Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.10.2008, Az.: 322 SsBs 172/08

Unmöglichkeit der Durchführung eines subjektiven Strafverfahrens oder Bußgeldverfahrens als Voraussetzung für die Durchführung eines selbstständigen Verfallsverfahrens im Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht; Sachentscheidung gegen den Betroffenen in Strafverfahren oder Bußgeldverfahren als Verfahrenshindernis gegen die Verfallsanordnung gegen einen Dritten im selbstständigen Verfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.10.2008
Aktenzeichen
322 SsBs 172/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 24965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:1029.322SSBS172.08.0A

Fundstellen

  • NZV 2009, 50-51 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZV 2008, VI Heft 12 (amtl. Leitsatz)
  • SVR 2009, 271-272
  • VRS 2008, 369-371

Verfahrensgegenstand

Verkehrsordnungswidrigkeit

Amtlicher Leitsatz

Zu den Voraussetzungen für ein selbständiges Verfallverfahren im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

In dem selbständigen Verfallsverfahren
...
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten
gegen das Urteil des Amtsgerichts W./L. vom 23. April 2008
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 29. Oktober 2008
beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts W./L. wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Verfallsverfahrens und die darin der Verfallsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

1

I.

Der Landkreis H. hatte am 14. November 2007 gegen die Verfallsbeteiligte - im angefochtenen Urteil als Betroffene bezeichnete - Firma B. S. GmbH einen Verfallsbescheid erlassen und darin den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 1.800 EUR angeordnet. Dabei handele es sich um eine Nebenfolge des Bußgeldbescheides gegen die Disponentin, Frau B. T., Az. 12.290184647 sp. Zur Begründung wurde Bezug genommen auf eine Fahrt eines Sattelzuges der Firma am 25. Juli 2007 unter Überschreitung des gesetzlich zulässigen Gewichtes. Die zuständige Disponentin sei ca. eine Woche vor dem Transport von der Polizei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die genehmigten Maße und Gewichte einzuhalten seien und der Transport anderenfalls stillgelegt werde. Den wirtschaftlichen Vorteil habe aber nicht die Disponentin, sondern die Firma B. als Halter und Beförderer gehabt.

2

Die Disponentin ist auf ihren Einspruch gegen den gegen sie ergangenen Bußgeldbescheid vom Amtsgericht W./L. am 23. April 2008 des fahrlässigen Zulassens der Inbetriebnahme eines Sattelzuges mit Übermaßen unter Verstoß gegen Auflagen einer Erlaubnis schuldig gesprochen worden und mit einer Geldbuße von 100 EUR belegt worden. Der hiergegen eingelegte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch den Senat am 17. Juli 2008 verworfen worden.

3

In einer gesonderten Hauptverhandlung hat das Amtsgericht auf den Einspruch der Firma B. S. GmbH gegen den gegen sie ergangenen Verfallsbescheid ebenfalls am 23. April 2008 gegen diese den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 1.800 EUR angeordnet. Zur Begründung wird sowohl auf die Ordnungswidrigkeit des Fahrers des Sattelzuges als auch auf die Ordnungswidrigkeit der Disponentin und ihre Verurteilungen Bezug genommen. Hinsichtlich der Höhe des Verfallsbetrages wird unter Anwendung des Bruttoprinzips der erlangte Betrag auf mindestens 1.800 EUR geschätzt, wobei die Kostenansätze für den Gütertransport für die zurückgelegte Fahrtstrecke zugrundegelegt werden.

4

Gegen dieses Urteil wendet die Verfallsbeteiligte sich mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und meint, es hätte ein pflichtwidriges Verhalten des Beschwerdeführers vorliegen müssen, Einwendungen hinsichtlich des Wiegevorganges und der Pflichtverletzung durch die Disponentin geltend macht und rügt, dass als erlangter Vorteil allenfalls die ersparten Aufwendungen für eine weitere Ausnahmegenehmigung hätten berücksichtigt werden dürfen, die in einer Größenordnung von 120 EUR gelegen hätten.

5

Ferner sei die Ermessensentscheidung nach § 29 Abs. 2 OWiG nicht begründet worden.

6

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 87 Abs. 5 und 6 OWiG zulässig und führt zur Einstellung des Verfahrens gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a Abs. 1 StPO. Es fehlt an einer Verfahrensvoraussetzung, die auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch erfüllt sein muss (vgl. hierzu BGHSt 21, 55).

