Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 06.12.2001, Az.: 4 A 4172/99
fehlerhafte Rechtsbehelfbelehrung; Hochschullehrerbegriff; Professor, außerplanmäßiger; Professorengruppe
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 06.12.2001
- Aktenzeichen
- 4 A 4172/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40222
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 5 Abs 3 S 1 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- § 40 Abs 1 Nr 1 HG ND
- § 24 Abs 5 HG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein akademischer Forscher und Lehrer, der aufgrund seiner Habilitation oder eines sonstigen gleichwertigen Qualifikationsbeweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut ist, ist unabhängig von seiner dienstrechtlichen Stellung Hochschullehrer im Sinne von § 40 Abs. 1 Nr. 1 des Nds. Hochschulgesetzes.
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.06.1997 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23.06.1999 zu der Feststellung verpflichtet, dass der Kläger der Professorengruppe gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG angehört.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Zugehörigkeit zur Professorengruppe gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 des Nds. Hochschulgesetzes (NHG).
Der am ...geborene Kläger ist im Institut für Psychologie des Fachbereichs Biologie der Beklagten tätig. Er wurde am ...1980 zum Akademischen Rat und am ...1981 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Nach Durchführung seines Habilitationsverfahrens verlieh ihm der Fachbereich Biologie der Beklagten am ...1990 den Grad eines habilitierten Doktors der Naturwissenschaften und die venia legendi für Psychologie. Am ...1994 erteilte ihm die Beklagte die Befugnis, den Titel "außerplanmäßiger Professor" (apl. Prof.) zu führen. Im März 2001 wurde der Kläger zum Akademischen Oberrat befördert.
Im November 1996 bat der Kläger die Beklagte um Auskunft, ob er dem sog. "materiellen Hochschullehrerbegriff" unterfalle. In diesem Fall strebe er die korporationsrechtliche Zuordnung zur Gruppe der Professoren an. Er vertrete die Fächer Allgemeine Methodenlehre und Pädagogische Psychologie selbständig in Forschung und Lehre und sei in diesem Bereich als Prüfer tätig. An einem weiteren Fach (Evaluations- und Forschungsmethoden) sei er mit selbständiger Forschung und Lehre sowie als Prüfer beteiligt. Darüber hinaus habe er sich vor seiner Ernennung zum außerplanmäßigen Professor einem Begutachtungsverfahren unterziehen müssen.
Durch Schreiben vom 18.06.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sehe sich nicht in der Lage, seinem Antrag stattzugeben. Professoren i. S. v. § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG seien nur diejenigen, die ein entsprechendes Amt inne hätten und zum Professor berufen worden seien. Hochschuldozent sei, wer im Dienstverhältnis eines Hochschuldozenten oder einer Hochschuldozentin stehe. Der Kläger sei als Akademischer Rat wissenschaftlicher Mitarbeiter und erfülle die genannten Kriterien nicht. Nach der gegenwärtig in Niedersachsen bestehenden Rechtslage sei die Zuordnung des Klägers zur Gruppe der Professoren unabhängig davon nicht möglich, ob er Professor im materiellen Sinne sei. Der Bescheid schließt mit folgenden Worten:
"Ich sehe mich deswegen außerstande, Ihre Zuordnung zur Gruppe der Professoren vorzunehmen. ... . Ich sehe für Ihren Fall gegenwärtig daher nur die Möglichkeit, die Zuordnung zur Professorengruppe im Wege der Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht klären zu lassen. Ich bedauere, daß ich Ihnen keinen stattgebenden Bescheid erteilen kann".
Mit Schreiben vom 31.01.1999 teilte der Kläger mit, er beabsichtige, die Frage seiner korporationsrechtlichen Zugehörigkeit endgültig klären zu lassen, und forderte die Beklagte auf, ihre Stellungnahme vom 18.06.1997 noch einmal zu überdenken. Die Beklagte behandelte dieses Schreiben als Widerspruch gegen ihren Schriftsatz vom 18.06.1997. Durch Widerspruchsbescheid vom 23.06.1999 wies sie diesen Widerspruch als unzulässig zurück. Sie führte zur Begründung aus, der Schriftsatz vom 18.06.1997 stelle einen Verwaltungsakt dar und gelte als mit dem 21.06.1997 bekannt gegeben. Da ihm keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei, hätte ein Widerspruch innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eingereicht werden müssen. Der Widerspruch des Klägers sei somit verspätet.
