Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 25.07.2008, Az.: 6 A 53/07
Kennzeichnung von Fleischerzeugnissen als Separatorenfleisch; 3 mm-Fleisch; Lebensmittelkennzeichnung; Separatorenfleisch
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 25.07.2008
- Aktenzeichen
- 6 A 53/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 46052
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2008:0725.6A53.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 23.07.2009 - AZ: 13 LA 150/08
- BVerfG - 07.06.2011 - AZ: 1 BvR 2109/09
Rechtsgrundlagen
- 11 I 1 LFGB
- VO (EG) Nr. 853/2004
Amtlicher Leitsatz
Auch sog. 3 mm-Fleisch, das auf "schonende" Weise (durch Ablösen mit niedrigen Drücken vom Knochen) maschinell hergestellt wird, unterfällt der Definition des Separatorenfleisches in Anhang I Nr. 1.14 der VO (EG) Nr. 853/2004 und ist deshalb als solches zu kennzeichnen. Insoweit kommt es allein auf die durch die Produktion bedingte Veränderung der Muskelfaserstruktur des Fleisches, nicht dagegen auf eine etwaige Veränderung der Zellstruktur der Muskeln an.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Betrieb der fleischverarbeitenden Industrie, in dem u.a. sog. 3 mm-Fleisch hergestellt und anschließend unter dieser Bezeichnung an andere Betriebe - nach Aktenlage u.a. in Nordrhein-Westfalen - geliefert wird, die es ihrerseits zur Herstellung von Fleischerzeugnissen verwenden. Das sog. 3 mm-Fleisch wird nach Angaben der Klägerin in der Weise gewonnen, dass es nach dem Entbeinen von den fleischtragenden Knochen abgetrennt wird. Hierzu werden die Ausgangserzeugnisse zunächst maschinell einem Druck von ca. 40-60 bar ausgesetzt, um das an den Knochen haftende Fleisch abzulösen, wobei jeweils ganze Muskelteile und Muskelstücke von den Knochen abgelöst werden. Die abgetrennten Muskelteile und Muskelstücke werden sodann in einem zweiten Arbeitsschritt von noch vorhandenen Sehnen, Knorpeln und ggf. Knochenpartikeln befreit. Dies geschieht in der Weise, dass die Muskelteile und Muskelstücke mittels einer sog. Baader-Maschine weiter zerkleinert und außerdem durch eine 3 mm-Scheibe geführt werden, wodurch das Erzeugnis dann seine endgültige Form und Beschaffenheit erhält.
Mit Bescheid vom 06.03.2007 forderte der Beklagte die Klägerin auf, sämtliches in ihrem Unternehmen gewerblich gehandelte Fleisch, das durch Ablösen von den fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen auf maschinelle Weise so gewonnen werde, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöse oder verändert werde, unverzüglich als "Separatorenfleisch" (mit Angabe der Tierart, von der es stamme) zu kennzeichnen und unter dieser Bezeichnung in den Verkehr zu bringen. Soweit Separatorenfleisch in den nicht-deutschsprachigen Raum verbracht werde, könne ergänzend oder alternativ die Bezeichnung "mechanically separated meat" bzw. "MSM" verwendet werden. Zur Begründung dieser Anordnung führte der Beklagte aus, dass es sich bei dem im Betrieb der Klägerin hergestellten 3 mm-Fleisch um Separatorenfleisch im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29.04.2004 (im Folgenden: VO 853/2004), nämlich um ein Erzeugnis handele, das durch Ablösen des an fleischtragenden Knochen befindlichen Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen werde, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöse oder verändert werde; dabei würden von der Definition "Separatorenfleisch" sämtliche Verfahren des mechanischen Ablösens erfasst. Demgemäß müsse das von der Klägerin hergestellte 3 mm-Fleisch nach der Richtlinie 2001/101/EG vom 26.11.2001 zwingend als "Separatorenfleisch" gekennzeichnet werden.
