Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 24.06.2015, Az.: 17 A 7819/14
Mitbestimmung; Unaufschiebbarkeit; Vorläufige Regelung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 24.06.2015
- Aktenzeichen
- 17 A 7819/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 45049
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs 5 BPersVG
- § 74 PersVG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zwar ist bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme i. S. v. § 74 NPersVG keinen Aufschub duldet, allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen, nicht hingegen darauf, ob die Dringlichkeit die Folge vorausgegangener Versäumnisse ist. Gleichwohl kann ein zunächst zögerliches Handeln in Bezug auf die später als dringlich angesehene mitbestimmungspflichtige Maßnahme ein Indiz für deren tatsächlich nicht gegebene Unaufschiebbarkeit sein.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass eine vorläufige Regelung des Beteiligten unter Umständen, die denjenigen der Regelung vom 6. März 2014 zum Spätdienst in der Wechselschicht der Vollzugsabteilung 3/51 entsprechen, rechtswidrig ist.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts durch eine vom Beteiligten getroffene vorläufige Regelung des Spätdienstes in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt E..
In der Justizvollzugsvollzugsanstalt E. sind in der Vollzugsabteilung 3/51 ("Haus C"), einer sozialtherapeutische Abteilung i. S. v. §§ 103 ff. NJVollzG, auch Gewaltstraftäter und Sexualstraftäter untergebracht. Das Haus C ist in vier baulich getrennte Wohngruppen aufgeteilt, die für die Bediensteten durch ein Treppenhaus und einen Fahrstuhl erreichbar sind. Das therapeutische Personal ist nachmittags bis etwa 16:00 Uhr anwesend. Für das ebenfalls in das sozialtherapeutische Konzept eingebundene (Wach-)Personal des allgemeinen Vollzugsdienstes galt bis vor der streitgegenständlichen Änderung ein Wechselschichtdienst mit einer regelmäßigen Frühschicht von 06:00 bis 13:00 Uhr und einer Spätschicht von 13:00 bis 20:00 Uhr im Tagesdienst montags bis freitags (abweichende Regelung am Wochenende). Der Nachtdienst dauert an diesen Tagen von 20:00 bis 6:00 Uhr. Den geeigneten Gefangenen wird seit langer Zeit Aufschluss innerhalb der einzelnen Wohngruppen bis 22:00 Uhr gewährt; die Wohngruppen selbst werden dazu ab etwa 19:45 Uhr verschlossen. Grundlage für die Gewährung verlängerten Aufschlusses sind nach den dafür geltenden Regeln eine dreimonatige Eingewöhnungsphase in der sozialtherapeutische Abteilung, Wohlverhalten und therapeutisches Bemühen. Regelmäßig kommen aber die meisten Gefangenen in den Genuss erweiterter Aufschlusszeiten. Der bis zur streitgegenständlichen Regelung während dieser Zeit allein anwesende Bedienstete des Nachtdienstes durfte die Stationen nicht allein betreten, sondern hielt sich in der darunterliegenden Hauszentrale auf. Der Einschluss selbst (gegen 22:00 Uhr) fand mit Bediensteten aus anderen Vollzugsabteilungen statt. In diesen anderen Vollzugsabteilungen der Justizvollzugsanstalt E. beginnt der Nachteinschluss montags bis freitags bereits um 19:50 Uhr.
In einer Überarbeitung der einschlägigen Anstaltsregelung 1.34.0 war unter Nr. 2.3.4 für das Haus C für einen Dienstposten eine abweichende regelmäßige Spätschicht von 15:00 bis 22:00 Uhr vorgesehen. Damit sollte gewährleistet werden, dass während des späten Aufschlusses für die Inhaftierten (20:00 bis 22:00 Uhr) zusammen mit dem Nachtdienst zwei Bedienstete zur Überwachung im Haus C zur Verfügung stehen.