Am 23.07.1999 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass er der Gruppe der Professoren angehöre. Zur Begründung trägt er vor, das Schreiben vom 18.06.1997 sei kein Verwaltungsakt. Die Beklagte habe ihn auf die Feststellungsklage verwiesen und damit zum Ausdruck gebracht, keinen Regelungswillen zu haben. Die Rechtsstellung nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG könne im Übrigen nicht durch Verwaltungsakt verliehen werden, da die Mitwirkungsrechte Ausfluss des Status als Professor seien. Der Widerspruchsbescheid enthalte eine zusätzliche Beschwer, da er einen Nicht-Verwaltungsakt als Verwaltungsakt bewerte und er - der Kläger - zudem keinen Widerspruch habe einlegen wollen.
Er unterfalle dem materiellen Hochschullehrer-Begriff und sei daher der Gruppe der Professoren zuzuordnen. Ihm sei die venia legendi für das gesamte Fachgebiet Psychologie verliehen worden und er halte mit Einverständnis der Beklagten selbständig und unabhängig Lehrveranstaltungen ab und sei als Prüfer tätig. Auch sei bei ihm ein "Quasi-Berufungsverfahren" durchgeführt worden, in dessen Rahmen mehrere Stellungnahmen externer Gutachter eingeholt worden seien. Es komme nicht darauf an, dass er dienstrechtlich Mitarbeiter der Beklagten i.S.v. § 40 Abs. 1 Nr. 3 NHG sei.
Durch Schreiben vom 30.10.1999 hat der Kläger gegenüber der Beklagten für den Fall, dass deren Schreiben vom 18.06.1997 als Verwaltungsakt zu bewerten sei, vorsorglich Widerspruch gegen diesen Verwaltungsakt eingelegt.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.06.1997 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23.06.1999 zu der Feststellung zu verpflichten, dass er der Gruppe der Professoren gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG angehört,
hilfsweise,
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.06.1999 aufzuheben,
festzustellen, dass er der Gruppe der Professoren gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG angehört.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Schreiben vom 18.06.1997 sei ein belastender feststellender Verwaltungsakt und die Klage sei wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig. Daneben sei die Klage auch unbegründet. Der Kläger sei nicht unter Berufung in das Beamtenverhältnis zum Professor oder Hochschuldozenten ernannt worden, so dass er auch nicht der Professorengruppe nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG angehöre. Er sei vielmehr wissenschaftlicher Mitarbeiter und damit Mitglied der Hochschule nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 NHG. Die Einräumung der Rechtsstellung als außerplanmäßiger Professor führe nur dazu, dass der Rechtsinhaber Angehöriger der Hochschule werde. Angehörige dürften jedoch an der Erfüllung der Aufgaben der Hochschule und an der Selbstverwaltung nicht mitwirken. Der Kläger sei als Akademischer Oberrat im Hinblick auf seine wissenschaftlichen Aufgaben auch nicht von Weisungen unabhängig. Weder sei er von der Beklagten mit Professorenaufgaben betraut worden noch sei das Habilitationsverfahren an der Universität Göttingen mit einem Berufungsverfahren vergleichbar. Lediglich außerhalb seiner Amtsaufgaben sei er nach der gemeinsamen Habilitationsordnung der Beklagten verpflichtet, regelmäßig eine Lehrveranstaltung selbständig abzuhalten. Er habe die Rechtsstellung als Professor auch nicht aus in der Vergangenheit geltenden Überleitungsvorschriften erworben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten einschließlich der den Kläger betreffenden Personalakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Das Begehren des Klägers hat mit dem Hauptantrag Erfolg.
