Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 26.09.2001, Az.: 2 A 2145/00
Dachneigungswinkel; Einfügensgebot; erdrückende; Kammzinken; Reihenhauserweiterung; Rücksichtnahmegebot; Wirkung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 26.09.2001
- Aktenzeichen
- 2 A 2145/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 39358
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs 2 BauGB
- § 9 Abs 1 Nr 2 BauGB
- § 15 Abs 1 BauNVO
- § 22 Abs 2 BauNVO
- § 23 Abs 3 BauNVO
- § 8 Abs 3 BauO ND
Tatbestand:
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Reihenmittelhaus bebauten Flurstücks der Flur der Gemarkung . Unmittelbar nördlich hieran grenzt das mit einem Reihenendhaus bebaute und im Eigentum des Beigeladenen stehende Flurstück . Beide Grundstücke gehören zu einer Reihe von fünf Grundstücken, die auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 8 c "K." vom 07.02.1965 (im folgenden: B-Plan) mit Einfamilienreihenhäusern von zunächst einheitlicher Höhe und Aussehen bebaut worden sind.
Am 28.05.1999 stellte der Beigeladene bei der Beklagten einen Bauantrag zur Genehmigung eines An- und Ausbaus seines Wohnhaus; er wollte unter anderem das Dachgeschoss unter Änderung der Dachkonstruktion ausbauen. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Schreiben vom 01.07.1999; sie fürchteten u.a. eine optische Zerstörung der Reihenhauszeile.
Mit Bescheid vom 20.09.1999 genehmigte die Beklagte dem Beigeladenen nach dem vereinfachten Verfahren gemäß der PrüfeVO im Wesentlichen das beantragte Bauvorhaben. Er durfte einen Wintergarten errichten und dabei eine zwischen seinem und dem Wohnhaus der Kläger (im rückwärtigen Bereich) vorhandene Lücke profilgleich schließen, außerdem zwei Balkone errichten sowie unter Anhebung der Dachkonstruktion den Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken vornehmen. Mit Schreiben vom gleichen Tag an die Prozessbevollmächtigten der Kläger führte die Beklagte neben der Bekanntgabe der Baugenehmigung aus, das Vorhaben des Beigeladenen halte die Festsetzungen des B-Plans ein, die zulässige Zahl der Vollgeschosse werde nicht überschritten; die festgesetzte Geschossflächenzahl werde beachtet; die Bebauung werde innerhalb der bebaubaren Flächen erfolgen; Trauf- oder Firsthöhen seien nicht festgesetzt worden; das Wohnhaus des Beigeladenen werde ein Einfamilienhaus bleiben; gestalterisch entspreche das Bauvorhaben den Anforderungen des § 53 NBauO.
Gegen diese Baugenehmigung legten die Kläger am 08.10.1999 Widerspruch u.a. mit der Begründung ein, das Bauvorhaben überschreite die im B-Plan festgesetzte Baulinie; die Hauptgebäuderichtung Nord / Süd, wie sie im B-Plan festgesetzt sei, werde nicht mehr eingehalten, vielmehr herrsche Ost-West als Firstrichtung vor. Die Kläger meldeten zudem Zweifel an der Einhaltung der Geschossflächenzahl an und hielten den Ausbau des Dachgeschosses nach den Vorgaben des B-Planes für unzulässig. Die Dachneigung müsse zwischen 15 und 30 Grad liegen, was wohl nicht eingehalten würde. Ein Planziel sei gewesen, die Reihenhauszeile in sogenannter "Kammbauweise" zu errichten, diese Zielsetzung gehe nunmehr verloren. Der Baukörper werde überdies im Bauwich stehen. Schließlich verstoße das Bauvorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot.