Die Klägerin hat daraufhin am 20.03.2007 Klage erhoben. Sie macht geltend, dass es sich bei dem von ihr produzierten 3 mm-Fleisch nicht um Separatorenfleisch im Sinne der VO 853/2004 handele und dementsprechend auch nicht als solches gekennzeichnet werden müsse. Voraussetzung für die rechtliche Qualifizierung als Separatorenfleisch sei u.a., dass sich durch das maschinelle Ablösen des an fleischtragenden Knochen anhaftenden Fleisches die Struktur der Muskelfasern auflöse oder verändere; dies sei bei dem von ihr praktizierten Produktionsverfahren nicht der Fall. Vielmehr werde das 3 mm-Fleisch äußerst schonend, nämlich in der Weise gewonnen, dass bei niedrigen Drücken von ca. 40-60 bar ganze Muskelstücke und Muskelteile von den Knochen abgetrennt würden; zu einer Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur komme es im Rahmen dieses Arbeitsschrittes - anders als bei einer Ablösung des Fleisches mit hohen Drücken von mehreren hundert bar - überhaupt nicht. Im Übrigen verblieben danach an den Knochen noch erhebliche Fleischmengen, die ihrerseits durch Ablösen mit hohen Drücken theoretisch zu Separatorenfleisch verarbeitet werden könnten. Erst in einem weiteren Arbeitsschritt werde das so gewonnene Fleisch dann von Sehnen, Knorpeln u.ä. befreit und auf eine Körnung von 3 mm gebracht; dieser weitere Arbeitsvorgang habe mit dem eigentlichen Ablösen des Fleisches vom Knochen, auf das es nach der in der VO 853/2004 enthaltenen Definition des Separatorenfleisches ankomme, jedoch nichts mehr zu tun. Allein der Umstand, dass das Fleisch auf eine Körnung von 3 mm gebracht werde, mache es ebenfalls noch nicht zu Separatorenfleisch; andernfalls wäre auch Hackfleisch nicht als "normales" Fleisch anzusehen. Abgesehen davon könne nach der einschlägigen Definition ohnehin noch nicht jede Veränderung der Muskelfaserstruktur, die praktisch mit jedem einzelnen Schnitt in das Fleisch bewirkt werde, ausreichen, um maschinell vom Knochen abgelöstes Fleisch als Separatorenfleisch einzuordnen; erforderlich sei vielmehr eine Veränderung, die einer Auflösung der Muskelfaserstruktur nahe komme.
Nach den der VO 853/2004 zugrunde liegenden Erwägungen sei zudem eine Risikobewertung hinsichtlich der aus den unterschiedlichen Produktionsverfahren resultierenden Erzeugnisse anzustellen, die insbesondere auf den Sinn und Zweck der Sonderregelungen für Separatorenfleisch abstelle. Auch hiernach sei es nicht angebracht, das von ihr auf besonders schonende Weise vom Knochen abgelöste 3 mm-Fleisch als Separatorenfleisch einzustufen, weil Separatorenfleisch üblicherweise mit hohen Drücken und unter weitgehender Zerstörung der Knochensubstanz und Muskelfaserstruktur vom Knochen abgelöst werde und daher unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes ein weitaus risikoreicheres Produktionsverfahren darstelle. Demgemäß sei vor der Einführung der VO 853/2004 tatsächlich auch nur ein Erzeugnis, das auf die letztgenannte Weise hergestellt worden sei, als Separatorenfleisch angesehen worden. Gegen eine solche Einordnung des von ihr produzierten 3 mm-Fleisches spreche schließlich auch eine Folgenbetrachtung. 3 mm-Fleisch werde, was den staatlichen Stellen und dem EU-Gesetzgeber auch bekannt sei, sowohl von ihr als auch von anderen Erzeugern bereits seit einigen Jahren hergestellt und als Verarbeitungsfleisch zur Herstellung einer Vielzahl von Fleischerzeugnissen und Fleischzubereitungen durch andere Betriebe in den Verkehr gebracht. Würde das 3 mm-Fleisch als Separatorenfleisch eingestuft, könnten daraus keine Fleischerzeugnisse im Rechtssinne hergestellt bzw. als solche bezeichnet werden mit der Folge, dass einerseits der Bedarf an Fleischerzeugnissen nicht mehr gedeckt werden könne und andererseits die vom Beklagten geforderte Kennzeichnung als Separatorenfleisch einem Verkehrsverbot für 3 mm-Fleisch gleichkomme. Derartige Auswirkungen seien mit der Einführung der Separatorenfleischdefinition im Rahmen der VO 853/2004 jedoch nicht beabsichtigt gewesen. Im Übrigen werde in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union 3 mm-Fleisch nicht als Separatorenfleisch, sondern als Verarbeitungsfleisch eingestuft; insoweit verbiete sich ein nationaler Alleingang von staatlichen Stellen anderer Mitgliedsstaaten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 06.03.2007 aufzuheben.
