Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 13.09.2001, Az.: 4 A 4231/98

Begründung (Ergänzung); Fortsetzungsfeststellungsklage; Inverkehrbringen; Lebensmittelrecht

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
13.09.2001
Aktenzeichen
4 A 4231/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung des Beklagten, mit der dieser der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgegeben hat, Tilsiter Käse nicht in den Verkehr zu bringen und gesondert zu lagern.

2

Die Klägerin betrieb bis zur Einstellung der Produktion am 3.7.1998 eine Käserei in L., in der sie im Wesentlichen Tilsiter Käse herstellte. Auf ihren Antrag vom 19.3.1993 erhielt sie von der Bezirksregierung Braunschweig eine bis zum 31.12.1993 befristete und später zunächst bis zum 31.12.1994 verlängerte vorläufige Zulassung als Milch-Verarbeitungsbetrieb gemäß der Richtlinie 92/46 (EWG) vom 16.6.1992. Am 28.12.1994 wurde diese Zulassung nochmals bis zum Inkrafttreten der geänderten Milchverordnung verlängert, mit der u. a. die Richtlinie 92/46 (EWG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Die Klägerin versäumte es, nach dem Auslaufen der Übergangsregelung gemäß § 29 Abs. 4 der neu gefassten Milchverordnung vom 24.4.1995 (BGBl. I S. 544) zum 1.1.1996 einen Antrag auf Zulassung zu stellen.

3

Am 28.1.1998 forderte die Bezirksregierung Braunschweig die Klägerin auf, die Zulassung als Milchverarbeitungsbetrieb zu beantragen. Nachdem die Klägerin den Antrag gestellt hatte, wurde am 6.2.1998 eine Betriebsbesichtigung durchgeführt, bei der sich zahlreiche - insbesondere hygienische und bauliche - Mängel ergaben. Daneben waren nach Auffassung der Bezirksregierung die Anforderungen der Milchverordnung an das Betreiben eines betriebseigenen Kontroll- und Nachweissystems nicht erfüllt. Daraufhin beauftragte die Klägerin das "A. Institut - Zentrum für Tiergesundheit, Milch und Lebensmittelanalytik" mit der Durchführung einer Hygieneuntersuchung des Betriebs. Wegen des Ergebnisses dieser Untersuchung wird auf die Blätter 285 bis 309 der beigezogenen Akten der Bezirksregierung Braunschweig (Beiakte G) und insbesondere auf die Zusammenfassung Bl. 286 f. dieser Akten Bezug genommen.

4

Am 3.7.1998 fand eine weitere Besichtigung des Betriebs der Klägerin statt, an der neben ihrem Geschäftsführer Angehörige der Bezirksregierung Braunschweig und des Beklagten teilnahmen und in deren Verlauf eine Liste mit 78 baulichen und hygienischen Mängeln erstellt wurde. Die Bezirksregierung Braunschweig kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe Grundsätze der Milchhygiene nicht befolgt und zum Teil Ekel erregende Verfahrensweisen betrieben. Die milchrechtlichen Anforderungen würden überwiegend nicht erfüllt. Mit Ablauf des 3.7.1998 stellte die Klägerin die Käse-Produktion ein.

5

Durch Bescheid vom 28.7.1998 lehnte die Bezirksregierung Braunschweig die Zulassung des Betriebes der Klägerin als Milchverarbeitungsbetrieb wegen erheblicher hygienischer und baulicher Mängel sowie deshalb ab, weil der Betrieb den Anforderungen an ein betriebseigenes Kontrollsystem nicht gerecht werde. Dem Bescheid fügte sie die bei der Besichtigung am 3.7.1998 erstellte Mängelliste als Anlage bei. Im Rahmen des hiergegen betriebenen Widerspruchsverfahrens räumte die Klägerin die Mängel durch Schreiben vom 11.8.1998 zum großen Teil ein, wobei sie darauf hinwies, dass sie abstellbar seien. Daraufhin führte die Bezirksregierung Braunschweig am 1.10.1998 eine weitere Besichtigung durch, in deren Verlauf eine Fotodokumentation erstellt wurde. Durch Widerspruchsbescheid vom 16.10.1998 wies sie den Widerspruch der Klägerin gegen die Nichtzulassung als Milchverarbeitungsbetrieb zurück, wobei sie ausführte, die bei der Besichtigung vom 3.7.1998 gerügten Mängel seien überwiegend nicht abgestellt worden und man habe zahlreiche weitere Mängel vorgefunden. Die Klägerin erhob hiergegen keine Klage, so dass diese Bescheide bestandskräftig wurden.

