Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2012, Az.: 4 K 79/10
Schadensersatzzahlung anstelle nicht erzielter Einnahmen als Entschädigung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2012
- Aktenzeichen
- 4 K 79/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 17407
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:0314.4K79.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
Fundstellen
- EFG 2012, 1666-1668
- StX 2012, 550-551
- Jurion-Abstract 2012, 241321 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Eine Schadensersatzzahlung stellt nur insoweit eine Entschädigung dar, als sie an die Stelle nicht erzielter Einnahmen tritt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zahlung, die einem Steuerpflichtigen von seinen früheren Rechts- und Steuerberatern zum Ersatz des Schadens geleistet wurde, den er dadurch erlitten hat, dass er infolge eines Beratungsfehlers von dem ersatzpflichtigen Schädiger statt des Nettobetrags nur den Bruttobetrag des ihm entstandenen Erwerbsschadens erhalten hat, ihrerseits eine zu steuerpflichtigen Einkünften führende Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt.
Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte als Geschäftsführer und Gesellschafter zweier Gesellschaften mit beschränkter Haftung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. aus Kapitalvermögen. Im Jahr 2004 wurde er durch einen Unfall schwer verletzt. Im Jahr 2005 schloss er mit der ersatzpflichtigen W eine Abfindungsvereinbarung (Teilvergleich). Darin verpflichtete sich die W, dem Kläger über die bereits gezahlten Beträge von 9x.xxx EUR hinaus eine weitere Schadensersatzzahlung in Höhe von 67x.xxx EUR zu leisten, durch die grundsätzlich alle dem Kläger im Zusammenhang mit dem Unfall erwachsenen Schadensersatzansprüche gegen die W abgegolten werden sollten. Nach dem Inhalt der Abfindungsvereinbarungen waren in dem Gesamtbetrag Zahlungen zum Ersatz von Erwerbsschäden in folgender Höhe enthalten:
- Ausgleich künftig entgehenden Geschäftsführungsgehalts | 49x.xxx EUR |
---|---|
- Entgangene Tantieme für das Jahr 2004 | 3x.xxx EUR |
- Minderung des Gewinnanteils aus den Gesellschaften | 4x.xxx EUR |
Summe | 58x.xxx EUR |
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) stellte sich auf den Standpunkt, dass der auf den Ersatz der Erwerbsschäden entfallende Teil der Schadensersatzleistungen als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG zu werten sei, und unterwarf diesen der Einkommensteuer. Daraus ergab sich eine steuerliche Mehrbelastung in Höhe von 26x.xxx EUR (25x.xxx EUR Einkommensteuer zuzüglich 13.xxx EUR Solidaritätszuschlag).
Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2005 bestandskräftig geworden war, verklagte der Kläger die für ihn an dem Abschluss der Abfindungsvereinbarung beteiligten Anwälte sowie seine steuerlichen Berater vor dem Landgericht auf Ersatz der auf die Entschädigung entfallenden Steuern. Er machte geltend, dass er dem mit der W geschlossenen Teilvergleich nur deshalb zugestimmt habe, weil die Beklagten ihn nicht über die Steuerpflicht der auf die Erwerbsschäden entfallenden Entschädigungszahlungen aufgeklärt hätten. Anderenfalls hätte er gegenüber der W auf einer höheren Schadensersatzzahlung bestanden, die diese auch zu leisten bereit gewesen wäre. Das Landgericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner dazu, dem Kläger 26x.xxx EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Verzugseintritt zu zahlen. Außerdem stellte es fest, dass die Beklagten dem Kläger auch die auf diese Zahlung zu entrichtenden Steuern zu erstatten hätten. Aufgrund der Zeugenaussage des Rechtsanwalts, der auf Seiten der W bzw. des Haftpflichtversicherers am Abschluss der Abfindungsvereinbarung beteiligt war, war das Landgericht davon überzeugt, dass der Kläger bei zutreffender rechtlicher Beratung von der W auch den Ersatz der auf den Entschädigungsbetrag entfallenden Mehrsteuern hätte erlangen können.
Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, durch den sich die Beklagten zur Abgeltung aller Ansprüche des Klägers zur Zahlung eines Betrags von 30x.xxx EUR verpflichteten. Hiervon entfielen 10x.xxx EUR auf die steuerlichen Berater und 20x.xxx EUR auf die am Abschluss der Abfindungsvereinbarung mit der W beteiligten Anwälte. Vor Abschluss des Vergleichs hatte das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass sich nach dessen vorläufiger Einschätzung nicht werde feststellen lassen, dass der Haftpflichtversicherer eine eventuelle Steuerlast des Klägers im Vergleichswege voll übernommen hätte.