Unter dem 18.11.1999 begehrten die Kläger zum Aktenzeichen 2 B 2398/99 einstweiligen Rechtsschutz vor der Kammer und trugen vor, § 7 NBauO sei durch die Genehmigung des Hauswirtschaftsraumes und des Wintergartens verletzt. Auf § 8 Abs. 3 NBauO könne sich die Beklagte nicht berufen, da nach der planerischen Konzeption die Reihenhäuser nicht unmittelbar aneinandergebaut werden sollten. Zudem führe die Genehmigung des Bauvorhabens dazu, dass die Längenbegrenzung für Hausgruppen von 50 m in § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 überschritten werde. Die Grenzbebauung entspreche hinsichtlich der Nutzung der zu errichtenden Bauteile nicht der vorhandenen Nutzung, es würden nämlich keine Aufenthaltsräume geschaffen werden. Die Loggia rage in den Bauwich, sie sei kein untergeordneter Bauteil, ihre Genehmigung verletze daher § 7 b NBauO. Schließlich hätte die Beklagte bei der Genehmigung einer Überschreitung der überbaubaren Fläche eine Ermessensentscheidung gemäß § 23 BauNVO 1962 treffen müssen; dies habe sie nicht erkannt und deshalb die Belange der Kläger nicht hinreichend gewürdigt. Schließlich sei das Rücksichtnahmegebot verletzt; die Anlage widerspreche in ihrem Umfang der Eigenart des Baugebietes. Bauvorhaben müssten eine einheitliche rückwärtige Bebauungsgrenze respektieren. Nach dem Umbau werde dem Beigeladenen ein reihenhausuntypischer Einblick in Haus und Garten der Kläger möglich sein.
Mit Beschluss vom 18.05.2000 lehnte die Kammer den Eilantrag ab. Die Festsetzungen des B-Plans seien beachtet worden. § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 sei nicht verletzt, da nicht die Länge des Hauses des Beigeladenen, sondern nur die Tiefe verändert würde. Die maximale Bebauungstiefe von 13 Metern werde aber eingehalten; geringfügige Überschreitungen seien nach § 23 Abs. 5 BauNVO 1962 zulässig. § 8 Abs. 3 Satz 1 NBauO sei anwendbar. Der Erdgeschossbalkon sei als untergeordneter Gebäudeteil nach § 7 b Abs. 1 Sätze 1 und 2 NBauO zulässig. Das Verunstaltungsverbot des § 53 NBauO werde beachtet, das Bauvorhaben werde nämlich nicht in einem belastenden Gegensatz zu seiner Umgebung stehen. Letztlich sei auch das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt; Einblicksmöglichkeiten in das Grundstück der Kläger seien für die Beigeladenen nur geringfügig erweitert worden, eine "optische Auslieferung" der Kläger sei nicht feststellbar, der befürchtete "Scheuklappeneffekt" werde nicht eintreten.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Beschwerde blieb erfolglos, er wurde mit Beschluss des Nds. OVG vom 10.07.2000 - 1 M 2258/00 - abgelehnt.
Am 31.05.2000 haben die Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben. Sie verweisen auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 31.07.1979, aus dem sich bei vergleichbarem Sachverhalt ergebe, dass sich der Anbau eines Wintergartens bei Reihenhäusern nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, weil der typische Eindruck der Geschlossenheit der Reihenhäuser unterbrochen werde und von der erforderlichen "Austauschbarkeit" der Grundstücke nicht mehr gesprochen werden könne. Die Beigeladenen hätten zudem die neu errichtete Stützmauer auf ihrem, der Kläger, Grundstück errichtet; diese illegale Zumauerung ihrer Hauswand werde durch die angefochtene Baugenehmigung gestattet. Die Beklagte verletze den Gleichheitsgrundsatz, indem sie im hier zu entscheidenden Fall entgegen ihrer ständigen Verwaltungspraxis nicht die Zustimmung aller Nachbarn für die geplante Veränderung des Reihenhauses einfordere. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 22 BauNVO 1962 vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 24.02.2000 (DVBl 2000, 1938) entschieden, dass bei der Festsetzung "offene Bauweise" zwar Hausgruppen errichtet werden dürften, eine solche Hausgruppe würde nach dem Umbau der Beigeladenen hier aber nicht mehr vorliegen; diese Norm sei auch nachbarschützend.
Die Kläger beantragen,
die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 28.09.1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 21.12.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen und führt ergänzend aus, dass das Haus des Beigeladenen auch nach dem Umbau weiterhin zu einer Hausgruppe gehöre. Die nun erreichte architektonische Vielfalt sei bauplanungsrechtlich erlaubt. Der von den Klägern zitierte Fall, der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.02.2000 zugrunde lag, sei anders zu beurteilen, im vorliegenden Fall sei nicht von einem einseitigen Grenzanbau auszugehen. Ein Bodennutzungskonflikt werde durch die Erweiterung des Baukörpers nicht aufbrechen. Der Rahmen des Verträglichen werde nicht überschritten, § 22 BauNVO 1962 sei beachtet worden.