6

Bereits am 6.7.1998 hatte der Beklagte im Betrieb der Klägerin Käseproben entnommen, um diese durch einen Tierarzt des Staatlichen Lebensmitteluntersuchungsamts in Braunschweig analysieren zu lassen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass vier der sechs entnommenen Proben nicht zu beanstanden seien. Bei den Proben "3 WA" (am 17.6.1998 hergestellter Tilsiter Käse) sowie "4 WA" (am 19.6.1998 hergestellter Käse) analysierte der Gutachter eine hohe Verkeimung insbesondere mit Fremdschimmel (Mucor und Penicillium). Der beprobte Käse sei für den menschlichen Genuss nicht geeignet und daher zu beanstanden. Daraufhin erteilte der Beklagte der Klägerin unter dem 27.7.1998 mündlich das Verbot, Käse der Chargen vom 17. und 19.6.1998 in den Verkehr zu bringen, und ordnete die gesonderte Lagerung des an diesen Tagen hergestellten Käses sowie weiteren Käses anderer Herstellungsdaten an, der zusammen mit dem beanstandeten Käse verpackt war. Die Verfügung betraf 646 Käse-Laibe mit einem Gesamtgewicht von 1.895 kg und einem Wert von 13.195,00 DM. Durch Bescheid vom 28.7.1998 bestätigte der Beklagte diese Maßnahmen schriftlich, ordnete ihre sofortige Vollziehung an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 12.000,00 DM an. Zur Begründung führte er aus, durch den Pilzbefall des Käses bestehe die Gefahr von Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. gesundheitlichen Schädigungen der Verbraucher. Außerdem würden Verbraucher bei Kenntnis der bakteriologischen Befunde Ekel empfinden.

7

Hiergegen legte die Klägerin am 10.8.1998 Widerspruch ein. Zur Begründung legte sie ein Gutachten mit dem Ergebnis vor, die Beanstandung des Käses sei nicht gerechtfertigt, denn ein Schimmelbefall sei während des Reifeprozesses nicht zu vermeiden gewesen.

8

Am 12.8.1998 beantragte die Klägerin bei Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Das erkennende Gericht lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 27.8.1998 (4 B 4159/98) ab. Einen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluss wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 16.10.1998 (11 M 4379/98) zurück.

9

Am 26.8.1998 veranlasste der Beklagte eine erneute Beprobung der Käse-Chargen vom 17. und 19.6.1998. Nach dieser war Fremdschimmel nur in geringem Umfang vorhanden, so dass die Proben nicht zu beanstanden seien. Im Hinblick auf die Schimmel-Kontamination sei jedoch zu vermuten, dass die Mindesthaltbarkeitsdauer (bis zum 31.12.1998 bei 8 bis 10 Grad Celsius) nicht erreicht werde.

10

Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24.11.1998 zurück, wobei sie u. a. ausführte, der Käse sei nicht zum Verzehr geeignet und daher nicht verkehrsfähig, da er aufgrund der im Herstellungsverfahren vorhandenen Hygienemängel und des Schimmelgehaltes beim normal empfindenden Verbraucher Ekelgefühle hervorrufe. Der Schutz des Verbrauchers vor dem subjektiven Ekelempfinden und die Besorgnis um die Gesundheit einer Vielzahl möglicher Verbraucher überwiege gegenüber dem finanziellen Interesse der Klägerin.

11

Am 21.12.1998 hat die Klägerin Klage erhoben, die zunächst auf Anfechtung der Bescheide des Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig gerichtet war. Mit Schreiben vom 8.2.1999 hat die Klägerin sodann mitgeteilt, der Käse sei inzwischen vernichtet worden, so dass beabsichtigt sei, einen Feststellungsantrag zu stellen. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, weil durch das Vorgehen des Beklagten ein Schaden entstanden sei.

