Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.01.2014, Az.: 2 Ws 368/13
Anspruch eines Nebenklägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor der endgültigen Einstellung eines Verfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.01.2014
- Aktenzeichen
- 2 Ws 368/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 11866
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2014:0114.2WS368.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Lüneburg (Zweigstelle Celle) - AZ: 4201 Js 7427/12
- LG Lüneburg - 29.10.2013 - AZ: 25 Ns 57/13
Rechtsgrundlagen
- § 153a StPO
- § 472 Abs. 1 StPO
- § 472 Abs. 2 S. 2 StPO
Fundstellen
- JurBüro 2014, 316
- NStZ-RR 2015, 194
- StRR 2014, 122
- VRR 2014, 123
Amtlicher Leitsatz
Dem Nebenkläger ist vor der endgültigen Einstellung eines Verfahrens nach § 153a StPO jedenfalls dann rechtliches Gehör zu gewähren, wenn seine Auslagen entgegen § 472 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 StPO nicht erstattet werden sollen.
In der Strafsache
gegen S. E.,
geboren am xxxxxx 1976 in B./Türkei,
wohnhaft I.straße, C.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt B., C. -
wegen Körperverletzung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx und die Richterin am Landgericht xxxxxx am 14. Januar 2014
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. Oktober 2013 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Das Amtsgericht Celle verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45,- EUR. Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Berufung ein. Das Landgericht Lüneburg stellte in der Berufungsinstanz das Verfahren mit Beschluss vom 2. Juli 2013 vorläufig gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 900,- EUR ein, nachdem der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft zugestimmt hatten. Der Nebenklägervertreter war telefonisch angehört worden und hatte auf weitere Gelegenheit zur Stellungnahme verzichtet. Nach Zahlung der Geldauflage wurde das Verfahren ohne erneute Anhörung der Verfahrensbeteiligten mit Beschluss vom 16. August 2013 endgültig eingestellt. In der Kostenentscheidung heißt es: "Die Landeskasse trägt die Kosten des Verfahrens. Jedoch hat der Angeklagte seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen, § 467 Abs. 1 und 5 StPO." Mit Schreiben vom 17. September 2013 bat der Nebenklägervertreter um Mitteilung, ob die Geldauflage vollständig gezahlt worden sei und beantragte für diesen Fall, die notwendigen Auslagen der Nebenklage dem Angeklagten aufzuerlegen. Das Landgericht Lüneburg gewährte den Verfahrensbeteiligten daraufhin rechtliches Gehör und wies darauf hin, dass die Kammer bei ihrer Entscheidung über die endgültige Einstellung des Verfahrens die Beteiligung der Nebenklägerin übersehen und deshalb keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage getroffen habe. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 ergänzte die Kammer ihren Beschluss vom 16. August 2013 dahin, dass der Angeklagte auch die notwendigen Auslagen der Nebenklage zu tragen hat. Gegen den Beschluss vom 29. Oktober 2013 wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde vom 12. November 2013.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unzulässig.
1.
Allerdings ist streitig, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen gegen einen Beschluss, mit dem eine unterbliebene Auslagenentscheidung bei der endgültigen Einstellung eines Verfahrens nach § 153a StPO nachgeholt wurde, ein Rechtsmittel zulässig ist. Nach wohl überwiegender Auffassung ist eine sofortige Beschwerde gegen eine nachgeholte Auslagenentscheidung schon vom Ansatz her nicht zulässig (OLG Schleswig, SchlHA 1998, 179, 180; HansOLG Hamburg, MDR 1985, 604; OLG Düsseldorf, MDR 1988, 164; Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 464 Rdnr. 18, LR-Hilger, StPO, 25. Auflage § 464 Rdnr. 28), weil die Entscheidung über eine Einstellung nach § 153a StPO nicht anfechtbar ist und deshalb gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO auch nicht die Kosten- und Auslagenentscheidung. Auch eine - in unzulässiger Weise - nachgeholte Kosten- und Auslagenentscheidung nehme an der Unanfechtbarkeit der Einstellung teil, da der Rechtsschutz insoweit nicht weiter gehen könne, als bei einer zulässigerweise - rechtzeitig - zustande gekommenen Entscheidung (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Nach anderer Auffassung ist die Beschwerde gegen eine im Verfahren auf Nachholung des rechtlichen Gehörs nach § 33a StPO ergangene Entscheidung, mit der eine unterbliebene Auslagenentscheidung nachgeholt worden ist, allerdings dann zulässig, wenn mir ihr geltend gemacht werde, die Vorinstanz habe mit der Entscheidung ihre in formelle Rechtskraft erwachsene frühere Entscheidung abgeändert, ohne dass die förmlichen Voraussetzungen des § 33a StPO vorgelegen hätten (OLG Karlsruhe, Die Justiz 1985, 319, SK-StPO/Weßlau, § 33a Rdnr. 32; Meyer-Goßner, a.a.O. § 33a Rdnr. 10). Denn die ohne Rechtsgrundlage erfolgte nachträgliche Abänderung einer solchen Entscheidung, deren Unabänderlichkeit ein Gebot der Rechtssicherheit sei, könne nicht dadurch der Anfechtung entzogen werden, dass sie fälschlich auf § 33a StPO gegründet werde (OLG Karlsruhe, a. a. O).
2.
Hier ist das Rechtsmittel des Angeklagten nach beiden Auffassungen unzulässig. Auch wenn man sich der zweiten, u.a. vom OLG Karlsruhe vertretenen, Auffassung anschließt, war eine Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung im Nachverfahren nach § 33a StPO nicht statthaft. Denn der Nebenklägerin war vor der endgültigen Einstellung des Verfahrens kein rechtliches Gehör gewährt worden. Dieses Gehör musste nachgeholt werden (vgl. zur Zulässigkeit der Nachholung unterbliebener Kosten- und Auslagenentscheidungen: OLG Stuttgart, NStZ-RR 2004, 320 [OLG Stuttgart 29.03.2004 - 4 Ws 65/04]; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Dezember 2009 - 1 Ws 244/09; OLG Bremen, Beschluss vom 27. August 1998 - Ws 35/98; OLG Düsseldorf, MDR 1993, 786). Ein Nebenkläger ist vor der endgültigen Einstellung eines Verfahrens nach § 153a StPO jedenfalls dann anzuhören, wenn seine Auslagen entgegen § 472 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 StPO nicht erstattet werden sollen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. § 472 Rdnr. 13 m. w. Nachw.). Dies ist nicht geschehen. Die Nebenklägerin hat auch nicht auf eine Anhörung vor der Entscheidung über die Auslagen der Nebenklage verzichtet. Der Verzicht auf weitere Gelegenheit zur Stellungnahme bezog sich nach dem Inhalt des richterlichen Vermerks über das Telefonat mit dem Nebenklägervertreter allein auf die Entscheidung über die vorläufige Einstellung des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.