Der Beteiligte erbat am 6. Februar 2014 zu einer entsprechenden Neufassung der Anstaltsregelung 1.34.0, die auch weitere Änderungen der vormaligen Anstaltsregelung enthielt, die Zustimmung des Antragstellers. Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 lehnte der Antragsteller - nach vorheriger Verlängerung der Zwei-Wochen-Frist durch den Beteiligten - die Erteilung der Zustimmung ab. Er begründete dies damit, dass die Anstaltsregelungen Wechselschicht, Hausordnungen, Tagesdienst, Nachtdienst unmittelbar miteinander verknüpft seien und im direkten Zusammenhang gesehen werden müssten. Es sei nicht möglich, eine Anstaltsregelung mit einer solchen Reichweite separat zu bearbeiten und zu beschließen. Neben weiteren Punkten verwies der Antragsteller darauf, dass es für die in Haus C vorgesehene Arbeitszeitverschiebung trotz Nachfrage an einer Begründung der Notwendigkeit fehle. Unter dem 26. Februar 2014 zog der Beteiligte die Beschlussvorlage zurück und kündigte an, dass wegen weiterhin geplanter Änderungen zeitnah eine Neuvorlage erfolgen werde.
Mit Schreiben vom 6. März 2014 erklärte der Beteiligte, dass der Spätdienst in der Vollzugsabteilung 3/51 vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über die Anstaltsregelung verlängert werde. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass es in der Vollzugsabteilung 3/51 mit dortiger Zustimmung bereits geübte Praxis sei, den Aufschluss für die Inhaftierten erst um 22:00 Uhr zu beenden. Gleichwohl werde dort im Zeitraum zwischen der Beendigung des regulären Spätdienstes bis zum Nachteinschluss nur ein Bediensteter eingesetzt, was wegen der untergebrachten Klientel nicht mehr vertretbar sei. Der Beteiligte verwies insoweit auf eine Viktimisierungsstudie (gemeint ist der Forschungsbericht Nr. 119 des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen "Viktimisierungserfahrungen im Justizvollzug" aus dem Jahre 2012), nach der es nicht mehr zu verantworten sei, Gefangene unbeobachtet und ohne Kontrolle durch Bedienstete sich selbst zu überlassen.
Eine Neufassung der Anstaltsregelung 1.34.0 legte der Beteiligte dem Antragsteller mit Schreiben vom 18. März 2014 mit der Bitte um Zustimmung gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) NPersVG vor. Der neu eingeführte Spätdienst in der sozialtherapeutischen Abteilung sei aus Sicherheitsgründen zwingend notwendig. Es seien dort Gefangene mit erheblichem Gefährdungspotential, allein bedingt durch teils sehr lange Haftstrafen, untergebracht. Neben Sexualstraftätern seien dort auch wegen erheblicher Gewaltdelikte Verurteilte untergebracht. Die Hausordnung sehe einen Aufschluss bis 22:00 Uhr vor. Der Einschluss müsse aus Sicherheitsgründen von der Stammbesatzung vorgenommen werden, da nur diese besondere Verhaltensauffälligkeiten der in Therapie befindlichen Inhaftierten einschätzen könne. Die bisherige Verfahrensweise des Einsatzes einer abteilungsexternen Unterstützung zur Durchführung des Einschlusses sei nicht mehr tragbar. Eine Zustimmung lehnte der Antragsteller unter dem 28. März 2014 wiederum ab; er sehe keinen Bedarf an der veränderten Dienstzeitregelung für die Sozialtherapie. Nachdem der Beteiligte unter dem 2. April 2014 mitgeteilt hatte, dass die Zustimmungsverweigerung nicht ausreichend begründet worden sei, führte der Antragsteller unter dem 4. April 2014 an, dass die Begründung der Notwendigkeit der Arbeitszeitverschiebung nicht nachvollziehbar sei. Seit jeher seien in der sozialtherapeutischen Abteilung Sexual- und Gewaltstraftäter sowie Sicherungsverwahrte untergebracht. Aufschluss nach 20:00 Uhr hätten nur die Inhaftierten, bei denen das Behandlungsteam die Eignung dafür festgestellt habe. Akut verhaltensauffällige Inhaftierte dürften demnach nicht in den Genuss des verlängerten Aufschlusses kommen. Es sei nicht notwendig, den Einschluss durch die Stammbesetzung zu vollziehen.
