Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.11.1988, Az.: 10 WLw 49/88
Ermittlung des Wertes eines Hofes zur Erteilung eines Hoffolgezeugnisses; Bemessung des Geschäftswertes eines Hofes; Ermittlung des Wertes des zum Hof gehörenden Grundbesitzes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.11.1988
- Aktenzeichen
- 10 WLw 49/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1988, 16265
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1988:1118.10WLW49.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Bad Iburg - 14.08.1987
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 2 KostO
- § 19 Abs. 2 und 3 KostO
- § 55 Abs. 1 EStG
- § 55 Abs. 2 EStG
Verfahrensgegenstand
Erteilung eines Hoffolgezeugnisses
In der Landwirtschaftssache
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 18. November 1988
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Bad Iburg vom 14.8.1987, soweit darin der Geschäftswert auf 793.000,- DM festgesetzt worden ist, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen geändert.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Bad Iburg hat durch Beschluß vom 14.8.1987 ein Hoffolgezeugnis erteilt und den Geschäftswert für das Verfahren auf 793.000,- DM festgesetzt. Bei der Ermittlung dieses Wertes hat es für den zu dem Hof gehörenden Grund und Boden zur Größe von insgesamt 40,69 ha den nach § 55 Abs. 2 EStG ermittelten Ausgangsbetrag zugrunde gelegt.
Dagegen wendet sich die Landeskasse mit ihrer Beschwerde. Sie führt aus, die vom Gutachterausschuß des Katasteramtes festgestellten Richtwerte ergäben für die Nutzfläche des Hofes, Ackerland und Grünland, einen Wert von 1.596.400,- DM. Hinzuzurechnen sei für den zum Hof gehörenden Wald ein Betrag von 1,- DM je Quadratmeter, so daß sich ein Gesamtwert von 1.711.400,- DM errechne. Wenn davon ein Sicherheitsabschlag von 25 % gemacht werde, verbleibe nach Abzug der Schulden von 30.000,- DM ein Wert von 1.253.550,- DM.
Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Der Geschäftswert ist lediglich um 30.000,- DM zu erhöhen, weil das Amtsgericht die Schulden zweimal abgezogen hat. Im übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
Der Geschäftswert ist gemäß § 107 Abs. 2 KostO nach dem Wert des Hofes unter Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten zu bemessen. Der Wert des zum Hof gehörenden Grundbesitzes ist nach § 19 Abs. 2 und 3 KostO zu bestimmen. Dabei ist der Einheitswert nur dann als Grundlage für die Wertbestimmung anzusetzen, wenn sich nicht aus den in § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO angeführten besonderen Umständen oder aus sonstigen ausreichenden Anhaltspunkten ein höherer Wert ergibt.
Der Senat hat wiederholt entschieden, daß u. a. die von dem Gutachterausschuß herausgegebenen Bodenrichtwerte unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlages von 25 % als Anhaltspunkt im angeführten Sinne angesehen werden können (vgl. OLG Oldenburg, Agrarrecht 1987, 191). Bedenken hat er dagegen erhoben, bei der Bewertung von Grundbesitz auch den nach § 55 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG zu ermittelnden Ausgangsbetrag zu berücksichtigen (vgl. Nds. Rechtspflege 1981, 144). Diese Bedenken werden, soweit es sich um den einfachen Ausgangsbetrag (§ 55 Abs. 2 EStG), also um das Vierfache der Ertragsmeßzahl, handelt, nicht aufrechterhalten. Die Ertragsmeßzahl einer Acker- oder Grünlandfläche ergibt sich aus dem Produkt der in Ar ausgedrückten Fläche und der für diese Fläche festgesetzten Bodenwertzahl, die zwischen 1 und 100 liegt und einen Bezug hat auf die Ertragsfähigkeit des bewerteten Bodens. Diese Ertragsmeßzahl gibt nicht den Wert des Bodens in Deutscher Mark wieder. Vielmehr wird der Verkehrswert des Grund und Bodens in der Regel erst erreicht und überschritten, wenn ein Mehrfaches der Ertragsmeßzahl zugrunde gelegt wird.
Bei dem in § 55 Abs. 1 EStG für die Gewinnermittlung festgesetzten Betrag (das Achtfache der Ertragsmeßzahl) ist der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen, daß dieser Betrag dem tatsächlichen Grundstückswert entspricht. Vielmehr sollte der Betrag aus steuerpolitischen Gründen den per 1.7.1970 bestehenden wahren Verkehrswert des Grundstücks übersteigen. Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, daß für landwirtschaftlichen Grund und Boden gemäß § 55 Abs. 1 und 2 EStG das Doppelte des sich aus § 55 Abs. 2 EStG ergebenden Ausgangsbetrages und damit das Achtfache der im Liegenschaftskataster ausgewiesenen Ertragsmeßzahl zugrunde gelegt wurde. Denn aufgrund der damaligen Verhältnisse im Grundstücksverkehr konnte davon ausgegangen werden, daß der so errechnete Betrag den wirklichen Grundstückswert in der Regel erheblich übertraf.
