Amtsgericht Bremervörde
Urt. v. 03.11.1989, Az.: 4 C 262/88

Verschenken eines Bildes als Erfüllung der Voraussetzungen des Veräußerns nach § 26 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG); Vestoß des § 26 Abs. 1 UrhG gegen Grundgedanken der Schenkung

Bibliographie

Gericht
AG Bremervörde
Datum
03.11.1989
Aktenzeichen
4 C 262/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 18890
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGBREMV:1989:1103.4C262.88.0A

Fundstellen

  • AfP 1990, 258
  • NJW 1990, 2005 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1990, 1066 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Urheberrechtlicher Folgerechtsanspruch

Das Amtsgericht Bremervörde
hat ohne mündliche Verhandlung
im schriftlichen Verfahren
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 642,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.05.1988 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit aufgrund urheberrechtlichen Folgerechts in bezug auf das Bild "Bauernhaus am Moorkanal" des Malers Otto Modersohn (geboren am 10.03.1943 in Rotenburg/Wümme, verstorben am 10.03.1943 mit letztem Wohnsitz in Fischerhude) in Anspruch.

2

Das vorgenannte Bild wurde von Otto Modersohn an seinen Freund Paul Ludwigs verschenkt, von wo aus es durch Schenkung über die Eltern der Beklagten in das Eigentum der Beklagten gelangte.

3

Die Beklagte gab es dann bei dem Auktionshaus Bolland & Marotz in Bremen zur Versteigerung, wo es in der Auktion 38/1984 für 12.000,- DM veräußert wurde.

4

Die Klägerin macht geltend, durch die vorgenannte Veräußerung im Wege der Auktion sei der urheberrechtliche Folgerechtsanspruch gemäß § 26 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz auf einen Anteil von 5 % des Veräußerungserlöses (hier also in Höhe von 642,- DM) begründet worden, den sie (die Klägerin) für den Sohn Christian Modersohn des Otto Modersohn als alleinigen Erben der Urheberrechte seines Vaters gegen die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit geltendmache.

5

Die Klägerin macht in rechtlicher Hinsicht geltend, der Umstand, daß der Urheber des Bildes (Otto Modersohn) das Bild nicht verkauft sondern verschenkt habe, stehe dem Entstehen des genannten urheberrechtlichen Folgeanspruchs nicht entgegen. Auch eine Schenkung sei eine Veräußerung i.S.v. § 26 Urheberrechtsgesetz, so daß ein einer solchen Schenkung nachfolgender Verkauf eines Bildes über den Kunsthandel eine Weiterveräußerung i.S.v. § 26 Urheberrechtsgesetz darstelle.

6

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt worden ist.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Beklagte macht geltend, der von ihr veranlaßte Auktionsverkauf des streitbefangenen Bildes stelle keine Weiterveräußerung i.S.v. § 26 Urheberrechtsgesetz dar, da es hier an einer Erstveräußerung fehle. Der Künster (Otto Modersohn) habe das Bild vielmehr verschenkt. Das Bild sei dann - wie unstreitig - im Schenkungswege in ihr Eigentum gelangt.

9

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze.

Gründe

10

Die Klage ist gemäß § 26 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz i.V.m. §§ 284, 286, 288 BGB in vollem Umfange begründet.

11

Durch die Veräußerung des genannten Bildes im Wege einer Kunstauktion wurde der urheberrechtliche Folgeanspruch des § 26 Urheberrechtsgesetz ausgelöst.

12

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die genannte Vorschrift des § 26 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz nicht so auszulegen, daß eine Weiterveräußerung i.S.d. vorgenannten Vorschrift nur dann vorliegt, wenn zuvor ein Verkauf des Bildes stattgefunden hat.

13

Der Begriff "Veräußern" wird in der Gesetzessprache für die Vornahme willentlicher Eigentumsübertragung verwendet.

14

Nach § 929 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, daß das Eigentum übergehen soll.

15

In § 932 BGB ist dann wörtlich weiter bestimmt: "Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, daß er zu der Zeit, zu der nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht im guten Glauben ist."

16

Sollen unterschiedliche Rechtsfolgen damit verbunden werden, ob die Veräußerung im Wege der Schenkung oder gegen Entgelt erfolgt ist, so wird das durch die Worte "unentgeltlich"(vgl. § 816 BGB) bzw. "Vergütung" (vgl. §§ 611, 631, 632 BGB) zum Ausdruck gebracht.

17

So wird in der bereits genannten Vorschrift des § 816 BGB bestimmt, daß für den Fall, daß ein Nichtberechtigter (Nichteigentümer) über eine Sache unentgeltlich verfügt, der solcher Art Beschenkte verpflichtet ist, die Sache an den wahren Eigentümer wieder herauszugeben.

18

Die Auslegung der Vorschrift dem Wortsinne nach ist im übrigen auch nicht entscheidend.

19

Sinn und Zweck der genannten Vorschrift des § 26 Urheberrechtsgesetz ist ganz eindeutig. Der Künstler, der ein Kunstwerk durch rechtsgeschäftliche Verfügung unter Lebenden aus der Hand gegeben hat, soll dadurch noch nicht sämtliche geldlichen Urheberrechte an dem Kunstwerk verlorenhaben. Sollte das Kunstwerk nach der Weggabe aus seinem Besitz im Wege des Kunsthandels veräußert werden, so soll dem Künstler in diesem Fall ein prozentualer Anspruch am Veräußerungserlös bleiben.