Sie regt ferner an,
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens folgende Fragen vorzulegen:
- 1)
Ist die Definition des Begriffs Separatorenfleisch in Ziff. 1.14. des Anhangs I der VO (EG) Nr. 853/2004 so auszulegen, dass jegliche Veränderungen der Struktur der Muskelfasern beim Ablösen des Fleisches vom Knochen auf maschinelle Weise als Veränderung im Definitionssinne einzuordnen ist, oder muss die Veränderung der Struktur der Muskelfasern einen bestimmten Grad erreichen, namentlich einem Auflösen der Muskelfasern nahe kommen?
- 2)
Stellt sog. 3 mm-Fleisch, welches unter Anwendung niedriger Drücke von ca. 40-60 bar vom fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen abgelöst wird, anschließend in einer sog. Baader-Maschine von Sehnen und ggf. vorhandenen Knochenpartikeln befreit wird und durch eine 3 mm-Scheibe geführt und auf eine Körnung von 3 mm gebracht wird, Separatorenfleisch im Sinne der Definition in Anhang I Ziff. 1.14. der VO (EG) Nr. 853/ 2004 dar?
Der Beklagte, der keinen Antrag stellt, hält seinen Bescheid aus den dort genannten Gründen für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch -LFGB -) i.d.F. der Bekanntmachung vom 26.04.2006 (BGBl. I S. 941) ist es u.a. verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Eine Irreführung liegt nach Satz 2 der Vorschrift insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden. Dabei gilt das Irreführungsverbot unabhängig davon, ob das betreffende Lebensmittel an Endverbraucher, an einen gewerblichen Verbraucher oder an ein weiterverarbeitendes Lebensmittelunternehmen in Verkehr gebracht wird und setzt im Übrigen auch nicht voraus, dass die konkrete Bezeichnung des Lebensmittels im Einzelfall tatsächlich zu einer Täuschung oder gar Schädigung des Abnehmers führt. Vielmehr ist im Rechtssinne jede Bezeichnung irreführend, die geeignet ist, bei dem in Frage kommenden Abnehmerkreis eine falsche Vorstellung über die tatsächlichen Verhältnisse hervorzurufen, wobei zur Beantwortung dieser Frage grundsätzlich auf die allgemeine Verkehrsauffassung abzustellen ist. Demgegenüber ist eine Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung oder ggf. eines bestimmten Handelsbrauches dann nicht zulässig, wenn die inhaltliche Bedeutung einer Kennzeichnung, Angabe oder Aufmachung oder die Beschaffenheit eines Lebensmittels gesetzlich normiert ist; in derartigen Fällen haben die diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften einschließlich der auf einem Gesetz beruhenden Vorschriften in Rechtsverordnungen Vorrang (vgl. zum Vorstehenden OVG Lüneburg, B.v. 10.08.2006 - 11 ME 74/05 -, VG Osnabrück, B.v. 01.03.2005 - 3 B 39/04 -, VG Minden, B.v. 02.10.2006 - 6 L 677/06 -, jeweils juris; Meyer/Streinz, LFGB/BasisVO, 1. Aufl. 2007, § 11 LFGB Rn. 16-18, jew.m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Beklagte der Klägerin - auf der Grundlage des § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFBG -zu Recht aufgegeben, das in ihrem Betrieb hergestellte sog. 3 mm-Fleisch als Separatorenfleisch (bzw. bei Verbringung in den nicht-deutschsprachigen Raum alternativ als "mechanically separated meat" bzw. "MSM") zu kennzeichnen.