Das FA setzte gegen die Kläger für das Streitjahr 2009 eine nachträgliche Einkommensteuervorauszahlung in Höhe von 13x.xxx EUR fest. Bei der Festsetzung dieses Betrags ging es davon aus, dass die dem Kläger aufgrund des Prozessvergleichs zugeflossene Zahlung von 30x.xxx EUR eine steuerpflichtige Entschädigung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG darstelle. Hiergegen legten die Kläger am 11. Januar 2010 Einspruch ein, mit dem sie geltend machten, dass die aufgrund des Prozessvergleichs geleistete Zahlung nicht für entgehende oder entgangene Einnahmen, sondern zum Ausgleich der durch die Einkommensteuerzahlung und damit in der Privatsphäre entstandenen Vermögenseinbuße geleistet worden sei und daher nicht zu steuerpflichtigen Einkünften geführt habe. Hilfsweise begehrten sie, die Entschädigung um die dem Kläger zu ihrer Durchsetzung entstandenen Anwaltskosten von insgesamt 5x.xxx EUR zu mindern. Durch Bescheid vom 28. Januar 2010 setzte das FA die Vorauszahlung unter Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen auf 11x.xxx EUR herab. Den weitergehenden Einspruch wies es durch Einspruchsbescheid vom 23. Februar 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehörten nach § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG auch Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Dazu gehörten auch Leistungen Dritter, wenn sie wirtschaftlich einen Ersatz für die dem Empfänger entstandenen Erwerbsnachteile darstellten. Diese Voraussetzung sei bei dem aufgrund des Prozessvergleichs geleisteten Entschädigungsbetrag erfüllt. Dieser sei als Ausgleich dafür gewährt worden, dass der Kläger aufgrund der Falschberatung durch seine rechtlichen und steuerlichen Berater von der W eine zu geringe Entschädigungszahlung erhalten habe. Da eine von der W geleistete höhere Entschädigung zu steuerpflichtigen Einkünften geführt hätte, müsse dies auch für die an ihre Stelle getretene Ersatzleistung der rechtlichen und steuerlichen Berater gelten.
Am 19. März 2010 haben die Kläger Klage erhoben. Zu deren Begründung tragen sie vor: Das Vorliegen einer Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG setze nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juni 2002 IX R 29/98 und vom 9. Juli 1992 XI R 5/91 einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den entgangenen Einnahmen und dem dafür gewährten Ausgleich voraus. Daran fehle es im Streitfall, weil es sich bei den aufgrund des Prozessvergleichs geleisteten Zahlungen um echten Schadensersatz für Beraterverschulden gehandelt habe. Sie hätten dem Ausgleich einer Vermögenseinbuße gedient, die nicht in der Erwerbs-, sondern in der Privatsphäre eingetreten sei. Die der Schadensersatzpflicht zugrunde liegende Pflichtverletzung habe nicht darin bestanden, dass es die ehemaligen Berater des Klägers unterlassen hätten, einen Abfindungsbetrag von 97x.xxxx EUR auszuhandeln, sondern darin, dass sie es versäumt hätten, eine Nettoabfindung von 67x.xxx EUR zu vereinbaren, wie sie der Kläger angestrebt habe. In diesem Fall hätte die W auch die auf den geleisteten Schadensersatz entfallende Steuerbelastung tragen müssen. Daraus folge, dass die Ersatzleistung dazu bestimmt gewesen sei, die auf den Abfindungsbetrag von 67x.xxx EUR entfallende Einkommensteuerbelastung auszugleichen. Eine Zahlung, die dem Ausgleich einer überhöhten Einkommensteuerfestsetzung diene, stelle nach dem Urteil des BFH vom 18. Juni 1998 IV R 61/97 aber keine steuerbare Einnahme dar. Selbst wenn der Kläger auch bei der Vereinbarung einer Nettoabfindung formal Steuerschuldner geblieben wäre, hätte die von der W übernommene Steuerlast ihrerseits nicht nochmals der Einkommensteuer unterworfen werden können. Anderenfalls ergäbe sich eine niemals endende Besteuerungskette.
Doch auch dann, wenn man der Auffassung des FA folge, dass die Schadensersatzzahlung zum Ersatz einer dem Kläger entgangenen höheren Bruttoabfindung bestimmt gewesen sei, fehle es an dem für eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit entgangenen Einnahmen. Die Entschädigung sei in diesem Fall nicht als Ersatz für die dem Kläger infolge des Unfalls entgangenen Einnahmen, sondern als Ersatz für die ihm entgangene höhere Entschädigung gewährt worden.
