Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 11.02.2009, Az.: 1 A 306/07

Angriff; Arbeit; Assistent; Aufsicht; bestehen; Bestehensregelung; Fach; Folge; Gruppe; Klausur; MTA-APrV; Nichtbestehen; Note; Ordnung; Prüfung; Prüfungsordnung; Technik; Thema; verhältnismäßig; Verordnung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
11.02.2009
Aktenzeichen
1 A 306/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Alleiniges Nichtbestehen der Klausur in den Fächergruppen 1 der Prüfungsordnung ist ein Nichtbestehensgrund für die gesamte Prüfung.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten, ihr zu bestätigen, dass sie die staatliche Prüfung für medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten (MTA) bestanden habe.

2

Sie legte erstmals im August/September 2006 die staatliche Prüfung für MTA ab. Die Prüfung bestand aus drei Prüfungsteilen. Im schriftlichen Prüfungsteil wurden ihre beiden Aufsichtsarbeiten mit ausreichend (Fächergruppe 1) und mangelhaft (Fächergruppe 2) bewertet. Im mündlichen Prüfungsteil wurden ihre Leistungen in zwei Prüfungsfächern mit mangelhaft, im praktischen Prüfungsteil alle Leistungen mit ausreichend oder befriedigend bewertet. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.10.2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie die staatliche Prüfung für die Ausbildung zur MTA nicht bestanden habe. Gemäß § 7 Abs. 1 der "Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für technische Assistenten in der Medizin" (MTA-APrV) sei die Prüfung bestanden, wenn jeder der nach § 2 Abs. 1 MTA-APrV vorgeschriebenen Prüfungsteile bestanden sei. Die Klägerin habe die schriftliche und die mündliche Prüfung nicht bestanden. Bei ihrer schriftlichen Prüfung seien entgegen den Anforderungen nach § 12 Abs. 2 MTA-APrV nicht beide Aufsichtsarbeiten mindestens mit "ausreichend" benotet worden. Bei der mündlichen Prüfung sei entgegen den Anforderungen nach § 13 Abs. 2 MTA-APrV nicht höchstens ein Fach nicht schlechter als "mangelhaft" benotet worden und die Gesamtnote nicht mindestens "ausreichend".

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Mit Schreiben vom 13.02.2007 wurde die Klägerin erneut zur Prüfung zugelassen. Sie wiederholte die mündliche und schriftliche Prüfung vollständig. In der mündlichen Prüfung erhielt sie in allen vier Prüfungsfächern jeweils die Note ausreichend. Im schriftlichen Prüfungsteil wurden ihre Aufsichtsarbeit der Fächergruppe 1 mit mangelhaft und die Aufsichtsarbeit der Fächergruppe 2 mit ausreichend bewertet. Mit Bescheid vom 02.05.2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie die staatliche Prüfung für die Ausbildung zur MTA endgültig nicht bestanden habe. Sie habe den schriftlichen Teil der Prüfung erneut nicht bestanden, weil ihre beiden Aufsichtsarbeiten nicht mindestens mit "ausreichend" bewertet worden seien. Eine weitere Wiederholungsprüfung sei nicht möglich. Gemäß § 7 Abs. 3 MTA-APrV könne der schriftliche Teil der Prüfung nur einmal wiederholt werden.

