Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.1987, Az.: 3 K 258/83

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.10.1987
Aktenzeichen
3 K 258/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 20846
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1987:1029.3K258.83.0A

Tatbestand:

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Kfz-Anhänger widerrechtlich i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V. mit § 2 Abs. 5 Satz 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1979 (KraftStG) benutzt hat.

2

Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen in B.. Ermittlungen des Zollfahndungsamts Hannover ergaben, daß die Klägerin am 31. März 1977 von der Berliner Firma T. einen dreiachsigen fabrikneuen Lkw-Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 22.000 kg für einen Zeitraum von vier Jahren gemietet hatte. Als Mietbeginn war die 1. Augustwoche des Jahres 1977 vereinbart. Am 5. August 1977 übernahm die Klägerin das Fahrzeug direkt von dem deutschen Hersteller in V.. Zu diesem Zeitpunkt war der Anhänger auf die Vermieterin mit dem amtlichen Kennzeichen B-L. zugelassen. Am 17. Mai 1978 erhielt der Anhänger auf Betreiben der T. das im sog. "Ferry-Zulassungsverfahren" erteilte niederländische Kennzeichen 71.. Im Anschluß hieran meldete die Vermieterin das Kfz. am 12. Juni 1978 aus dem deutschen Zulassungsverfahren ab. Nachdem die Klägerin im Juni 1980 den Anhänger von der T. erworben hatte, ließ sie ihn am 3. Juli 1980 auf das deutsche Kennzeichen B. zu.

3

Die Klägerin hat den streitigen Anhänger seit dem 5. August 1977 von ihrem B. Sitz aus regelmäßig im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr mit Italien hinter einer im Inland zugelassenen Zugmaschine eingesetzt. Das beklagte Finanzamt (FA) setzte wegen seiner Ansicht nach widerrechtlicher Benutzung des Anhängers für die Zeit vom 12. Juni 1978 bis zum 2. Juli 1980 mit zwei Bescheiden gegen die Klägerin Kraftfahrzeugsteuer Kraftet fest.

4

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren gegen den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 22. September 1982, mit dem das FA gegen sie Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 347 DM für den Zeitraum vom 12. Juni 1980 bis zum 2. Juli 1980 festgesetzt hat. Sie trägt vor, der Anhänger habe eine niederländische Zulassung gehabt und sei ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr hinter einer deutschen Zugmaschine eingesetzt worden. Damit seien die Voraussetzungen für eine Befreiung nach der 24. Ausnahmeverordnung zur Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO)-AusnVO- erfüllt. Soweit das FA die ausländische Zulassung nicht anerkenne, müsse es sich an die Vermieterin, nicht aber an die Klägerin halten.

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Die Klägerin beantragt,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 22. September 1982 über 347 DM und den Einspruchsbescheid vom 4. Mai 1983 Aufzuheben.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Es hält die Voraussetzungen der AusnVO im Streitfall für nicht erfüllt, weil der Anhänger bereits bei Erteilung des niederländischen Kennzeichens einen regelmäßigen Standort im Inland gehabt habe. Hierbei beruft es sich auf das Urteil des BFH vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BStBl II 1986, 765. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Kfz-Steuerakte.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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Die Klägerin schuldet die gegen sie wegen widerrechtlicher Benutzung des streitbefangenen Anhängers für die Zeit vom 12. Juni 1980 bis zum 2. Juli 1980 festestgesetzte Kfz-Steuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V. mit § 2 Abs. 5 Satz 1 KraftStG. Nach diesen Vorschriften liegt eine widerrechtliche Benutzung vor, wenn ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Geltungsbereich dieses Gesetzes ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung benutzt wird. Maßgeblich hierfür sind die verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 2. Abs. 1 Satz 1 KraftStG). Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StVZO dürfen Kraftfahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 Km/h und ihre Anhänger (hinter Kraftfahrzeugen mitgeführte Fahrzeuge mit Ausnahme von betriebsunfähigen Fahrzeugen, die abgeschleppt werden, und von Abschleppachsen) auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie durch Erteilung einer Betriebserlaubnis und Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens für Kraftfahrzeuge oder Anhänger von der Verwaltungsbehörde (Zulassungsstelle) zum Verkehr zugelassen sind. Die Zuteilung des amtlichen Kennzeichens für ein Kraftfahrzeug oder einen Kraftfahrzeuganhänger hat der Verfügungsberechtigte bei der Verwaltungsbehörde (Zulassungsstelle) zu beantragen, in deren Bezirk das Fahrzeug seinen regelmäßigen Standort (Heimatort) haben soll (§ 23 Abs. 1 Satz 1 StVZO).

10

Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Anhänger weder aufgrund der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IKVO) vom 12. November 1934, RGBl I.S. 1137, noch aufgrund der AusnVO vom deutschen Zulassungsverfahren ausgenommen. Gemäß § 1 Abs. 1 IKVO sind außerdeutsche (gebietsfremde) Kraftfahrzeuge, wenn sie einen Internationalen oder ausländischen Zulassungsschein haben, zum vorübergehenden Verkehr i.S. der §§ 18, 19 StVZO zugelassen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu einem Jahr -; beginnend mit dem Tage des Grenzübertritts (§ 5 Buchst. IKVO). Hieraus folgt, daß gebietsfremde Anhänger für die Dauer ihrer vorübergehenden Zulassung grundsätzlich nicht widerrechtlich benutzt werden. Die gleiche Regelung findet auf ausländische Kfz-Anhänger Anwendung, die im Zulassungsverfahren eines anderen Staates zugelassen sind, soweit sie hinter einem im Geltungsbereich der StVZO zugelassenen Zugfahrzeug mitgeführt werden; hierbei müssen die Anhänger im grenzüberschreitenden Güterkraft- oder Huckepackverkehr verwendet werden (§ 1 Abs. 1 der AusnVO).

