Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.03.2023, Az.: 12 U 130/22

Schadensersatzansprüche des Käufers eines Hausgrundstücks wegen Marderbefalls im Dachboden; Ausschluss von Schadensersatzansprüchen aufgrund eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
07.03.2023
Aktenzeichen
12 U 130/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 34904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - AZ: 3 O 3373/21

Redaktioneller Leitsatz

Der Käufer eines Hausgrundstücks hat den ihm obliegenden Beweis, dass ein Marderbefall im Dachstuhl des Hauses zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben war und vom Verkäufer arglistig verschwiegen worden ist, nicht geführt, wenn er selbst die Folgen des Befalls erst Monate nach dem Eigentumsübergang festgestellt hat und nicht nachweisbar ist, dass dieser zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (noch) gegeben und dem Veräußerer, der selbst nur kurze Zeit Eigentümer der Immobilie war, bekannt war.

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
gegen
BB, Ort2,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)
am 7. März 2023
beschlossen:

[Gründe]

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht wegen der behaupteten Mängel an dem von ihr erworbenen Hausgrundstück ein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 Satz 1, 280 BGB nicht zu.

Entsprechend den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts kann die Klägerin etwaige Sachmängel des Hauses aufgrund des in § 2 des Kaufvertrages vom TT.MM.2018 vereinbarten Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB nur dann geltend machen, wenn die Mängel von dem Beklagten als Verkäufer bei Vertragsschluss arglistig verschwiegen worden sind. Dass der Beklagte beim Verkauf des Hauses einen Marderbefall im Dachboden arglistig verschwiegen hat, kann hier indes nicht festgestellt werden.

Der subjektive Tatbestand der Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NJW 2017, 150/151f.; 2013, 2182/2183; 2007, 835/836 m.w.Nachw.) zumindest Eventualvorsatz voraus. Eine leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt folglich nicht. Ein arglistiges Verschweigen ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer von dem vorhandenen Mangel Kenntnis hat oder diesen zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen der Arglist, namentlich dafür, dass dem Verkäufer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die zu offenbarende Tatsache, d.h. der Mangel der Kaufsache, bekannt war oder er diesen jedenfalls für möglich hielt, trägt der Käufer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 123, Rn. 30 m.w.Nachw.) Denn der Käufer muss, wenn - wie hier - im Vertrag ein Haftungsausschluss vereinbart ist, alle Umstände darlegen und beweisen, die den Arglisttatbestand ausfüllen (vgl. BGH NJW 2011, 1280/1281; 2003, 754/755 m.w.Nachw.).

Den Nachweis, dass der Beklagte einen ihm bekannten Marderbefall im Dachstuhl des Hauses arglistig verschwiegen hat, vermochte die Klägerin hier entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht zu führen. Es kann zu Lasten der für eine Arglist beweisbelasteten Klägerin weder festgestellt werden, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt (noch) ein akuter Marderbefall gegeben war, noch kann davon ausgegangen werden, dass ein solcher Befall dem Beklagten bekannt war und in der Folge offenbart werden musste.

Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen CC lediglich, dass auf dem Dachboden des Hauses in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Marder gelebt haben müssen, was mit einer erheblichen Geräuschentwicklung verbunden gewesen sein muss und konkret zu massiven Kotansammlungen und Schäden an der Wärmedämmung geführt hat. In welchem Zeitraum der Befall vorhanden war, insbesondere, ob die Marder auch während der (kurzen) Besitzzeit des Beklagten auf dem Dachboden aktiv waren, lässt sich der Stellungnahme des Sachverständigen jedoch nicht entnehmen. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin nach dem Kauf offenbar auch selbst keinen akuten Marderbefall (z.B. anhand von Geräuschen) festgestellt, sondern erst im Rahmen von Renovierungsarbeiten, die sie sechs Monate nach dem Erwerb durchgeführt hat, die verursachten Schäden an der Wärmedämmung bemerkt. Vor diesem Hintergrund gibt es letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt des Hauskaufs ein akuter Marderbefall im Dach vorhanden war. Ebensowenig kann nach den Gesamtumständen und dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme festgestellt werden, dass in den letzten beiden Jahren vor dem Verkauf des Hauses an die Klägerin noch Marder auf dem Dachboden aktiv waren und dies dem Beklagten aufgefallen wäre. Unstreitig hatte der Voreigentümer DD den Beklagten zwar im Rahmen des Hauskaufs im November 2015 angesichts vorhandener Mardersperren auf den Verdacht eines Marderbefalls hingewiesen und die Ehefrau des Beklagten hatte Herrn DD ein halbes Jahr später mit E-Mail vom TT.05.2016 von den "recht ungeniert mit uns" lebenden "Mitbewohnern auf dem Dachboden" berichtet, so dass zu diesem Zeitpunkt bei den Beklagten jedenfalls der Verdacht eines Marderbefalls bestand. Die als Zeugin vernommene Ehefrau des Beklagten hat dazu jedoch vor dem Landgericht ausgesagt, dass sie vor ihrem Schreiben lediglich einmal Geräusche auf dem Dachboden bemerkt habe und es im Übrigen keine Probleme mit Mardern gegeben habe. Nach den weiteren Angaben hatte die Zeugin aufgrund der Geräusche offenbar (nur) die Vermutung, dass Marder im Haus gewesen seien. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Mardern oder weitergehende diesbezügliche Feststellungen, auch durch nachfolgend im Dachgeschoss untergebrachte Gäste, gab es nach den Angaben der Zeugin in der Folgezeit nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist somit davon auszugehen, dass bei dem Beklagten wohl bis etwa zwei Jahre vor dem Verkauf des Hauses an die Klägerin der Verdacht bestanden haben muss, dass Marder im Haus sind. In der folgenden Zeit gab es entsprechend den Bekundungen der Zeugin dagegen keinerlei Anzeichen für einen Marderbefall (mehr); Marder waren für den Beklagten und seine Frau in dieser Zeit nach deren Angaben "kein Thema". Dies deckt sich im Übrigen auch mit dem (objektiven) Umstand, dass der Beklagte im Rahmen einer Ende 2016 mit dem Voreigentümer DD geführten Auseinandersetzung über Mängel am Haus einen etwaigen Marderbefall erkennbar nicht angeführt hat. Im Ergebnis ist das Landgericht vor diesem Hintergrund unter zutreffender Würdigung der Gesamtumstände und der Aussage der Ehefrau des Beklagten zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass ein akuter Marderbefall bei Gefahrübergang nicht festgestellt werden kann, und auch nicht bewiesen ist, dass der Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin Hinweise auf einen offenbarungspflichtigen (akuten) Marderbefall im Haus hatte. Zugleich hat das Landgericht mit zutreffenden Gründen, auf die insoweit Bezug genommen wird, festgestellt, dass für den Beklagten hier nach den Umständen auch keine Offenbarungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines Mangelverdachts bestand.

Die von der Klägerin in der Berufung erhobenen Einwendungen gegen die Feststellungen des Landgerichts greifen demgegenüber nicht durch. Die Klägerin ersetzt im Wesentlichen die Beweiswürdigung des Landgerichts durch ihre eigene Bewertung. Entgegen der Darstellung in der Berufung bestehen nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte jemals konkrete Kenntnis von einem Marderbefall im Haus hatte. Aufgrund der unstreitigen Angaben des Voreigentümers beim Kauf des Hauses durch den Beklagten und der Aussage der Ehefrau des Beklagten kann lediglich festgestellt, dass der Beklagte im Mai 2016 einen Verdacht auf Marderbefall hatte, der sich jedoch in der Folgezeit nicht realisiert hat. Der Beklagte, für den das Thema Marder - entsprechend der Aussage seiner Frau - "überhaupt gar kein Problem" war, konnte daher im Zeitpunkt des zwei Jahre später erfolgten Hausverkaufs davon ausgehen, dass sich der Verdacht nicht bestätigt hatte und ein tatsächlicher (aufklärungspflichtiger) Marderbefall nicht gegeben war. Soweit die Klägerin die Aussage der Zeugin und deren Wahrheitsgehalt in diesem Zusammenhang anders beurteilt als das Landgericht, vermag dies an dem objektiven Inhalt der Aussage und der insoweit nachvollziehbaren Würdigung der Angaben durch das Landgericht nichts zu ändern. Nach den unstreitigen Gesamtumständen und den Angaben der Zeugin ist der Beweis eines arglistigen Verhaltens des Beklagten beim Verkauf des Hauses von der Klägerin nicht geführt.