Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.05.2005, Az.: 7 A 7053/04

Anspruch auf Übernahme der Verpflegungskosten für das Mittagessen in einem Kindergarten in anteiliger Höhe; Deckung von durch einen Sprachheilkindergartenplatz entstehenden etwaigen Mehrkosten aus dem Mehrbedarf für Alleinerziehung; Ausgabe von Mittagessen in einem Ganztags-Kindergarten als Eingliederungshilfe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.05.2005
Aktenzeichen
7 A 7053/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 14632
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2005:0503.7A7053.04.0A

Fundstellen

  • ZfF 2006, 163-164
  • ZfF 2006, 111
  • info also 2006, 286 (Kurzinformation)

Verfahrensgegenstand

Sozialhilfe
hier: Mittagessen

Prozessführer

1. Frau A.,
vertr. d. d. Betreuer B.

2. C,
vertr. d. d. Mutter A.,
diese wiederum vertreten durch ihren Betreuer D.

Rechtsanwälte Schmitt-Roolfs und andere (Proz.-Bev. zu 1-2), Sedanstraße 19, 31134 Hildesheim (AG), - E.

Prozessgegner

Landkreis Hildesheim,
vertreten durch die Landrätin, Bischof-Janssen-Straße 31, 31134 Hildesheim

Oberstadtdirektor der Stadt Hildesheim, Markt 2, 31134 Hildesheim, - V F. -

Das Verwaltungsgericht Hannover - 7. Kammer - hat
ohne mündliche Verhandlung
am 3. Mai 2005
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Schade
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen, Mutter und im Jahr 2000 geborene minderjährige Tochter, begehren die Übernahme der Verpflegungskosten für das Mittagessen der Klägerin zu 2.) in einem Kindergarten in anteiliger Höhe von 13,70 EUR.

2

Die Klägerinnen erhalten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt, die Klägerin zu 1.) u.a. auch den Mehrbedarf für allein Erziehende. Die Klägerin zu 2.) besucht nach Befürwortung durch den Amtsarzt ganztätig einen Sprachheilkindergarten. Weil im Kindergarten den Kindern Mittagessen gereicht wird, berechnet der Einrichtungsträger dafür 30 EUR monatlich extra. Dieses Essensgeld wird nicht vom Sozialhilfeträger übernommen.

3

Am 02.07.2004 beantragte der Betreuer der Klägerin zu 1.) mit Schreiben vom 30.06.2004 die Berücksichtigung eines entsprechenden Mehrbedarfs für die Klägerin zu 2.), weil der Kindergarten für das Mittagessen ca. 40 EUR monatlich zusätzlich berechne.

4

Mit Bescheid vom 05.07.2004 lehnte die Stadt Hildesheim, die namens und im Auftrag des Beklagten den Sozialhilfefall der Klägerinnen regelt, den Antrag ab. Die Kosten seien aus dem der Klägerin zu 1.) gewährten Mehrbedarf zu decken.

5

Hiergegen legte die Klägerin zu 1.) am 12.07.2004 Widerspruch ein, über den der Beklagte bis zum heutigen Tag nicht entschieden hat.

6

Die Klägerin zu 1.) hat am 13.12.2004 Klage erhoben, die Klägerin zu 2.) trat dieser Klage am 08.02.2005 bei.

7

Die Klägerinnen tragen vor: Der der Klägerin zu 1.) gewährte Mehrbedarf sei nicht dazu da, Kosten auszugleichen, die dem Kind durch besondere Fördermaßnahmen entstehen. Der Beklagte habe stattdessen einen im Einzelfall erhöhten vom Regelsatz abweichenden Bedarf Rechnung zu tragen. Außerdem betrage die häusliche Ersparnis höchstens 16,30 EUR. Bei monatlichen Kosten von 30 EUR verblieben somit noch ungedeckte 13,70 EUR.

8

Die Klägerinnen beantragen,

ihnen über die bislang geleisteten Zahlungen hinaus weitere Sozialhilfe in Höhe von 13,70 EUR zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

10

Er ist der Ansicht, etwaige Mehrkosten könnten aus dem Mehrbedarf für Alleinerziehung gedeckt werden. Außerdem sei bereits im Regelsatz ein Anteil für das Mittagessen enthalten. Da die Klägerin zu 2.) aber wochentags kein Mittagessen zu Hause einnehme, decke die daraus resultierende häusliche Ersparnis die Mehrkosten.