Die Steuerfreiheit gelte auch für den in der Vergleichssumme enthaltenen Zinsanteil. Nach dem landgerichtlichen Urteil sei die Hauptforderung von 26x.xxx EUR ab Verzugseintritt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen gewesen. Bis zum Vergleichsabschluss vor dem Oberlandesgericht seien Zinsen in Höhe von 40.xxx EUR aufgelaufen, so dass sich ein Gesamtbetrag von 30x.xxx EUR ergeben habe. Da der Vergleichsbetrag niedriger sei, müsse auch darin ein Zinsanteil enthalten sein.
Selbst wenn man die Schadensersatzzahlung dem Grunde nach für steuerpflichtig halte, könne dies nicht für den Gesamtbetrag gelten. Dieser müsse vielmehr in demselben Verhältnis wie die aufgrund der Abfindungsvereinbarung geleistete Zahlung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teilbetrag aufgeteilt werden.
Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA - zuletzt durch Bescheid vom 4. April 2011 - die Einkommensteuer 2009 gegenüber den Klägern festgesetzt. Dabei hat es die Entschädigungszahlung von 30x.xxx EUR nach Abzug der von dem Kläger im Streitjahr gezahlten Anwaltskosten in Höhe von 5x.xxx EUR in voller Höhe bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfasst.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 10. März 2011 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn die dem Kläger aufgrund des Prozessvergleichs gewährte Zahlung von 30x.xxx EUR nicht als steuerbare Einnahme behandelt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält unter Bezugnahme auf seinen Einspruchsbescheid vom 23. Februar 2010 an der Auffassung fest, dass der Vergleichsbetrag in voller Höhe steuerpflichtig ist. Ergänzend führt er aus:
Auch Schadensersatzleistungen für infolge fehlerhafter Rechtsberatung entgangene Einkünfte stellten Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG dar. Wie sich aus der Zeugenvernehmung vor dem Oberlandesgericht ergebe, seien die Beteiligten bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung von einer Nettovereinbarung ausgegangen. Die Erhöhung der Ausgleichszahlung auf den Bruttobetrag, mit der die insgesamt entgehenden Einnahmen zutreffend hätten ausgeglichen werden sollen, sei damit ebenfalls als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG zu besteuern. Denn auch beim Abschluss einer Nettovereinbarung wäre der Kläger persönlicher Steuerschuldner geblieben.
Aus dem Urteil des BFH vom 18. Juni 1998 IV R 61/97, wonach der Schadensersatz für eine infolge Fehlberatung zu hoch festgesetzte Einkommensteuerschuld seinerseits nicht steuerpflichtig sei, ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn im Streitfall sei die Steuer auf den ursprünglich vereinbarten Abfindungsbetrag zutreffend festgesetzt worden.
Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung komme auch die Aufteilung des Vergleichsbetrages in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil nicht in Betracht, weil dieser ausschließlich dazu gedient habe, den steuerpflichtigen Teil des ursprünglichen Abfindungsbetrages um die darauf entfallende Steuer zu erhöhen.
Soweit in dem Vergleichsbetrag ein ggf. zu schätzender Zinsanteil enthalten sei, komme für diesen die Anwendung des gesonderten Steuertarifs nach § 32d Abs. 1 EStG in Betracht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Das FA hat die aufgrund des Prozessvergleichs geleistete Zahlung von 30x.xxx EUR zu Recht in voller Höhe als steuerbare Einnahme erfasst. Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Beurteilung stellt sie aber nicht zur Gänze eine den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnende Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen dar. Vielmehr ist ein Teilbetrag von 52.xxx EUR den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen und dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG zu unterwerfen.