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Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sie auch den schriftlichen Prüfungsteil bestanden, da ihre Klausuren der Fächergruppen 1 und 2 - wenn auch in zwei Prüfungsdurchgängen - jeweils mit ausreichend bewertet worden seien. Damit erfülle sie die Anforderungen nach § 12 Abs. 2 MTA-APrV. Es sei zudem fraglich, ob sie überhaupt beide Klausuren hätte wiederholen müssen. Selbst wenn man § 7 Abs. 3 MTA-APrV dementsprechend auslege, folge hieraus nicht, dass beide Aufsichtsarbeiten im zweiten Durchgang mindestens mit ausreichend bewertet werden müssten und ein Ergebnis der ersten Prüfung auf die Wiederholungsprüfung nicht angerechnet werden könne. Aber auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck der MTA-APrV ergebe, dass es ausreiche, wenn die beiden Aufsichtsarbeiten in zwei Prüfungsdurchgängen mit mindestens ausreichend bewertet würden. Die Fächergruppen der beiden Aufsichtsarbeiten wiesen völlig unterschiedliche Lehrinhalte auf. Die Klausuren seien folglich nicht aufeinander abgestimmt. Es hänge allein vom Zufall ab, welche Klausuraufgaben aus den Fächergruppen 1 mit Klausuraufgaben aus den Fächergruppen 2 kombiniert würden. Wäre in ihrem Fall zufällig die Aufgabenstellung der Fächergruppe 1 des ersten Prüfungsdurchgangs mit der Aufgabenstellung der Fächergruppe 2 des zweiten Prüfungsdurchgangs in einem der beiden Prüfungsdurchgänge kombiniert gewesen, hätte sie - im ersten oder eben im zweiten Versuch - beide Klausuren bestanden. Es sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn man die zufällige Auswahl der Klausuren in den beiden Fächergruppen als maßgebend ansehen würde.

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Den Widerspruch wies die Landesschulbehörde - Abteilung Hannover - mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 zurück. Bereits aus § 7 Abs. 3 MTA-APrV ergebe sich, dass es sich bei der schriftlichen Prüfung um einen einzigen Prüfungsteil handele, der lediglich in zwei Fächergruppen (Klausuren) untergliedert sei und aus Fürsorgegründen an zwei Tagen geschrieben werde. So heiße es in § 7 Abs. 3 MTA-APrV eindeutig, "die schriftliche und die mündliche Prüfung" könnten einmal wiederholt werden. Anders als bei der praktischen Prüfung sei die Wiederholung einzelner Prüfungsbestandteile der schriftlichen und mündlichen Prüfung nicht vorgesehen.

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Hiergegen hat die Klägerin am 30.07.2007 Klage erhoben.

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Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

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Sie beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 02.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Landesschulbehörde - Abteilung Hannover - vom 10.07.2007 zu verpflichten, der Klägerin das Bestehen der staatlichen Prüfung für die Ausübung des Berufs Technische Assistentin in der Medizin (MTA) zu bescheinigen,

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und

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die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin könnten Prüfungsleistungen aus der ersten Prüfung bei der Wiederholungsprüfung nicht berücksichtigt werden. Voraussetzung hierfür wäre eine entsprechende ausdrückliche rechtliche Regelung in der MTA-APrV, an der es fehle. Die MTA-APrV sei auch nicht rechtswidrig, soweit § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 4 MTA-APrV für das Bestehen der Prüfung verlange, dass beide Aufsichtsarbeiten mit mindestens "ausreichend" bewertet würden und ein Ausgleich nicht möglich sei. Unerheblich sei auch, dass die MTA-APrV keine Regelung zur Berechnung von Noten/Gesamtnoten enthalte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang der Landesschulbehörde Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat zum Teil Erfolg.

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Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten soweit dort festgestellt wird, sie habe die staatliche Prüfung für die Ausbildung zur MTA endgültig nicht bestanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr steht allerdings kein Anspruch auf die Feststellung zu, dass sie die Prüfung bestanden habe.

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Nach der im Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung geltenden MTA-APrV vom 25.04.1994 (BGBl. I 1994, 922) hat die Klägerin die Wiederholungsprüfung zwar nicht bestanden. Gemäß § 7 Abs. 1 ist die Prüfung bestanden, wenn jeder der nach § 2 Abs. 1 vorgeschriebenen Prüfungsteile - schriftlich, mündlich und praktisch - bestanden ist. Nach § 12 Abs. 2 Satz 4 ist der schriftliche Teil der Prüfung bestanden, wenn jede der beiden Aufsichtsarbeiten mit mindestens "ausreichend" bewertet wird. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht, da ihre Aufsichtsarbeit in der Fächergruppe 1 (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) in der Wiederholungsprüfung lediglich mit "mangelhaft" bewertet wurde.