Unter dem 21.12.2000 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch der Kläger zurück und führte im Wesentlichen aus: Der B-Plan setze keine Bauweise fest, die Errichtung von Hausgruppen sei nicht vorgeschrieben. Deshalb gelte die Längenbegrenzung des § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 nicht, Gebäude dürften im Planbereich mit oder ohne Grenzabstand errichtet werden; die Grenzbebauung folge hier § 8 Abs. 3 NBauO. Die Kläger hätten an die Grenze gebaut, die neue Grenzbebauung des Beigeladenen entspreche der vorhandenen auch in der Nutzung. Eine Überschreitung der Baugrenze im hinteren Grundstücksbereich hinsichtlich der Dachüberstände und des Balkons sei zurecht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1962 zugelassen worden. Eine Beeinträchtigung nachbarlicher Belange durch diese untergeordneten Gebäudeteile sei nicht festzustellen; im Übrigen solle die hintere Baugrenze nicht dem Schutz der Nachbarn vor Einblicken dienen. Die Loggia sei gemäß § 7 b NBauO zulässig. Die Durchbrechung der einheitlichen Gestaltung der Reihenhauszeile bewirke keine Verletzung von Nachbarrechten, das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt.
Dem sind die Kläger mit Schriftsatz vom 15.01.2001 entgegen getreten. Sie halten den B-Plan nunmehr für nichtig, da die Beklagte keinen Bekanntmachungsnachweis für dessen Auslegung beibringen könne. Ebenfalls sei keine Abschrift des Ratsbeschlusses vom 05.02.1965 hinsichtlich des Beitritts der Beklagten zu den seitens des Regierungspräsidenten in Hildesheim verfügten Auflagen vorhanden. Die öffentliche Bekanntgabe der Genehmigung des B-Plans in den Nachrichten entspreche nicht den Anforderungen. Schließlich liege noch ein Auslegungsfehler vor. Deshalb müsse das Bauvorhaben des Beigeladenen nach § 34 BauGB beurteilt werden, insoweit stehe aufgrund des in der Örtlichkeit zu gewinnenden Eindrucks fest, dass es sich nicht in die nähere Umgebung einfüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten dieses Rechtsstreits und des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zum Aktenzeichen 2 B 2398/99 (1 M 2258/00) sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 20.09.1999 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Einen Abwehranspruch auf Aufhebung einer angefochtenen Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt der Erfolg eines derartigen Abwehranspruchs voraus, dass der Nachbar durch die erteilte Baugenehmigung zugleich in seinen eigenen geschützten Rechten verletzt ist; dementsprechend ist die Prüfungskompetenz des Gerichts eingeschränkt. Eine Nachbarklage kann daher nur dann Erfolg haben, wenn durch die Baugenehmigung eine Rechtsnorm verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn, also der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen und deren Ausgleich untereinander dient (sog. drittschützende Wirkung).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgrundsätze verstößt die angefochtene Baugenehmigung weder gegen drittschützende Bestimmungen des B-Plans noch gegen Vorschriften des BauGB oder der NBauO.
Soweit die Kläger meinen, die Baugenehmigung lasse eine Überschreitung der im B-Plan festgesetzten Baulinie, eine der im festgesetzten Hauptgebäuderichtung widersprechende Firstrichtung, das Nichteinhalten der sog. "Kammbauweise", einen Verstoß gegen die Längenbegrenzung des § 23 Abs. 2 NBauO sowie das Nichteinhalten der im B-Plan vorgegebenen Dachneigung zwischen 15° und 30° rechtswidrigerweise zu, sind diese Einwände bereits umfassend im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gerichtlich gewürdigt und für nicht stichhaltig befunden worden, insoweit nimmt die Kammer nicht nur Bezug auf ihren Beschluss vom 18.05.2000 zum Aktenzeichen 2 B 2398/99, sondern macht sich insbesondere die Rechtsauffassung des Nds. OVG aus der Beschwerdeentscheidung vom 10.07.2000 zum Az. 1 M 2258/00 zu eigen.
