Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.09.2006, Az.: 3 U 14/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.09.2006
- Aktenzeichen
- 3 U 14/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 42651
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2006:0920.3U14.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 15.12.2005 - AZ: 13 O 108/04
- nachfolgend
- BGH - 27.02.2008 - AZ: IV ZR 270/06
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.12.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10 000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Entscheidungsgründe
I.
Wegen des Tatbestands wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme unter Abweisung der Klage im übrigen
- 1.
festgestellt, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nr. ... des Klägers nicht durch Rücktritt oder Anfechtung seitens der Beklagten durch Schreiben vom 11.9.2003 beendet worden sei, sondern fortbesteht,
- 2.
die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1.12.2003 die in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vereinbarte Rente in Höhe von monatlich 613,50 € sowie weitere 2 454 € sowie 153,36 € zu zahlen,
- 3.
die Beklagte verurteilt, die Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. ... ab dem 1.12.2003 beitragsfrei zu stellen.
Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt während der Kläger die Zurückweisung der Berufung begehrt.
Gründe
II.
Die Berufung ist begründet.
Der Kläger hat keine Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. ..., weil die Beklagte den Vertrag mit Schreiben vom 11.9.2003 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat.
Die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sind erfüllt, wenn ein Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer wissentlich falsche Angaben macht oder gefahrerhebliche Umstände verschweigt und dabei zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages beeinflusst werden kann (vgl. BGH, VersR 2004, 1297 [BGH 14.07.2004 - IV ZR 161/03]).
Vorliegend ist aufgrund der Aussagen der Zeugin M.... vom 8.10.2004 und 29.9.2005 vor dem Landgericht davon auszugehen, dass der Kläger dem Versicherungsagenten F.... seine Vorerkrankungen, insbesondere soweit sie sein linkes Knie und seinen Rücken betreffen, nicht verschwiegen hat. Er hat vielmehr auf die bei Antragstellung nicht mehr akut vorhandenen Rückenbeschwerden und auf die gegenwärtigen Kniebeschwerden ausdrücklich hingewiesen, und der Versicherungsagent F.... hat diese Hinweise als unerheblich bezeichnet und die ihm dazu erteilten Informationen nicht in den Antrag eingetragen.
Das ihr günstige Ergebnis einer Beweisaufnahme macht sich eine Partei zu eigen (vgl. BGH VersR 2001, 1541 [BGH 10.10.2001 - IV ZR 6/01]); die Beklagte kann sich daher auf die Bekundungen der Zeugin M.... stützen.
Die Zeugin M...., Ehefrau des Klägers, hat im Termin am 8.10.2004 bekundet, der Kläger habe u.a. auf eine frühere Kniespiegelung hingewiesen und auch darauf, dass das Knie "noch nicht viel besser geworden" sei (Bd. I, Bl. 81). Der Zeuge F.... habe hierzu erklärt, dass die angegebenen Erkrankungen nichts mit einer Berufsunfähigkeit zu tun hätten.
Im Termin am 29.9.2005 vor dem Landgericht (Bd. I, Bl. 264) hat die Zeugin M.... bekundet, der Kläger und sie selbst hätten "angegeben, was mit dem Kläger ist." Weiter heißt es dann: "Auch, dass schon eine Kniespiegelung gemacht worden ist, und dass das Knie auch nicht in Ordnung war. Es war eigentlich gar nicht in Ordnung.F.... sagte dann, das hat nichts mit BU zu tun. Da bin ich mir ganz sicher."
Es steht daher fest, dass der Kläger bereits bei Antragstellung unter einem gegenwärtigen krankhaften Zustand des linken Knies litt, auf diesen sowie auf eine frühere Rückenerkrankung hinwies, und dass der Agent der Beklagten einerseits eine Bagatelle, nämlich einen grippalen Infekt in das Antragsformular eintrug, und andererseits einen bestehenden krankhaften Zustand des Knies wie auch frühere Rückenbeschwerden des Klägers als für die angestrebte Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unerheblich bezeichnet hat.
Wenn bei der Beantragung einer Versicherung ein Versicherungsagent das Antragsformular ausfüllt, kommt der Versicherungsnehmer in der Regel allerdings seinen Informationspflichten dadurch ausreichend nach, dass er ihm bekanntgegebene Gesundheitsfragen zutreffend beantwortet. Wenn dann der Versicherungsagent Informationen über frühere oder gegenwärtige Erkrankungen mit dem Bemerken nicht in den Antrag aufnimmt, sie seien für die angestrebte Versicherung unerheblich, hat der Versicherungsnehmer jedenfalls nicht in jedem Fall Anlass, an den Erklärungen des Agenten zu zweifeln.