12

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Käse verkehrsfähig gewesen, da es insoweit auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem ein Lebensmittel in die Hand des Verbrauchers gelangen könne. Der beanstandete Käse sei erst nach seiner Ausreifung Ende Juli 1998 verkaufsfähig gewesen. Im Übrigen sei bei einer Naturkäserei das Vorhandensein von Schimmelpilzen in reifendem Käse sowie in den Reifungsräumen die Regel und verstoße nicht gegen eine hygienisch einwandfreie Produktion. Maßgeblich sei allein, dass es gelungen sei, die Schimmelsporen während des Reifungsprozesses am Wachstum zu hindern. Da die hohe Verkeimung herstellungsbedingt sei, stelle sie auch keinen objektiven Anknüpfungspunkt dafür dar, dass der Käse wegen Ekel erregender Beschaffenheit nicht verkehrsfähig gewesen sei. Es sei auch nicht zulässig, (wie im Widerspruchsbescheid) darauf abzustellen, dass ein Ekelgefühl durch Kenntnis der Verschmutzungen im Herstellerbetrieb hervorgerufen werden könne. Der Beklagte habe nämlich andere Chargen nicht bemängelt und den gleichen Sachverhalt damit unterschiedlich behandelt. Zudem wiesen die Produktionsräume keine objektiven Anhaltspunkte für ein Ekelempfinden auf. Die Probenentnahme am 6.7.1998 sei nicht fachgerecht durchgeführt worden.

13

Die Klägerin beantragt,

14

festzustellen, dass die Verfügung des Beklagten vom 27.07.1998 in der Fassung des Bescheides vom 28.7.1998 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 24.11.1998 rechtswidrig gewesen ist,

15

hilfsweise,

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ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der Behauptung, dass der Zustand der Reifungsräume für eine Naturkäserei normal war und dass die in dem Bescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 28.07.1998 betreffend die Zulassung des Betriebes aufgeführte Mängelliste keine ekelerregenden Zustände der Räume und Arbeitsmittel zur Folge hat.

17

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Seines Erachtens ist bezüglich der Frage der Verkehrsfähigkeit darauf abzustellen, dass der Käse wegen des Schimmels während des Herstellungsprozesses zum Verzehr ungeeignet gewesen sei. Die Klägerin habe es seit längerem versäumt, in ihren Reife- und Lagerräumen Schimmel im Wand- und Deckenbereich zu bekämpfen, wodurch der Käse im Hinblick auf Schimmelbefall besonders gefährdet gewesen sei.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig (auch soweit sie das Zulassungsverfahren für die Klägerin betreffen) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat zunächst eine auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide gerichtete Anfechtungsklage erhoben. Nachdem der vom Beklagten beanstandete Tilsiter Käse vernichtet worden und damit Erledigung der Hauptsache eingetreten ist, hat sie nunmehr einen Feststellungsantrag gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gestellt. Danach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erheblich ist, ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offenbar aussichtslos erscheint, sofern die Erledigung erst nach Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.03.1998 - 4 C 14.96 -, NVwZ 1998, 1295). Vorliegend ist die Erledigung nach Klageerhebung eingetreten und die Klägerin hat beim Landgericht G. eine den hier streitigen Vorgang betreffende Schadensersatzklage erhoben (2 O 105/01), so dass sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

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Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig waren. Grundlage der Entscheidung des Beklagten, das in Verkehr Bringen des Käses zu untersagen und seine getrennte Lagerung anzuordnen, war die Annahme eines Verstoßes gegen Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (-).

23

Die Zuständigkeit des Beklagten für die Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln etc. nach dem LMBG ergibt sich aus § 4 der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr vom 18.10.1994 ( ZustVO-NGefAG ).

24

Rechtsgrundlage für die angeordneten Maßnahmen ist die polizei- und ordnungsrechtliche Generalermächtigung des § 11 des Nds. Gefahrenabwehrgesetzes (NGefAG). Da das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz selbst keinen Maßnahmenkatalog zur Durchsetzung seiner Verbotsvorschriften enthält, kommt mangels einer spezialgesetzlichen Norm als Eingriffsermächtigung für den Erlass eines behördlichen Verbots die ordnungsrechtliche Generalermächtigung zur Anwendung (BVerwG, Urteil vom 12.03.1987 - 3 C 2.86 -, BVerwGE 77, 102, 106; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Auflage 1995, S. 221 f). Danach können die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren.