Hiernach ist planungsrechtlich eine offene Bauweise nicht - etwa durch eine Baulinie oder Baugrenze - vorgegeben, es kann vielmehr insoweit vom Beigeladenen beliebig gebaut werden.
Die Längenbegrenzungsvorschrift des § 22 Abs. 2 BauNVO 1962 ist nicht verletzt, überdies hat diese Norm keine nachbarschützende Wirkung. Auch § 22 Abs. 4 BauNVO 1962 ist beachtet worden; soweit im B-Plan Gebäudegrundrisse existieren, sind dies lediglich unverbindliche Gestaltungsvorschläge des Plangebers.
Die von den Klägern als verbindlich angesehene Kammbauweise der Reihenhäuser ist im Übrigen nicht nachbarschützend.
Gleiches gilt hinsichtlich der Ausrichtung der Baukörper gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB; die Festsetzung einer Hauptfirstrichtung ist lediglich ein städtebauliches Ziel, Nachbarschutz kann insoweit nicht reklamiert werden.
Der vom Haus des Beigeladenen einzuhaltende Grenzabstand zum Grundstück der Kläger ist in Bezug auf die Dachüberstände und den Dachgeschossbalkon eingehalten, da diese sämtlich untergeordnete Gebäudeteile i.S.v. § 7b NBauO sind. Die Behauptung der Kläger, der Beigeladene hätte eine Stützmauer auf ihrem Grundstück errichtet bzw. aus statischen Gründen ihr Eigentum zu Abstützungszwecken in Anspruch genommen, führt die Klage nicht zum Erfolg. Die Kläger verkennen nämlich, dass es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung ausschließlich darum geht, was konkret genehmigt worden ist und nicht darum, ob der Nachbar hiervon abweichend gebaut hat. Den Plänen ist insoweit eindeutig zu entnehmen, dass die Stützmauer ausschließlich auf dem Grundstück des Beigeladenen zu errichten ist. Dass die zum Grundstück des Beigeladenen gerichtete Außenwand des Hauses der Kläger zu Stützzwecken missbraucht würde, und dies auch noch genehmigt sei, findet indessen keinerlei Rechtfertigung in den Bauakten.
Den Einwand, die Beklagte habe kein Ermessen im Rahmen einer Befreiungsentscheidung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1962 ausgeübt, können die Kläger ebenfalls nicht erfolgreich ins Feld führen, denn die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der hinteren Baugrenze nachbarschützend sein sollte, sie dient insbesondere nicht dem Schutz der Kläger vor Einblicken vom Grundstück des Beigeladenen. Hinzu kommt, dass ein direkter Einblick in ihre Wohnräume vom Balkon des Beigeladenen überhaupt nicht erfolgen kann.
Soweit die Kläger Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des B-Plans hegen, weil diverse Formvorschriften das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes nicht eingehalten worden seien, geht die Kammer der Berechtigung dieser Einwände nicht nach, denn selbst dann, wenn man mit den Klägern die Nichtigkeit des B-Plans unterstellen würde, wären ihre Nachbarrechte nicht verletzt. Im Falle der Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes richtete sich der Abwehranspruch der Nachbarn nach den Grundsätzen, die für eine Nachbarklage in Bezug auf im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) liegende Grundstücke gelten, denn die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen liegen in einem Gebiet, das von Wohnbebauung geprägt ist, wobei es dahinstehen kann, ob das Gebiet nach der Art einer baulichen Nutzung faktisch als reines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO) oder als allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO) zu beurteilen ist. Insbesondere kann über eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO auf ein faktisches Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB eine Nachbarrechtsverletzung mit den oben dargestellten Rügen der Kläger nicht begründet werden (zur entsprechenden Anwendung § 15 Abs. 1 BauNVO in einem faktischen Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB vergleiche BVerwG, Urteil vom 18.10.1985 - 4 C 19.82 -, BRS 44 Nr. 71). Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO sind bauliche Anlagen, die in einem bestimmten Baugebiet grundsätzlich zulässig sind, im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes, also der Art der baulichen Nutzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1995 - 4 C 3.94 -, BRS 57 Nr. 175) widersprechen. Bei der insoweit anzustellenden Betrachtung darf allerdings nicht nur - wie es die Kläger wohl tun - auf die unmittelbare Umgebung des streitbefangenen Hauses abgestellt werden, vielmehr muss dessen gesamtes Umfeld, soweit es in einer bodenrechtlichen Beziehung steht, in den Blick genommen werden. Betrachtet man z.B. die Wohnhäuser - sämtlich auf in der Nähe liegenden Grundstücken errichtet - ist festzustellen, dass deren Dachfirste ähnlich hoch wie bei dem Haus des Beigeladenen und auch die Dachneigungen vergleichbar sind.