1. Nach dem Inhalt des vor dem Oberlandesgericht geschlossenen Vergleichs diente die Zahlung von 30x.xxx EUR der Abgeltung der Klageforderung und aller weiteren eventuellen Ansprüche des Klägers gegen seine früheren Berater. Die Abgeltungswirkung des Vergleichs erfasste damit auch die Zinsen, die dem Kläger nach dem Urteil des Landgerichts auf die Hauptforderung von 26x.xxx EUR zustanden. Soweit der Vergleichsbetrag auf diese Zinsen entfällt, stellt er - unabhängig von der steuerrechtlichen Qualifikation der Zahlung im Übrigen - keinen Ersatz für andere, dem Kläger entgangene Einnahmen dar, sondern ist unmittelbar den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzurechnen. Zu den dort genannten Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art gehören auch Verzugs- und Prozesszinsen im Sinne der §§ 288, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die als Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Gläubiger zustehenden Kapitalanspruchs gezahlt werden (BFH-Entscheidungen vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl. II 1995, 121; vom 14. April 1992 VIII B 114/91, BFH/NV 1993, 165; vom 9. Mai 1989 VIII R 184/82, BFH/NV 1990, 283, m.w.N.). Allerdings entspricht der unter diesem Gesichtspunkt steuerbare Teilbetrag nicht den gesamten bis zum Abschluss des Prozessvergleichs aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 40.xxx EUR. Bei der Ermittlung des Zinsanteils ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Prozessvergleich anders als nach dem landgerichtlichen Urteil nicht in voller Höhe, sondern - ausgehend von der getroffenen Kostenverteilung - nur zu 15/21 obgesiegt hat. Damit kann auch in dem Vergleichsbetrag nur ein entsprechend geminderter Zinsanteil enthalten sein. In Anlehnung an die getroffene Kostenverteilung schätzt der Senat diesen auf 3x.xxx EUR.
2. Der nach Abzug des Zinsanteils verbleibende Betrag von 27x.xxx EUR (Hauptzahlung) ist nach § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG steuerbar. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.
a) Der Begriff der Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG umfasst alle Leistungen, die unmittelbar dazu bestimmt sind, den finanziellen Schaden auszugleichen, der einem Steuerpflichtigen durch den Wegfall von Einnahmen entsteht, mit denen er ohne das schadenstiftende Ereignis hätte rechnen können (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. nur Urteile vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, [BFH 20.07.1978 - IV R 43/74] BStBl. II 1979, 9; vom 12. Juni 1996 XI R 43/94, BFHE 180, 433, [BFH 12.06.1996 - XI R 43/94] BStBl. II 1996, 516; vom 1. Juli 2004 IV R 23/02, BFHE 206, 287, [BFH 01.07.2004 - IV R 23/02] BStBl. II 2004, 876; ebenso R 24.1 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008).
Diese Voraussetzung ist bei der dem Kläger zugeflossenen Hauptzahlung erfüllt, denn sie dient der Abgeltung des Schadens, den der Kläger dadurch erlitten hat, dass er sich in der mit der W geschlossenen Abfindungsvereinbarung mit einer geringeren Schadensersatzleistung für Erwerbsausfall begnügt hat, als er bei zutreffender Beratung über deren steuerliche Behandlung geltend gemacht hätte und hätte durchsetzen können. Dass die Hauptzahlung nur mittelbar zum Ersatz der Schäden bestimmt ist, die der Kläger durch die unfallbedingte Minderung seiner Erwerbsfähigkeit erlitten hat, steht ihrer Beurteilung als Entschädigung nicht entgegen. Denn das im Entschädigungsbegriff vorausgesetzte Merkmal der Unmittelbarkeit kann sich nur auf den Zusammenhang der Ausgleichszahlung mit den Nachteilen beziehen, die durch das jeweilige schadenstiftende Ereignis verursacht worden sind. Dieses bestand im Fall der von den früheren Beratern erbrachten Ersatzleistung aber nicht in dem von dem Kläger erlittenen Unfall, sondern in dem Abschluss der für ihn nachteiligen Abfindungsvereinbarung.
b) Die Hauptzahlung wurde auch als Ersatz für entgehende oder entgangene Einnahmen gewährt. Als ersetzte Einnahmen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG kommen nur solche in Betracht, die im Fall ihrer Erzielung unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG gefallen wären. Im Streitfall war die Hauptzahlung unmittelbar zwar nicht zum Ersatz der - steuerbaren - Einnahmen bestimmt, die dem Kläger aufgrund der unfallbedingten Minderung seiner Erwerbstätigkeit entgangen sind, sondern zum Ersatz der ihm infolge der Falschberatung entgangenen Mehrentschädigung. Da die ersetzte Mehrentschädigung aber ihrerseits nach § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG gehört hätte, dient auch die an ihre Stelle getretene Hauptzahlung dem Ersatz entgangener Einnahmen.