Am 9. April 2014 hat der Antragsteller aufgrund eines entsprechenden Beschlusses vom 28. März 2014 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Der Beteiligte sei zu der erlassenen vorläufigen Regelung nicht berechtigt gewesen und habe dadurch den Antragsteller in seinem Mitbestimmungsrecht verletzt. Die beabsichtigte Maßnahme betreffe den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Grundsätze der Aufstellung von Dienstplänen und sei unstreitig beteiligungspflichtig. Bei der Neueinführung des Spätdienstes handele es sich nicht um eine Maßnahme, die keinen Aufschub dulde. Sie sei nicht unaufschiebbar notwendig, um die Sicherheit der Gefangenen zu gewährleisten. Die Zusammensetzung der Gefangenenstruktur habe sich seit mehreren Jahren nicht verändert; die Gefangenen seien stets nur von einem Bediensteten des Nachtdienstes überwacht worden. Wenn dies seit Jahren gängige Übung sei, könne es nicht unaufschiebbar notwendig sein, in der Zeit von 20:00 bis 22:00 Uhr einen Bediensteten zusätzlich einzusetzen. Ein Sicherheitsproblem aufgrund der Gefangenstruktur hätte der Beteiligte früher erkennen und eine gewünschte Regelung unter Mitbestimmung des Antragstellers herbeiführen können. Die angebliche Notwendigkeit einer ständigen Beobachtung aller Gefangenen begründe eine Unaufschiebbarkeit nicht. Es sei im Haus C nicht möglich, alle vier baulich getrennten untereinander nicht einsehbaren Ebenen gleichzeitig zu kontrollieren. Die vorläufige Maßnahme sei zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht geeignet, weil auch zwei Bedienstete nur zwei Ebenen gleichzeitig überwachen könnten.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass eine vorläufige Regelung des Beteiligten unter Umständen, die derjenigen vom 6. März 2014 zum Spätdienst in der Wechselschicht der Vollzugsabteilung 3/51 entspricht, rechtswidrig ist.
Der Beteiligte beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die erste Beschlussvorlage vom 6. Februar 2014 sei zurückgezogen worden, weil diverse Gespräche mit dem Vorsitzenden des Antragstellers ohne den gewünschten Erfolg verlaufen seien. Die Begründung vom 4. April 2014 zur Nichtzustimmung sei nicht überzeugend gewesen. Bereits nach der erstmaligen Nichtzustimmung sei geprüft worden, ob die Änderung des Spätdienstes im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme umgesetzt werden müsse; diese Prüfung habe ergeben, dass die Maßnahme keinen Aufschub dulde. Eine Einigung sei nicht mehr zu erwarten gewesen und ein Nichtzustimmungsverfahren nehme weitere Zeit in Anspruch. Es sei nicht nur um die Sicherheit der Inhaftierten gegangen; vielmehr habe auch eine Verbesserung der Sicherheit der Bediensteten besonders im Fokus gestanden. Die Klientel in der sozialtherapeutischen Abteilung habe sich verändert. Nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz sei auch die Behandlung von Verurteilten vorgesehen, die wegen Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit verurteilt worden seien. Dies habe zu einer ersten Veränderung im Umgang der Gefangenen untereinander geführt. Bei den zu behandelnden Gefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung und den Sicherungsverwahrten handele es sich um hafterfahrene und subkulturell geprägte Inhaftierte, die entsprechend agierten. Zwei Bedienstete seien das Mindestmaß zur Betreuung, Beobachtung und zur Durchführung des späten Einschlusses. Es sei wichtig, dass die Bediensteten die Gefangenen kennen. Es sei im modernen Justizvollzug nicht mehr zeitgemäß, die Gefangenen sich weitgehend selbst zu überlassen. Die Gefangenen dürften auch nicht die Gewissheit haben, dass zwischen 20:00 und 22:00 Uhr nicht mit Kontrollen zu rechnen sei. Die nachteiligen Änderungen bei den Arbeitszeiten würden gesehen. Die Regelung werde daher nicht auf Feiertage und das Wochenende ausgedehnt; dann werde vielmehr der Einschluss um 20:00 Uhr vorgenommen. Auch sei entschieden worden, dass bei Ausfall des neben dem Nachtdienst eingeteilten weiteren Bediensteten der späte Aufschluss entfalle und dass die im Spätdienst der sozialtherapeutischen Abteilung eingesetzten Bediensteten nicht zu anderen Aufgaben in der Justizvollzugsanstalt abgezogen werden dürften.