Auch der Einwand, durch die Gestaltung des Hauses des Beigeladenen werde der typische Eindruck der Geschlossenheit einer Reihenhauszeile unzulässigerweise durchbrochen und das sog. Gebot der Austauschbarkeit (der Häuser) verletzt, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zur Begründung ihrer Auffassung verweisen die Kläger auf ein Urteil des BayVGH vom 31.07.1979 - Nr. 46 I 77 -. Dieses Urteil hat jedoch keine Fallkonstellation zur Grundlage, die mit dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar wäre. In dem bayerischen Fall war es so, dass die dortigen Bauherren eine Fläche, die ihrem Reihenhaus vorgelagert und die mit den jeweiligen entsprechenden Grundstücksstreifen der anderen Reihenhäuser als Freifläche vorgesehen war, einer Bebauung zugeführt haben. Dadurch haben sie die überbaubare Grundstücksfläche deutlich (um 19%) erweitert. Eben dies sah der BayVGH als entscheidend an, das charakteristische Gesamtbild der Wohnanlage für beeinträchtigt zu erklären. In hier zu entscheidenden Fall liegt die Sachlage aber anders. Die überbaubare Fläche auf der Rückseite des Hausgrundstücks des Beigeladenen wurde lediglich zu einem geringen Teil durch den Anbau eines kleinen Wintergartens in Anspruch genommen. Auf dem Grundstück des Beigeladenen gibt es zwar nun nicht mehr wie bei den anderen Reihenhäusern dieser Zeile eine Lücke vor dem Wohnhaus. Dadurch sind die Kläger aber in keiner Weise auch nur irgendwie beeinträchtigt. Denn die Lücke wurde profilgleich geschlossen, die Grenzbebauung somit um keinen Zentimeter zu Lasten der Kläger verändert. Soweit die Kläger darauf abstellen, dass durch den Dachgeschossausbau ebenfalls der typische Ausdruck der Geschlossenheit der Reihenhausanlage durchbrochen würde, mag dies zwar zutreffen. Die planungsrechtlichen Gestaltungsvorgaben von Reihenhäusern vermitteln jedoch keine Nachbarrechte, sie sind allein von städtebaulicher Natur. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass auch der BayVGH (auf Seite 6 unten des Urteils) darauf hingewiesen hat, dass das in § 34 Abs. 1 BauGB aufgestellte Merkmal des Einfügens keine kompromisslose Übereinstimmung von benachbarten Reihenhäusern fordert, sondern durchaus auch Raum für - das charakteristische Gesamtgebilde nicht beeinträchtigende und Vorbildwirkung nicht auslösende - Differenzierungen lässt. Um es anders auszudrücken: Niemand hat als Nachbar einen Anspruch darauf, dass die angrenzenden Häuser in einer Reihenhausanlage sich "wie ein Ei dem anderen" gleichen, jeder Eigentümer darf vielmehr (solange nicht eine Festsetzung eines B-Plans berührt oder die Nutzung der Nachbargrundstücke beeinträchtigt wird) bauen wie er will. Das ist letztlich auch eine der Kernaussagen des Urteils des BVerwG vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - (NVwZ 2000, 1055ff). Dort wird in aller Deutlichkeit ausgeführt, dass die Hälften eines Doppelhauses oder die Elemente einer Hausgruppe in ihren städtebaulich relevanten Merkmalen, wie Überdeckung der Giebelflächen, Kubatur, Traufen, Dachform, Dachneigung und Firsthöhen, Grundfläche und Bautiefe einander nicht entsprechen müssen. Die Gegenmeinung übersehe, dass die Baupolizeiverordnungen früheren Rechts systematisch nicht zwischen bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Zielsetzungen unterschieden hätten, die vorgenannten Gestaltungsmerkmale aber bauordnungsrechtlicher Natur seien. Diese Vorschriften hätten vor allem der Abwehr von Verunstaltungen und der positiven Baugestaltungspflege, wie sie heute in örtlichen Bauvorschriften als Satzung vorgeschrieben werden könnten, gedient. Bauordnungsrechtliche Vorschriften dieser Art seien nicht geeignet, den bauplanungsrechtlichen Gehalt des Doppelhauses als eine der in offener Bauweise zulässigen Hausformen zu erfassen. In diesem städtebaulichen Regelungszusammenhang sei danach die Frage zu beantworten, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude (noch) ein Doppelhaus bildeten: Allein auf das Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifische bauplanerische Gestaltung des Orts- und Straßenbildes verfolgt werde, sei abzustellen. Was aber für die Gestaltung von Doppelhäuser zu gelten hat, muss erst recht für eine Reihenhausanlage gelten, da deren nachbarrechtliches Austauschverhältnis nicht enger ist.