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Die in § 12 Abs. 2 Satz 4 getroffene Bestehensregelung verstößt jedoch gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Zwar ist grundsätzlich das Erfordernis - selbst strenger - Qualifikationsnachweise durch Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Die Gesundheit der Bevölkerung, die auch für den Beruf der MTA von Bedeutung ist, ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.03.1998 - 1 BvR 1033/82 - u. - 1 BvR 174/84 - m.w.H. auf Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, juris). Für das ärztliche Prüfungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, der Schutz der Bevölkerungsgesundheit rechtfertige bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe und sogar einen gewissen "Überschuss" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen (vgl. BVerfG, a.a.O. m.w.H.). Es ist nicht zu beanstanden, wenn an die Ausbildung und Prüfung von MTA ähnlich hohe Anforderungen gestellt werden.

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen die entsprechenden Regelungen jedoch nicht unverhältnismäßig sein. Voraussetzung sei, dass schon die aufgrund der Teilleistung festgestellten Mängel so gravierend seien, dass sie die Annahme rechtfertigten, der Prüfling werde das Ziel der Prüfung nicht erreichen. Der nicht bestandene Teil müsse eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung gewährleisten, dass das Ausbildungsziel nicht erreicht sei. Als Maßstab gelte, dass einzelne schlechte Leistungen nur dann ohne Ausgleichsmöglichkeit den Ausschlag geben dürften, wenn sie die Annahme rechtfertigten, der Prüfling werde das Ziel der Prüfung, insbesondere die Qualifikation für einen bestimmten Beruf, nicht erreichen, weil er dafür offensichtlich ungeeignet sei. Das Prüfungsfach müsse für die berufsspezifische Befähigung eine wichtige - nahezu unverzichtbare - Bedeutung haben. Ob dies der Fall sei, lasse sich nur anhand einzelner - zumeist sehr unterschiedlicher - Regelungen in den Prüfungsordnungen beantworten (BVerwG, z.B. Beschlüsse vom 10.10.1994 - 6 B 73.94 - und 06.03.1995 - 6 B 3.95 -, jeweils unter Bezugnahme auf BVerfG a.a.O., juris).

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Nach diesen Maßstäben muss das Versagen eines Prüflings in der Aufsichtsarbeit der Fächergruppe 1 regelmäßig den hinreichend sicheren Schluss zulassen, dass der Prüfling für den Beruf des/der MTA offensichtlich ungeeignet ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Bei einer Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Prüfungsordnung wird deutlich, dass der Aufsichtsarbeit in der Fächergruppe 1 für das Gesamtergebnis der Prüfung eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MTA-APrV besteht der schriftliche Prüfungsteil aus zwei Aufsichtsarbeiten. Die Aufsichtsarbeit 1 erstreckt sich nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MTA-APrV auf die Fächergruppen Mathematik, Statistik, EDV und Dokumentation, Chemie/Biochemie, Anatomie und Physiologie/Pathophysiologie; die Aufsichtsarbeit 2 auf die Fächergruppen Histologie/Zytologie, Klinische Chemie, Hämatologie und Mikrobiologie (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). Nach 3 12 Abs. 1 Satz 2 beträgt die Bearbeitungszeit für die Aufsichtsarbeit 1 180 Minuten, für die Aufsichtsarbeit 2 dagegen 240 Minuten. Bei der Bildung der Gesamtnote für die schriftliche Prüfung ist die Note der Aufsichtsarbeit 1 lediglich mit dem Faktor 1, die Note der Aufsichtsarbeit 2 mit dem Faktor 2 zu gewichten. Die Aufsichtsarbeit 2 zählt also doppelt so viel wie die Aufsichtsarbeit 1. Auch für das Gesamtergebnis der Prüfung spielen die Fächergruppen der Aufsichtsarbeit 1 eine untergeordnete Rolle. Diese Fächergruppen sind nämlich weder erneut Gegenstand der mündlichen noch der praktischen Prüfung. Dagegen werden die vier Fächergruppen - Histologie/Zytologie, Klinische Chemie, Hämatologie, Mikrobiologie - der Aufsichtsarbeit 2 erneut und ausschließlich in der mündlichen und praktischen Prüfung geprüft. Prozentual betrachtet zählen die Fächergruppen der Aufsichtsarbeit 1 nur zu 11,11 % für das Gesamtergebnis der Prüfung (33,33 % jeder Prüfungsteil; vom schriftlichen Prüfungsteil 1/3 = 11,11 % bezogen auf die Gesamtprüfung); die Fächergruppen der Aufsichtsarbeit 2 dagegen 88,89 %. Die Fächergruppen Histologie/Zytologie, Klinische Chemie, Hämatologie und Mikrobiologie haben demnach gegenüber den Fächergruppen der Aufsichtsarbeit 1 eine derart überragende Bedeutung für das Ergebnis der Prüfung und damit für die Qualifikation als MTA, dass es unverhältnismäßig ist, einen Prüfling allein wegen einer mangelhaften Leistung in der Aufsichtsarbeit 1 durchfallen zu lassen. Die Gewichtung in der Prüfungsordnung lässt nicht den Schluss zu, dass das Wissen in der Fächergruppe der Aufsichtsarbeit 1 für den Beruf einer MTA nahezu unverzichtbar ist.