Die von den Klägern gegen diese Beurteilung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Soweit sie geltend machen, dass die Hauptzahlung nicht dem Ersatz von Einnahmen gedient habe, weil der Kläger bei zutreffender rechtlicher Beratung auf dem Abschluss einer Nettovereinbarung, d.h. der Übernahme der auf den Abfindungsbetrag entfallenden Steuer durch die W bestanden hätte, übersehen sie, dass sich dieser Erfolg nur dadurch hätte herbeiführen lassen, dass der Bruttobetrag der Abfindung soweit erhöht worden wäre, dass er nach Abzug der darauf entfallenden Einkommensteuer den von dem Kläger angestrebten Nettobetrag ergeben hätte. Aus demselben Grund geht auch ihre Berufung auf das BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 61/97 (BFHE 186, 363, BStBl. II 1998, 621) fehl, wonach Schadensersatz, den ein Steuerberater seinem Mandanten wegen einer von ihm zu vertretenden zu hohen Einkommensteuerfestsetzung leistet, für diesen keine Betriebseinnahme darstellt. Denn der dem Kläger durch die Falschberatung entstandene und durch die Hauptzahlung ersetzte Schaden bestand gerade nicht in einer zu hohen Einkommensteuerfestsetzung, sondern in der Vereinbarung einer zu geringen Bruttoentschädigung. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist die für die entgangene Mehrentschädigung geleistete Hauptzahlung auch nicht in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teilbetrag aufzuspalten. Es trifft zwar zu, dass in der mit der W vereinbarten Abfindung auch steuerfreie Zahlungen auf Schmerzensgeld und zum Ersatz verletzungsbedingten Mehrbedarfs enthalten waren. Da die auf die Abfindung entfallende Einkommensteuerbelastung aber allein auf den Teilbetrag entfällt, der zum Ersatz der Erwerbsschäden geleistet wurde, kann auch die aufgrund der Falschberatung entgangene und durch die Hauptzahlung ersetzte Mehrentschädigung nur diesem Teil der Abfindung zugerechnet werden.
c) Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Beurteilung ist die Hauptzahlung aber nicht in voller Höhe den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zuzurechnen. Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG gehören zu der Einkunftsart, unter die die ersetzten Einnahmen im Fall ihrer Erzielung gefallen wären. Werden durch eine Entschädigung Einnahmen verschiedener Einkunftsarten ersetzt, ist der Gesamtbetrag im Wege der Schätzung auf die einzelnen Einkunftsarten zu verteilen (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Januar 2000 XI B 99/98, BFH/NV 2000, 713). Nimmt die zugrunde liegende Vereinbarung selbst eine entsprechende Aufteilung vor, ist diese der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie ihrerseits auf einer vernünftigen Schätzung beruht (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1959 IV 235/58 U, BFHE 70, 234, [BFH 29.10.1959 - IV 235/58 U] BStBl. III 1960, 87).
Nach der mit der W geschlossenen Abfindungsvereinbarung entfielen die dem Kläger ersetzten Erwerbsschäden in Höhe von 53x.xxx EUR auf entgangene Geschäftsführergehälter bzw. Tantiemen und in Höhe von 48.xxx EUR auf entgangene Gewinnausschüttungen der Kapitalgesellschaften, an denen der Kläger beteiligt war. Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Aufteilung in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen steht, war sie nicht nur für die Aufteilung der mit der W vereinbarten Abfindung maßgeblich, sondern ist sie auch der Aufteilung der zu deren Aufstockung bestimmten Hauptzahlung zugrunde zu legen.
d) Hiernach entfallen (53x.xxx/58x.xxx x 27x.xxx EUR =) 24x.xxx EUR auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und (48.xxx/58x.xxx x 27x.xxx EUR =) 22.xxx EUR auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Von dem den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnenden Betrag sind die darauf anteilig entfallenden Rechtsverfolgungskosten als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG) abzuziehen. Zu diesem Zweck ist der Betrag von 24x.xxx EUR ins Verhältnis zu dem gesamten Vergleichsbetrag von 30x.xxx EUR zu setzen, so dass sich ein Betrag von 43.xxx EUR ergibt.
Die auf die Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (30.xxx EUR + 22.xxx EUR =) 52.xxx EUR entfallenden Rechtsverfolgungskosten können nach § 20 Abs. 9 Satz 1, zweiter Halbsatz EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
e) Hiernach sind die von dem FA angesetzten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wie folgt zu mindern:
Ansatz bisher:
Einnahmen | 30x.xxx EUR | ||
---|---|---|---|
Werbungskosten | - 5x.xxx EUR | ||
Einkünfte | 24x.xxx EUR | ||
Ansatz nunmehr: | |||
Einnahmen | 24x.xxx EUR | ||
Werbungskosten | - 43.xxx EUR | ||
Einkünfte | 20x.xxx EUR | ||
Minderung | 43.xxx EUR |
Die dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen sind gegenüber dem bisher angesetzten Betrag um 52.xxx EUR zu erhöhen.
Der angefochtene Bescheid ist entsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer kann gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen werden. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Die Kosten sind den Beteiligten im Verhältnis ihres Unterliegens aufzuerlegen (§ 136 Abs. 1 FGO). Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO).