Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 30.08.2005, Az.: 1 A 335/05

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
30.08.2005
Aktenzeichen
1 A 335/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43288
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2005:0830.1A335.05.0A

Fundstellen

  • FStNds 2006, 385-389
  • KommJur 2006, 479
  • NVwZ-RR 2006, 278-282 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ-RR 2007, 720
  • NdsVBl 2006, 114-119

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Kommunalrecht

hat das Verwaltungsgericht Osnabrück -1. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2005 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schwenke, den Richter am Verwaltungsgericht Flesner, die Richterin am Verwaltungsgericht Müller sowie die ehrenamtlichen Richter Arnold und Bertke

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

    Die hinsichtlich der Mandatsverluste der Beigeladenen zu 1) bis 27) getroffenen Feststellungsentscheidungen des Beklagten zu 3) vom 17.3.2005 und 12.7.2005 sind unwirksam.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Gerichtskosten tragen die Kläger zu 6/7 und der Beklagte zu 3) sowie die Beigeladene zu 3) je zu 1/14. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und zu 2) sowie des Beigeladenen zu 28) zur Gänze und des Beklagten zu 3) sowie der Beigeladenen zu 3) zur Hälfte. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger zu 6/7. Der Beklagte zu 3) und die Beigeladene zu 3) tragen die außergerichtlichen Kosten der Kläger je zu 1/14 und die eigenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3) und des Beigeladenen zu 28) sind, die der übrigen Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen Beschlüsse und Maßnahmen, die im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Auflösung des Beklagten zu 3) ergangen sind.

2

Bei der im Jahre 2001 durchgeführten Kommunalwahl zum Beklagten zu 3) entfielen auf die CDU 19 Sitze, auf die SPD 7 Sitze, auf das Bündnis 90/Die Grünen 2 Sitze und auf die FDP 1 Sitz. Im April 2003 spaltete sich von der Fraktion der CDU die "Gemeinschaft für Bad Iburg" (GfB) mit sieben Sitzen ab. Seit Juni 2003 besteht zwischen den Fraktionen der CDU, der FDP und der Klägerin zu 1) eine Vereinbarung über eine interfraktionelle Zusammenarbeit.

3

Der Zusammenschluss umfasst 15 der 29 Sitze. Im Jahre 2003 trat der seinerzeitige Bürgermeister K. L. (CDU) zurück und verzichtete auf sein Ratsmandat. Ein CDU-Mitglied rückte als Ratsmitglied nach und der Beklagte zu 3) wählte die Beigeladene zu 3) zur Bürgermeisterin. Im Januar 2005 bildete sich ein "Initiativkreis Neuwahlen M.", dessen Ziel es ist, dass die Ratsmitglieder und deren Nachrücker auf ihre Ratsmandate verzichten und dadurch der Beklagte zu 3) aufgelöst wird, so dass noch in der laufenden Legislaturperiode Neuwahlen durchgeführt werden können. Am 25.1.2005 wurde auf Einladung des "Initiativkreises Neuwahlen M." eine Bürgerversammlung durchgeführt. Darüber liegt eine Mitschrift vor. Ausweislich dieser hat es in der Versammlung eine Beratung durch den nunmehrigen Bevollmächtigten des Beklagten zu 2) gegeben. Dieser hat einerseits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber kein Recht des Rates vorgesehen hat, sich selber aufzulösen; zugleich ist den Zuhörern aber mitgeteilt worden, dass der Rat kraft Gesetzes aufgelöst ist, wenn die Hälfte aller Sitze unbesetzt ist, was neben dem Rücktritt der gewählten Mandatsträger auch einen Verzicht der Nachrücker erfordere. An die Ausführungen schloss sich die öffentliche Befragung der Fraktionsvorsitzenden der im Beklagten zu 3) vertretenen Parteien und Gruppierungen an, u.a. ob sie bereit seien, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie ihre Bereitschaft zum Rücktritt vom Ratsmandat erklären, um den Weg für Neuwahlen freizumachen, und auch auf Nachrücker entsprechend einzuwirken.

4

Der Beigeladene zu 28) ist der für die Zeit bis zum 31.03.2007 in der bis dahin noch zweigleisig geführten Stadtverwaltung gewählte Stadtdirektor der Beklagten zu 2). Er war für die im Jahre 2001 durchgeführte Kommunalwahl gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 NKWG zum Wahlleiter berufen worden. Unter dem 10.2.2005 schrieb er - als Stadtdirektor der Beklagten zu 2) - die Ratsmitglieder an und wies diese daraufhin, dass die Mitgliedschaft im Beklagten zu 3) gemäß § 37 Abs. 1 NGO u. a. durch Verzicht ende, und fügte jeweils eine vorformulierte Verzichtserklärung (Verzicht mit Wirkung vom 15.7.2005) bei. Daraufhin erklärten 23 der 29 Ratsmitglieder - zum Teil unter Verwendung des vom Stadtdirektor zugesandten Vordrucks - ihren Verzicht auf ihr Ratsmandat Mitwirkung zum 15.7.2005. In dieser Sitzung äußerte sich der Kläger zu 2) (auch für die Klägerin zu 1))gegen die geplante Neuwahl; an der Abstimmung nahmen die Kläger zu 2) und zu 3) jedoch nicht teil. In seiner Sitzung am 17.3.2005 stellte der Beklagte zu 3) gemäß § 37 Abs. 2 NGO fest, dass diese 23 Ratsmitglieder ihre Mitgliedschaft im Rat durch Verzicht verloren hätten. In der Folgezeit erklärten 4 weitere Ratsmitglieder - die Vertreter der übrigen Fraktionen im Verwaltungsausschuss - ihren Mandatsverzicht zum 15.7.2005. In seiner Sitzung am 12.07.2005 stellte der Beklagte zu 3) unter Punkt 7 (7.1 - 7.27) der Tagesordnung - jeweils mit 26 Ja-Stimmen gegen die beiden Stimmen der Kläger zu 2) und zu 3) - den Verlust dieser 27 Mandatsverzichte und damit nochmals auch den Verlust derjenigen 23 Ratsmandate fest, deren Verlust bzw. Verzicht bereits in der Sitzung am 17.3.2005 festgestellt worden war. Im Gegensatz zur Verlust- bzw. Verzichtsfeststellung in der Sitzung vom 17.03.2005 war den Ratsentscheidungen vom 12.07.2005 eine Vorbefassung durch den Verwaltungsausschusses der Beklagten zu 2) vorausgegangen. Dieser hatte in seiner Sitzung am 5.7.2005 unter TOP 5 "Feststellung von Mandatsverzichten" die Feststellung dieser 27 Mandatsverzichte behandelt. Bis auf eine Ersatzperson (Ersatzperson für den FDP-Sitz) haben alle übrigen vorhandenen Ersatzpersonen die Annahme eines Ratssitzes abgelehnt.

5

Die Kläger zu 2) und 3) gehören der Klägerin zu 1) an und haben - als einzige der 29 Ratsmitglieder - nicht auf ihr Ratsmandat verzichtet.

6

Die Kläger haben am 1.7.2005 die streitgegenständliche Klage erhoben.

7

Zugleich hatten sie bei der erkennenden Kammer um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Dieses Begehren war Gegenstand des Verfahrens 1 B 41/05. Als Antragsteller jenes Verfahrens begehrten die Kläger vorläufigen Rechtsschutz in der Weise, dass dem Beklagten zu 3) im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagt werden sollte, in seiner Sitzung am 12.7.2005 einen Beschluss zur Feststellung der Mandatsverzichte der 27 Ratsmitglieder fassen. Außerdem sollte hilfsweise der Beigeladenen zu 3) in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Beklagten zu 3) im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben werden, an einer Beschlussfassung des Beklagten zu 3) nicht mitzuwirken des weiteren darauf hinzuweisen, dass ein solcher Beschluss zu einer rechtswidrigen Beschlusslage führen würde. Weiter hilfsweise sollte dem Stadtdirektor der Beklagten zu 2) für den Fall einer solchen Beschlussfassung aufgegeben werden, den Beschluss als rechtswidrig zu beanstanden. Weiter hilfsweise sollte auch der Beklagte zu 1) für den Fall einer solchen Beschlussfassung verpflichtet werden, die Feststellung der Auflösung des Beklagten zu 3) zu unterlassen. Die Kammer hat diese Anträge durch Beschluss vom 11.7.2005 abgelehnt. Dazu hat sie hinsichtlich des gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Antrages ausgeführt, dass den Antragstellern -ausgehend vom Kern ihres Begehrens, die Feststellung des Verlustes der Mandate der 27 Ratsmitglieder und die Auflösung des Rates zum verhindern und damit den Verlust ihrer eigenen Ratssitze bzw. ihrer Existenz als Fraktion zum vermeiden - durch die für die Ratssitzung am 12.7.2005 vorgesehenen Beschlüsse keine Rechtsbeeinträchtigung drohe, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes notwendig machen könnte. Dem ist zugrunde gelegt worden, dass der Beklagte zu 3) bereits in seiner Sitzung am 17.3.2005 den Verlust von 23 Ratssitzen festgestellt habe und bei der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu erkennen sei, dass der für den 12.7.2005 vorgesehene Ratsbeschluss die Rechtspositionen der Kläger in einem rechtserheblich weiteren Maße beeinträchtigen könnte, als dies bereits durch den Beschluss vom 17.3.2005 bewirkt worden sei. In einem obiter dictum hat die Kammer Bedenken an der Rechtswirksamkeit der Verzichtserklärungen der 27 Ratsmitglieder geäußert. Gegen den Beschluss haben die Kläger Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdeverfahren beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Aktenzeichen 10 ME 127/05) ist nach der Beschlussfassung des Beklagten zu 3) am 12.7.2005 nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten durch Beschluss vom 31.8.2005 eingestellt worden.

8

Der Beklagte zu 1) hat durch Bescheid vom 27.7.2005 festgestellt, dass der Beklagte zu 3) seit dem 15.7.2005 aufgelöst sei. Er hat dazu ausgeführt: Insgesamt 27 von 29 Ratsmitgliedern hätten wirksam auf ihre Mitgliedschaft im Beklagten zu 3) mit Wirkung zum 15.7.2005 verzichtet. Diese Ratsmitglieder hätten ihren Verzicht mit teilweise unterschiedlichen persönlichen Begründungen erklärt. Die Verzichte seien freiwillig erfolgt. Der Beklagte zu 3) habe in seiner Sitzung am 17.03.2005 den jeweiligen Verzicht auf das Ratsmandat und den damit eingetretenen Mandatsverlust Hinblick auf 23 Ratsmitglieder und in seiner Sitzung am 12.7.2005 im Hinblick auf 4 weitere Ratsmitglieder wirksam festgestellt. Die für diese Ratsmitglieder zur Verfügung stehenden Ersatzpersonen hätten mit Ausnahme der Ersatzperson für den Ratsherrn N. (O.) ausweislich der vorliegenden 11 Erklärungen sowie der Feststellung des Gemeindewahlleiters vom 15.3.2005 die Annahme der entsprechenden Sitze abgelehnt.

9

Die Kläger beantragen,

1. gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) festzustellen, dass die beim Beklagten zu 3) eingegangenen Verzichtserklärungen der Ratsmitglieder P. Q., R. Q., S. T., U. V., W. X., Y. Z., AA. AB., AC. AB., AD. AE., AF. AG., AH. AI., AJ. AK., AL AM., AN. AO., AP. AQ., AR. AS., AT. AU., AV. AW., AX. AY., AZ. BA., BB. BC., BD. BE., Y. BF., BG. N., BH. Bl., BJ. BK. und BD. BL., betreffend das Ende der jeweiligen Mitgliedschaft im Beklagten zu 3) zum 15.07.2005, rechtsunwirksam sind;

10

2. gegen den Beklagten zu 1) und 3) festzustellen, dass die Beschlüsse des Beklagten zu 3) in seiner Sitzung vom 17.3.2005 unter Tagesordnungspunkt 9, betreffend die Feststellung der Mandatsverzichte der 23 Ratsmitglieder P. Q., R. Q., U. V., W. X., Y. Z., AA. AB., AC. AB., AD. AE., AF. AG., AH. AI., AJ. AK., AL. AM., AN. AO., AP. AQ., AR. AS., AT. AU., AX. AY., AZ. BA., BB. BC., BD. BE., Y. BF., BH. Bl. und BD. BL., betreffend das Ende der jeweiligen Mitgliedschaft im Beklagten zu 3) zum 15.07.2005, rechtsunwirksam sind;

11

3. gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) festzustellen, dass die Beschlüsse des Beklagten zu 3) in seiner Sitzung vom 12.7.2005 unter Tagesordnungspunkt 7, betreffend die Feststellung der Mandatsverzichte der 27 Ratsmitglieder P. Q., R. Q., S. T., U. V., W. X., Y. Z., AA. AB., AC. AB., AD. AE., AF. AG., AH. AI., AJ. AK., AL. AM., AN. AO., AP. AQ., AR. AS., AT. AU., AV. AW., AX. AY., AZ. BA., BB. BC., BD. BE., Y. BF., BG. N., BH. Bl., BJ. BK. und BD. BL., betreffend das Ende der jeweiligen Mitgliedschaft im Beklagten zu 3) zum 15.07.2005, rechtsunwirksam sind;

12

4. den Feststellungsbescheid des Beklagten zu 1) vom 27.7.2005, betreffend die Auflösung des Beklagten zu 3) seit dem 15.7.2005, aufzuheben;

13

hilfsweise zu den Anträgen zu 1) bis zu 4),

14

gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) festzustellen, dass der Beklagte zu 3) nicht gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 NGO aufgelöst worden ist.

15

Zur Begründung ihrer Klagen tragen die Kläger im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Klagen nicht etwa unzulässig. Die Klagebegehren seien nicht etwa vorrangig und ausschließlich mit einem Wahleinspruch nach dem Niedersächsischen Kommunalwahlgesetz zu verfolgen. Nicht die Ablehnung der Annahme eines freigewordenen Sitzes durch eine Ersatzperson, sondern die diesem vorgelagerten kollektiven Mandatsverzichte der Ratsmitglieder, die darauf gerichteten feststellenden Ratsbeschlüsse, die damit bezweckte Auflösung des Rates und die dem folgende Auflösungsentscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde bildeten den Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens. Streitgegenständlich sei somit - zusammengefasst - das gesamte kommunalrechtliche Verfahren, das zu einer Selbstauflösung des Beklagten zu 3) führen solle. Sie - die Kläger - machten spezifische subjektive Organ-Mitgliedschaftsrechte geltend. Der Geltendmachung solcher subjektiven Organ-Mitgliedschaftsrechte diene aber nicht das Wahleinspruchsverfahren nach § 46 NKWG. Das sei auch an dem gesetzlich festgelegten Kreis der nach § 46 Abs. 1 NKWG Einspruchsberechtigten ablesbar. Bei den mit den Anträgen zu 1) bis 3) geltend gemachten Rechten gehe es im Kern nicht um subjektive Rechte gegenüber den anderen (verzichtenden) Ratsmitgliedern, sondern um solche gegenüber dem kommunalen Kollegialorgan, dem Beklagten zu 3). Die beanstandeten Maßnahmen griffen in ihre Mandats- und Fraktionsrechte ein. Diese Rechte würden durch die mit den Anträgen zu 2) und zu 3) angegriffenen Ratsbeschlüsse unmittelbar verletzt. Habe - wie hier - die Mehrheit der Ratsmitglieder kollektiv auf ihre Mandate mit dem Ziel der Selbstauflösung des Rates verzichtet, finde naturgemäß durch denselben Rat keine wirkliche Prüfung der materiellen Rechtswirksamkeit der kollektiven Verzichtserklärungen mehr statt, die der Rat aber nach § 37 NGO vor seiner Feststellungsentscheidung durchzuführen habe. Daraus ergebe sich dann auch gleichsam das qualifizierte Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1). Außerdem komme einer dem Antrag zu 1) stattgebenden Entscheidung auch eine Klarstellung zu, die wegen der hier gegebenen Wiederholungsgefahr geboten sei. Ersichtlich wollten die die Auflösung des Beklagten zu 3) betreibenden Ratsmitglieder "auf Biegen und Brechen" eine Neuwahl herbeiführen. Der Antrag zu 4) sei zulässig, auch wenn nicht sie - die Kläger -, sondern der Beklagte zu 2) Adressat dieses Bescheides sei. Der Bescheid stelle aus ihrer Sicht einen belastenden Verwaltungsakt dar. Er ziele darauf, Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Auflösung des Rates, die hier berechtigt seien, zu beseitigen und die Grundlage für eine Neuwahl zu legen. Dadurch würden ihre - der Kläger - subjektiven Rechtspositionen erheblich gefährdet und verletzt. Der Hilfsantrag sei hilfsweise zu den Anträgen zu 1) bis zu 4) gesteht. Im Fall der Notwendigkeit der Entscheidung über diesen Hilfsantrag sei es erforderlich, dass der zwar rechtswidrigen, aber dennoch wirksamen Entscheidung des Beklagten zu 1) eine gerichtliche Feststellung entgegengehalten werden könne, dergemäß der Beklagte zum 3) nicht aufgelöst sei. Die Anträge seien insgesamt auch begründet. Materiell-rechtlich lasse sich der streitgegenständliche Rechtsstreit auf die zwei Fragestellungen zusammenfassen, ob dem Rat einer Gemeinde als kommunalem Kollegialorganen nach der NGO ein Selbstauflösungsrecht zustehe und ob es zulässig sei, durch einen kollektiven Mandatsverzicht der Mehrheit der Ratsmitglieder gezielt die Auflösung des Rates und damit Neuwahlen herbeizuführen. Dass in der Kommunalverfassung ein Selbstauflösungsrecht des Rates nicht verankert sei, lasse sehr wohl Schlussfolgerungen auf das Nichtbestehen eines Selbstauflösungsrechtes zu. Denn aus der Systematik des § 54 NGO lasse sich ableiten, dass die dort vorgesehenen Voraussetzungen für eine Auflösung des Rates kraft Gesetzes einerseits und kraft einer Entscheidung der Landesregierung andererseits abschließend seien. Für die Beantwortung der Frage, ob durch einen kollektiven Mandatsverzicht zulässigerweise gezielt die Auflösung des Rates und damit Neuwahlen herbeigeführt werden könnten, lasse sich hier die zum so genannten Rotationsprinzip ergangene Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes vom 5.6.1985 heranziehen. Darin habe der Staatsgerichtshof ausgeführt, dass die materielle Unwirksamkeit von Verzichtserklärungen durch das kumulative Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs und eines Schadens für die verfassungsgemäße Ordnung bedingt werde, und habe für die diesbezüglichen Beurteilungen Maßstäbe aufgezeigt. Bei richtiger Umsetzung dieser Maßstäbe seien die hier streitgegenständlichen Verzichtserklärungen ungültig, weil sie im Rahmen einer abgesprochenen Kampagne abgegeben worden seien, und zwar um die Auflösung des Rates zu erzwingen und Neuwahlen herbeizuführen. Das Instrument des Mandatsverzichts sei hier missbraucht worden, um ein Ziel zu erreichen, dass das Kommunalverfassungsrecht nicht vorsehe. Der Verzicht auf das Mandat sei nach der Regelung der NGO eine persönliche Entscheidung des jeweiligen Ratsmitglieds. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn auf der Grundlage von Absprachen innerhalb des Rates und auf Veranlassung des Stadtdirektors, der zugleich der Wahlleiter sei, nahezu alle Ratsmitglieder einen Verzicht erklärten, um Neuwahlen herbeizuführen. Hierbei handele es sich letztlich um einen Akt der rechtswidrigen Selbstauflösung des Rates. Dass dieser Zweck erstrebt werde, ergebe sich daraus, dass alle Verzichtserklärungen praktisch den gleichen Wortlaut hätten und sämtlich ihre Wirkung erst für die Zeit ab 15.7.2005 erlangen sollten. Bei der Frage nach der Wirksamkeit der Verzichtserklärungen gehe es nicht um eine Motivforschung, sondern um die Erkenntnis, dass es sich im vorliegenden Fall um eine abgesprochene Aktion gehandelt habe, die das Ziel gehabt habe, den Beklagten zu 3) aufzulösen. Dies sei offenkundig und werde insbesondere durch die Mitschrift der auf Einladung des "Initiativkreises Neuwahlen M." am 25.1.2005 durchgeführten Bürgerversammlung belegt. Sie - die Kläger zu 2) und 3) - würden durch dieses missbräuchliche Verhalten ihr Mandat verlieren, also in ihren Rechten verletzt werden. Entsprechendes gelte für sie - die Klägerin zu 1) - hinsichtlich des Verlustes ihres Status als Fraktion. Dass es den ihren Verzicht erklärenden Ratsmitgliedern nicht schlechthin um die Aufgabe ihres Mandats gehe, sei bereits daraus ersichtlich, dass fast alle diese Ratsmitglieder bei den von ihnen angestrebten Neuwahlen erneut kandidieren würden. Eine solche Verfahrensweise verstoße gegen die grundlegenden Regeln der Demokratie. Die Verzichtserklärungen seien im Übrigen auch deshalb unwirksam, weil sie die zeitliche Bestimmung enthielten, dass sie erst mit dem 15.7.2005 wirksam werden sollten. Darin liege eine Bedingung. Da Verzichtserklärungen nicht mit einer Bedingung versehen werden könnten, seien die vorliegenden Verzichtserklärungen auch schon deshalb ungültig.

16

Die Beklagten zu 1 ) und zu 3) beantragen,

die Klagen in den jeweils gegen sie gerichteten Anträgen abzuweisen.

17

Der Beklagte zu 1) hält die mit dem Antrag zu 4) gegen ihn erhobene Klage für unzulässig und führt dazu aus: Sein die Auflösung des Beklagten zu 3) feststellender Bescheid vom 27.7.2005 könne zulässigerweise allein von der betroffenen Gemeinde, der Beklagten zu 2), angefochten werden. Er entfalte keine Drittwirkung zulasten der Kläger. Sofern man der Ansicht sei, dass durch die Ratsauflösung ein Mitgliedschaftsrecht eines Ratsmitgliedes oder einer Ratsfraktion betroffen werde, wäre zu beachten, dass eine Rechtsverletzung dann allenfalls durch den die Mandatsverluste feststellenden Ratsbeschluss eingetreten sein könnte. Allein dieser Beschluss wirke im Hinblick auf die Ratsauflösung konstitutiv. Hingegen stelle der kommunalaufsichtsbehördliche Bescheid vom 27.7.2005 nur etwas fest, was nach dem Gesetz bereits eingetreten sei. Er verfolge sinnvollerweise auch ein anderes Ziel als der Beschluss des Rates: Er bilde die Grundlage für die Einleitung der weiteren nach dem Niedersächsischen Kommunalwahlgesetz zu treffenden Maßnahmen.

18

Der Beklagte zu 3) trägt vor: Die Klagen bzw. Anträge seien unzulässig und im übrigen auch unbegründet. Da mehr als die Hälfte der Ratssitze unbesetzt sei und der Beklagte zu 3) dies in seinen Sitzungen am 17.3.2005 und 12.7.2005 festgestellt habe, sei er entsprechend den Verzichtserklärungen mit Wirkung ab dem 15.7.2005 kraft Gesetzes aufgelöst. Damit sei er nicht mehr existent und sei nicht beteiligungsfähig im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO. Außerdem sei die Klage gegen den Ratsbeschluss vom 12.7.2005 auch deshalb unzulässig - hilfsweise unbegründet -, weil dieser Beschluss Rechtspositionen der Kläger nicht in einem rechtserheblichen Maße beeinträchtigen könne. Maßgebend für die Auflösung des Rates sei bereits die Feststellung des Verlustes von 23 Ratssitzen in der Sitzung vom 17.3.2005. Hinsichtlich dieses Beschlusses hätten die Kläger aber keine Klagebefugnis, weil sie an diesem Ratsbeschluss nicht mitgewirkt hätten. Zur Zulässigkeit der Klage wäre insoweit erforderlich gewesen, dass sich die Kläger zu 2) und zu 3) an der politischen Diskussion und sodann an der Abstimmung beteiligt und schließlich auch gegen die Sitzverluste gestimmt hätten. Auch seien die Verzichtserklärungen wirksam. Der dem Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes vom 5.6.1985 zu Grunde liegende Fall sei insofern anders, als dort die Rotation der Abgeordneten der Grünen bereits vor der Legislaturperiode verabredet worden sei. Im streitgegenständlichen Fall handele es sich hingegen um individuelle Entscheidungen der einzelnen Ratsmitglieder. Eine nähere Erforschung der Motive der einzelnen Ratsmitglieder verbiete sich zum einen wegen § 37 Abs. 1 Nr. 1 NGO. Danach könne das Ratsmitglied jederzeit auf seine Mitgliedschaft verzichten und dieser Verzicht bedürfe keiner Begründung. Eine Erforschung der Motive der Ratsmitglieder verbiete sich zum anderen aber auch deshalb, weil die Ratsmitglieder an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen seien. Schließlich verweise er - der Beklagte zu 3) - auch ausdrücklich auf die persönlichen Stellungnahmen und Erklärungen der Beigeladenen zu 1) bis zu 27). Diese hätten durch ihre bestätigenden Erklärungen deutlich gemacht, dass er - der Beklagte zu 3) - nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich aufgelöst sei. Niemand werde die Beigeladenen zu 1) bis zu 27) zwingen können (und wollen?), ein Ratsmandat weiterhin auszuüben, auf das sie verzichtet hätten und bezüglich dessen sie diese Verzichtserklärung ausdrücklich später - teils sogar mehrfach - bestätigt hätten. Im Übrigen schließe er sich den Ausführungen der Beklagten zu 2) an.

19

Die Beigeladene zu 3) beantragt,

die Klage (im Rahmen der Erstreckung ihrer Beiladung) abzuweisen. Sie macht sich die Erwägungen des Beklagten zu 3) zu eigen.

20

Der Beigeladene zu 28) beantragt,

die Klage (im Rahmen der Erstreckung seiner Beiladung) abzuweisen.

21

Er macht sich die - nachfolgend dargestellten - Erwägungen des Beklagten zu 2) zu eigen.

22

Die Kläger und die Beklagte zu 2) haben die Hauptsache des Rechtsstreits übereinstimmend hinsichtlich des mit der Klageschrift gestellten - ursprünglichen - Antrages zu 3) sowie hinsichtlich des Antrages zu 1) für erledigt erklärt, soweit dieser zunächst auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtet gewesen war. Dass dieser Antrag zunächst auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtet gewesen war, ergibt sich aus dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 5.7.2005 (3. Absatz, am Ende). Hinsichtlich des mit der Klageschrift gestellten - ursprünglichen - Antrages zu 2) haben die Kläger und der Beklagte zu 3) die Hauptsache für erledigt erklärt. Hinsichtlich des mit der Klageschrift gestellten - ursprünglichen - Antrages zu 4) haben dies die Kläger und der Beklagte zu 1) gleichfalls erklärt.

23

Die Beklagte zu 2) hält die Klagen bzw. die Anträge insgesamt - und damit auch in den gegen sie gerichtet gewesenen und in der Hauptsache für erledigt erklärten Anträgen - für unzulässig und übrigen auch für unbegründet. Dazu macht sie geltend: Die Unzulässigkeit der Klagen ergebe sich bereits daraus, dass der hier in Rede stehende Vorgang nur mit einem Wahleinspruch angegriffen werden könne. Verzichte ein Ratsmitglied auf sein Mandat, gehe der Sitz auf die nächste Ersatzperson des Wahlvorschlags über. Allerdings könne auch eine Ersatzperson für die Dauer der restlichen Wahlperiode, etwa durch die Ablehnung der Annahme des freigewordenen Sitzes, ausscheiden. Die diesbezügliche Entscheidung habe der Wahlausschuss zu treffen. Auch eine solche Entscheidung unterliege grundsätzlich dem Wahleinspruch. Die Rechtswirksamkeit der Feststellung eines Mandatsverlustes und die Entscheidung über das Nachrücken eines Mitglieds in den Rat müsse daher mit dem Wahleinspruch angegriffen werden. Es möge sein, dass für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - entsprechend der Auffassung der Kammer in ihrem Beschluss vom 11.7.2005 - etwas anderes gelte, da der Wahleinspruch keine aufschiebende Wirkung habe. Für eine eigenständige Klage im Kommunalverfassungsstreitverfahren sei jedoch kein Raum. Soweit die Feststellung der Unwirksamkeit der Mandatsverzichtserklärungen beantragt werde, fehle es an einer Möglichkeit der Rechtsverletzung, jedenfalls aber am Rechtsschutzbedürfnis. Ein einzelnes Ratsmitglied habe kein subjektives Recht, aus dem ein Anspruch gegen andere Ratsmitglieder resultieren könnte, das Amt weiterzuführen. Daher könne ein Ratsmitglied eine Mandatsverzichtserklärung eines anderen Mandatsträgers auch nicht mit Rechtsbehelfen angreifen. Damit habe es auch dann sein Bewenden, wenn ein Bündel von Mandatsverzichtserklärungen angegriffen werde bzw. angegriffen werden solle. Da sich die Statusrechte eines Ratsmitglieds - nicht aber einer Fraktion - auch auf ein Recht zur Mandatswahrnehmung für die Dauer der Wahlperiode erstrecken könnten, könne Gegenstand eines Kommunalverfassungsstreits allein die Feststellung der Wirksamkeit der Mandatsverzichtserklärungen durch den Rat sowie eine nachfolgende Feststellung der Auflösung des Rates durch die Aufsichtsbehörde sein. Eines Rechtsschutzes gegen die Mandatsverzichtserklärungen einzelner Ratsmitglieder bedürfe es daher nicht. Allerdings seien auch die Anträge zu 2) und 3) ebenfalls unzulässig. Denn ebenso wie einzelne Mandatsverzichtserklärungen seien daran anknüpfende Beschlüsse des Rates von vornherein nicht geeignet, die Rechte anderer Ratsmitglieder auf Mandatsausübung zu verletzen. Entgegen der Darstellung der Kläger habe die Verzichtserklärung der Mehrheit der Mitglieder eines kommunalen Kollegialorgans auch keine unmittelbare rechtsbegründende, also die Ratsauflösung allein konstituierende Wirkung. Hierfür sei vielmehr weiter erforderlich, dass mehr als die Hälfte der Sitze unbesetzt sei, was voraussetze, dass keine hinreichende Zahl von Ersatzpersonen zur Verfügung stehe. Vor diesem Hintergrund sei insgesamt zu bezweifeln, dass der Eintritt einer Situation, in der mehr als die Hälfte der Sitze eines Rates unbesetzt sei, von verbliebenen Ratsmitgliedern überhaupt mit Rechtsbehelfen angegriffen werden könne. Der mit dem Antrag zu 3) streitbefangene Beschluss des Beklagten vom 12.7.2005 könne Rechtspositionen der Kläger schon deshalb nicht beeinträchtigen, weil hinsichtlich von 23 Mandatsverzichten die Mandatsverluste bereits durch die Beschlüsse vom 17,3.2005 bewirkt worden seien und die zwischenzeitlich hinzugekommen 4 Verzichtserklärungen eine Auflösung nicht herbei zu führen vermögen. Die Klagen bzw. Anträge wären aber ohnehin auch insgesamt unbegründet. Aus der zum Rotationsprinzip ergangenen Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes vom 5.6.1985 lasse sich für die streitgegenständlichen Klagen nichts herleiten. Zum einen handele es sich bei dem Urteil des Staatsgerichtshofes um eine vereinzelt gebliebene Fehlentscheidung, die nur durch ihren zeitgeschichtlichen Hintergrund erklärbar sei. Zum anderen würde eine Anwendung der vom Staatsgerichtshof entwickelten Grundsätze auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt nicht zur Folge haben, dass die Mandatsverzichtserklärungen als unwirksam anzusehen seien. Außerdem seien die vom Staatsgerichtshof für das Landesverfassungsrecht entwickelten Grundsätze auch nicht auf das Kommunalverfassungsrecht übertragbar. Eine Anwendung der vom Staatsgerichtshof entwickelten Grundsätze komme schon wegen einer hier gegebenen gänzlich anderen Sachlage nicht in Betracht. Denn die abgegebenen Mandatsverzichtserklärungen basierten hier - im Gegensatz zu der der Entscheidung des Staatsgerichtshofes zugrunde liegenden Sachlage - nicht auf einer grundsätzlichen Ablehnung der auf fünf Jahre angelegten Wahlperiode des Rates. Ein "Unterlaufen" einer aus politischen Gründen abgelehnten Regelung liege hier folglich nicht vor. Auch im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Mandatsverzichtserklärungen rechtsmissbräuchlich sein könnten. Sie seien vielmehr das Ergebnis einer krisenhaften Entwicklung im Beklagten zu 3). Mit Ausnahme der klagenden Fraktion und ihrer Mitglieder seien alle anderen Fraktionen und Mitglieder übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass in der gegenwärtigen Situation eine konstruktive Fortsetzung der Ratsarbeit nicht mehr denkbar sei und deshalb ein Neuanfang erfolgen solle. Für viele Ratsmitglieder sei die Zusammenarbeit im Beklagten zu 3) mittlerweile persönlich belastend geworden. Auch sei die vom Staatsgerichtshof für eine Unwirksamkeit von Mandatsverzichten geforderte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit sowie der Kontinuität und Effektivität der Arbeit des Parlaments bzw. des Rates hier nicht infrage gestellt. Der Staatsgerichtshof stelle die Dauer der Wahlperiode in einen Zusammenhang mit der effektiven parlamentarischen Arbeit. Damit sei es aber nicht vergleichbar, wenn ein Rat eine begrenzte Zeit handlungsunfähig sei. Die Gemeinde sei durch den Hauptverwaltungsbeamten und den Verwaltungsausschuss hinreichend handlungsfähig.

24

Neben den Beigeladenen zu 3) und zu 28) haben die übrigen Beigeladenen zum Teil Stellung genommen. Sie rechtfertigen ihre Verzichtserklärungen als freiwillige und wirksame Entscheidungen. Anträge haben sie nicht gestellt.

25

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten dieses und des Verfahrens 1 B 41/05 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und damit beendet haben, ist es einzustellen.

27

Soweit die Beteiligten das Verfahren nicht durch Erledigungserklärungen beendet haben und über die - in subjektiver und objektiver Klagehäufung - erhobenen Klagen zu entscheiden ist, haben die Kläger mit ihren Klagen in ihrem Kernbegehren hinsichtlich der Ratsbeschlüsse vom 17.3.2005 und 12.7.2005 gegen den Beklagten zu 3) Erfolg; im Übrigen müssen die Klagen aber erfolglos bleiben.

28

Die Klagen sind in den Anträgen zu 2) und zu 3) gegenüber dem Beklagten zu 3) als kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit zulässig, in den übrigen Anträgen sind sie unzulässig.

29

Ratsmitglieder, die von einem anderen kommunalverfassungsrechtlichen Organ in ihrer organschaftlichen Rechtsstellung beeinträchtigt werden, können in einem kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahren um die Gewährung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nachsuchen. Kommunalverfassungsstreitverfahren bzw. kommunalrechtliche Organstreitigkeiten sind trotz einer gewissen Nähe zu den bundes- und den landesverfassungsrechtlichen Organstreitverfahren öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO. Als Klagearten kommen von den verwaltungsgerichtlichen Klagen allerdings in erster Linie nur die Leistungsklage, die Feststellungsklage und die Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht, da Anfechtung- und Verpflichtungsklage grundsätzlich ausscheiden, weil die Gegenstände kommunalverfassungsrechtlicher Streitigkeiten mangels rechtlicher Außenwirkung keine Verwaltungsakte sind; im Kommunalverfassungsstreitverfahren klagt das Kommunalorgan bzw. das Kommunalteilorgan aus einem Organrecht und nicht aus einem seiner persönlichen Rechtsstellung zuzurechnenden subjektiven Recht (vgl. Wefelmeier in KVR Nds., NGO § 39 Anm. 22 ff). Mit der überwiegenden Rechtsprechung lehnt die erkennende Kammer die Annahme einer - die Möglichkeit der Kassation einer rechtswidrigen Maßnahme eröffnenden - kommunalverfassungsrechtlichen bzw. kommunalorganschaftsrechtlichen allgemeinen Gestaltungsklage oder einer sonstigen Klageart sui generis ab. Die Kassation einer Maßnahme, etwa eines Beschlusses des Gemeinderates, kommt - bei Ablehnung der allgemeinen Gestaltungsklage bzw. einer anderen entsprechenden Klageart sui generis als Klageart des Kommunalverfassungsstreitverfahrens - mithin nicht in Betracht.

30

Die Rechtschutzbegehren der Kläger knüpfen an den 27 Verzichtserklärungen der übrigen Ratsmitglieder und den diese Verzichtserklärungen betreffenden Feststellungsbeschlüssen des Beklagten zu 3), die dieser in seinen Sitzungen vom 17.3.2005 und 12.7.2005 gefasst hat, und indirekt auch an den Sitzablehnungen der 11 Nachrücker an. Das Begehren der Kläger ist im Kern darauf gerichtet, dass die Rechtsfolgen dieser Verzichtserklärungen und der Beschlüsse vom 17.3.2005 und 12.7.2005 nicht eintreten.

31

Nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 NGO endet die Mitgliedschaft im Rat für Ratsfrauen und Ratsherren durch einen Verzicht, der der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister schriftlich zu erklären ist und der nicht widerrufen werden kann. Nach § 37 Abs. 2 Hs. 1 NGO stellt der Rat zu Beginn der nächsten Sitzung fest, ob eine der Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und 6 bis 8 NGO vorliegt. Die - gemäß der gesetzlichen Regelung empfangsbedürftige - Verzichtserklärung im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 NGO löst die Rechtsfolge der Beendigung der Ratsmitgliedschaft nicht unmittelbar selbst aus. Bis zur Feststellung des Ausscheidens durch den Beschluss des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO bleibt das Mandat bestehen. Zwar könnte der Wortlaut der Regelung des § 37 Abs. 1 NGO ("die Mitgliedschaft im Rat endet") die Annahme nahe legen, der Sitzverlust trete unmittelbar bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 NGO ein. Die Verwirklichung des jeweiligen Tatbestandes des § 37 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und 6 bis 8 NGO begründet - im Gegensatz zum Tatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 5 NGO - tatsächlich aber lediglich die materiellen Voraussetzungen des Sitzverlustes. In Parallele zum Bundesverfassungsrecht (Art. 41 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 47 BWG) und zum Niedersächsischen Landesverfassungsrecht (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 NV) wird der Sitzverlust erst durch den Feststellungsbeschluss des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO konstituiert. Anderenfalls wäre auch die Anhörungspflicht nach § 37 Abs. 2 Hs. 2 NGO und wohl auch der Ausschluss einer Widerrufsmöglichkeit der statusbezogenen Erklärung nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 NGO sinnwidrig. Rechtswirksame Beschlüsse des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO würden im streitgegenständlichen Streitverfahren dazu führen, dass der Beklagte zu 3) aufgelöst wäre, da von 29 Ratssitzen 27 unbesetzt wären: Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 NGO ist der Rat aufgelöst, wenn mehr als die Hälfte (der gesetzlichen Zahl) der Sitze unbesetzt ist. Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NGO hat die Kommunalaufsichtsbehörde die Auflösung festzustellen.

