Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.02.1988, Az.: 3 A 128/85

Widerspruchsbescheid; Verwaltungsgebühr; Verwaltungskosten; Satzung; Aufhebung; Verwaltungskostensatzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.02.1988
Aktenzeichen
3 A 128/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 12870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0204.3A128.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 22.07.1985 - AZ: 3 VG A 203/84
nachfolgend
BVerwG - 27.04.1990 - AZ: BVerwG 8 C 38.88

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 3. Kammer - vom 22. Juli 1985 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. April 1984 und ihr Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1984 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 50,-- DM für eine Widerspruchsentscheidung vom 2. April 1984. Seine Klage, mit der er beantragt hat,

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den Bescheid vom 2. April 1984 und den Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1984 aufzuheben,

3

hat das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid vom 22. Juli 1985 mit der Begründung abgewiesen, der Betrag von 50,-- DM halte sich in dem von der Tarifstelle 21 der Verwaltungskostensatzung bestimmten Rahmen (10,-- DM bis 1.000,-- DM).

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Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung, mit der er sein Vorbringen weiter verfolgt. Er beantragt,

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den Gerichtsbescheid zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

6

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

8

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen. Sie waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

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II.

Die Berufung hat Erfolg.

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Rechtsgrundlage des geforderten Betrages ist die auf der Grundlage des § 4 NKAG erlassene Verwaltungskostensatzung der Beklagten vom 2. Juni 1976 in der Fassung des 1. Nachtrags vom 28. Juni 1979. Nach Ziffer 21 des Kostentarifs, der nach § 2 Bestandteil dieser Satzung ist, beträgt die Gebühr für Entscheidungen über Rechtsbehelfe 10,-- DM bis 1.000,-- DM. § 3 der Satzung bestimmt, daß bei Gebühren, für die - wie hier - ein Rahmen (Mindest- und Höchstsätze) besteht, bei der Festsetzung das Maß des Verwaltungsaufwandes und der Wert des Gegenstandes zu berücksichtigen sind.

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Wenn § 4 NKAG - anders als etwa § 5 Abs. 2 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. März 1978, GVOBl S. 71 - auch keine ausdrückliche Ermächtigung für die Festsetzung von Rahmengebühren in Satzungen enthält, ergibt sich ihre Zulässigkeit aus dem Wesen der Gebühr, das sowohl eine Ausgestaltung als Fest- wie als Rahmengebühren zuläßt. Indes sind Rahmengebühren im Hinblick auf die Anforderungen des das Abgabenrecht beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes nur zulässig, wenn es sonst nach Lage der Dinge praktisch nicht möglich wäre, das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung durch einen festen Gebührensatz auszudrücken, weil es infolge der Mannigfaltigkeit der denkbaren besonderen Umstände in nicht vorhersehbarer Weise variieren kann. Ein solcher Fall liegt bei der Entscheidung über Rechtsbehelfe vor. Innerhalb des durch den Mindest- und Höchstbetrag bezeichneten Rahmens hat die Verwaltung bei Erfüllung des Gebührentatbestandes daher die Gebührenhöhe im Einzelfall zu bestimmen, wobei sie an die Grundsätze des § 3 der Verwaltungskostensatzung gebunden ist.

12

Im Streitfall hat der Samtgemeindeausschuß der Beklagten am 18. Juli 1979 zur "Anwendung der Tarifnummer 21 des Kostentarifs" folgenden Beschluß gefaßt:

13

"Unter Berücksichtigung der nach § 3 Abs. 1 der Satzung maßgebenden Gesichtspunkte können nachstehende Gebühren bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe festgesetzt werden:

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1. Rechtsbehelfe gegen Veranlagung zu Abgaben

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1.1 Forderungen bis 5.000,-- DM: 3 % der strittigen Forderung, mindestens jedoch 50,-- DM;

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1.2 Forderungen von über 5.000,-- DM bis 10.000,-- DM:

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Gebühr nach Ziffer 1.1, zusätzlich 2 % des 5.000,-- DM übersteigenden Betrages;

18

1.3 Forderungen von über 10.000,-- DM:

19

Gebühr nach Ziffer 1.2, zusätzlich 1 % des 10.000,-- DM übersteigenden Betrages.

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Die Gebühren werden jeweils auf volle DM nach unten abgerundet.

21

2. Rechtsbehelfe gegen sonstige Maßnahmen und Entscheidungen

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2.1 Grundsätzlich 50,-- DM

23

2.2 Bei erheblichem Verwaltungsaufwand 100,-- DM"

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Auf diesen Beschluß hat sich die Beklagte im Festsetzungsbescheid vom 2. April 1984 ausdrücklich bezogen und in der Begründung ausgeführt, sie halte es "durchaus für zulässig, einen Mindestbetrag von 50,-- DM festzusetzen, weil dieser sich im vorgegebenen Rahmen (10,-- DM bis 1.000,-- DM) bewege. Im Widerspruchsbescheid hat sie ergänzend ausgeführt, eine Kostenberechnung habe nicht vorgenommen werden müssen, weil die Gebühr nach Ziffer 21 des Kostentarifs in Verbindung mit Nr. 2 des Beschlusses vom 2. Oktober 1979 grundsätzlich "pauschal 50,-- DM betrage".

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Der Samtgemeindeausschuß hat damit zusätzliche materielle Voraussetzungen für die Erhebung von Verwaltungsgebühren festgelegt, die über die Regelung in § 3 der Verwaltungskostensatzung hinausgehen und den Gebührenrahmen der Tarifstelle 21 von 10,-- DM auf 50,-- DM angehoben haben. Damit hat er in die Zuständigkeit des Samtgemeinderates eingegriffen, der zu einer Änderung seiner Verwaltungskostensatzung allein befugt gewesen wäre (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 71 Abs. 2 NGO), er hat aber auch § 2 Abs. 1 NKAG verletzt, der die Mindestvoraussetzungen einer Satzung bestimmt, zu denen auch der "Satz der Abgabe" gehört und eine "Mindestwiderspruchsgebühr von 50,-- DM" nicht vorsieht.

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Nach der Begründung des Bescheides vom 13. Februar ("Mindestbetrag von 50,-- DM") wie des Widerspruchsbescheides ("pauschal 50,-- DM") ist davon auszugehen, daß sich die Verwaltung durch den Beschluß des Samtgemeindeausschusses vom 2. Oktober 1979 gebunden gefühlt hat und weitere Erwägungen, ob wegen der Besonderheiten des Falls nicht auch eine unter 50,-- DM liegende Verwaltungsgebühr in Frage kommen könnte, nicht angestellt hat. Das mußte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen führen.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

28

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Eichhorn

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Schnuhr

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Dr. Berkenbusch