Maßgeblich für die (streitentscheidende) Bestimmung des Begriffs "Separatorenfleisch" ist die am 01.01.2006 in Kraft getretene VO 853/2004, die in all ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. In deren Anhang I Nr. 1.14 wird Separatorenfleisch als ein Erzeugnis definiert, "das durch Ablösung des am fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird". Mit dieser Definition wird der Begriff "Separatorenfleisch" für das gesamte Gemeinschaftsgebiet normativ festgelegt mit der Folge, dass eine davon ggf. tatsächlich abweichende Verkehrsauffassung unbeachtlich ist (vgl. OVG Lüneburg und VG Minden, jew. aaO); auf die von der Klägerin diskutierte Frage, ob "auf schonende Weise" produziertes 3 mm-Fleisch vor dem Inkrafttreten der genannten Verordnung in den beteiligten Wirtschaftskreisen möglicherweise nicht als Separatorenfleisch betrachtet worden ist (oder ggf. auch heute noch nicht betrachtet wird), kommt es mithin nicht an.
Auf dieser normativen Grundlage ist das von der Klägerin hergestellte 3 mm-Fleisch als Separatorenfleisch einzustufen mit der Folge, dass es nach Maßgabe der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) als solches zu kennzeichnen ist (vgl. insoweit §§ 4, 6 Abs. 1, 3 und 4 Nr. 1 LMKV i.V.m. dem dazugehörigen Anhang). Dass dieses Erzeugnis im Ergebnis durch maschinelles Ablösen des am fleischtragenden Knochen haftenden Fleisches gewonnen wird, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwar stellt die nunmehr maßgebliche Definition des Begriffs "Separatorenfleisch" - anders als die in der Vergangenheit (bis zum 14.08.2007) geltende Vorschrift des § 2 Ziffer 7a der Fleischhygieneverordnung (FlHV) - zusätzlich darauf ab, dass "die Struktur der Muskelfaser des Fleisches sich durch die Art der Herstellung auflöst oder verändert wird"; auch dies ist hier jedoch zu bejahen. Die Klägerin hat zu dem von ihr insoweit praktizierten Herstellungsverfahren selbst vorgetragen, dass das am Knochen haftende Fleisch zunächst - und zwar ihren Angaben nach in Form ganzer Muskelteile und Muskelstücke - mit niedrigen Drücken vom Knochen abgelöst wird und die abgelösten Muskelteile anschließend in einem weiteren Arbeitsschritt mittels einer sog. Baader-Maschine von Sehnen, Knorpeln und Knochenpartikeln getrennt sowie auf eine Körnung von 3 mm gebracht werden. Diese beiden Arbeitsschritte sind entgegen der Auffassung der Klägerin als ein Produktionsvorgang anzusehen, weil zwischen dem Abtrennen des Restfleisches vom Knochen und dem anschließenden "Baadern" ein untrennbarer sachlicher Zusammenhang besteht; denn ohne die durch das "Baadern" bewirkte Befreiung des abgetrennten Restfleisches von Sehnen, Knorpeln und Knochenpartikeln wäre dieses faktisch nicht - auch nicht zum Weitervertrieb als Verarbeitungsfleisch - verkehrsfähig (vgl. OVG Münster, B.v. 18.03.2007 - 13 B 2254/06 -, juris).