32

Der Ratsbeschluss nach § 37 Abs. 2 NGO ist eine innerorganisatorische Entscheidung des Rates, die Gegenstand eines kommunalverfassungsrechtlichen Streites sein kann. Die Kammer folgt damit der Auffassung von Thiele (NGO, 6. Auflage 2002, § 37 Anm. 4). Auch Schiefel (Nds. Kommunalwahlrecht, § 46 Anm. 4) ist der Auffassung, dass die Feststellung über den Sitzverlust nach § 37 Abs. 2 NGO nicht im Wahlprüfungsverfahren - "sondern nur durch Klage gemäß § 40 VwGO" - angefochten werden könne. Die Kammer lehnt die Gegenansicht (vgl. Wefelmeier, a.a.O., § 37 Anm. 28) ab. Diese meint, der Ratsbeschluss sei eben keine mittels eines kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens angreifbare innerorganisatorische Entscheidung und sei im Übrigen auch kein Verwaltungsakt (a.a.O., § 37 Anm. 28). Letzterem ist - wie sich bereits aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt - zuzustimmen. Diese Gegenansicht - und ihr folgend die Beklagten zu 2) und zu 3) sowie die Beigeladenen zu 3) und zu 28) - ordnet die Entscheidung des Rates über den Sitzverlust materiell dem Wahlprüfungsverfahren zu. Dies wird damit begründet, dass der Eintritt des Sitzverlustes Voraussetzung für die Feststellung des Nachrückens einer Ersatzperson durch den Wahlausschuss oder den Wahlleiter nach § 44 Abs. 6 NKWG sei und sich der Wahlbewerber daher durch Wahleinspruch nach § 46 NKWG gegen die Feststellung des Sitzübergangs zur Wehr setzen müsse, wenn er die tatbestandlichen Voraussetzungen des Sitzverlustes nicht für gegeben halte. Dieser Auffassung vermag die Kammer jedenfalls nicht für den hier streitgegenständlichen Fall dahin zu folgen, dass sich auch ein Ratsmitglied, das sein Mandat infolge von Mandatsverzichten anderer Ratsmitglieder und dem Fehlen einer hinreichenden Anzahl von nicht ausscheidenden Ersatzpersonen aufgrund der Feststellungsbeschlüsse des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 NGO verliert, die seinen Mandatsverlust bewirkenden Feststellungsbeschlüsse des Rates im Wahlprüfungsverfahren angreifen müsste. Nach Auffassung der erkennenden Kammer begründet das Niedersächsische Kommunalwahlgesetz oder eine sonstige landesgesetzliche Regelung hinsichtlich der Feststellungsentscheidung des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO tatsächlich keine Zuständigkeit des Wahlausschusses oder des Wahlleiters. Die Überprüfung dieser Feststellungsentscheidungen lässt sich nicht dem Wahleinspruchsverfahren nach § 46 NKWG zuordnen. Diese Entscheidungen sind keine Wahlen (Abs. 1), sie sind keine Feststellungen oder Entscheidungen aufgrund des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes oder aufgrund der Niedersächsischen Kommunalwahlordnung (Abs. 3) und sie sind auch keine Entscheidungen oder Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen (Abs. 4). Auch die §§ 44, 45 NKWG geben keinen Anhalt für die Annahme, dass der Wahlausschuss oder der Wahlleiter bei den ihnen durch § 44 Abs. 6 NKWG und § 45 Abs. 4 NKWG übertragenen Zuständigkeiten im Rahmen der Feststellung des Sitzüberganges auf eine Ersatzperson oder insbesondere auch bei der Feststellung der Ablehnung der Sitzannahme durch eine Ersatzperson oder dem Sitzverzicht einer Ersatzpersonen inzident die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbeschlusses des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO zu prüfen hätten. Es wäre auch sinnwidrig, müsste ein Ratsmitglied, dessen eigener Sitzverlust durch Mandatsverzichte anderer Ratsmitglieder und die daraus resultierende Auflösung des Rates bewirkt wird, seine Rechte mit einem Wahleinspruch gegen die Entscheidung nach § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 NKWG i.V.m. § 45 Abs. 4 NKWG geltend machen. Dabei kann die Sachlage dergestalt sein, dass die Entscheidung über das Ausscheiden der Ersatzperson für sich genommen nicht zu beanstanden ist, so dass der Einspruch nur mit der Erwägung geführt werden könnte, der Wahlausschuss oder der Wahlleiter hätte im Rahmen dieser Entscheidung die Feststellung treffen müssen, dass über das Ausscheiden der Ersatzperson nicht zu befinden sei, weil die zu ersetzende Person tatsächlich noch Mandatsinhaber sei. Dabei kommt im streitgegenständlichen Fall noch hinzu, dass die das Ausscheiden der Ersatzpersonen betreffenden Entscheidungen des Wahlausschusses oder Wahlleiters für die Auflösung des Rates jedenfalls dann nicht ursächlich sein können, wenn alle 27 Verzichtserklärungen und alle 27 Feststellungsentscheidungen des Rates entweder insgesamt rechtgültig oder rechtsungültig sind. Für eine gegenteilige Auffassung geben auch das Gesetzgebungsverfahren sowie die zahlreichen Änderungsverfahren nichts her. Dies folgt auch aus den Erwägungen, die zur Änderung des § 13 Abs. 1 Satz 3 NKWK geführt haben: Der Gesetzgeber wollte mit dieser (Neu-)Regelung die "unmittelbar auf das Wahlverfahren" bezogenen Entscheidungen erweitern, weil durch eine aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Berufung in ein Wahlehrenamt die ordnungsgemäße und termingerechte Durchführung der Wahl geradezu ausgeschlossen werden würde (Amtl. Begr. des Reg. Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Nds. Kommunalverfassungsrechts u.a. Gesetze, LT-Drucks. 14/1905 S. 33 f). Die Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen (Anfechtungs-)Klage hatte das Nds. OVG aber gerade ausgenommen (Urt. v. 28.10.1997 - 5 L 7377/95 -). Nimmt man indes an, Träger organschaftlicher Rechte, wie hier die Kläger, könnten deren Verletzung im Wege einer Feststellungsklage geltend machen, entfällt der Grund, das Wahlanfechtungsverfahren auf Maßnahmen auszudehnen, die sich nicht unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, § 46 Abs. 4 NGWG, sondern diesen weiter vorgelagert sind.

33

Gegen die Annahme, die Feststellungsentscheidungen nach § 37 Abs. 2 NGO seien dem Wahlprüfungsverfahren zuzuordnen, spricht auch Folgendes: Über Wahleinsprüche und über die Gültigkeit der Wahl entscheidet nach § 47 Abs. 1 Satz 1 NGO die neu gewählte Vertretung. Das sind der neu gewählte Gemeinderat und der neu gewählte Kreistag. Die gesetzliche Regelung bzw. die Klarstellung, dass die Wahlprüfungsentscheidung von der "neu gewählten Vertretung" getroffen wird, erfolgt, weil die Wahlperiode der alten Vertretung meist über den Zeitpunkt der Neuwahl hinaus dauert und die Entscheidung auch in diesen Fällen nicht in die Zuständigkeit der allen Vertretung fallen soll. Demgemäß ist die neu gewählte Vertretung nicht nur in ihren ersten, sondern auch noch in den nachfolgenden Sitzungen solange zuständig, bis diese Zuständigkeit auf die nachfolgende neu gewählte Vertretung übergeht. Damit käme zwar noch eine Zuständigkeit des amtierenden (alten) Rates für die Entscheidung über einen gegen einen Feststellungsbeschluss nach § 37 Abs. 2 NGO erhobenen Wahleinspruch in Betracht. Dies aber nur solange, wie der Rat selbst fortbesteht. Führen die Feststellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 NGO gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 NGO zur Auflösung des Rates, muss dessen Entscheidungszuständigkeit entfallen. Zuständig könnte dann nur der neu zu wählende Rat sein. Lässt man nicht eine Klage der Kläger gegen die Kommunalentscheidung nach § 54 Abs. 1 Hs. 2 NGO oder einen sonstigen Wahleinspruch zu, müsste zunächst die Wahl durchgeführt werden erst danach könnte der dann neu gewählte Rat über den Wahleinspruch entscheiden. Außerdem bliebe es in der Sache die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, die vom selben Organ beschlossen worden ist. Noch fernliegender dürfte es sein, die rechtliche Überprüfung der Feststellungsentscheidungen nach § 37 Abs. 2 NGO in die Entscheidungen des Wahlausschusses bzw. Wahlleiters über den Eintritt und das Ausscheiden von Ersatzpersonen einzubetten. In diesem Fall würde der Wahlausschuss bzw. Wahlleiter über eine Entscheidung desjenigen Organs befinden, das im Wahlprüfungsverfahren die Entscheidungen des Wahlausschusses bzw. Wahlleiters überprüft und das im Falle eines Wahleinspruch gegen eben diese Entscheidung des Wahlausschusses bzw. Wahlleiters seine vorangegangenen Feststellungsbeschlüsse nach § 37 Abs. 2 NGO zu überprüfen hätte.

34

Gegen die Annahme, dass die Kläger ihr Rechtschutzbegehren, mit dem sie letztlich die Beibehaltung ihres Mandats- bzw. Fraktionsstatus erreichen wollen, zulässigerweise mit einem gegen die Feststellungsentscheidungen des Rates gerichteten kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens verfolgen können, lässt sich auch nicht etwa einwenden, die Kläger müssten sich (vorrangig) gegen die Entscheidung des Beklagten zu 1) wenden, mit der dieser nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NGO die Auflösung des Beklagten zu 3) festgestellt hat.