Während des Beschlussverfahrens hat der Beteiligte den Vorgang am 29. April 2014 dem Niedersächsischen Justizministerium zur dortigen Beteiligung des Hauptpersonalrats vorgelegt. Bei einem Gespräch zwischen dem Hauptpersonalrat und Vertretern der Justizvollzugsanstalt am 16. Juli 2014 ist die Idee aufgekommen, auf die späten Aufschlusszeiten zu verzichten und die verlängerte Dienstzeit entbehrlich zu machen. Dies ist so umgesetzt worden; der Antragsteller hat anschließend der Anstaltsregelung 1.34.0 ohne die Regelung zum Spätdienst in der sozialtherapeutischen Abteilung zugestimmt. Der Antragsteller hat seinen Antrag aufrechterhalten. Der Beteiligte geht von einer Erledigung aus, hält indessen an seiner Auffassung fest, dass die vorläufige Regelung rechtmäßig gewesen sei. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass zukünftige Verhältnisse eine Änderung des Spätdienstes notwendig machen; in jedem Fall sei während der Zeit des Aufschlusses die Präsenz von mindestens zwei Bediensteten angezeigt und erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens des Antragstellers und des Beteiligten wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Der Feststellungsantrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer nach § 74 Satz 1 NPersVG vor Abschluss eines Mitbestimmungsverfahrens von der Dienststelle getroffenen vorläufigen Regelung ist nach § 83 Abs. 1 NPersVG im Beschlussverfahren statthaft (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Personalvertretung Niedersachsen, Stand: Dezember 2014, § 74 Rn. 31). Zwar hat sich die zunächst zum Verfahrensgegenstand gemachte konkrete vorläufige Regelung des Spätdienstes durch deren Streichung in der überarbeiteten Anstaltsreglung 1.34.0 während des Beschlussverfahrens inhaltlich erledigt. Dem hat der Antragsteller jedoch im Anhörungstermin durch eine veränderte Antragstellung Rechnung getragen, indem er zu einer für diesen Fall statthaften abstrakten Antragstellung übergegangen ist, für die auch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Feststellung begehrt wird, dass eine bestimmte, bereits abgeschlossene Maßnahme unwirksam sei oder dass an ihr ein Beteiligungsrecht bestanden habe, falls die Maßnahme im Zeitpunkt der Entscheidung keine Rechtswirkung mehr entfaltet. In diesem Fall könnte nämlich die Entscheidung einem Verfahrensbeteiligten lediglich bescheinigen, dass er Recht oder Unrecht gehabt habe. Es ist aber nicht Aufgabe des Gerichts, gutachterlich tätig zu werden. Das Rechtsschutzinteresse für eine fallbezogene Feststellung wird auch nicht dadurch begründet, dass sie den Beteiligten für künftige Fälle als Richtschnur dienen könnte. Ist zu erwarten, dass die gleiche Streitfrage künftig erneut auftaucht, muss dem durch eine vom Ausgangsfall abgelöste Antragstellung Rechnung getragen werden, weil dann die Rechtskraftwirkung auch für diese Fälle entschieden werden kann. Ein solcher allgemeiner Feststellungsantrag muss spätestens in der letzten Tatsacheninstanz gestellt werden (BVerwG, Beschl. v. 11.03.2014 - 6 PB 41/13 -, juris Rn. 7 m. w. N.). Diese Grundsätze beanspruchen auch für die vorliegend begehrte Rechtswidrigkeitsfeststellung Geltung. Wenn für die dem Streit zugrunde liegende abstrakte personalvertretungsrechtliche Rechtsfrage mit einiger, mehr als nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass hierüber zukünftig wiederum zwischen denselben Beteiligten Streit entstehen wird, die gerichtliche Klärung der Rechtsfrage für die Beteiligten also richtungsweisend ist, so besteht das Rechtsschutzinteresse trotz eingetretener Erledigung des konkreten anlassgebenden Falles fort (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 05.11.2013 - 6 PB 31/13 -, juris Rn. 3; Sächs. OVG, Beschl. v. 05.06.2014 - PL 9 A 632/12 -, juris Rn. 30). Gerade bei vorläufigen Maßnahmen nach § 74 Satz 1 NPersVG, die sich wegen der in § 74 Satz 2 NPersVG stets vorgesehenen Durch- bzw. Fortführung