25

Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gem. § 2 Nr. 1 a NGefAG bestand im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide im Hinblick darauf, dass der von den Verfügungen erfasste Käse nicht zum Verzehr geeignet war und daher gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 LMBG nicht als Lebensmittel gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden durfte. Unter dem Begriff "nicht zum Verzehr geeignet" sind auch die Fälle einzureihen, in denen ein Erzeugnis ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindenden Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Verbrauchers kommt es dabei nicht an. In diesen Fällen wird das subjektive Empfinden des Normalverbrauchers, das sich in den Gefühlen des Ekels oder des Widerwillens äußert, geschützt. Es muss allerdings ein objektiver Anknüpfungspunkt für Ekelempfindungen vorhanden sein (Zipfel, Lebensmittelrecht, Stand: 2001, § 17 LMBG Rn. 30).

26

Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass der von den Verfügungen betroffene Tilsiter Käse bei einem normal empfindenden Verbraucher Ekel oder Widerwillen auslösen würde, ergeben sich hier aus den hygienischen Zuständen im Produktionsbetrieb der Klägerin, die im Ergebnisprotokoll über die Betriebsbesichtigung vom 03.07.1998 dokumentiert worden sind. Dabei sind folgende Punkte der Anlage zum Protokoll von besonderer Bedeutung:

27

Nr. 3:   Im Raumteil 50/1 ist die Tankentleerungsleitung mit der Rohrleitung zur Lauge- und Säurebehälterentleerung der Tankreinigungsvorrichtung fest verbunden. Als Absperrventile sind lediglich Rohrleitungshähne installiert, so dass eine Vermischung der Molke mit Reinigungsmitteln nicht auszuschließen ist. Ein Sicherheitsventil gegen unzulässige Vermischungen ist nicht installiert.

28

Nr. 5:   Das aus Metall bestehende Schlauchendstück der Wasserzapfstelle im Raumteil 50/3 ist stark korrodiert und verunreinigt.

29

Nr. 10: Im Raumteil 50/2 sind mehrere Fliegen vorhanden; im Molkerahmtank befindet sich eine tote Fliege.

30

Nr. 11: Die Trinkwasserzapfstelle am Molkerahmtank ist stark verunreinigt.

31

Nr. 14: Im Raumteil 50/2 ist am Molkeseparator die Trinkwasserzulaufleitung am Molkevorlaufgefäß wasserseitig hochgradig verunreinigt.

32

Nr. 16: Im Raumteil 60/1 weist der 3-Wege-Hahn in der Milchrohrleitung nach der Milchpumpe dunkle, schmierige Beläge auf.

33

Nr. 19: Im Raumteil 60/1 sind insbesondere in der Ecke hinter dem Thermiseur Schmutzablagerungen vorhanden.

34

Nr. 22: Die zur Verfügung stehenden Papierhandtücher sind überwiegend feucht...Die Metallteile der Handtuchspender sind korrodiert. Im Raumteil 50/2 ist der Handtuchspender zusätzlich durch Spinnen verunreinigt.

35

Nr. 25: In der im Raumteil 50/1 aufgestellten Kühlzelle sind der Fühler und die Verkleidung des Kühlaggregats verunreinigt und korrodiert.

36

Nr. 29: Im Raum 110/1 ist über den offenen Wannen das Laufwerk der Rührvorrichtung des Käsefertigers an der Innenseite z. Teil stark korrodiert und verunreinigt.

37

Nr. 30: Im Raum 110/1 wird die in der Käserei anfallende Molke über einen in den Betriebsraumfußboden eingelassenen Schacht geführt und von dort über ein Rohr zum Molketank zur Molkerahmgewinnung gefördert. Die Schachtöffnung ist mit der gefliesten Fußbodenoberfläche des Bereichs Käsefertiger und Käsepresse bündig. Die betreffenden Fußbodenoberflächen haben zum selbständigen Ablauf aller Flüssigkeiten Neigung zu diesem Schacht. Dieser Schacht ist aufgrund der zwangsmäßigen Funktion als Gully des Raumes 110/1 anzusehen. Die durch diesen Schacht abgeführte Molke wird entrahmt. Der gewonnene Molkerahm wird nach einer Wärmebehandlung wieder der Käsereimilch zugeführt.