35

Bei der von der Kommunalaufsichtsbehörde nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NGO vorzunehmenden Feststellung der Auflösung handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt, der das Vorliegen der Auflösungsvoraussetzungen des § 54 Abs. 1 Satz 1 NGO und die sich daraus ergebende Rechtsfolge der Auflösung des Rates außer Streit stellt und der Grundlage für die Einleitung der weiteren durchzuführenden Maßnahmen nach dem NKWG bildet. Die die Auflösung des Rates feststellende Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde ist deklaratorisch insoweit, als sie nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Auflösung des Rates gehört. Mit der formellen Rechtskraft der Auflösungsentscheidung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NGO ist die Wahlperiode des Rates und damit auch seiner Ratsfrauen und Ratsherren vorzeitig beendet (vgl. Blum, in KVR Nds., NGO § 54 Anm. 7, 17). Als eine - in der Form des (feststellenden) Verwaltungsaktes - gegenüber der betroffenen Gemeinde ergehende kommunal-aufsichtsbehördliche Entscheidung unterliegt sie der Anfechtbarkeit durch die Gemeinde (offen gelassen in Nds. OVG Beschl. v. 31.8.2005 -10 ME 127/05 - S. 3 f U.A.). Nach Auffassung der Kammer muss die Anfechtbarkeit der kommunalaufsichtlichen Entscheidung aber wegen ihres feststellenden Charakters auf die betroffene Körperschaft als Ganze beschränkt bleiben. Bei einer Anfechtbarkeit durch einzelne Mandatsträger erwüchse eine Entscheidung möglicherweise in dem Streit inter partes in Rechtskraft. Eine damit begründete Teilwirkung entkleidete die Feststellungsentscheidung ihrer Wirkung; sie wäre nicht (mehr) taugliches Anknüpfungsobjekt für die nachfolgenden Maßnahmen zur Vorbereitung der einzelnen Neuwahl, § 43 NKWG. Mithin können die Kläger in ihrem gegen die Feststellungsentscheidungen des Rates gerichteten kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens nicht darauf verwiesen werden, vorrangig Rechtsschutz gegenüber der Feststellungsentscheidung des Beklagten zu 1) erstreiten zu müssen oder auch nur erstreiten zu können.

36

Daraus ergibt sich zugleich, dass die mit dem Antrag zu 4) gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage unzulässig ist.

37

Gleichermaßen ist die Klage mit dem Hilfsantrag unzulässig. Dabei erschießt sich schon nicht ohne weiteres, weshalb dieser Antrag nicht nur für den Fall der Abweisung des Antrages zu 4), sondern - dahin ist die Antragstellung "hilfsweise, zu den Anträgen zu 1) bis 4)" auszulegen - auch für den Fall des Unterliegens in einem der Anträge zu 1) bis zu 3) gestellt wird. Das kann aber letztlich dahinstehen. Der Hilfsantrag kann angesichts der Unzulässigkeit des Antrages zu 4) ersichtlich als bloßer Feststellungsantrag erst recht keinen Erfolg haben bzw. nicht zulässig sein. Fehlt den Klägern für die Anfechtungsklage gegen die Feststellungsentscheidung des Beklagten zu 1) die Klagebefugnis, kann ihnen eine solche gegen den Beklagten zu 1) auch nicht für eine letztlich auf dasselbe Ziel gerichtete Feststellungsklage zur Seite stehen. Im Übrigen wäre die Feststellungsklage auch aus Subsidiaritätsgründen ausgeschlossen. Gleiches gilt für diesen Antrag, soweit er nunmehr auch gegen den Beklagten zu 3) gestellt wird. Im Übrigen wollen die Kläger damit einen im Außenrechtsverhältnis erlassenen Bescheid der Kommunalaufsichtsbehörde zum Gegenstand eines kommunalverfassungsrechtlichen innerorganschaftlichen Rechtsstreits zwischen sich und dem Beklagten zu 3) machen. Es ist nichts dafür ersichtlich, weshalb eine solche Maßnahme zulässigerweise Gegenstand eines innerorganschaftlichen Rechtsstreits sein könnte.

38

In Bezug auf ihre Anträge zu 2) und zu 3) fehlt es den Klägern nicht an dem erforderlichen organschaftlichen subjektiven Recht bzw. dem Feststellungsinteresse. Im kommunalverfassungsrechtlichen Organstreitverfahren kann jedes einzelne Ratsmitglied die behauptete Verletzung jedes Rechts, das mit seinem Status als Ratsmitglied kommunalrechtlich verbunden ist, im eigenen Namen geltend machen. An diesen Rechten hat auch die Dauer der Wahlperiode Anteil. Dabei kann es hier dahinstehen, ob auch bereits eine einzelne, einen Mandatsverzicht betreffende Feststellungsentscheidung des Rates eine organschaftliche Rechtsbetroffenheit bzw. ein Feststellungsinteresse eines anderen Ratsmitgliedes zu begründen vermag. Denn die Feststellungsbeschlüsse vom 17.3.2005 einerseits und vom 12.7.2005 andererseits sind jeweils für sich geeignet, die Auflösung des Beklagten zu 3) zu bewirken. Dabei ergeben sich hinsichtlich der Feststellungsbeschlüsse vom 12.7.2005 nicht etwa deshalb Zulässigkeitsbedenken, weil gegenüber den Feststellungsbeschlüssen vom 17.3.2005 nur 4 weitere Mandatsverzichte, die die Auflösung des Rates für sich allein nicht bewirken könnten, hinzugekommen sind und die Feststellungsbeschlüsse hinsichtlich der 23 anderen verzichtenden Mandatsträger lediglich wiederholt werden. Denn die Möglichkeit einer hinreichenden Rechtsbetroffenheit durch die Feststellungsbeschlüsse vom 12.7.2005 zeigt sich ohne weiteres für den Fall einer gerichtlichen Feststellung nur der Unwirksamkeit der Feststellungsbeschlüsse vom 17.3.2005. Dabei steht der Zulässigkeit der Klage gegen die Feststellungsbeschlüsse vom 17.3.2005 nicht entgegen, dass sich die Kläger zu 2) und zu 3) nicht an der Abstimmung über die entsprechenden Beschlussvorlagen beteiligt haben. Sie haben an der Abstimmung nur deshalb nicht teilgenommen, weil zuvor gesagt worden war, man könne bei dieser Abstimmung nur mit Ja stimmen. Sie haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt und haben dazu das Beschlussorgan gerade deshalb verlassen, um nicht mit Ja stimmen zu müssen. Sie hatten zuvor unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie gegen diese Beschlüsse seien. Hätten Sie an der Abstimmung teilgenommen und mit Nein gestimmt, hätte dies auch kein anderes Entscheidungsergebnis erbracht. Da auch die Fraktion kommunalverfassungsrechtlich Trägerin eigener Rechte ist und die Verkürzung der Wahlperiode ihren Status gleichermaßen betrifft, ist auch sie hinsichtlich der Anträge zu 2) zu 3) klagebefugt.

39

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3) steht der Zulässigkeit der gegen ihn erhobenen Klage nicht etwa eine mangelnde Beteiligungsfähigkeit entgegen. Der dazu vorgebrachte Einwand, er - der Beklagte zu 3) - sei infolge der Verzichtserklärungen und der Feststellungsbeschlüsse vom 17.3.2005 und 12.7.2005 mit Wirkung ab dem 15.7.2005 aufgelöst und sei seit dem nicht mehr im Sinne von § 61 VwGO beteiligungsfähig, geht fehl. Unabhängig davon, dass der Beklagte wegen der Unwirksamkeit der Verzichtserklärungen und der dazu ergangenen Feststellungsbeschlüsse tatsächlich weiterhin existent ist, steht diesem Einwand entgegen, dass die Beteiligtenfähigkeit für einen Rechtsstreit fortbesteht, wenn dieser Rechtsstreit gerade die Frage der Auflösung der Partei betrifft. Des weiteren wäre der Beklagte zu 3) im Falle seiner Auflösung auch grundsätzlich nicht als beteiligungsfähige Partei untergegangen. Der im Parlamentsrecht geltende Grundsatz der Diskontinuität, der zum Verlust der Beteiligtenfähigkeit führen könnte, ist für den Rat der Gemeinden in Niedersachsen nicht anwendbar, weil dieser kein Parlament im eigentlichen Sinne ist (vgl. zum nordrhein-westfälischen Landesrecht: BVerwG, Urt. v. 15.12.1994 - 5 G 30/91 - BVerwGE 97, 223 [BVerwG 15.12.1994 - 5 C 30/91] und OVG Münster, Urt. v. 29.3.1971 - 2 A 1315/68 OVGE 26, 225). Demgemäß ist die Klage der Kläger zu 1) bis zu 3) in den Antragen zu 2) und zu 3) gegen den Beklagten zu 3) zulässig.

40

Gegenüber dem Beklagten zu 1) sind diese Anträge hingegen schon deshalb unzulässig, weil der Beklagte zu 1) nicht Partei des vorliegenden kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens sein kann.