des Mitbestimmungs- und Nichteinigungsverfahrens häufig nach kürzerer Zeit erledigen, dürfen die Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis nach Auffassung der Kammer nicht überspannt werden. Ansonsten müssten die Streitigkeiten über vorläufige Maßnahmen der Dienststelle bzw. des Dienststellenleiters in nicht sachgerechter Weise in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlagert werden, obwohl es regelmäßig in Anbetracht der Interessenlage ausreichend ist, nur das reguläre Beschlussverfahren einzuleiten und bei Erledigung der vorläufigen Regelung und fortbestehendem Klärungsinteresse zu einem vom konkreten Anlassfall losgelösten Antrag überzugehen. Daran gemessen ist ein Rechtsschutzbedürfnis hier gegeben. Ein fortbestehendes Klärungsinteresse des Antragstellers, dessen konkreter Antrag sich während des Beschlussverfahrens erledigt hat, ist anzuerkennen. Der Beteiligte hat erklärt, dass die aktuell geltende Spätdienstregelung möglicherweise in Zukunft durchaus geändert werden könnte und er zudem eine Präsenz von mindestens zwei Bediensteten für notwendig erachtet. Dadurch, dass er zugleich deutlich gemacht hat, dass aus seiner Sicht die vorläufige Regelung rechtmäßig gewesen sei, ist nicht fernliegend, dass gegebenenfalls auch zukünftig in einem parallel gelagerten Fall zu einer vorläufigen Maßnahme gegriffen werden würde. Zwar ist dies von mehreren nicht im Einzelnen vorhersehbaren Variablen abhängig. Dass der richtungsweisende Charakter einer gerichtlichen Entscheidung aber fehlen würde, weil eine entsprechende vorläufige Regelung nur mit geringfügiger Wahrscheinlichkeit erneut in Betracht gezogen würde, kann aber nicht angenommen werden. Die offenbar intensiv geführte Diskussion über die späten Aufschlusszeiten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Dienstzeiten lässt den Schluss zu, dass die gegenwärtig gefunden Lösung keineswegs als "in Stein gemeißelt" betrachtet werden kann. Zudem wird der Beteiligte bei möglichen zukünftigen Änderungen sein Verhalten bezüglich einer "flankierenden" vorläufigen Regelung an der Entscheidung im vorliegenden Beschlussverfahren ausrichten können.
2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Verlängerung des Spätdienstes hätte nicht durch eine vorläufige Regelung nach § 74 Satz 1 NPersVG vor Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens getroffen werden dürfen. Bei künftigen Fällen, die nach den Umständen gleichgelagert sind, darf der Beteiligte nicht zu einer vorläufigen Regelung greifen.
a) Die vorläufige Regelung leidet nicht an formellen Fehlern, die zu einer Rechtswidrigkeitsfeststellung führen könnten. Insbesondere ist die vorläufige Regelung hinreichend begründet worden. Aus dem Kontext der unter dem 6. März 2014 gegebenen Begründung wird deutlich, dass es dem Beteiligten nicht um die Verhinderung des generellen Unbeobachtetseins von Gefangenen geht - die Gefangenen stehen nach dem Einschluss schließlich auch nicht unter ständiger Beobachtung -, sondern nur um die Beobachtung, wenn die Gefangenen in den Wohngruppen des Hauses C während des Aufschlusses interagieren. Diese Begründung kann nicht als pauschal oder formelhaft (vgl. dazu: Dembowski/Ladwig/Sellmann, a. a. O., § 74 Rn. 27) angesehen werden. Dass in der Begründung der späteren Zustimmungsbitte vom 18. März 2014 demgegenüber die Abläufe beim Einschluss um 22:00 Uhr und während des Beschlussverfahrens die Sicherheit der Bediensteten hervorgehoben wurden, macht die ursprüngliche Begründung nicht fehlerhaft, sondern ergänzt diese. Eine generelle Veränderung der angestrebten Schutzrichtung der vorläufigen Regelung kann in den Ausführungen des Beteiligten nicht erblickt werden, wenngleich wünschenswert gewesen wäre, sogleich alle Aspekte umfassend darzulegen, die den Beteiligten zu der vorläufigen Maßnahme bewogen haben.
b) Die materiellen Voraussetzungen für die vorläufige Regelung waren nicht erfüllt.