38

Nr. 32: ...Ein auf der Westseite gelegenes Fenster ist so aufgeklappt, dass die ungereinigte Außenseite der Fensterfläche schräg nach unten zu einem darunter stehenden offenen Wagen geneigt ist, in dem sich Käse befindet.

39

Nr. 41: Im Raum 110/2 (Salzbad I) ist das Becken des Salzbads aus rauem Beton. Am oberen Rand ist die Verkleidung aus Metall teilweise korrodiert und aufgewellt, so dass sich unter der Verkleidung nicht zu reinigende Hohlräume gebildet haben.

40

Nr. 43: Die Ablage für Salzsäcke im Raum 110/2 ist korrodiert.

41

Nr. 45: Im Raum 110/2 ist der Ablaufstutzen des Salzbades hochgradig verunreinigt...

42

Nr. 56: Der Raum 140/5 (Durchgang zur Expedition mit Kältemaschinenstation), in dem verunreinigte und korrodierte Kältemaschinen installiert sind, wird als Transportweg von unverpacktem Käse genutzt. Der Raum selbst ist teilweise verunreinigt.

43

Nr. 72: Die im Raum 160/1 stehenden Käsewaschmaschinen weisen Ablagerungen von eingetrocknetem Eiweiß auf. Die Bürsten der Käsewaschmaschinen sind hochgradig verunreinigt. Die Käsewaschmaschinen werden nach dem Benutzen lediglich durchgespült. Die gründliche Reinigung erfolgt erst vor der Benutzung.

44

Nr. 73: Nach Öffnen einer Käsewaschmaschine im Raum 160/1 wird im Innern der Maschine ein verunreinigter Lappen vorgefunden.

45

Nr. 75: An den Wänden des Raumes 170/1 befinden sich Spinnweben und im Paraffinbehälter für den gelben Überzug befinden sich tote Fliegen.

46

Der Geschäftsführer der Klägerin hat die soeben aufgeführten Mängel in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Soweit er weitere Punkte, die erörtert worden sind, bestritten hat (Nr. 39, 47 und 48 der Mängelliste der Bezirksregierung Braunschweig), hat die Kammer auf eine Beweisaufnahme verzichtet; sie lässt diese Punkte außer Betracht, da sie nicht entscheidungserheblich sind. Auch auf die anlässlich der Betriebsbesichtigung am 01.10.1998 angefertigten Fotos, die wegen des zeitlichen Abstands zur Aufgabe der Käse-Produktion nur bedingt aussagekräftig sind, kommt es für die Entscheidung nicht an. Bereits dem oben aufgeführten Auszug aus der Mängelliste lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass der Betrieb der Klägerin grundlegenden Hygieneanforderungen bei der Milchverarbeitung nicht entsprochen hat. Daneben kommt es nicht auf die Einlassung der Klägerin an, der in den Reifungsräumen zum Teil in erheblichem Umfang vorhandene Schimmel an Wänden und Decken sei in einem Produktionsbetrieb für Tilsiter Käse notwendig und stets vorhanden. Die Kammer war daher nicht gehalten, dem Hilfsantrag der Klägerin nachzugehen, soweit sie diese Behauptung unter Beweis gestellt hat.

47

Eine weitere Grundlage für die Einschätzung des Gerichts, dass die Zustände im Betrieb der Klägerin nicht annähernd den Anforderungen entsprachen, die an die Hygiene in einem Milchverarbeitungsbetrieb zu stellen sind, bildet das Ergebnis der von der Klägerin selbst in Auftrag gegebenen Hygiene-Untersuchung durch das "A. Institut" vom Mai 1998. In der ursprünglichen Version der Zusammenfassung des Berichts führt das Institut aus, das Hygieneumfeld sei im gesamten Bereich nach und nach vernachlässigt worden. Das Personal habe "den Absprung zu konsequentem hygienischen Handeln verloren". Es sei auch sichtbar, dass in einzelnen Bereichen eine Investitionsbereitschaft nicht mehr vorliege. Dies betreffe beispielsweise die Arbeitskleidung, den Molkenablauf, die Molkenrahmerhitzung sowie die Verbesserung der Hygiene in den Reifungs- und Kühlräumen. Die Kammer hat keinen Anlass, diese Bewertungen anzuzweifeln, so dass es nicht darauf ankommt, dass die endgültige Version der Zusammenfassung abgeschwächt formuliert worden ist.