Der nachbarliche Abwehranspruch lässt sich ferner nicht erfolgreich auf § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO, also auf eine Verletzung des in diesen Vorschriften enthaltenen Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme stützen. Dieses Gebot besagt, dass sich ein Vorhaben, auch wenn es sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, dennoch nicht in seine Umgebung einfügt, wenn es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d. h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt. Eine drittschützende Wirkung kommt dem Gebot der Rücksichtnahme nach der Rechtsprechung des BVerwG zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen des erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dies gilt für diejenigen Fälle, in denen die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist, und eine besondere Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme konkret begründet, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme in gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann eine Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem rechtlichen Ausgangspunkt kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.1977, a.a.O.).
Die Kammer geht zunächst davon aus, dass die Kläger angesichts ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu dem Grundstück des Beigeladenen schutzwürdige Dritte im Sinne des Gebotes der Rücksichtnahme sind, weil sie unmittelbar möglichen nachteiligen Auswirkungen der Wohnnutzung des Grundstücks des Beigeladenen ausgesetzt sein könnten.
Hier ist indessen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Die Wohnqualität der Kläger wird durch das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht wesentlich verändert, eine empfindliche Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses liegt nicht vor. Auch wenn ein Durchbrechen der bisher einheitlichen Bebauung unzweifelhaft festzustellen ist, führt dies nicht zu Unzuträglichkeiten für die Kläger. Der Wintergarten schließt die zwischen den Grundstücken bislang vorhandene Lücke profilgleich, so dass eine Entscheidung nach § 8 Abs. 4 NBauO entbehrlich war. Der rückwärtige Ausbau und der Ausbau des Dachgeschosses mit Dachanhebung führt, da sie nur die Nordseite des Grundstücks des Beigeladenen betreffen, nicht zu Einschränkungen der Belichtung und der Besonnung des Grundstücks der Kläger, das auch nicht - im Sinne eines Scheuklappeneffektes - eingeengt wird. Eine unzumutbare Belastung der Kläger im Sinne des Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme kann insbesondere nicht abgeleitet werden aus den baulichen Veränderungen auf der rückwärtigen Seite des Hauses des Beigeladenen. Es bricht nämlich nicht erstmals in einen bisher von Bebauung unberührten rückwärtigen Gartenruhebereich der Baugrundstücke an der Dr.-Eisenbart-Straße ein. Die dortigen Grundstücke sind vielmehr sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung mehrfach in parallel verlaufenden Baureihen genutzt, so dass die jeweiligen rückwärtigen Bereiche der Grundstücke keine durchgehende rückwärtige Gartenruhezone bilden, die, wenn sie denn bestehen würde, schützenswert sein könnte auch unter Anwendung des Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Somit verbleibt zur Prüfung des Rücksichtnahmegebotes nur noch das Maß der baulichen Nutzung; damit die Frage, ob sich bereits aus der absoluten Größe des genehmigten Baukörpers (Größe der Grundfläche, Größe der Geschossfläche, Zahl der Vollgeschosse, Höhe) eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten der Kläger ergeben kann. Die Größe des genehmigten Umbaus führt nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger im Sinne einer "erdrückenden Wirkung" des genehmigten Baukörpers. Ob eine erdrückende Wirkung mit der Folge des Vorliegens einer Rücksichtslosigkeit angenommen werden kann, obwohl das Gebäude des Beigeladenen die erforderlichen Abstände einhält, kann