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Rechtsfolge der unverhältnismäßigen und verfassungswidrigen Bestehensregel des § 12 Abs. 2 Satz 4 MTA-APrV ist, dass die Prüfungsordnung rechtsungültig ist. Daraus folgt im Allgemeinen, dass die beanstandete Prüfung einschließlich der Prüfungsentscheidung der erforderlichen rechtlichen Grundlage entbehrt und daher rechtswidrig ist. Die Prüfungsentscheidung muss aufgehoben, die Prüfungsordnung geändert und der Prüfling nach Maßgabe einer inhaltlich fehlerfreien Prüfungsordnung erneut geprüft werden. Die vorläufige Anwendung der mit inhaltlichen Mängeln belasteten Prüfungsordnung für eine Übergangszeit scheitert schon daran, dass eine inhaltlich gegen höherrangiges Recht (hier Art. 12 Abs. 1 GG) verstoßende Regelung auch nicht übergangsweise zu dulden ist (Niehues, Schul- und Prüfungsrecht Band 2 - Prüfungsrecht -, 4. Aufl. Rn. 78). Dieses soll aber nur dann unausweichlich sein, wenn der inhaltliche Mangel unheilbar ist und wesentliche Teile der Prüfungsordnung erfasst, so dass er nicht etwa nach den Grundsätzen, die gemäß dem hypothetischen Willen des Normgebers eine Teilnichtigkeit rechtfertigen, als für den Rest der Prüfungsordnung unschädlich zu isolieren ist. Eine solche "Reparatur" der mit Mängeln behafteten Prüfungsordnung scheide von vornherein aus, wenn die Regelung insgesamt zu unbestimmt oder in sich widersprüchlich sei oder in zentralen Bereichen einen erheblichen Verstoß etwa gegen das im Prüfungswesen besonders zu beachtende Gebot der Chancengleichheit enthalte (Niehues, a.a.O. Rn. 70).

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Nach diesen Maßstäben ist der in Rede stehende inhaltliche Mangel der Prüfungsordnung unheilbar. Er erfasst einen wesentlichen Teil der Prüfungsordnung, da er das Bestehen der schriftlichen und zugleich das Bestehen der Prüfung insgesamt regelt und er stellt darüber hinaus einen erheblichen Verstoß gegen das im Prüfungswesen besonders zu beachtende Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) dar. Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.03.1989 (a.a.O.) den Verwaltungsgerichten die Möglichkeit einräumt, die Lücke, die durch die Nichtigkeit einer Bestehensregel entsteht, auch durch Anwendung einer Vorgängerregelung auszufüllen, führt dies hier nicht weiter. Nach der Vorgängerregelung, der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für medizinisch-technische-Laboratoriumsassistenten, für medizinisch-technische-Radiologieassistenten und für veterinärmedizinisch-technische-Assistenten - Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Technische Assistenten in der Medizin - (MTA-APrO) vom 20.06.1972 war nur eine (5stündige) Aufsichtsarbeit vorgesehen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 MTA-APrO), die für das Bestehen der Prüfung ebenfalls mit mindestens "ausreichend" bewertet werden musste (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 MTA-APrO). Ausgleichsmöglichkeiten waren ebenfalls nicht vorgesehen.