Zumindest durch den letztgenannten Arbeitsvorgang ("Baadern", Körnung) kommt es zu einer Veränderung der Muskelfaserstruktur im Sinne der in Anhang I Nr. 1.14 der VO 853/2004 enthaltenen Definition. Dies wird nach Auffassung des Gerichts zum einen durch die Stellungnahme Nr. 038/2006 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 16.06.2006 belegt, in der zum Grad der Veränderung der Muskelfaserstruktur bei der Gewinnung von Restfleisch ausgeführt wird, dass Separatorenfleisch bei einer Sieblochgröße von ca. drei Millimetern gewonnen und bei dieser Größe die Faserstruktur des Fleisches grundsätzlich verändert werde, auch wenn schonende, moderne Verfahren eingesetzt würden (S. 1); auf S. 6 heißt es dann zusammenfassend, dass "grundsätzlich ... bei einer Körnung von Fleisch im 3 mm-Bereich die Muskelfaserstruktur zumindest verändert und in Teilen auch aufgelöst (werde)." Zum anderen ist dem Gericht aus einem gleichgelagerten, in der Vergangenheit bei der 4. Kammer des Gerichts anhängig gewesenen Klageverfahren (4 A 80/05) bekannt, dass die Klägerin jenes Verfahrens zur Stützung ihres Klagevorbringens ein Gutachten des - auch von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens als Sachverständigen benannten (seinerzeit an der Fachhochschule D. tätigen) Prof. Dr. E. vom 10.03.2003 vorgelegt hatte, in dem unter Punkt 7 u.a. ausgeführt war, dass "im Unterschied zu minderwertigem Separatorenfleisch, welches bekanntermaßen einen extrem hohen Zelldeformationsgrad und deshalb eine amorphe Struktur ohne natürlichen Zusammenhang aufweist (sog. Hartseparat), ... 3 mm-Fleisch aus Verbänden weitgehend (Hervorhebung durch das Gericht) erhaltener Skelettmuskulatur, Fett- und Bindegewebe (besteht)." Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass es bei der Herstellung von 3 mm-Fleisch zumindest im Grundsatz - wenn auch ggf. in geringerem Ausmaß als bei einer Ablösung des Restfleisches vom Knochen mit (sehr) hohen Drücken - tatsächlich zu einer Veränderung der Muskelfaserstruktur kommt. Der genannte, im Verhandlungstermin am 25.07.2008 anwesende Sachverständige hat zudem ausdrücklich bestätigt, dass das seiner Stellungnahme vom 10.03.2003 zugrunde liegende Produktionsverfahren mit dem von der Klägerin des vorliegenden Verfahrens praktizierten Verfahren vergleichbar sei und die seinerzeit von ihm festgehaltenen Befunde auf das von der Klägerin hergestellte 3 mm-Fleisch übertragbar seien.
Soweit die Klägerin dem unter Hinweis auf eine weitere gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. E. vom 24.02.2006 entgegenhält, das von ihr produzierte 3 mm-Fleisch sei deshalb nicht als Separatorenfleisch einzustufen, weil bei dessen Herstellung die natürliche Zellstruktur der Skelettmuskulatur nicht verändert werde, ist dieser Einwand unbegründet. Denn Anhang I Nr. 1.14 der VO 853/2004 stellt insoweit allein auf eine Veränderung der Struktur der Muskelfasern, nicht dagegen auf eine Veränderung der Zellstruktur der Muskeln, bei der es sich um den anatomisch engeren Begriff handelt, ab (vgl. OVG Münster und VG Minden, jew. aaO.; ebenso OVG Lüneburg, B.v. 08.07.2008 - 13 LA 7/08 -, www.dbovg.niedersachsen.de); abgesehen davon dürfte eine praktikable Abgrenzung zwischen Separatorenfleisch mit veränderter Muskelfaserstruktur einerseits und in ähnlicher Weise hergestelltem "Fleisch" mit noch erhaltener Muskelzellstruktur andererseits kaum zu treffen sein (vgl. Stellungnahme des BfR vom 16.06.2006, S. 3). Die Ausführungen von Prof. Dr. E. in der mündlichen Verhandlung haben zwar gezeigt, dass es aus dessen Sicht für die Unterscheidung zwischen Separatoren- und sonstigem (Verarbeitungs-)Fleisch maßgeblich auf eine etwaige Veränderung der Muskelzellstruktur ankommt und er deshalb den in Anhang I Nr. 1.14 der VO 853/2004 verwendeten Begriff des Separatorenfleisches für zu weit hält. Diese - in Fachkreisen offenbar umstrittene - Auffassung hat jedoch keinen Eingang in den geltenden Verordnungstext bzw. in die hierfür maßgeblichen Begründungserwägungen gefunden. Im Übrigen ist