dahinstehen. Denn eine mögliche Rücksichtslosigkeit wegen der erdrückenden Wirkung eines Gebäudes ist auch in solchen Fällen zu prüfen, in denen Baukörper die landesrechtlichen Abstandsregelungen wahren. Die Rechtsprechung nimmt bei baulichen Anlagen eine erdrückende Wirkung an in Fällen, in denen durch die neue genehmigte Anlage für das Nachbargrundstück eine "Abriegelungswirkung" (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 29.09.1988 - 1 A 75/87 -, BRS 48 Nr. 164) oder das "Gefühl des Eingemauertsein" entsteht (OVG Münster, Urteil vom 14.01.1994 - 7 A 2002/92 -, BRS 56 Nr. 196) oder sich eine sog. "Gefängnishof-Situation" ergibt (Nds. OVG, Urteil vom 11.04.1997 - 1 L 7286/95 -). Das BVerwG hat z.B. eine erdrückende Wirkung in einem Fall bejaht, in dem neben einem 2 1/2geschossigen Gebäude ein an der engsten Stelle nur 15 m entferntes 12geschossiges Hochhaus unter Erteilung einer Befreiung von den entgegenstehenden Festsetzungen des zugrundeliegenden Bebauungsplanes genehmigt worden war (Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, BRS 38 Nr. 186). Demgegenüber hat das BVerwG in einem Urteil vom 30.09.1983 (4 C 16.80) NJW 1984, 250) ausgeführt, dass bei gleicher Geschosshöhe eine erdrückende Wirkung grundsätzlich nicht in Betracht komme.
In Anwendung der vorstehenden Grundsätze kann eine erdrückende Wirkung durch die Größe des dem Beigeladenen genehmigten Baukörpers zu Lasten des Grundstücks der Kläger nicht angenommen werden. Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Grundstückssituation für die Kläger durch die erweiterte Bebauung des Grundstücks des Beigeladenen verschlechtert wird. Das veränderte Gebäude des Beigeladenen hat aber nicht den Umfang einer erdrückenden Wirkung erreicht, so dass etwa das Gefühl des "Eingemauertseins" bei den Klägern aufkommen könnte, Ihr Grundstück wird auch nicht nennenswert abgeriegelt. Gar von einer "Gefängnishof-Situation" zu sprechen, ginge an den Realitäten gänzlich vorbei. Eine erdrückende Wirkung begründen auch nicht die neue Höhe des Daches oder die Giebelflächen des Gebäudes.
Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ist im Verhältnis zwischen dem Grundstück des Beigeladenen und dem Grundstück der Kläger ferner nicht dadurch verletzt, dass nunmehr neue und unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten in das Grundstück der Kläger bestehen. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt nämlich grundsätzlich nicht vor der Möglichkeit, in andere Grundstücke Einsicht zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.01.1983 - 4 B 224.82 -, BRS 40 Nr. 192, Beschluss vom 24.04.1989, a.a.O.). Gleiches gilt sinngemäß für das Interesse der Kläger an der Einhaltung der bisherigen Aussichtsmöglichkeiten bei Benutzung ihres Gartens. Auch diese sind grundsätzlich nachbarrechtlich nicht geschützt. Die Kläger haben - so schmerzhaft es für sie auch sein mag - daher keinen Anspruch darauf, dass eine für sie zuvor günstige Situation unverändert erhalten bleibt. Mögliche Beschattungswirkungen auf das Grundstück der Kläger erreichen nicht den Grad einer nennenswerten Beeinträchtigung oder gar einer Unzumutbarkeit im Sinne des Gebotes der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Letztlich greift auch das Argument, die Beklagte habe in vergleichbaren anderen Fällen, die die Reihenhausanlage betrafen, immer die Zustimmung der Nachbarn gefordert, bevor sie eine Baugenehmigung erteilt hätte, nicht durch. Denn eine solche Verwaltungspraxis - so es sie denn gegeben hätte - wäre rechtlichen Bedenken unterworfen. Niemand hat aber einen Anspruch darauf, dass ein Dritter ebenso rechtswidrig wie ein anderer behandelt werden muss, weil nur dies dem Gleichbehandlungsgrundsatz genüge täte.
Da die Klage keinen Erfolg hat, ist sie mit der Kostenfolge aus §154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig, da seine Beiladung notwendig war (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.