I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Die Kammer bewertet das Schreiben vom 18.06.1997 als feststellenden Verwaltungsakt. Zwar begründet sich die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen des § 40 Abs. 1 NHG kraft Gesetzes, so dass es eines feststellenden Verwaltungsakts nicht zwingend bedarf (so für entsprechendes Landesrecht in Baden-Württemberg: BVerwG, Urt. v. 13.12.1995 - 6 C 7.94 -, BVerwGE 100, 160, und in Rheinland-Pfalz: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.11.2000 - 2 A 11223/00 -, Juris). Die Beklagte wollte jedoch seinerzeit einen solchen Verwaltungsakt erlassen und hat dies auch getan. Ausschlaggebend für diese Einschätzung des Gerichts sind die Formulierungen "sehe mich außerstande, die Zuordnung vorzunehmen", "nicht in der Lage, dem Antrag statt zu geben" und "bedauere, keinen stattgebenden Bescheid erteilen zu können". Hinzu kommt, dass das Schreiben einen Tenor, eine Begründung und eine Rechtsbehelfsbelehrung (s. zu letzterer unten) aufweist und daher auch äußerlich einem Bescheid gleicht.
Dieser Bescheid ist nicht durch Ablauf der Fristen des § 70 Abs. 1 bzw. des § 58 Abs. 2 VwGO unanfechtbar geworden, so dass der Kläger durch sein Schreiben vom 30.10.1999 noch wirksam Widerspruch einlegen konnte. Der Bescheid hat den Kläger nämlich nicht, wie dies gemäß §§ 58 Abs. 1, 68 f. VwGO richtig gewesen wäre, über den Rechtsbehelf des Widerspruchs belehrt, sondern ihn auf die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage verwiesen. Eine Feststellungsklage wäre jedoch im Hinblick auf § 42 Abs. 2 VwGO subsidiär und daher unzulässig; gleichzeitig hat die Beklagte durch den Verweis auf die Feststellungsklage den nach Lage der Dinge einzig statthaften Rechtsbehelf als nicht gegeben dargestellt. Die Kammer ist in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.06.1985 - 8 C 116.84 -, BVerwGE 71,359; Urt. v. 02.04.1987 - 5 C 67.84 -, BVerwGE 77,181) der Auffassung, dass ein solcher Fall demjenigen einer schriftlichen Belehrung darüber gleichzusetzen ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dies hat zur Folge, dass eine Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist.
Darauf, ob bereits das Schreiben des Klägers vom 31.01.1999 als Widerspruch anzusehen ist und dass sich die Beklagte mit dem Widerspruch vom 30.10.1999 nicht in einem (weiteren) Widerspruchsverfahren auseinandergesetzt hat, kommt es nach Auffassung des Gerichts nicht entscheidend an. Auf der einen Seite hat der Kläger nach Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 23.06.1999 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO gewahrt. Andererseits bestand wegen der besonderen Konstellation des Falls nach Erhebung der Klage - ähnlich wie bei einer Untätigkeitsklage - zur erneuten Durchführung eines Widerspruchsverfahrens kein Anlass mehr.