41

Im Antrag zu 1) ist die Klage sowohl gegen den Beklagten zu 1) als auch gegen den Beklagten zu 3) unzulässig. Das folgt aus den vorangegangenen Darlegungen. Sind die Klagen bzw. Anträge zu 2) und 3) aus den dargelegten Gründen gegen den Beklagten zu 3) zulässig, ergibt sich daraus gleichsam, dass sie im Antrag zu 1) gegen den Beklagten zu 3) mangels Klagebefugnis unzulässig ist. Verliert ein verzichtendes Ratsmitglied seinen Sitz nicht bereits mit der Abgabe einer (wirksamen) Verzichtserklärung, sondern erst mit der nachfolgenden Feststellungsentscheidung des Rates, wird dasjenige Ratsmitglied, das seinen Sitz in Folge der Auflösung des Rates verliert, erst durch den (konstitutiven) Feststellungsbeschluss des Rates in seiner Rechtsstellung betroffen; einem Ratsmitglied steht subjektiver Rechtsschutz gegen eine bloße Verzichtserklärung eines anderen Ratsmitgliedes auch dann nicht zu, wenn die Verzichtserklärung im Zusammenwirken mit weiteren Verzichtserklärungen mittelbar zur organschaftlichen Rechtsbetroffenheit des Ratsmitgliedes führt. Das Fehlen der Unmittelbarkeit der Rechtsbetroffenheit und das Bestehen der Möglichkeit, Rechtsschutz gegen den unmittelbar eingreifenden Rechtsakt zu gewähren, gebieten, Rechtsschutz nicht atypischerweise gegen die Verzichtserklärung eines anderen Ratsmitgliedes zuzulassen. Ist ein unmittelbares Rechtschutzbegehren der Kläger gegen die Verzichtserklärungen bereits aus diesen Gründen unzulässig, ist kein Raum dafür, gemäß § 86 Abs. 3 VwGO darauf hinzuwirken, dass die Kläger ihr Klagebegehren hinsichtlich des Klagegegners bzw. der Klagegegner umstellen und im Wege subjektiver und objektiver Klagehäufung gegen die Beigeladenen zu 1) bis zu 27) richten. Aber ohnehin wollen die Kläger die Klage im Antrag zu 1) erklärtermaßen gerade nicht gegen die Beigeladenen zu 1) bis zu 27) richten. Sie haben gleichermaßen in Bezug auf die Anträge zu 1) bis 3) vorgetragen, dass es ihnen bei den damit geltend gemachten Rechten im Kern nicht um subjektive Rechte gegenüber den anderen, verzichtenden Ratsmitgliedern gehe, sondern um solche gegenüber dem kommunalen Kollegialorgan, dem Beklagten zu 3). Sie wollen ihren Streit über die Rechtmäßigkeit der Verzichtserklärungen nicht in einem Streitverhältnis mit den Beigeladenen zu 1) bis zu 27), sondern in einem kommunalverfassungsrechtlichen Streit mit dem Beklagten zu 3) austragen. In der mündlichen Verhandlung haben sie dieses Streitverhältnis dann noch auf den Beklagten zu 1) und eben gerade nicht auf die Beigeladenen zu 1) bis zu 27) erstreckt.

42

Aus denselben Gründen ist die Klage in diesem Antrag auch gegenüber dem Beklagten zu 1) unzulässig. Des weiteren ist sie auch deshalb unzulässig, weil der Beklagte zu 1) auch insoweit zwangsläufig nicht Partei des vorliegenden kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahrens sein kann.

43

In den zulässigen Anträgen zu 2) und zu 3) sind die Klagen gegenüber dem Beklagten zu 3) auch begründet. Die die Verzichtserklärungen betreffenden Feststellungsbeschlüsse des Beklagten zu 3) vom 17.3.2005 und 12.7.2005 sind unwirksam, weil die Verzichtserklärungen ihrerseits unwirksam sind.

44

Die den Beschlussfassungen zugrunde liegenden Verzichtserklärungen sind unwirksam, weil sie auf ein gesetzlich nicht vorgesehenes Ziel, nämlich eine gesetzlich nicht vorgesehene (1) Selbstauflösung des Rates gerichtet und deshalb rechtsmissbräuchlich (2) sind. Sie sind im Übrigen auch wegen der Beschlussfassung vor Eintritt der den Erklärungen beigegebenen Befristung unwirksam (3).

45

(1) Die NGO sieht für den Rat kein Selbstauflösungsrecht vor. Dies ergibt sich aus dem Fehlen einer entsprechenden Ermächtigungsnorm und systematischen Erwägungen: Die Gründe, die zum Verlust eines Ratsmandates führen können, sind in § 37 Abs. 1 NGO abschließend aufgezählt. Die durch Beschluss des Organs selbst herbeigeführte Auflösung ist dort nicht aufgeführt, hätte aber aufgeführt werden müssen, wenn sie rechtswirksam von der jeweiligen Mehrheit herbeigeführt werden könnte. Es ergäbe keinen Sinn, das von der Gesamtheit der Mandatsträger gebildete Organ erlöschen zu lassen, die Mandatsverhältnisse selbst aber als fortbestehend anzusehen.

46

Für den Fall nicht funktionsgerechter Arbeit des gemeindlichen Organs enthält § 54 Abs. 2 NGO eine allein die Landesregierung ermächtigende Grundlage. Dies zeigt einerseits, dass es für die Ratsauflösung einer Grundlage bedarf (deren Fehlen nicht als Argument für ein Selbstauflösungsrecht dienen kann) und andererseits das Argument, gedeihliches Zusammenwirken sei nicht mehr möglich, allein eine Kompetenz der Landesregierung zu begründen vermag. Aus dem Prinzip der Volkssouveränität leitet sich ab, dass die Wahlperiode der vom Volk legitimierten Gemeinderäte grundsätzlich nicht durch einen exekutivischen Akt abgekürzt werden darf. In den Fällen, in denen eine Gemeindevertretung für den Rest einer Wahlperiode dauernd handlungsunfähig geworden ist, also das Gemeindevolk im Prinzip nicht mehr durch den Rat repräsentiert wird, besteht indes ein Bedürfnis, die Repräsentation des Gemeindevolkes durch das Herbeiführen einer Neuwahl wiederherzustellen (vgl. Blum, a.a.O. § 54 Anm. 2). Diesem Bedürfnis hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, und zwar ausschließlich durch die Regelungen des § 54 Abs. 1 und Abs. 2 NGO. Neben der in § 54 Abs. 1 NGO für den Fall, dass mehr als die Hälfte der Sitze unbesetzt sind, geregelten Ratsauflösung, lässt das Niedersächsische Kommunalverfassungsrecht die Auflösung des Gemeinderates durch § 54 Abs. 2 NGO einzig durch die Landesregierung nur noch in den Fällen zu, in denen der Rat - obwohl mehr als die Hälfte der Sitze besetzt ist - dauernd beschlussunfähig ist oder wenn eine ordnungsgemäße Erledigung der Gemeindeaufgaben auf andere Weise nicht gesichert werden kann. Wenn die Beigeladenen diese Voraussetzungen für gegeben halten, hätten sie auf eine entsprechende Kabinettsentscheidung der Landesregierung hinwirken müssen.

47

Ein Selbstauflösungsrecht verkürzte die in § 33 Abs. 2 S. 1 NGO vorgesehene Wahlperiode. Die einzige vorgesehene Ausnahme in § 54 Abs. 3 NGO knüpft nach ihrer systematischen Stellung an die beiden in Abs. 1 und 2 vorgesehenen Auflösungsgründe an. Die Auflösung nach § 54 Abs. 1 NGO als Argument für die Selbstauflösung mündete mithin in einen Zirkelschluss.

48

Die Kammer meint auch, aus der Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes (Urt. v. 5.6.1985 -StHG 3/84-, Nds.RPfl 1985, 265) einen Gedanken abstrahieren zu können, der auf die - eingeräumt in wesentlichen anderen Punkten divergierende - kommunalverfassungsrechtliche Lage übertragbar ist:

49

"Art. 6 LV legt, wie ausgeführt, die Wahlperiode auf vier Jahre fest, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments innerhalb der Verfassungsordnung einer repräsentativen Demokratie zu sichern. Ein Mandatsverzicht, der das Ziel verfolgt, die Wahlperiode für einen Teil der Abgeordneten zu verkürzen, ist daher unwirksam, wenn zu erwarten ist, dass er die Funktionsfähigkeit des Parlaments, die Kontinuität seiner Arbeit und damit auch deren Effektivität erheblich beeinträchtigen würde."

50

Die unmittelbare Auswirkung auf die Mandatsverhältnisse der Kläger des vorliegenden Verfahrens, die der Staatsgerichtshof in seiner Entscheidung noch problematisieren musste, sind hier evident.