der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang zwar einzuräumen, dass praktisch jedes maschinelle Abtrennen des Fleisches vom Knochen bzw. "jeder Schnitt ins Fleisch" zu einer Veränderung der Muskelfaserstruktur führt; würde man daher bereits das maschinelle Ablösen als solches für die Einstufung als Separatorenfleisch ausreichen lassen, würde die in Anhang I Nr. 1.14 der VO 853/2004 formulierte Definition letztlich in der Tat keinen Sinn machen. Deshalb ist diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck bzw. unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dahingehend auszulegen, dass maschinell abgelöstes Fleisch dann nicht als Separatorenfleisch anzusehen ist, wenn die Struktur der Muskelfasern bezogen auf das gesamte Stück abgelöstes Fleisch nur punktuell verändert wird und beim Ablösen derart große und zusammenhängende Fleischstücke (z.B. Hähnchenbrust) gewonnen werden, dass diese für sich genommen faktisch verkehrsfähig sind (vgl. OVG Münster und OVG Lüneburg, B.v. 08.07.2008, jew. aaO). Zu der letztgenannten Kategorie von Fleisch(-stücken) gehört das hier in Rede stehende 3 mm-Fleisch jedoch ersichtlich nicht.
Soweit die Klägerin weiter geltend macht, das von ihr produzierte 3 mm-Fleisch könne (auch) deshalb nicht als Separatorenfleisch qualifiziert werden, weil es sich um eine "gehobene Fleischqualität" mit noch weitestgehend vorhandener Fleischstruktur handele, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Denn die Definition von "Separatorenfleisch" in Anhang I Nr. 1.14 der VO 853/2004 stellt allein auf die Art der Gewinnung (nämlich das Verfahren des maschinellen Ablösens des Fleisches vom Knochen) ab, während der Grad der Veränderung der Muskelfaserstruktur, sofern eine solche - wie hier - dem Grunde nach anzunehmen ist, für die rechtliche Einstufung unerheblich ist. Zu dieser Frage hat das OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 10.08.2006 (aaO; ebenso in seinem aktuellen B.v. 08.07.2008, aaO; in diesem Sinne auch OVG Münster und VG Minden, jew. aaO) Folgendes ausgeführt:
"... Dies ist auch insofern von Bedeutung, als im Anhang III Abschn. V Kap. III Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zwei Varianten von Separatorenfleisch mit unterschiedlicher Beschaffenheit und damit verbundenen unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten geregelt werden. ... Damit wird gegenüber dem bisherigen Recht .... nunmehr unterschieden nach Separatorenfleisch, das ohne vorherige Hitzebehandlung verzehrt werden kann (Nr. 3d), und Separatorenfleisch, das nur zur Herstellung von hitzebehandelten Fleischerzeugnissen (Nr. 3e) verwendet werden darf. Beide Varianten sind aber im rechtlichen Sinne Separatorenfleisch, so dass sie auch als solches bei der Weitergabe an andere Betriebe im deutschsprachigen Verkehrsraum zu bezeichnen sind. ... Selbst wenn das von ihr hergestellte Fleisch den "mikrobiologischen Kriterien für Hackfleisch/Faschiertes gemäß der Verordnung (EG) Nr. 852/2004" (vgl. Anhang III Abschn. V Kap. III Nr. 3d) entsprechen sollte, würde es sich um Separatorenfleisch im Rechtssinne handeln. Der europäische Gesetzgeber hat im Erwägungsgrund 20 zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ausdrücklich darauf hingewiesen, die Definition von Separatorenfleisch sollte so allgemein gefasst sein, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens abdeckt. Die rasche technologische Entwicklung in diesem Bereich lasse eine flexible Definition angebracht erscheinen. Ausgehend von einer Risikobewertung für die aus den unterschiedlichen Verfahren resultierenden Erzeugnisse sollten sich jedoch die technischen Anforderungen für Separatorenfleisch voneinander unterscheiden. Dem ist im Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3d) und e) der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 Rechnung getragen worden. Gleichwohl hat der Verordnungsgeber aber an dem Begriff "Separatorenfleisch" festgehalten, wobei aber ... gegebenenfalls qualitätsbestimmende Zusätze beigefügt werden dürfen. ..."