48

Ein normal empfindender Verbraucher, der Kenntnis von den unhygienischen Zuständen in dem Betrieb gehabt hätte, hätte hinsichtlich des dort produzierten Käses Ekel und Widerwillen empfunden, so dass der Käse nicht zum Verzehr geeignet und damit nicht verkehrsfähig gewesen ist. Dabei ist es unerheblich, dass die Betriebsbesichtigung etwa zwei Wochen nach der Produktion der beanstandeten Käse-Chargen stattgefunden hat, weil sich aus den dargestellten Mängeln und der Stellungnahme des "A. Instituts" ergibt, dass die hygienischen Anforderungen in diesem Betrieb generell und nicht nur am Tag der Besichtigung nicht eingehalten worden sind. Die Kammer durfte auf die von der Klägerin hilfsweise beantragte Beweiserhebung zu dieser Frage verzichten. Angesichts der z. T. gravierenden Mängel und des Gesamtbildes des Betriebs kann sie die Frage, ob ein normal empfindender Verbraucher bei Kenntnis der dort herrschenden Zustände Ekel und Widerwillen empfunden hätte, aufgrund eigener Sachkenntnis und ohne Hinzuziehung eines Gutachters bejahen.

49

Es ist nicht von Bedeutung, dass der Beklagte seine Verfügung nicht auf die unhygienischen Produktionsbedingungen, sondern auf in den Käseproben vorgefundenen Schimmel gestützt hat. Die Bezirksregierung Braunschweig hat den Zustand der Räume und Arbeitsgeräte nämlich zum Gegenstand ihres Widerspruchsbescheides gemacht und die mangelnde Verkehrsfähigkeit des Käses ausdrücklich auch auf diesen Gesichtspunkt gestützt. Das Nachschieben von Gründen ist bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich, da Gegenstand der (hier zunächst erhobenen) Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Verwaltungsakt die für die gerichtliche Kontrolle maßgebliche Gestalt und Begründung.

50

Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, dass mit der nunmehr vorgenommenen Begründung sämtlicher jedenfalls zuletzt von der Klägerin produzierter Käse hätte beschlagnahmt werden können. Erst die Bezirksregierung Braunschweig hat der angefochtenen Verfügung ihre endgültige Gestalt gegeben. Zu diesem Zeitpunkt versprachen Maßnahmen bzgl. weiterer Käse-Chargen keinen Erfolg mehr. Letztlich kann die Klägerin auch deshalb nichts daraus herleiten, dass der Beklagte die Ausgangsverfügung auf zwei Chargen des Käses beschränkt hat, weil sie hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt worden ist.

51

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, denn auch im Hinblick auf Ermessenserwägungen gibt der Widerspruchsbescheid dem Ausgangsbescheid seine endgültige und maßgebliche Gestalt. Unter den gegebenen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Bezirksregierung Braunschweig dem Schutz des Verbrauchers vor einer Täuschung durch Lieferung von zum Verzehr nicht geeigneten Lebensmitteln den Vorrang vor den finanziellen Interessen der Klägerin eingeräumt hat.

52

Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen entsprechen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn sie sind zur Abwehr der Gefährdung des Verbrauchers geeignet und erforderlich und treffen die Klägerin, die für die Zustände in ihrem Betrieb verantwortlich war, nicht unangemessen hart.

53

Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die angefochtene Verfügung auch im Hinblick auf den im Käse vorgefundenen Schimmel bzw. wegen eines Verstoßes gegen die Milch- oder die Käseverordnung gerechtfertigt war.

54

Die Androhung eines Zwangsgeldes findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 und 70 NGefAG und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

56

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.