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Nach alledem obliegt im vorliegenden Fall dem Verordnungsgeber die Entscheidung darüber, auf welche Weise die entstandene Lücke sachgerecht geschlossen werden soll. Ein Anspruch darauf, die wegen der nichtigen Bestehensregel nicht bestandene Prüfung für bestanden zu erklären, gibt es nicht und könnte sich für die Klägerin allenfalls dann ergeben, wenn eine verfassungsmäßige neue Bestehensregel rückwirkend in Kraft gesetzt wird und die Klägerin deren Anforderungen erfüllt.

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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass ihre Prüfung für bestanden erklärt wird, weil sie die beiden Aufsichtsarbeiten in zwei Prüfungsdurchgängen bestanden hat. Die MTA-APrV in ihrer zur Zeit noch geltenden Fassung bietet hierfür keine Rechtsgrundlage. Nach der Prüfungsordnung müssen beide Klausuren in einem Prüfungsdurchgang mit mindestens "ausreichend" bewertet werden. Die Klägerin musste gemäß § 7 Abs. 3 MTA-APrV die gesamte schriftliche Prüfung (zwei Klausuren) wiederholen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift können die schriftliche und die mündliche Prüfung sowie jedes Fach der praktischen Prüfung einmal wiederholt werden, wenn der Prüfling die Note "mangelhaft" oder "ungenügend" erhalten hat. Dies ist nur so zu verstehen, dass die gesamte schriftliche (und die gesamte mündliche) Prüfung wiederholt werden muss, denn im Gegensatz zur praktischen Prüfung ist eine Wiederholung einzelner Prüfungsleistungen nicht vorgesehen. Müssen aber beide Klausuren wiederholt werden, zählen deren Ergebnisse auch für das Gesamtergebnis der Wiederholungsprüfung. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Prüfungsordnung ausdrücklich eine Anrechnungsmöglichkeit für eine im ersten Prüfungsdurchgang bestandene Klausur auf die Wiederholungsprüfung vorsähe. Dies ist aber nicht der Fall (vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 14.11.2007 - 6 L 1534/07 -, juris). Nichts anderes ergibt sich aus dem Einwand der Klägerin, die zufällige Themenauswahl in den beiden Klausuren dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Hierin liegt kein Verstoß gegen die Chancengleichheit. Die jeweilige Auswahl und Kombination von Prüfungsthemen in einem Prüfungsdurchgang hängt immer vom Zufall ab und trifft alle Prüflinge gleichermaßen.

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Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die MTA-APrV unter einem weiteren Gesichtspunkt rechtswidrig ist, da sie nicht regelt, nach welcher Noten- oder Punkteskala die nach § 6 zu vergebenden Noten von "sehr gut'" bis "ungenügend" bestimmt werden. Infolgedessen ist nicht nachvollziehbar, wie der Vorsitzende des Prüfungsausschusses -wie es in der MTA-APrV heißt - " aus den Noten der Fachprüfer... im Benehmen mit den Fachprüfern " jeweils die Gesamtprüfungsnote für den mündlichen (§ 13 Abs. 2 Satz 3) und praktischen Teil (§ 14 Abs. 2 Satz 2) bzw. die Prüfungsnote für die einzelnen Aufsichtsarbeiten (§ 12 Abs. 2 Satz 3) bildet. Ebensowenig ist nachvollziehbar, wie die Gesamtnote für den schriftlichen Prüfungsteil nach § 12 Abs. 3 MTA-APrV berechnet wird. Allerdings spielt dies im vorliegenden Fall keine Rolle, weil es der Klägerin allein um die in § 12 Abs. 2 Satz 4 MTA-APrV geregelte Bestehensregelung geht und sie nicht einzelne Noten angreift.