Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 13.04.2000, Az.: Ss 68/00 (I 49)

Ordnungsmäßigkeit der Besetzung einer kleinen Strafkammer in der Hauptverhandlung; Rechtmäßigkeit der Bestimmung eines Richters zum Vorsitzenden Richter einer Strafkammer; Voraussetzungen für die Begründetheit einer Besetzungsrüge

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
13.04.2000
Aktenzeichen
Ss 68/00 (I 49)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31877
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:0413.SS68.00I49.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 09.11.1999 - AZ: 25 Ls -L- 5/99

Fundstellen

  • StV 2001, 159
  • StraFo 2000, 237-238

Verfahrensgegenstand

Diebstahl

In dem Strafverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 13.April 2000
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
nach § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 11. Strafkammer ( kleine Strafkammer) des Landgerichts Oldenburg vom 9.November 1999 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Diese hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Das Landgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 5.November 1999 das bisher verbundene Verfahren 25 Ls -L- 5/99 ( 152 Js 57362/98 StA Oldenburg) abgetrennt und mit Urteil vom 9.November 1999 die Berufung verworfen, soweit der Angeklagte wegen des Einbruchs vom 18.Januar 1999 in das Wohnhaus der E. H. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist.

3

In der Berufungshauptverhandlung am 26.10.,1.11.,5.11. und 9.11.1999 war die 11.Strafkammer besetzt mit Richter am Landgericht ... als Vorsitzendem und zwei Schöffen. Nach dem Geschäftverteilungsplan des Landgerichts Oldenburg für das Jahr 1999 vom 16.Dezember 1998 war ursprünglich VRiLG ... zum Vorsitzenden der 11.Strafkammer(Kleine Strafkammer ) bestellt worden. Während des Geschäftsjahres 1999 wurde der Geschäftsverteilungsplan mehrfach geändert. Unter anderem wurden - die 11.Strafkammer betreffend - folgende Beschlüsse gefasst:

Landgericht Oldenburg

Das Präsidium

Geschäftsnummer

320 Landgericht 1999

Oldenburg, den 25.02.1999


4. Beschluss zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes für das Jahr 1999
II.

Die Abordnung des Richters am Landgericht ... an das Justizprüfungsamt endet am 28.02.1999.

Vorsitzender Richter am Landgericht Dr. Armin Frühauf übernimmt in Asunción/Paraguay eine Aufgabe als Regierungsberater zur Unterstützung einer Justizreform. Dazu ist er ab März 1999 von seinem Richteramt beurlaubt. Ein neuer Vorsitzender Richter ist noch nicht ernannt.

Aus diesem Anlass wird Richter am Landgericht ... der 11. und 13. Strafkammer zugewiesen. Er übernimmt dort vertretungsweise den Vorsitz.

Landgericht

Das Präsidium

Geschäftsnummer:

320 Landgericht 1999

Oldenburg, den 25.03.1999
6. Beschluss zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes für das Jahr 1999
I.

Am 22.03.1999 ist Richter am Landgericht ... zum Vorsitzenden Richter am Landgericht ernannt worden. Er befindet sich noch bis zum 11.04.1999 im Urlaub.

Aus diesem Anlass wird die Geschäftsverteilung zum 12.04.1999 wie folgt geändert:

Wie bereits in der Präambel zu IV. des Jahresgeschäftsverteilungsplans angekündigt, gibt der Vorsitzende Richter am Landgericht ... den Vorsitz der 5. Strafkammer/Schwurgerichtskammer und der 17. Strafkammer auf und wird zum Vorsitzenden der 11. und 13. Strafkammer bestimmt.

Landgericht

Das Präsidium

Geschäftsnummer:

320 Landgericht 1999

Oldenburg, den 08.04.1999
7. Beschluss zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes für das Jahr 1999
I.

Vorsitzender Richter am Landgericht ... scheidet zum 12.04.1999 aus der 5. Strafkammer/Schwurgerichtskammer und der 17. Strafkammer aus und übernimmt den Vorsitz der 11. und 13. Strafkammer (6. Beschluss zur Änderung des Geschäftsverteilungsplans).

Er tritt am 12.04.1999 einen längeren Urlaub an. Da die 11. und die 13. Strafkammer in diesem Jahr bereits durch mehrwöchigen Urlaub des Vorsitzenden Richters am Landgericht ... belastet worden ist, wird Richter am Landgericht ... abweichend von Ziffer V 3 des Jahresgeschäftsverteilungsplans zum Vertreter des Vorsitzenden der 11. und der 13. Strafkammer bestimmt.