20

Aus der Kunstgeschichte sind zahlreiche Fälle bekannt, bei denen der Künstler noch zu seinen Lebzeiten erlebt, wie Frühwerke von ihm, die er billig oder um/sonst abgegeben hat, zu erheblichen Preisen im Kunsthandel weitergegeben würden sind.

21

Es erschien dem Gesetzgeber recht und billig, den Künster in diesem Fall an dem Veräußerungserlös im bescheidenem Umfang von 5 % des Veräußerungserlöses weiterhin zu beteiligen.

22

Das stellt weder einen Widerspruch zu einem voraufgegangenen Verkauf des Kunstwerks noch einen Widerspruch zu einem voraufgegangen Verschenken eines Kunstwerks dar.

23

Sowohl bei einem Verkauf wie auch bei einer Schenkung trennt sich der Künstler eigentumsmäßig vollständig von dem Kunstwerk, woran auch im Falle des Weiterverkaufs im Kunsthandel nicht gerüttelt wird. Es geht allein darum, daß der Künstler bei der genannten besonderen Form der Verwertung des Kunstwerks, in dem es in den Kunsthandel gegeben wird, am Erlös in diesem Zusammenhang beteiligt werden soll.

24

Das ist insbesondere auch kein Verstoß gegen den Grundgedanken einer Schenkung. Eine Schenkung wird vielfach mit dem Gedanken verbunden sein, daß der Beschenkte den geschenkten Gegenstand wertschätzen und behalten wird. Wenn der Beschenkte den Kunstgegenstand dann doch - wie ihm das rechtlich zusteht - verkauft, so widerspricht es nicht dem Grundgedanken einer Schenkung, daß nun auch der schenkende Künstler diesen neuen Sachverhalt unabhängig von der voraufgegangenen Schenkung selbständig bewertet und die ihm vom Gesetz für diesen Fall zugestandenen Rechte (hier: das Folgerecht nach § 26 Urheberrechtsgesetz) geltendmacht.

25

Daraus folgt zugleich, daß die Beklagte nicht mit Erfolg damit argumentieren kann, daß die Erben des schenkenden Künstlers wegen der voraufgegangenen Schenkung des Kunstwerks durch den Künstler selbst verwehrt sei, den genannten Folgeanspruch nach § 26 Urheberrechtsgesetz geltend zu machen. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers hat vielmehr auch der Künstler selbst, wenn er noch erlebt, daß seine weggebenen Bilder im Kunsthandel verkauft werden, den genannten Folgeanspruch. Um so weniger kann den Erben vorgeworfen werden, einen solchen Folgeanspruch geltendzumachen.

26

Soweit die Beklagte sich auf den Grundsatz "geschenkt ist geschenkt" berufen will, handelt es sich insoweit nicht um einen Rechtsgrundsatz sondern um eine Formulierung aus Kindermund, die wohl vollständig wie folgt lautet: "Geschenkt ist geschenkt und wiedergenommen ist gestohlen." Dieser Spruch zielt auf die Situation, daß Kinder leicht etwas verschenken und es dann ebenso leicht wiederhaben wollen, wodurch dann natürlich Streit entsteht. Dieser Streit wird dann mit der vorgenannten sprachlichen Wendung bestritten - mit welchem Ausgang auch immer. Rechtsgrundsätze sind darin nicht enthalten, es sei denn der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß Verträge einzuhalten sind.

27

Der Folgerechtsanspruch des § 26 Urheberrechtsgesetz stellt aber keinen Verstoß gegen den Grundgedanken des Schenkungsrechts dar. Die Schenkung selbst wird durch den genannten Folgerechtsanspruch nicht berührt. Insbesondere gilt auch nach allgemeinem Schenkungsrecht eine Schenkung nicht absolut und für alle Fälle. Das Schenkungsrecht ist in den §§ 516-534 BGB vom Gesetzgeber ausführlich geregelt worden, insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen sogar ein Rückforderungsanspruch des Schenkenden vorgesehen. Schon nach allgemeinem Schenkungsrecht gilt daher eine Schenkung nicht absolut und uneingeschränkt. Insoweit fügt sich auch der urheberrechtliche Folgeanspruch nach § 26 Urheberrechtsgesetz ohne Kollision mit dem Grundgedanken des Schenkungsrechts in die Rechtsordnung ein, wenn man - wie auch von der herrschenden Meinung in der Literatur vertreten - die vorgenannte Vorschrift des Urheberrechts dahin auslegt, daß auch dann eine Weiterveräußerung des Kunstwerks i.S.d. vorgenannten Vorschrift vorliegt, wenn zuvor das Kunstwerk vom Künstler oder seinen Erben dem Veräußerer geschenkt worden war.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht darauf, daß gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel zulässig ist, da der Gesamtstreitwert niedriger liegt als die gesetzliche Mindestberufungssumme von 700,- DM.