51

(2) Die Verzichtserklärungen sind auch im Rahmen einer koordinieren Aktion abgegeben worden, die zum Ziele hatte, gerade die, vom Gesetz nicht vorgesehene, Auflösung des Rates Kraft autonomer Entscheidung herbeizuführen. Die im vorliegenden kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahren streitgegenständlichen Verzichtserklärungen zielen im Zusammenwirken mit den die Sitzannahme ablehnenden Erklärungen der Nachrücker auf eine durch das Kommunalverfassungsrecht nicht vorgesehene, die laufende Legislaturperiode verkürzende Selbstauflösung des Rates und die Herbeiführung von Neuwahlen. Dabei ist der Zeitpunkt, zu dem die Verzichtserklärungen wirksam werden sollen, so gewählt worden, dass der Rat durch Neuwahlen nicht nur für die Dauer der restlichen Wahlperiode, sondern auch für die nachfolgende gewählt wird. Es liegt ein Missbrauch der kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen der §§ 33 Abs. 2, 37 Abs. 1, 54 Abs. 1 und Abs. 3 NGO sowie des § 39 NGO und des § 43 Abs. 1 NKWG vor. Das Recht des Mandatsverzichtes ist hier kollektiv zu einem kommunalverfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Selbstauflösungsrecht des Rates mit dem Ziel des Erfordernisses von Neuwahlen unter Verletzung des Rechts des freien Mandats missbraucht worden. Missbräuchlich ist dabei auch die gewillkürte Festlegung des Zeitpunktes, zu dem die Verzichtserklärungen wirksam werden sollen bzw. sollten. Die gemeinsam entwickelte Absicht folgt im Übrigen aus der Vorbereitung, etwa durch die eingeholte externe Beratung und die Beteiligung der Kommunalaufsicht bei der Frage, ob die Verwaltungsausschussmitglieder diesem im Falle eines Mandatsverzichts weiter angehörten sowie den öffentlichen Erklärungen der Fraktionsvorsitzenden in der Versammlung vom 25.1.2005. Sie wurde im Übrigen von den vereinzelt gebliebenen Erklärungen der Beigeladenen bestätigt. Das Institut des Mandatsverzichtes zur Ratsauflösung zu instrumentalisieren erweist sich im vorliegenden Fall in besonderem Maße als rechtsmissbräuchlich, weil hier durch das zweckgerichtete, sich über mehrere Monate erstreckende Hinausschieben des Wirksamwerdens der Verzichtserklärungen die Neuwahl nicht nur für den Rest der Wahrperiode, sondern gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 NGO zugleich für die nächste Wahlperiode gilt. Ist der Gemeinderat nach § 54 NGO aufgelöst, findet gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 NKWG eine einzelne Neuwahl statt. Den Tag der Neuwahl bestimmt nach § 43 Abs. 1 Satz 2 NKWG der Verwaltungsausschuss. Die einzelne Neuwahl soll nach § 74 Abs. 1 NKWO spätestens vier Monate nach Eintritt ihrer Voraussetzung stattfinden. Bei Verzichtserklärungen die bereits bis März 2005 abgegeben worden sind, tritt der manipulatorische Charakter dieser Zeitbestimmung offen zu Tage, zumal die vom Zeitpunkt der Auflösung des Rates abhängenden unterschiedlichen Rechtsfolgen auch bereits im Vorfeld der Verzichtserklärungen umfassend thematisiert worden sind. Gerade wenn es - wie es die Beigeladenen geltend machen - zu einer als unerträglich und persönlich belastend empfundenen Situation im Beklagten zu 3) gekommen ist bzw. gekommen sein sollte, hätte es sich bei sachgerechter Handhabung aufgedrängt, die Auflösung des Rates so schnell wie möglich zu bewirken, um nach Durchführung der angestrebten Neuwahlen möglichst bald wieder zu einer effektiven Ratsarbeit zurückkehren zu können. Diesen Gesichtspunkt haben nahezu alle Beigeladenen ihrem Interesse, sich nicht nur für die restliche Wahlperiode, sondern zugleich für die nachfolgende wählen zu lassen, untergeordnet. Soweit die Beigeladenen - in geringer Anzahl - keine eigene Wiederwahl anstreben, haben sie das Interesse der sich zur Wiederwahl Stellenden unterstützt. Dadurch, dass sie für sich selbst eine Wiederwahl nicht anstreben, wird ihren Verzichtserklärungen nicht etwa die Missbräuchlichkeit genommen. Denn ihre Verzichtserklärungen erstreben die Ratsauflösung und die Durchführung von Neuwahlen auch ohne das Ziel eine eigenen Wiederwahl. Sie haben sich letztlich ebenso wie die ihre Wiederwahl anstrebenden Mandatsträger in den Dienst der konzertierten Aktion zur Ratsauflösung gestellt. Deshalb lässt sich der Unwirksamkeit dieser Verzichtserklärungen nicht etwa durchgreifend entgegenhalten, die Mandatsverzichte (zumindest) dieser Ratsmitglieder seien maßgebend von persönlichen, nicht der konzertierten Aktion zuzurechnenden Gründen getragen und könnten deshalb auch nicht unwirksam sein. Denn tatsächlich dienen sie dieser konzertierten Aktion und wären ersichtlich nicht in der vorliegenden Form und mit dem ihnen gegebenen Erklärungsinhalt, insbesondere der Erklärung des Verzichtes zum 15.7.2005, zu Stande gekommen.

52

Nach dem Zweck des zu schützenden Rechtsgutes erfordert der hier gegebene Rechtsmissbrauch auch die Unwirksamkeit der Verzichtserklärungen und der nach § 37 Abs. 2 NGO getroffenen Feststellungsbeschlüsse des Rates. Mandatsverzichte, die das Ziel verfolgen, die Wahlperiode um mehr als ein Jahr zu verkürzen, und die zur Folge haben, dass die Gemeinde für die Dauer von nahezu vier Monaten keinen Rat hat, beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit des Parlaments, die Kontinuität seiner Arbeit und damit auch deren Effektivität in einem außerordentlich erheblichen Maße. Die Verzichtserklärungen sind demgemäß unwirksam und die Kammer hat insoweit antragsgemäß die Unwirksamkeit der Feststellungsbeschlüsse vom 17.3.2005 und 12.7.2005 festzustellen.

53

(3) Die Kammer hat keine durchgreifenden Zweifel an der Wirksamkeit der Verzichtserklärungen, allein weil sie eine Befristung enthalten. Der Gedanke der Rechtssicherheit, der auch in dem Erfordernis schriftlicher Erklärung und der Unwiderruflichkeit, § 37 Abs. 1 Nr. 1 2. HS NGO, zum Ausdruck kommt, steht möglicherweise einer bedingten Erklärung entgegen; denn eine solche ist wegen des offenen Bedingungseintritts gerade Quell einer Unsicherheit, die für die weitere personelle Zusammensetzung und die gedeihliche Arbeit des Rates unzuträglich ist. Für die Befristung muss hier aber etwas anderes gelten: Sie stellt sich gleichsam als bedingt durch Zeitablauf dar. Ist diese Zeitspanne bestimmt, folgt daraus zugleich, dass der darin liegende Bedingungseintritt sicher erfolgen wird. Unsicherheiten begründet die Bedingung per se daher nicht.

54

Etwas anderes gilt aber, weil die Bedingung Auswirkungen auf die äußere Wirksamkeit einer Erklärung hat: Während die Abgabe der Erklärung sie als solche in die Welt setzt (zudem nach der Regelung des § 37 Abs. 1 Nr. 1 2. HS NGO unwiderruflich), verhindert die Befristung, dass sie zugleich in volle Wirksamkeit erwächst. Verlangt aber der Feststellungsbeschluss nach § 37 Abs. 2 1. HS NGO allein voll wirksame Verzichtserklärungen, um die konstitutive Feststellung zu treffen, müssen diese zu diesem Zeitpunkt auch in voller Wirksamkeit erwachsen sein. Gemäß dem Wortlaut der Regelung des § 37 Abs. 2 NGO hat der Rat "zu Beginn der nächsten Sitzung" festzustellen, ob die Voraussetzungen eines Sitzverlustes nach § 37 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und 6 bis 8 NGO vorliegen. Der Beschluss des Rates ist daher in der ersten Sitzung, nachdem der Rat von dem möglichen Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Sitzverlustes Kenntnis erlangt hat, herbeizuführen. Diese Regelung hat den Zweck, dass wegen des Interesses an der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Rates möglichst zügig eine Entscheidung über den Sitzverlust getroffen wird (Wefelmeyer, a.a.O., § 37 Anm. 26). Die nächste Sitzung nach Kenntniserlangung von dem (möglichen) Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Sitzverlustes kann aber nicht eine Sitzung sein, die bei einer Verzichtserklärung, die erst ab einem späteren Zeitpunkt wirksam werden soll, vor diesem Zeitpunkt liegt. Denn bei einer den Verzicht erst zu einem späteren Zeitpunkt erklärenden Verzichtserklärung kann der Rat nicht in einer davor liegenden Sitzung gemäß § 37 Abs. 2 NGO feststellen, "ob eine der Voraussetzungen nach Absatz 1 Nrn. 1 bis 4 und 6 bis 8 NGO vorliegt". Das Vorliegen dieser Voraussetzungen erfordert, dass im Zeitpunkt der feststellenden Ratsentscheidung die materielle Voraussetzung des Sitzverlustes - hier also der Mandatsverzicht - vorliegt. Das ist bei einem erst für einen späteren Zeitpunkt erklärten Verzicht nicht der Fall. Auch wenn der Verzicht - mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der alsbaldigen Schaffung klarer Verhältnisse - unwiderruflich und auch nicht wegen Irrtums über den Erklärungsinhalts anfechtbar ist (vgl. BVerfG, B. v. 29.3.1977 - 2 BvE 1/77 -, BVerfGE 44, 245; NdS. OVG, Urt. v. 24.1.1951 - 2 A 453/50 -, OVGE 4, 139) eröffnet § 37 Abs. 2 NGO dem Rat nicht die Möglichkeit, den Sitzverlust erst für einen späteren, der Feststellungsentscheidung nachfolgenden Zeitpunkt festzustellen. Die Feststellungsentscheidung des Rates nach § 37 Abs. 2 NGO wirkt konstitutiv ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO. Bei der Kostenentscheidung nach § 155 Abs. 1 VwGO hat sich das Gericht unter Berücksichtigung der Streitwerte daran orientiert, in welchem Maße die Beteiligten in ihren jeweiligen Streitverhältnissen unterliegen und obsiegen. In die Kostenentscheidung ist gleichermaßen die Kostenlast hinsichtlich der für erledigt erklärten Klage- bzw. Antragsbegehren eingeflossen. Hinsichtlich der für erledigt erklärten Klage- bzw. Antragsbegehren haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil ihre Klagen bzw. Anträge - ohne Berücksichtigung der erledigenden Ereignisse - keinen Erfolg hätten haben können. Insoweit wird auch auf die Ausführungen in dem Beschluss der erkennenden Kammer vom 11.7.2005 Bezug genommen. Die Beigeladenen zu 3) und zu 4) sind entsprechend ihrem Unterliegen gemäß §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten zu beteiligen und ihre Kosten sind entsprechend ihrem Obsiegen den Klägern aufzuerlegen. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen zu 3) und zu 28) sind erstattungsfähig, weil diese (erfolgreich) Sachanträge gestellt haben und sie sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt haben. In diesen Fällen entspricht es regelmäßig der Billigkeit, die Kosten als erstattungsfähig anzusehen. Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und haben sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Demgemäß entspricht es auch nicht der Billigkeit, ihre Kosten auch nur teilweise einer Partei aufzuerlegen.

56

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

57

Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.