Arbeitsgericht Emden
Urt. v. 04.10.1979, Az.: 1 Ca 417/79

Anspruch auf Zahlung übergegangener Ausbildungsvergütungs- und Lohnforderungen; Zahlung von Konkursausfallgeld; Rechtzeitige schriftliche Geltendmachung der Ansprüche; Zusendung des Vordrucks "Kaug 1-Anlage"; Nichtbestreiten einer Forderung als Anerkenntnis

Bibliographie

Gericht
ArbG Emden
Datum
04.10.1979
Aktenzeichen
1 Ca 417/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 17615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGEMD:1979:1004.1CA417.79.0A

Fundstellen

  • NJW 1980, 360 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1980, 124-125

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Arbeitsgericht in Emden, Gerichtstag Leer
auf die mündliche Verhandlung vom 4.10.1979
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter und als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. "1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Der Streitwert beträgt DM 347,--."

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Arbeitnehmer ... und ... in Anspruch. Der Beklagte betrieb als Selbständiger das Elektrohandwerk. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten wurde abgelehnt.

2

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit ihrer am 17.5.1979 im Wege des Mahnbescheidsantrags erhobenen Klage auf Zahlung übergegangener Vergütungsforderungen in Anspruch. Der Mahnbescheid vom 17.5.1979 (Ba 115/79) wurde dem Beklagten am 18.5.1979 zugestellt. Er legte hiergegen am 13.6.1979 Widerspruch ein.

3

Die Klägerin trägt vor:

4

... sei im Anschluß an seine Lehrzeit beim Beklagten bis 10.10.1976 beschäftigt gewesen. Sie habe an ... für die Zeit vom 11.7.1976 bis 10.10.1976 Konkursausfallgeld in Höhe von DM 276,80 gezahlt. ... sei bis 12.10.1976 Auszubildender beim Beklagten gewesen. An ... habe sie für die Zeit vom 13.7.1976 bis 12.10.1976 Konkursausfallgeld in Höhe von DM 70,20 gezahlt. Die Ansprüche beider Arbeitnehmer auf Ausbildungsvergütung bzw. Lohn seien in Höhe des geleisteten Konkursausfallgeldes auf die Klägerin übergegangen.

5

Die Ansprüche seien weder verjährt noch verfristet. Die Verjährung sei dadurch unterbrochen worden, daß der Beklagte 1978 folgende Erklärung abgegeben habe:

"Ich habe 1977 die eidesstattliche Versicherung über mein Vermögen abgegeben. ich bin z.Zt. mittellos und ohne Einkommen. Zwangsmaßnahmen Ihrerseits verursachen m.E. z.Zt. nur unnötige Unkosten. Ich ersuche Sie deswegen, davon Abstand zu nehmen.

... gez. Unterschrift"

6

Darin sei ein Schuldanerkenntnis zu sehen. Die Ansprüche seien auch nach § 13 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrags des metallverarbeitenden Handwerks in Niedersachsen (im folgenden kurz "MTV" genannt) rechtzeitig schriftlich gegenüber dem Beklagten geltend gemacht worden. Der Beklagten unter dem Datum vom "15.2.1977 bzw. 14.3.1977" (Schriftsatz vom 12.9.1979) aufgefordert worden sei, Verdienstausfallbescheinigungen für die beiden Arbeitnehmer herzugeben. Der hierfür verwendete Vordruck "Kaug 1-Anlage" enthält u.a. folgenden Absatz:

"Die gemäß § 141 m Abs. 1 AFG auf die Bundesanstalt übergangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt mache ich hiermit zur Wahrung etwaiger Ausschlußfristen geltend."

7

Im übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom l4.8.1979, 29.8.1979 nebst Anlagen und vom 12.9.1979 nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

8

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 347,-- nebst 4 % Zinsen auf DM 352,60 seit dem 1.5. 1979 zu zahlen.

9

Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und macht geltend, daß die Ansprüche nach § 13 MTV verfallen seien, da sie nicht rechtzeitig ihm gegenüber schriftlich geltend gemacht worden sei.

10

Wegen seines näheren Vortrags wird auf den Inhalt seines Schriftsatzes vom 19.9.1979 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

12

I.

Zwar kann zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß sie an den Arbeitnehmer ... und an den Lehrling ... Konkursausfallgeld gezahlt hat und insoweit deren Forderungen gegen den Beklagten auf die Klägerin übergegangen sind.

13

1)

Es bestehen jedoch bereits erhebliche Zweifel, ob die übergegangenen Forderungen zur Zeit der Zustellung des Mahnbescheids an den Beklagten am 18.5.1979 nicht schon gemäß den §§ 196 Abs. 1 Nr. 9, 201 BGB verjährt waren. Ohne Unterbrechung wäre die Verjährungsfrist am 31.12.1978 abgelaufen gewesen, denn die Forderungen waren spätestens am 31.10.1096 oder -wenn betriebsüblich erst am 1. Tag des Folgemonats gezahlt worden sein sollte- am 1.11.1976 fällig. Ob die Verjährung durch die Erklärung des Beklagten aus dem Jahre 1978 nach § 208 BGB unterbrochen worden ist, ist mehr als zweifelhaft. Zumindest stellt jene Erklärung kein Schuldanerkenntnis dar, weil der Beklagte hierin weder ausdrücklich eine Schuld anerkennt noch ersichtlich ist, wann und wie die Klägerin eine solche, auf den Abschluß des Schuldanerkennungsvertrags gerichtete Erklärung des Beklagten schriftlich angehoben haben will (§§ 780, 781 BGB). Überdies spricht der Inhalt der Erklärung des Beklagten zunächst nur für eine Bitte, nicht gegen ihn zu vollstrecken, weil er den 0ffenbarungseid geleistet habe. Daraus läßt sich auch im Wege der Auslegung nicht unbedingt oder zwingend auf das Anerkenntnis einer Schuld i.S. des § 208 BGB schließen, denn das bloße Nichtbestreiten einer Forderung stellt ein Anerkenntnis nicht dar.

