidung des OLG Frankfurt/Main (NJW-RR 1995, 460, 461) und das OLG Zweibrücken (Rpfleger 1998, 428) festgehalten hat (Beschl. vom 24.03.1999, FamRZ 2000, 638), hat der Senat nichts hinzuzufügen. Neben den rechtlichen Erwägungen ist nicht zuletzt der abschließend hervorgehobene Gesichtspunkt der besseren Kontinuität bei dem ursprünglichen Verwahrgericht uneingeschränkt überzeugend. Dementsprechend ist das Amtsgericht Braunschweig zum zuständigen Verwahrgericht zu bestimmen.