7

Für die Durchführung eines selbständigen Verfallsverfahrens ist es sowohl im Straf- als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht eine Verfahrensvoraussetzung, dass die Durchführung eines subjektiven Straf- oder Bußgeldverfahrens unmöglich ist. Dies folgt für das Bußgeldverfahren aus § 29 a Abs. 4 OWiG, wonach der Verfall nur dann selbständig angeordnet werden kann, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wird (vgl. dazu OLG Hamburg, wistra 1997, 72; OLG Köln, NJW 2004, 3057; Karlsruher Kommentar-Mitsch, OWiG, 5. Aufl., § 87 Rdnr. 107; Göhler-König, OWiG, 14. Aufl., § 87 Rdnr. 59 h).

8

Hier ist wegen des der Verfallsanordnung zugrundeliegenden historischen Vorgangs ein Bußgeldverfahren gegen die Disponentin und gegen den Fahrer durchgeführt worden. Das Bußgeldverfahren gegen die Disponentin ist mittlerweile rechtskräftig mit einer Verurteilung abgeschlossen. Auf die durch die Disponentin begangene Ordnungswidrigkeit wird in der selbständigen Verfallsanordnung durch die Bußgeldbehörde ausdrücklich Bezug genommen.

9

Wenn aber gegen einen Täter ein Bußgeldverfahren durchgeführt wird, dann ist in diesem subjektiven Verfahren zugleich über den Verfall gegen den zu beteiligenden Dritten, für den der Täter gehandelt hat, zu entscheiden (OLG Köln, a. a. O.). Sobald gegen den Betroffenen eine Sachentscheidung ergangen ist, steht der Verfallsanordnung gegen den Dritten im selbständigen Verfahren ein Verfahrenshindernis entgegen. Der Grund hierfür liegt in prozessökonomischen Erwägungen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll zugleich gegen den Täter und als Annex gegen den Dritten verhandelt werden, weil die Grundlage für die Verfallsanordnung gerade die Ordnungswidrigkeit ist, die in dem Verfahren gegen den Täter aufgeklärt werden muss (vgl. dazu OLG Köln, a. a. O.; OLG Hamburg, a. a. O.).

10

Werden gleichwohl von der Bußgeldbehörde zwei Bescheide erlassen und wird gegen beide Bescheide Einspruch eingelegt, so sind diese Verfahren bei Gericht miteinander zu verbinden (vgl. dazu Göhler-König, a. a. O.).

11

Da dies nicht erfolgt ist und auch wegen der Rechtskraft des Bußgeldurteils gegen die Disponentin nicht mehr erfolgen kann, das Fehlen der Prozessvoraussetzungen für das selbständige Verfallsverfahren also durch eine Verfahrensverbindung und damit Überleitung in das subjektive Verfahren auch nicht mehr behebbar ist, war das selbständige Verfallsverfahren gemäß §§ 206a StPO, 46 OWiG einzustellen.

12

Auf den Ausgang des Verfahrens gegen den Fahrer kam es nicht an, weil die Verfallsanordnung von der Bußgeldbehörde selbst als Nebenfolge des Verfahrens gegen die Disponentin qualifiziert worden ist.

13

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO, § 46 OWiG. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO, wonach davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht, keinen Gebrauch gemacht. Diese Ermessensentscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob die Verurteilung beim Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses sicher erscheint (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 57 Rdnr. 16). Dies ist hier nicht der Fall, da es im angefochtenen Urteil insbesondere an der gem. § 29 Abs. 2 OWiG an sich erforderlichen Ermessensausübung hinsichtlich der Anordnung des Verfalls mangelt (vgl. dazu OLG Koblenz, ZfSch 2007, 108, zitiert nach [...]). Ferner hätte die Rechtsbeschwerde möglicherweise zu einem nahezu vollständigen Erfolg geführt, wenn sich in einer erneuten Hauptverhandlung herausgestellt hätte, was aufzuklären gewesen wäre, dass der Transport grundsätzlich genehmigungsfähig gewesen wäre, weil der Vorteil dann lediglich in den ersparten Aufwendungen gelegen hätte (vgl. dazu ebenfalls OLG Koblenz, a. a. O.).