aa) Die Grundvoraussetzung des Vorliegens einer beteiligungspflichtigen Maßnahme (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann. a. a. O., § 74 Rn. 4) ist allerdings gegeben. Der Antragsteller und der Beteiligte gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass es sich bei der vorgesehenen Verlängerung des Spätdienstes unter Nr. 2.3.4 der Anstaltsregelung 1.34.0 in der Fassung der Beschlussvorlage vom 6. Februar 2014 um eine Festlegung von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit i. S. v. § 66 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) NPersVG handelt. Die Mitbestimmungspflicht scheitert auch nicht am mangelnden Charakter als innerdienstliche Maßnahme i. S. d. § 64 Abs. 1 NPersVG (vgl. dazu etwa Nds. OVG, Beschl. v. 24.01.2008 - 18 MP 14/07 -, juris Rn. 5). Anders als etwa bei der Festlegung von Öffnungszeiten einer Verwaltung für die Allgemeinheit kann hier nicht davon gesprochen werden, dass es bei der Spätdienstregelung nur um die Erfüllung der Aufgaben nach außen ginge. Zwar ließe sich argumentieren, dass der Aufgabenerfüllung "nach außen" im Justizvollzug die Aufgabenerfüllung gegenüber den Gefangenen unter Beachtung der Vollzugsziele (§ 5 NJVollzG) entspräche. Das Pendant zur Aufgabenerfüllung "nach außen" wäre dann aber nicht die hier in Rede stehende Arbeitszeitregelung, sondern die vorausgehende Entscheidung über den Gefangenaufschluss und dessen Dauer als solche.
bb) Es lässt sich indessen nicht feststellen, dass die Verlängerung des Spätdienstes keinen Aufschub duldete. Die Bestimmung des § 74 NPersVG ist § 69 Abs. 5 BPersVG nachgebildet worden, so dass sich die Voraussetzungen dieser Vorschriften decken, obwohl in § 69 Abs. 5 BPersVG formuliert ist, dass die Unaufschiebbarkeit "der Natur der Sache nach" bestehen muss (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, a. a. O, § 74 Rn. 6). Eine unaufschiebbare Maßnahme liegt vor, wenn die konkrete Situation trotz Verweigerung der Zustimmung des zuständigen Personalrats und trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens eine - allerdings nur vorläufige - Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen (BVerwG, Beschl. v. 02.08.1993 - 6 P 20.92 -, juris Rn. 10). Vorläufige Regelungen haben sich grundsätzlich auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige zu beschränken. In aller Regel müssen sie in der Sache jedenfalls so weit hinter der beabsichtigten endgültigen Maßnahme zurückbleiben, dass eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts möglich bleibt (BVerwG, Beschl. v. 16.12.1992 - 6 P 6.91 -, juris Rn. 18). Bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme ohne Aufschub geboten ist, ist allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen, nicht hingegen darauf, ob die Dringlichkeit die Folge vorausgegangener Versäumnisse ist (BVerwG, Beschl. v. 04.02.1992 - 6 PB 20.91 -, juris Rn. 4; OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 09.09.2013 - 1 B 748/13 -, juris Rn. 62; einschränkend bei schuldhaft zögerlichem Verhalten der Dienststelle: Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG-Kommentar, 15. Aufl., § 74 Rn. 4). Bei § 69 Abs. 5 BPersVG handelt es sich um eine mit strengen Anforderungen verbundene Ausnahmevorschrift (BVerwG, Beschl. vom 25.01.2012 - 6 P 25/10 -, juris Rn. 22), was für § 74 NPersVG entsprechend gilt. Eine bloße Eilbedürftigkeit reicht nicht, sondern es muss eine größere Dringlichkeit gegeben sein (Dembowski/Ladwig/Sellmann, a. a. O., § 74 Rn. 7).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Veränderung der Spätdienstregelung in diesem Sinne unaufschiebbar war. Zwar kann der Unaufschiebbarkeit nicht entgegengehalten werden, dass der Beteiligte das erste Mitbestimmungsverfahren dadurch abgebrochen hat, dass er die Beschlussvorlage zunächst zurückgezogen hat. Auch steht es der Annahme einer Unaufschiebbarkeit nicht ohne weiteres entgegen, dass der Beteiligte trotz der schon längere Zeit vorliegenden - und von ihm ja in Bezug genommenen - Viktimisierungsstudie die für notwendig erachteten Änderungen erst im Jahre 2014 angegangen ist. Gleichwohl kann ein zunächst zögerliches Handeln in Bezug auf die später als dringlich angesehene mitbestimmungspflichtige Maßnahme ein Indiz für deren tatsächlich nicht gegebene Unaufschiebbarkeit sein. Regelmäßig wird nämlich eine Dienststelle einen einmal erkannten dringenden Handlungsbedarf zügig umsetzen wollen. Sind Hinderungsgründe für eine frühere Umsetzung nicht erkennbar, spricht dies jedenfalls nicht dafür, dass eine Regelung dann plötzlich unaufschiebbar wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die der beabsichtigten Maßnahme zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse bereits seit einem längeren Zeitraum im Wesentlichen unverändert sind.