Eine arglistige Täuschung kommt jedoch dann in Betracht, wenn Versicherungsnehmer und Versicherungsagent zu Lasten des Versicherers zusammengewirkt haben oder wenn der Agent von seiner Vertretungsmacht dergestalt in verdächtiger Weise Gebrauch macht, dass bei dem Versicherungsnehmer begründete Zweifel im Hinblick auf einen Treueverstoß des Agenten entstehen müssen (vgl. BGH VersR 2002, 425 [BGH 30.01.2002 - IV ZR 23/01]). Vorliegend sind die Voraussetzungen arglistigen Verhaltens des Klägers erfüllt, denn der Agent hat treuwidrig gehandelt, der Kläger hatte hiervon Kenntnis und er hat das Verhalten des Agenten wenigstens billigend in Kauf genommen.
- 1.
Dass ein Versicherungsagent - hier der Zeuge F.... - treuwidrig handelt, wenn er eine ihm offenbarte frühere Rückenerkrankung sowie eine gegenwärtige Kniegelenkserkrankung eines als KfZ-Mechaniker berufstätigen Versicherungsnehmers als für eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unerheblich bezeichnet und angesichts einer auf solche Angaben gerichteten Gesundheitsfrage im Versicherungsantrag auch nicht vermerkt, bedarf keiner Vertiefung.
- 2.
Ob der Kläger von der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Zeugen F.... Kenntnis hatte, ist als innere Tatsache keiner unmittelbaren Wahrnehmung zugänglich, sondern kann nur auf der Grundlage von Indizien erschlossen werden. Indizien für solche Kenntnis können sich u.a. aus Art, Umfang und Bedeutung der unrichtigen Angaben ergeben. Für ein arglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers kann sprechen, dass er schwere, chronische oder schadengeneigte oder immer wieder auftretende, zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt, und die ihm daher offensichtlich als erheblich für das versicherte Risiko erscheinen müssen (vgl. OLG Saarbrücken, VersR 2003, 890). Dass der Kläger erkannt und gebilligt hat, dass der Versicherungsagent F.... pflichtwidrig handelte, indem er - bis auf eine Lappalie (grippaler Infekt) - die ihm mitgeteilten, teilweise noch akuten Vorerkrankungen nicht in den Antrag aufnahm, schließt der Senat daraus, dass nicht nur eine bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung gegenwärtig nicht mehr akute Rückenerkrankung, sondern auch der als "nicht in Ordnung" empfundene Zustand des linken Knies des Klägers im Antrag verschwiegen wurde. Auch wenn der Zeuge F.... hierzu geäußert haben mag, dass diese Umstände für eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ohne Bedeutung seien, war das Gegenteil evident. Dass eine gegenwärtiger auffälliger Zustand eines Kniegelenks für eine eventuelle Berufsunfähigkeit des Klägers bedeutungslos sein könne, kann der Kläger selbst angesichts gegenteiliger Bekundungen des ihn beratenden Agenten nicht geglaubt haben. Wenn eine verheilte Krankheit verschwiegen wird, mag es angehen, dass der Versicherungsnehmer auf eine falsche Beratung des Agenten dahingehend vertraut, die Krankheit müsse nicht angegeben werden (vgl. BGH VersR 2002, 425 [BGH 30.01.2002 - IV ZR 23/01]). Im Falle eines bei Antragstellung vorhandenen krankhafter Zustand des Kniegelenks ist dies dagegen nach Auffassung des Senats ausgeschlossen, wenn - wie vorliegend - keine besonderen Umstände hervorgetreten sind, welche eine andere Betrachtungsweise rechtfertigen könnten.
Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger nach Angaben des Zeugen F....und der Zeugin M.... zur Zeit der Antragstellung bereits über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verfügte (zu der er Einzelheiten indes nicht vorgetragen hat), und dass diese durch die zur Nr. ... beantragte Versicherung ersetzt werden sollte. Vor diesem Hintergrund mag die beabsichtigte Ersetzung einer bestehenden Versicherung durch eine mit der unzutreffender Beantwortung von Gesundheitsfragen belastete Versicherung erfolgen sollte, auf den ersten Blick eher unvernünftig erscheinen. Dies allein vermag aber ausreichende Zweifel an der Arglist des Klägers nicht zu begründen; zumal die Unterschiede zwischen der früheren und der angestrebten Versicherung nicht im Einzelnen bekannt sind.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.