Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 16.07.2008, Az.: 1 B 24/08
Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO bei Pfändungs- und Einziehungsverfügung; Anerkenntnis; sofortiges; Arbeitseinkommen; Einstweiliger Rechtsschutz; Freigrenze; Klaglosstellung; sofortige; Kontenpfändung; Kostentragungspflicht; Pfändungs- und Einziehungsverfügung; Pfändungs- und Überweisungsverfügung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 16.07.2008
- Aktenzeichen
- 1 B 24/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 46044
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2008:0716.1B24.08.0A
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Die Behörde trägt auch bei sofortiger Klaglosstellung regelmäßig die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO, sofern Sie ohne vorherige Anhörung des Betroffenen eine das gesamte Kontenguthaben umfassende Pfändungs- und Einziehungsverfügung erlässt und der Betroffene um Freigabe des geschützten Arbeitseinkommens gemäß § 850k ZPO im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nachsucht.
Gründe
Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO entsprechend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO. Danach entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens.
Einer streitigen Entscheidung über die Kosten bedurfte es aufgrund der Kostenübernahmeerklärung der Antragstellerin vom heutigen Tage nicht.
Die Kammer nimmt das vorliegende Verfahren mit Blick auf zukünftige, parallel gelagerte Sachverhalte zum Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
Eine Kostentragungspflicht des Antragstellers dem Rechtsgedanken des § 156 VwGO folgend wäre nicht in Betracht gekommen, da hier nicht aufgeklärt werden konnte, ob die Antragsgegnerin aufgrund eines telefonischen Angebots an den Antragsteller, bei Vorlage einer Verdienstbescheinigung die Pfändung in Höhe der Freibeträge nach §§ 850 ff. ZPO umgehend aufzuheben, keine Veranlassung zu dem vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren gegeben hat. Der Inhalt des Telefonates vom 23.06.2008 wird von den Beteiligten unterschiedlich wiedergegeben; eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO und der hierbei vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht angezeigt. Die Kammer hätte daher keine Veranlassung gehabt, den vorliegenden Fall anders zu beurteilen als die Sachverhalte, in denen sich der Kläger vor Klageerhebung nicht an die Behörde mit dem Ziel einer gütlichen außergerichtlichen Einigung wendet (vgl. Beschluss der Kammer vom 15. Februar 2006 - 1 A 70/06 -, zur Abschaffung des Vorverfahrens in Niedersachsen). Die Behörde trägt grundsätzlich das Risiko der Kosten eines gerichtlichen Verfahrens, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - eine Kontenpfändung vornimmt, ohne in ihre Pfändungs- und Einziehungsverfügung eine Einschränkung dahingehend aufzunehmen, dass von dieser - was wiederkehrende Einkünfte der in den §§ 850 bis 850b ZPO bezeichneten Art betrifft - ein nicht der Pfändung unterworfener Teil der Einkünfte für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin (§ 850k ZPO) nicht erfasst wird. Die Behörde, die die Pfändung und Einziehung einer dem Bürger gegenüber einem Dritten zustehenden Forderung verfügt, hat nämlich bereits von Amts wegen bestehende gesetzliche Pfändungsverbote, insbesondere auch die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO, zu beachten (vgl. § 55 NVwVG). Sie kann nicht "auf Verdacht" ein Kontenguthaben in voller Höhe pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen und sich später gegenüber dem betroffenen Bürger darauf berufen, erst durch die Drittschuldnererklärung sicher erfahren zu haben, dass das gepfändete Guthaben z.B. Arbeitseinkommen darstellt, dass der Freigrenze des § 850c ZPO unterfällt (vgl. Beschluss der Kammer vom 10. Februar 2006 - 1 A 507/05 ). Sofern sie vor Erlass einer das gesamte Kontoguthaben umfassenden Pfändungs- und Einziehungsverfügung keine Gewissheit darüber hat, ob der Antragsteller über von den §§ 850 ff. ZPO geschützte Einkünfte verfügt, kann sie sich diese Gewissheit alternativ durch Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung verschaffen. Die Anhörung steht insoweit im Ermessen der Antragsgegnerin, vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG i.V.m. § 1 NdsVwVfG.
Aufgrund der Besonderheiten des öffentlichen Rechts, insbesondere der Einheit von Vollstreckungsgläubigerin und Vollstreckungsbehörde nach § 6 Abs. 1 NVwVG, die die Antragsgegnerin in die Lage versetzen, ihren eigenen Vollstreckungstitel (bestandskräftiger Abgabenbescheid über rückständige Hundesteuer) selbst zu vollstrecken (durch Pfändungs- und Einziehungsverfügung), liefe die von der Antragsgegnerin erwogene Auslegung des in § 850k ZPO normierten Antragserfordernisses im Ergebnis darauf hinaus, dass der Vollstreckungsschuldner - hier der Antragsteller - vor Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag bei der Antragsgegnerin als Vollstreckungsbehörde auf (teilweise) Aufhebung der das gesamte Kontoguthaben umfassenden Pfändung zu stellen hätte. Ein vorheriger Antrag an die Behörde auf (teilweise) Aussetzung der Vollziehung - nichts anderes wäre ein aus § 850k ZPO abgeleitetes Antragserfordernis - ist indes nur in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderlich, wie § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO verdeutlicht. Wegen der Zwei-Wochen-Frist des § 50 Abs. 3 NVwVG droht in der Praxis regelmäßig auch die Vollstreckung, sodass dem Betroffenen eine vorherige Antragstellung bei der Behörde auch nicht zugemutet werden kann, vgl. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Danach war aufgrund der Vorwegnahme der Hauptsache der volle Betrag (244,20 €) des hier nach teilweiser Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung von der OLB an den Antragsteller freigegebenen Betrages in Ansatz zu bringen.