Der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts steht auch nicht entgegen, dass - wie oben angemerkt - ein solcher gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Die Beklagte hat zum Ausdruck gebracht, dass sie die Frage der Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der Professoren durch Verwaltungsakt regeln wollte. Hieran muss sie sich festhalten lassen. Anderes könnte allenfalls gelten, wenn es ausgeschlossen wäre, über diese Frage durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Dies ist jedoch nicht der Fall: Mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 13.12.1995, a.a.O.) ist vielmehr davon auszugehen, dass der Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts zulässig ist. Ist daher der Kläger materiell-rechtlich der Gruppe der Professoren zuzurechnen, so hat ihm die Beklagte dies durch Verwaltungsakt zu bestätigen.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG bilden die Professorinnen, Professoren, Hochschuldozentinnen und Hochschuldozenten für die Wahl ihrer Vertretungen in den Gremien eine Gruppe (Professorengruppe). Die Oberassistentinnen, Oberassistenten, Oberingenieurinnen, Oberingenieure, die wissenschaftlichen und künstlerischen Assistentinnen und Assistenten, die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Lehrkräfte für besondere Aufgaben bilden gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 NHG die Mitarbeitergruppe. Ein Akademischer Oberrat ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und gehört daher grundsätzlich der Mitarbeitergruppe an.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 29.05.1973
- 1 BvR 424/71 u. 325/72 -, BVerfGE 35, 79, 126 f.; Beschl. v. 01.03.1978 - 1 BvR 333/75 u. 174, 178, 191/71 -, BVerfGE 47, 327, 388; Beschl. v. 11.02.1981 - 1 BvR 303/78 - BVerfGE 56, 192, 208 [BVerfG 11.02.1981 - 1 BvR 303/7]; Beschl. v. 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94 u. 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 210) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 13.12.1995, a.a.O. ; Urt. v. 20.03.1996 - 6 C 4.95 -, BVerwGE 100, 346, 351; Beschl. v. 31.07.2001 - 6 B 42.01 -, Juris) ist es nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geboten, die Gruppe der Hochschullehrer in sich homogen zusammen zu setzen. Dies setzt voraus, dass die Mitgliedschaft in dieser Gruppe auf Hochschullehrer im materiellen Sinn beschränkt, aber auch erstreckt wird. Dabei ist als Hochschullehrer, unabhängig von seiner dienstrechtlichen Stellung, der akademische Forscher und Lehrer zu verstehen, der aufgrund der Habilitation oder eines sonstigen gleich bewerteten Qualifikationsbeweises mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut ist. Wer als Angehöriger einer Hochschule diese Voraussetzungen erfüllt, hat Anspruch darauf, der Gruppe der Hochschullehrer und nicht einer anderen Gruppe zugeordnet zu werden.
In seinem Beschluss vom 11.02.1981 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht die Hochschullehrer-Eigenschaft der Beschwerdeführer damit begründet, dass sie zum einen nach ihrer Habilitation und Verleihung der venia legendi die Einstellungsvoraussetzungen für Professoren erfüllten und zum anderen in ihrem tatsächlich ausgeübten Tätigkeitsfeld an der Universität durch selbständige Forschung und Lehre auch Professorenaufgaben wahrnähmen. Sie seien in vollem Umfang in den akademischen Lehrbetrieb ihrer Fachbereiche eingegliedert, hielten Lehrveranstaltungen aller Art ab, bei deren Themenwahl sie im Rahmen des auch für Professoren geltenden Lehr- und Studienplans des Fachgebiets frei und in der Durchführung und methodischen Ausgestaltung selbständig und unabhängig seien; insgesamt unterscheide sich ihre Teilhabe an der Lehre in den wesentlichen qualitativen Merkmalen ersichtlich kaum von derjenigen von Professoren. Auch betrieben sie selbständig Forschung, was aus ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu ersehen sei, und nähmen am akademischen Prüfungswesen teil. Damit entsprächen ihre tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten weitgehend denjenigen der Professoren. Ihrer hieraus zu folgernden Hochschullehrereigenschaft stehe nicht entgegen, dass sie dienstrechtlich dem wissenschaftlichen Dienst angehörten.
An diesen vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG hergeleiteten bundesrechtlichen Maßstäben muss auch das Begehren des Klägers gemessen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Maßstäbe nämlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst aus Anlass und zur Auslegung landesrechtlicher Übergangsvorschriften entwickelt, sondern bereits in seiner Entscheidung zu den Rechten der Hochschullehrer im materiellen Sinn (Urt. v. 29.05.1973, a.a.O.). Nach diesen Maßstäben hat der Kläger hinsichtlich seiner Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Beklagten einen Anspruch auf korporationsrechtliche Zuordnung zur Professorengruppe, da er die Voraussetzungen des materiellen Hochschullehrerbegriffs erfüllt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in den genannten Entscheidungen den Begriff der "Betrauung mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Fachs in Forschung und Lehre" als wesentliches Merkmal des Hochschullehrers im materiellen Sinn angesehen. Dabei hat es der Definition des Merkmals "Betrauung" ausdrücklich die Einschränkung "unabhängig von der Abgrenzung der beamtenrechtlichen Vorschriften" vorangestellt und damit unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass das Merkmal der Betrauung gerade keine der materiellen Stellung als Hochschullehrer entsprechende, förmliche beamtenrechtliche Berufung in das Amt eines Hochschullehrers voraussetzt.
Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das im Rahmen der "Betrauung" mit den Aufgaben eines Hochschullehrers die ausdrückliche Einräumung einer entsprechenden Rechtsstellung bzw. Befugnis durch die zuständigen Organe der Hochschule für erforderlich erachtet und eine nur faktische, geduldete oder gar usurpierte Übernahme von Funktionen aus eigener Machtvollkommenheit nicht ausreichen lässt.
Der Kläger ist nach den genannten Maßstäben durch die Beklagte mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre betraut worden. Ihm ist im Jahr 1990 die venia legendi für das gesamte Fach Psychologie verliehen worden. Diese Verleihung der Lehrbefugnis steht nicht in Zusammenhang mit seiner dienstlichen Stellung als weisungsabhängiger wissenschaftlicher Mitarbeiter, sondern räumt ihm neben dieser Stellung die Möglichkeit ein, an der Beklagten als selbständiger akademischer Forscher und Lehrer tätig zu werden. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Kläger im Jahr 1994 die Befugnis verliehen, den Titel eines außerplanmäßigen Professors zu führen. Gemäß § 24 Abs. 6 NHG setzt die Verleihung dieses akademischen Titels voraus, dass nach Abschluss des Habilitationsverfahrens eine erfolgreiche selbständige Lehrtätigkeit in verschiedenen Bereichen des Fachgebietes von mindestens 2 Jahren nachgewiesen wird. Nach einer Richtlinie des Senats für die Verleihung des Titels vom 23.11.1994 sind die Voraussetzungen einer erfolgreichen Lehrtätigkeit in verschiedenen Bereichen des Fachgebietes in aller Regel nach einem Zeitraum von 4 Jahren seit der Habilitation gegeben. Da das Gericht keine Veranlassung zu der Annahme hat, dass die Beklagte dem Kläger den Titel eines außerplanmäßigen Professors unter Missachtung der genannten Anforderungen verliehen hat, geht es davon aus, dass der Kläger im Zeitpunkt der Verleihung bereits etwa vier Jahre lang selbständig geforscht und gelehrt hatte.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich hieran bis zum heutigen Tag nichts geändert hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, er halte seit Jahren in eigener Verantwortung Lehrveranstaltungen ab und sei damit betraut, Diplomarbeiten zu betreuen und selbständig Prüfungen durchzuführen. Darüber hinaus hat er dem Gericht ein umfangreiches Verzeichnis seiner Veröffentlichungen übergeben, das belegt, dass er in den letzten Jahren in erheblichem Maße forschend tätig war. Auch aus den Akten der Beklagten geht hervor, dass der Kläger selbständige Lehrtätigkeit in verschiedenen Bereichen des Fachgebietes leistet, indem er Vorlesungen, Seminare und Praktika durchführt.
Die von der Beklagten in den Vordergrund gestellte Auffassung, der Kläger sei aufgrund seiner dienstrechtlichen Stellung weisungsabhängig, ändert an diesem Ergebnis nichts. Soweit die dem Kläger für das von ihm vertretene Fach verliehene Lehrbefugnis reicht, drängt die damit verbundene umfassende Selbständigkeit in Forschung und Lehre seine prinzipielle Weisungsgebundenheit als Akademischer Oberrat zurück. Insofern hat die Beklagte sich bereits mit der Verleihung der Lehrbefugnis für ein bestimmtes Fach, spätestens aber mit der Verleihung der Bezeichnung "außerplanmäßiger Professor" selbst gebunden. Soweit sie sich dessen ungeachtet auf die Weisungsgebundenheit des Klägers in seiner dienstrechtlichen Stellung als Akademischer Oberrat beruft, ist dies (jedenfalls solange, wie sein Aufgabenbereich im Hauptamt nicht im Wege des Dienstrechts grundlegend verändert worden ist, weil außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen) ein Fall des unzulässigen "venire contra factum proprium" und somit rechtlich unbeachtlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1995, a.a.O.). Aus diesem Grund kommt es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob und ggf. in welchem Umfang dem Kläger tatsächlich Weisungen erteilt worden sind, nicht entscheidungserheblich an.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt das niedersächsische Landesrecht eine Zuordnung von Hochschullehrern im materiellen Sinne zur Gruppe der Professoren i. S. v. § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG zu. Die Vorschrift erweist sich nicht als verfassungswidrig, sondern ist im Lichte der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform dahin gehend auszulegen, dass diejenigen Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren, die durch die Hochschule überwiegend mit der selbständigen Vertretung eines wissenschaftlichen Fachs in Forschung und Lehre betraut sind, auch dann zur Gruppe der Professoren gehören, wenn sie nach ihrer dienstrechtlichen Stellung keine Professoren oder Hochschuldozenten, sondern wissenschaftliche Mitarbeiter sind.