Landgericht Oldenburg

Das Präsidium

Geschäftsnummer:

320 Landgericht 1999

Oldenburg, den 28.05.1999


11. Beschluss zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes für das Jahr 1999

Die 1. Zivilkammer ist mit überjährigen Sachen stark belastet. Aus diesem Grunde wird die Geschäftsverteilung ab dem 01.06.1999 wie folgt geändert:

Der Vorsitzende Richter am Landgericht ... scheidet aus der 11. und 13. Strafkammer aus und wird der 1. Zivilkammer zugewiesen.

Richter am Landgericht ... bleibt der 11. und 13. Strafkammer zugewiesen und übernimmt dort weiterhin den Vorsitz.

RiLG ... ist auch im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Oldenburg für das Jahr 2000 vom 10.November 1999 zum Vorsitzender der 11.Strafkammer bestellt worden.

4

Mit seiner Revision rügt der Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

5

Das Rechtsmittel hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg.

6

Die kleine Strafkammer des Landgerichts war mit dem Richter am Landgericht ... als Vorsitzendem besetzt. Die Revision sieht darin eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ( § 338 Nr.1 StPO).

7

Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr.1 StPO ist in einer den Anforderungen des § 344 Abs.2 StPO genügenden Weise erhoben worden, denn der Angeklagte hat die Tatsachen vorgetragen, die ihm, insbesondere aus dem Geschäftsverteilungsplan, zugänglich waren (vgl. BGHSt 28, 290 [BGH 01.02.1979 - 4 StR 657/78]; OLG Hamm StV 98, 6).

8

Die Besetzungsrüge ist auch begründet, denn die kleine Strafkammer war in der Hauptverhandlung am 26.10.1999,1.11.1999, 5.11.1999 und 9.11.1999 nicht vorschriftsmäßig besetzt ( § 338 Nr.1 StPO).

9

Gemäß § 76 Abs.1 GVG ist die kleine Strafkammer in der Hauptverhandlung mit einem Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt. Nach § 21 f Abs.1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten - außer dem Präsidenten, der hier außer Betracht bleiben kann - die Vorsitzenden Richter (vgl. § 19 a DRiG). Entgegen dieser Bestimmung ist hier nach der Geschäftsverteilung des Landgerichts seit dem 1.Juni 1999 als ordentlicher Vorsitzender der 11.Strafkammmer- Kleine Strafkammer- also nicht als dessen Vertreter, ein Richter am Landgericht bestimmt worden. Der Präsidiumsbeschluss, der bestimmt, dass zum 1.Juni 1999 der Vorsitzende Richter am Landgericht ... aus der 11.Strafkammer ausscheidet und Richter am Landgericht ... der 11.Strafkammer zugewiesen bleibt und weiterhin den Vorsitz übernimmt, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass RiLG ... den Vorsitz vertretungsweise wahrnehmen sollte. Für die Annahme, RiLG ... habe einen nicht ausdrücklich genannten Vorsitzenden aus dem Kreis der vorhandenen Vorsitzenden Richter oder einen noch zu ernennenden neuen Vorsitzenden Richter vertreten sollen, fehlt jeder Anhaltspunkt.

10

Damit steht fest, dass es dem Spruchkörper an der ordnungsmäßigen Besetzung i.S.d. § 338 Nr.1 StPO mangelte ( OLG Hamm, StV 98,6; OLG Hamburg, NStZ 84,570; Kissel,GVG,2.Aufl.,§ 21 f Rn.2). Die Vorschrift des § 21 f Abs.1 StPO, nach der den Vorsitz in den Spruchkörpern des Landgerichts der Präsident und die Vorsitzenden Richter führen, gilt für alle Kammern, die als ständige Spruchkörper eingerichtet sind (BGHSt 31,389). Richter am Landgericht ... konnte somit nicht zum ständigen Vorsitzenden der 11.Strafkammer bestellt werden ( Kissel a.a.O.).

11

Da die kleine Strafkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt war und das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht ( § 338 Nr.1 StPO) ,- insoweit kommt es allein auf die objektive Gesetzwidrigkeit an (vgl. OLG Hamm a.a.O.)- , war das angefochtene Urteil gemäß §§ 353, 354 Abs.2 StPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.