11

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 03.05.2005 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

12

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

13

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat. Ein Übertragungsbeschluss war erforderlich, weil nur die Klägerinnen der Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt haben. Der Beklagte hat trotz entsprechender Anfrage lediglich der Übertragung auf den Einzelrichter zugestimmt.

15

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung aber ohne mündliche Verhandlung, §101 Abs. 2 VwGO.

16

Die Klage der Klägerin zu 1.) ist als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig, weil der Beklagte über ihren Widerspruch bereits länger als drei Monate nicht entschieden hat. Aber auch die Klage der Klägerin zu 2.) ist als Untätigkeitsklage zulässig. Das Schreiben des Betreuers vom 30.06.2004 enthält ausdrücklich den Antrag, einen Mehrbedarf bei der Klägerin zu 2.) zu berücksichtigen. Über diesen Antrag hat weder die herangezogene Gemeinde noch der Beklagte bislang selbst entschieden. Der kurioserweise mit "Kurzmitteilung" überschriebene Bescheid vom 05.07.2004 lehnt weitere Leistungen nur für die Klägerin zu 1.) ab und beschäftigt sich überhaupt nicht mit Ansprüchen der Klägerin zu 2.).

17

Die Klage ist jedoch unbegründet.

18

Einen irgendwie gearteten Anspruch der Klägerin zu 1.), im eigenen Namen die begehrte höhere Sozialhilfe - wohl im Rahmen eines abweichend festgesetzten Regelsatzes nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG - zu erhalten, hat die Klägerin schon deshalb nicht, weil es nicht um die Kosten ihres Mittagessens, sondern um die Kosten des Mittagessens der Klägerin zu 2.) geht.

19

Aber auch die Klägerin zu 2.) hat keinen Anspruch auf die begehrten zusätzlichen 13,40 EUR monatlich, weder nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG noch im Wege der Eingliederungshilfe nach den §§ 39 ff. BSHG, wobei das Gericht offen lässt, ob die sprachliche Entwicklungsstörung der Klägerin zu 2.) schon als Behinderung i.S.d.. § 39 BSHG angesehen werden kann.

20

Die Ausgabe von Mittagessen stellt keine Eingliederungshilfe dar, weil alle "Ganztags-Kindergartenkinder", seien sie behindert oder nicht, zwangsläufig im Kindergarten Mittagessen einnehmen müssen. Das Essen ist kein Teil der Sprachtherapie. Aber auch eine Regelsatzerhöhung kommt nicht in Betracht. Obwohl die Klägerin im Kindergarten Mittagessen erhielt, gewährte ihr der Beklagte den vollen ungekürzten Regelsatz iHv. 163 EUR mtl.. Die Kosten für das Mittagessen sind aus dem Regelsatz zu bestreiten. Irgendwie auszugleichende Mehrkosten entstehen nicht. Die Kosten für das Mittagessen im Kindergarten werden durch entsprechende häusliche Einsparungen wieder ausgeglichen. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen liegt die Haushaltsersparnis dabei nicht nur bei 16,30 EUR mtl.

21

Beide Beteiligte gehen davon aus, dass etwa 50 v.H. des Regelsatzes für die Kosten der Ernährung anzusetzen sind. Das Gericht teilt diese Annahme und geht ebenfalls von einem Betrag von 81,50 EUR aus. Für das Mittagessen kann jedoch nun nicht lediglich nur 1/3 dieses Betrages angesetzt werden. Denn das Mittagessen ist in unserem Kulturkreis die Hauptmahlzeit des Tages. Das Gericht ist der Ansicht, dass daher ein Betrag von 35 EUR bis 40 EUR durchaus für das Mittagessen einzustellen ist, sodass selbst unter Berücksichtigung der Wochenenden und gelegentliche auf einen Werktag fallende Feiertage die durch das im Kindergarten gereichte Mittagessen eingetretene häusliche Ersparnis den Betrag von 30 EUR ausgleicht. Da in den Ferien kein Mittagessen gereicht wird, geht das Gericht im Übrigen davon aus, dass der Kindergarten weder berechtigt ist, für diese Zeit Essensgelder zu berechnen noch dies tut.

22

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Schade