Die Beklagte vertritt hierzu die Auffassung, die Beschreibung der Professorengruppe in § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG sei vom Wortlaut her abschließend und stelle ausschließlich auf dienstrechtliche Kriterien ab. Wegen der die Auslegung begrenzenden Funktion des Wortlauts komme eine verfassungskonforme Interpretation nicht in Betracht. Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Der Wortlaut der Vorschrift, die nur von Professorinnen, Professoren, Hochschuldozentinnen und Hochschuldozenten spricht, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass nur derjenige als Professor oder Hochschuldozent angesehen werden kann, der ein entsprechendes Amt im Sinne des Dienstrechts inne hat. Der Wortlaut ermöglicht vielmehr durchaus eine Interpretation des Begriffs des Professors oder des Hochschuldozenten, die die Rechtsprechung zum materiellen Professorenbegriff berücksichtigt. Auch die Bedenken der Beklagten, durch eine derartige Auslegung des Professorenbegriffs würde § 38 Abs. 2 Ziffer 1 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) überdehnt, teilt die Kammer nicht. Die genannte Vorschrift hat den Wortlaut: "Für die Vertretung in den Gremien bilden die Professoren ... eine Gruppe". Auch sie knüpft nicht denknotwendig an die rein formale beamtenrechtliche Ernennung zum Professor an, sondern lässt eine Auslegung des Professorenbegriffs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu (in diesem Sinne auch Reich, HRG, 5. Auflage 1996, § 38 Rn. 5).
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch die systematische Stellung des § 40 NHG einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift befindet sich innerhalb des ersten Abschnitts "Mitgliedschaft und Mitwirkung" des dritten Kapitels des Gesetzes, der sich mit den korporationsrechtlichen Verhältnissen an den Hochschulen befasst. Demgegenüber wird die dienstrechtliche Stellung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals erst im nachfolgenden zweiten Abschnitt des dritten Kapitels geregelt.
Schließlich überzeugt auch die Erwägung der Beklagten nicht, der Kläger sei als außerplanmäßiger Professor nur Angehöriger, nicht jedoch Mitglied der Hochschule (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 NHG); § 40 NHG beziehe sich jedoch ausschließlich auf Mitglieder. Denn der Kläger, der dem materiellen Professorenbegriff unterfällt, ist Mitglied der Hochschule gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 NHG.
Die von der Kammer vorgenommene Auslegung führt im Gegensatz zu derjenigen der Beklagten dazu, dass die Vorschrift verfassungsgemäß ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen der verfassungskonformen Auslegung geboten. Dabei spielt es keine Rolle, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers eine weiter gehende als die nach der Verfassung zulässige Auslegung des Gesetzes eher entsprochen hätte, sofern die Auslegung nicht mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt (Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 5. Auflage 2000, Art. 20 Rn. 34). Ein derartiger Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers ist hier nicht ersichtlich, so dass die verfassungskonforme Auslegung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 NHG möglich ist und der Kläger aus dieser Vorschrift einen Anspruch darauf hat, der Professorengruppe zugerechnet zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.