Dem schließt sich das erkennende Gericht uneingeschränkt an, so dass für die von der Klägerin favorisierte teleologische Einschränkung des Begriffs "Separatorenfleisch" kein Raum ist. Diese Auffassung ist im Übrigen - zumindest in der Vergangenheit - auch von der Europäischen Kommission (vgl. deren Schreiben vom 20.10.2006 - SANCO/E2/RD/ca D(2006) S21067) geteilt worden; soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.05.2008 geltend gemacht hat, die Europäische Kommission sei von dieser Auffassung zwischenzeitlich wieder abgerückt, hat sie dies trotz entsprechender Anfrage des Gerichts nicht weiter belegen können.
Soweit die Klägerin schließlich - im Rahmen einer historischen Begriffsauslegung - meint, mit der Einführung der neuen Definition des Separatorenfleisches durch die VO 853/2004 sei keine Änderung bzw. Erweiterung des bis dahin gebräuchlichen Begriffs bezweckt gewesen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Insoweit schließt sich das Gericht den überzeugenden Ausführungen des OVG Münster an, das dazu in seinem Beschluss vom 28.03.2007 (aaO) Folgendes ausgeführt hat:
"... Zwar wird in Erwägungsgrund 19 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 betont, dass Flexibilität angezeigt sei, damit traditionelle Methoden weiterhin angewendet werden könnten. Gleichwohl wird im Erwägungsgrund 19 Satz 2 hervorgehoben, dass die Flexibilität nicht die Ziele der Lebensmittelhygiene in Frage stellen solle. Auch finden sich in der Verordnung gerade zum "Separatorenfleisch"-Begriff substantielle Änderungen ... Im Übrigen machen schon der Erwägungsgrund 29 der Verordnung und Art. 15 der Verordnung deutlich, dass mit der Verordnung substantielle Änderungen angestrebt wurden. Für diese Änderungen wurden nämlich den betroffenen Wirtschaftszweigen lange Anpassungsfristen eingeräumt. ..."
Der Anregung der Klägerin, die Sache zwecks Klärung der in der Klageschrift formulierten Fragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, folgt das Gericht ebenfalls nicht. Eine Verpflichtung nach Art. 234 Abs. 3 des EG-Vertrages (EG), die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, besteht im vorliegenden Verfahren nicht; vielmehr steht eine entsprechende Vorlage im Ermessen des betreffenden nationalen Gerichts (Art. 234 Abs. 2 EG). Dieses Ermessen wird hier dahingehend ausgeübt, dass von einer entsprechenden Vorlage abgesehen wird, weil die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinreichend klar sind und deshalb nach Auffassung des Gerichts zu dem oben gefundenen Ergebnis führen müssen. Die von der Klägerin - insbesondere unter Bezugnahme auf die (fachwissenschaftlichen) Ausführungen des von ihr hinzugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. E. - angestrebte Beschränkung des Begriffs "Separatorenfleisch" lässt sich mithin nicht unter der Geltung des derzeit geltenden Gemeinschaftsrechts, sondern allenfalls - aufgrund entsprechender Initiativen im (europa-)politischen Raum - durch eine Änderung der einschlägigen Vorschriften erreichen.