14

2)

Letztlich können diese Bedenken gegen den Bestand der streitbefangenen Forderungen dahingestellt bleiben, denn diese Forderungen sind schon mangels Einhaltung der tarifvertraglichen Ausschlußfrist des § 13 MTV verfallen.

15

Der Tarifvertrag war zur Zeit des Bestandes der Arbeits bzw. Ausbildungsverhältnisse von ... und ... beim Beklagten allgemeinverbindlich (§ 5 TVG). Da er nach seinem § 1 in jeder Beziehung seines Geltungsbereichs einschlägig ist, ist er auch hier anzuwenden. Der MTV gilt auch für und gegen die Klägerin, denn sie ist Rechtsnachfolgerin bezüglich der streitbefangenen Forderungen geworden.

16

Nach § 13 MTV verfallen alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten seit Fälligkeit gegenüber dem Schuldner schriftlich geltend gemacht worden sind. Eine solche hinreichende schriftliche Geltendmachung ist nicht, zumindest nicht rechtzeitig erfolgt.

17

Die Klägerin beruft sich insoweit allein darauf, an den Beklagten "am 15.2.1977 bzw. am 14.3.1977" den Vordruck "Kaug 1 - Anlage" gesandt zu haben. Die Zusendung dieses Vordrucks ist als unstreitig anzusehen, denn der Beklagte hat diese Tatsachenbehauptung nicht bestritten (§ 138 ZPO). Die Zusendung dieser Vordrucke hat jedoch die tarifvertragliche Ausschlußfrist des § 13 MTV nicht gewahrt.

18

a)

Eine hinreichende schriftliche Geltendmachung liegt nur dann vor, wenn die Schriftform gemäß den § 125 ff BGB gewahrt ist und sich aus der schriftlichen Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit für den Erklärungsgegner ohne Zuhilfenahme anderer Unterlagen ergibt, wer wieviel weswegen von ihm beansprucht.

19

Diesen Anforderungen genügt die Zusendung der Vordrucke "Kaug 1 - Anlage" (in der hier vorgelegten Form) nicht. Aus dem Vordruck kann ein Empfänger -so auch der Beklagte-allein nicht erkennen, welche Forderungen ihm gegenüber geltend gemacht werden, zumindest nicht der Höhe nach . Vielmehr wird mit dem Vordruck erst dazu aufgefordert, mitzuteilen, welche Lohnbeträge innerhalb des relevanten Zeitraums nicht gezahlt worden sind, wobei die kalendermäßige Festlegung jener Zeitspanne auch noch dem Empfänger des Vordrucks überlassen bleibt. Das genügt selbst dann den Anforderungen an eine schriftliche Geltendmachung nicht, wenn man die neuere, stark umstrittene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrundelegt, wonach "je nach Lage des Falles" die Erhebung der Kündigungsschutzklage für die schriftliche Geltendmachung genügen kann (vgl. BAG, Urt. v. 4.5.1977 - 5 AZR 187/76, LS in NJW 1977, S. 2230). Jene Rechtsprechung gilt nur für solche Forderungen, die vom Ausgang jenes Kündigungsschutzrechtsstreit abhängen und bei denen je nach Ausgang jenes Rechtsstreits bereits unter Zuhilfenahme der Klageschrift für den Arbeitgeber deutlich erkennbar ist, welche Lohn- oder Gehaltsforderung der klagende Arbeitnehmer höchstens noch gegen ihn erheben wird. Eine solche Fixierung ist jedoch bei der Geltendmachung rückständiger Forderungen auf Lohn bzw. Ausbildungsvergütung nicht ohne Zuhilfenahme anderer Unterlagen, wie z.B. dem Lohnkonto, Stundenbüchern möglich. Den Anforderungen an eine schriftliche Geltendmachung ist aber nicht genügt, wenn der Schuldner nicht aus der Geltendmachung selbst ohne weitere Unterlagen erkennen kann, was von ihm nach Grund und Höhe, auch nach zeitlichem Umfang, verlangt wird.

20

b)

Die Ausschlußfrist des § 13 MTV ist aber auch deshalb nicht unterbrochen worden, weil jene Vordrucke "Kaug 1 - Anlage" dem Beklagten erst nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlußfrist zugegangen sind. Sie sind erst am 15.2.1977 bzw. am 14.4.1977 an den Beklagten abgesandt worden. Die Frist hatte aber spätestens am 1.11.1976 zu laufen begonnen, denn spätestens dann waren die streitbefangenen Forderungen fällig, teilweise sogar schon früher (Forderungen für Juli bis September 1976). Sie war spätestens am 1.2.1977 abgelaufen. Der zwischenzeitliche Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens und dessen Ablehnung haben auf den Lauf der tarifvertraglichen Ausschlußfrist keinen Einfluß. Eine gesetzliche Bestimmung oder einen Rechtssatz, wonach in Fällen des § 141 a AFG Ausschlußfristen gehemmt, unterbrochen oder nicht anzuwenden seien, gibt es nicht.