11

Unstreitig hat die Klägerin den Anhänger im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr eingesetzt und damit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der AusnVO insoweit erfüllt. Hingegen fehlt es an dem Tatbestandserfordernis der Zulassung zum vorübergehenden Verkehr i.S. von §§ 1 Abs. 1, 5 Buchst. b IKVO.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) beginnt bei Begründung eines Standorts im Inland die Jahresfrist für im Ausland zugelassene Kfz. mit dem Tage des Grenzübertritts des Fahrzeugs, der der Begründung des Inlandsstandorts vorausgegangen ist; ob und wie oft das Fahrzeug in der Folgezeit für Fahrten ins Ausland und zurück eingesetzt wird, ist dann ohne Bedeutung. Voraussetzung ist allerdings, daß die regelmäßige Standortbegründung im Inland der ausländischen Zulassung zeitlich nachfolgt. Vorübergehender Verkehr scheidet hiernach dann aus, wenn der Anhänger schon bei der Zulassung im Ausland seinen regelmäßigen Standort im Inland gehabt hatte (Urteil des BVerwG vom 9. Dezember 1983 7 C 70.81, VRS 66, 309, 310 ff.; BayObLG, VRS 58, 227, 229 ff.). Der BFH ist mit seinem Urteil VII R 173/83 der verkehrsrechtlichen Rechtsprechung des BVerwG gefolgt. Hiernach dürfen im Ausland zugelassene Anhänger auch im kraftfahrzeugsteuerlichen Sinne nur dann ein Jahr lang ohne inländische Zulassung kreftfahrzeugsteuerfrei benutzt werden, wenn der regelmäßige Inlandsstandort nach der Zulassung im Ausland begründet wird.

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Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Eine Heranziehung des § 42 Abgabenordnung bedarf es nach Ansicht des Gerichts nicht, weil sich bereits aus Sinn und Zweck der IKVO und der AusnVO ergibt, daß von einer Benutzung im vorübergehenden Verkehr dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn ein Anhänger bereits bei der Auslandszulassung seinen Standort im Inland hatte. In einem solchen Fall fehlt es nämlich bereits im objektiven Sinne an einem ausländischen Standort, von dem aus der Grenzübertritt erfolgen könnte, der die Einjahresfrist in Lauf setzt. Aber auch subjektiv aus der Sicht des Unternehmers her gesehen liegt hier kein vorübergehender Verkehr vor, weil der Schwerpunkt des Einsatzes des Fahrzeugs im Inland liegt (im Ergebnis ebenso Leise, Kraftfahrzeugsteuer, Kommentar, Einführung, Anm. II, S. 14 b, der bei einer sog. "Ausflaggung"-Anmietung eines ausländischen Anhängers, der zuvor im deutschen Zulassungsverfahren zugelassen worden ist -; einen Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 AO annimmt).

14

Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin den streitigen Anhänger nicht zum vorübergehenden Verkehr i.S. von § 1 IKVO i.V. mit § 1 Abs. 1 AusnVO benutzt hat.

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Regelmäßiger Standort des Anhängers war seit der Übernahme durch die Klägerin am 5. August 1977 B.. Dort befindet sich der Sitz der Klägerin; von dort aus wurde über den Einsatz des Fahrzeugs zum Verkehr einschließlich der Ruhezeiten bestimmt. Der Sitz der Vermieterin scheidet als Einsatzmittelpunkt aus, hier wurde lediglich das Vermietgeschäft betrieben. Bei der erstmaligen Übernahme war der Anhänger im Geltungsbereich des KraftStG zugelassen. Diese dauerte an bis zur Abmeldung am 12. Juni 1978. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Vermieterin die Kfz-Steuer entrichtet. Zusätzlich hatte sie das Fahrzeug am 17. Mai 1978 im niederländischen Zulassungsverfahren angemeldet. Im Zeitpunkt der Zuteilung des niederländischen Kennzeichens hatte die Klägerin aber bereits seit mehr als neun Monaten einen regelmäßigen Standort für den Hänger an ihrem Geschäftssitz begründet und das Fahrzeug in diesem Zeitraum auch im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt. Somit steht fest, daß schon bei Erteilung des ausländischen Kennzeichens die Voraussetzungen eines vorübergehenden Verkehrs nicht erfüllt waren. Eine Besteuerung der Klägerin wegen widerrechtlicher Benutzung gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 KraftStG kam jedoch erst seit der Abmeldung in Betracht, da der Anhänger in der Zeit vom 17. Mai 1978 bis zum 12. Juni 1978 nicht ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung benutzt wurde. Der mit der Klage angefochtene Bescheid erfaßt einen Besteuerungszeitraum, in dem die widerrechtliche Benutzung noch andauerte, so daß die Steuerfestsetzung gegen die Klägerin zu Recht ergangen ist (§§ 7 Nr. 3, 6, 5 Abs. 1 KraftStG).

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Eine Steuerbefreiung nach dem deutsch-niederländischen Gegenseitigkeitsabkommen (Anordnung des RdF vom 1. Juli 1930, RStBl 1930, 454) Scheidet aus, da eine widerrechtliche Benutzung außerhalb des Zwecks eines Gegenseitigkeitsabkommens liegt (vgl. BFH-Urteil VII R 173/83).

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Die Besteuerung entfällt auch nicht aufgrund von § 2 Abs. 5 Satz 2 KraftStG. Denn das Halten des Anhängers wäre -; da § 3 Nr. 1 KraftStG nur die vom deutschen Zulassungsverfahren ausgenommenen Fahrzeuge erfaßt -; nicht von der Steuer befreit. Ebensowenig ist eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 KraftStG vorgenommen worden.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.