Die Grundstückspreise haben sich seitdem geändert. Für die Bewertung von landwirtschaftlichem Grundbesitz nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO ist von besonderer Bedeutung, daß der nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 EStG ermittelte Ausgangsbetrag (also das Vierfache der Ertragsmeßzahl) in der gegenwärtigen Zeit den Wert des landwirtschaftlichen Grundbesitzes (Ackerland und Grünland) in der Regel nicht übersteigt. Das ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht umstritten und wird auch durch die bisherigen Erfahrungen des Senats gedeckt. Daher wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß der vierfache Betrag der Ertragsmeßzahl (zuzüglich der sich aus § 55 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG ergebenden Beträge) einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür ergibt, daß der gemeine Wert des Grundbesitzes höher ist als der Einheitswert und daß als Verkehrswert des Grund und Bodens zumindest der nach § 55 Abs. 2 EStG ermittelte Betrag angenommen werden kann (vgl. OLG Celle RdL 1982, 104, OLG Hamm, Agrarrecht 1985, 355, OLG Braunschweig, Nds. Rechtspflege 1987, 153, Faßbender, Agrarrecht 1988, 181 f sowie Rohs in Rohs/Wedewer, Kostenordnung, 2. Aufl., § 19 RdNr. 41 m. w. N.).
Der Senat schließt sich dem an. Dabei sind für ihn auch die in der Rechtsprechung und im Schrifttum für eine solche Wertbestimmung angeführten weiteren Gesichtspunkte von Gewicht. Es wird zu Recht darauf hingewiesen, daß eine Bewertung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes unter Zugrundelegung der Ertragsmeßzahlen eine praktikable Lösung darstellt, da sich die Ertragsmeßzahlen ohne weiteres aus den bei den Grundakten befindlichen Katasterunterlagen ergeben. Außerdem können sie vom Katasteramt erfragt werden. Die Feststellung gerade des Wertes von Grundbesitz bereitet aber erfahrungsgemäß besondere Schwierigkeiten (vgl. dazu Rohs a.a.O.). Hinzu kommt, daß eine Berücksichtigung der Ertragsmeßzahlen auch im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg dem Ziel einer Gleichbehandlung der Betroffenen in gebührenrechtlicher Hinsicht näher kommt.
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß sich die Verhältnisse im Grundstücksverkehr ändern mit der Folge, daß eine Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nach § 55 Abs. 2 EStG nicht mehr vertretbar erscheint. Jedoch besteht im Rahmen des weiten Auslegungsspielraumes, den die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Kostenordnung gewährt (vgl. BVerfG, Agrarrecht 1986, 288), die Möglichkeit, auch einer neuen Entwicklung Rechnung zu tragen, z. B. durch die Verwendung eines von § 55 Abs. 2 Nr. 1 EStG abweichenden Mutiplikators.
Die in der Beschwerdeschrift angeführten Richtwerte können im vorliegenden Falle für die Bemessung des Grundstückswertes nicht herangezogen werden.
Das Amtsgericht hat für den hier in Betracht kommenden Bezirk Bedenken gegen ihre Anwendung geltend gemacht u. a. weil im Süden des Landkreises Osnabrück nach dem Bericht des Gutachterausschusses im Jahre 1986 nicht eine Grünlandfläche verkauft worden sei, so daß die angegebenen Richtwerte keine genügende Grundlage für eine Wertbestimmung darstellten.
Die Frage bedarf keiner Entscheidung.
Wenn unterstellt wird, daß im vorliegenden Falle außer den Ertragsmeßzahlen auch die Richtwerte einen hinreichenden Anhaltspunkt im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO bilden, ist nach freiem Ermessen zu schätzen, welcher von diesen beiden dann in Betracht kommenden höheren Werten für das Verfahren auf Erteilung des Hoffolgezeugnisses anzunehmen ist (vgl. Rohs a.a.O., § 19 RdNr. 15). Eine solche Abschätzung ergibt aber, daß dem aus § 55 Abs. 2 EStG ermittelten Wert der Vorzug zu geben ist, weil diese Wertermittlungsmethode nicht nur in der Praxis leicht durchführbar ist, sondern sie hat auch den Vorteil, daß sie dem bereits erwähnten Gebot der Gleichbehandlung besser gerecht wird.
Der Geschäftswert des von dem Hoffolgezeugnis erfaßten Grundbesitzes errechnet sich nach alledem wie folgt:
Summe der Ertragsmeßzahlen für Acker- und Grünland (180.017 × 4) | 720.068,- DM |
---|---|
Waldfläche in Quadratmeter (95.158 × 1) | 95.158,- DM |
Hof- und Gebäudefläche (7.718 × 5) | 38.590,- DM |
853.816,- DM | |
abzüglich Schulden | 30.000,- DM |
823.816,- DM |
Der Senat hat den Gebäudewert und den Wert des Inventars des Hofes nicht zusätzlich in Ansatz gebracht, da bei Betrieben, die vorwiegend auf die Bodennutzung ausgerichtet sind, die Hofstelle und das Inventar im Verhältnis zum Wert des Landes nur von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Faßbender a.a.O.). Außerdem wäre ihre Berücksichtigung mit einer vereinfachten Wertermittlung nicht zu vereinbaren (so auch OLG Celle und OLG Hamm a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 31 Abs. 3 Kostenordnung. Diese Entscheidung ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG ohne Hinzuziehung von ehrenamtlichen Richtern getroffen worden.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert beträgt 823.000,- DM.