So liegt es nach Auffassung der Kammer hier. Die Gefangenenstruktur hat sich jedenfalls nicht kurzfristig verändert bzw. verändern können. Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz auch mit der vom Beteiligten angeführten Bestimmung des dortigen § 104 ist bereits seit mehreren Jahren in Kraft. Letztlich wurde über mehrere Jahre der späte Aufschluss von 20:00 bis 22:00 Uhr mit der auch aktuellen Gefangenstruktur von nur einem Bediensteten des Nachtdienstes der Sozialtherapeutischen Abteilung bewältigt; auch der späte Einschluss um 22:00 Uhr konnte mit hinzugezogenem Personal aus anderen Vollzugsabteilungen offenbar bewerkstelligt werden. Dies mag nach modernen Erkenntnissen über die Gefangeninteraktion sowie nach dem aktuellen therapeutischen Konzept nicht optimal gewesen sein. Auch mag diese Vorgehensweise wegen der Sicherheit der Bediensteten veränderungsbedürftig gewesen sein. Die Kammer vermag aber nicht nachzuvollziehen, wieso im März 2014 die Veränderung beim Spätdienst unabweisbar "von jetzt auf gleich" umgesetzt werden musste und nicht der Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens - ggf. unter Ausnutzung der gesetzlich vorgesehen Beschleunigungsmöglichkeiten (vgl. § 68 Abs. 2 Satz 4 NPersVG) - abgewartet werden konnte. Dass ein irgendwie geartetes äußeres "Schlüsselereignis" zu diesem Zeitpunkt ein sofortiges Handeln notwendig gemacht hätte, ist nicht vorgetragen worden. Letztlich ging es wohl nicht um eine rasche Reaktion auf veränderte Umstände, sondern um eine Reaktion auf eine veränderte fachliche Bewertung der bestehenden und seit längerer Zeit praktizierten Abläufe. Dies reicht nach Auffassung der Kammer für die Annahme einer unaufschiebbaren Maßnahme zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nicht aus. Der als veränderungsbedürftig angesehene Zustand hätte vielmehr auch noch für einen weiteren Zeitraum hingenommen werden können, um das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß abzuschließen.
Dass durch die Organisation des Vollzugs in der sozialtherapeutischen Abteilung offenkundig auch weitere Möglichkeiten bestanden, um dem erkannten Missstand insgesamt abzuhelfen, kommt hinzu. Auch wenn die in der sozialtherapeutischen Abteilung untergebrachte "Klientel" gefährlicher geworden sein mag, war ohnehin stets eine Eignungsprüfung für die Teilnahme am späten Einschluss erst um 22:00 Uhr vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hätte durchaus nahegelegen, den faktisch generell praktizierten späten Einschluss für alle Inhaftierten des Hauses C in Frage zu stellen. Da die "Problemfälle" unter den Inhaftierten sicherlich nicht unbekannt waren, hätte sogleich erwogen werden können, statt einer vorläufigen Maßnahme zu Lasten der Bediensteten eine (vorläufige) Veränderung in den Abläufen zu Lasten der betreffenden Gefangenen vorzunehmen. Die Aufschlusszeit bis 22:00 Uhr für (nahezu) alle Inhaftierten des Hauses C wurde aber wohl als gleichsam unabänderlicher Parameter bei den Überlegungen im Rahmen des § 74 NPersVG vorausgesetzt. Dass dies keineswegs zwingend war, zeigen die Umstände, die während des Beschlussverfahrens zur ersatzlosen Streichung des veränderten Spätdienstes geführt haben.
Eine Dringlichkeit im Sinne der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 74 Satz 1 NPersVG kann nach alledem nicht angenommen werden. In etwaigen künftigen Fällen, die gleichgelagert sind, wird der Beteiligte nicht von einer Unaufschiebbarkeit einer beabsichtigten entsprechenden Maßnahme ausgehen können.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine gerichtliche Festsetzung der den Verfahrensbeteiligten entstandenen Kosten nicht vorgesehen ist.