Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.01.2016, Az.: 1 A 1385/14

Minderheitenclan ; Mogadischu; Shiidle; Somalia; subsidiärer Schutz; Somalia: Grundsätzlich kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG für jungen Auslandsrückkehrer aus Mogadischu

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.01.2016
Aktenzeichen
1 A 1385/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 12540
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2016:0127.1A1385.14.0A

Fundstelle

  • NdsVBl 2016, 8

Amtlicher Leitsatz

Einem Angehörigen eines Minderheitenclans, dessen Kernfamilie in Mogadischu lebt, droht bei einer Rückkehr dorthin kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2014 und begehrt die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Der Kläger gab gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in seinem Asylverfahren an, dass er aus dem Distrikt F. in Mogadischu in Somalia stamme und am G. 1991 geboren sei. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre dem Stamm Shiidle an. Seine Angaben zur Ausreise waren uneinheitlich. Einerseits will er im Dezember 2011 von Somalia kommend mit einem PKW nach Äthiopien gefahren, von dort aus mit dem Flugzeug in ein unbekanntes europäisches Land und dann mit dem Zug weiter nach Deutschland gereist sein. Andererseits will er von 2009 bis zum 15. November 2011 in Holland gelebt haben und von dort nach Deutschland eingereist sein. Am 23. Juni 2010 will er in Mogadischu geheiratet haben.

Am 23. Dezember 2011 stellte er einen Asylantrag. An diesem Tag gab er bei der Befragung vor dem Bundesamt an, nie Personalpapiere besessen zu haben. Seine Reise habe 9.000,00 Dollar gekostet. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 24. Januar 2012 gab er an, dass er in Mogadischu bei seinen Eltern gelebt und die Schule besucht habe. Die Reise sei aus einem Grundstücksverkauf finanziert worden. Seine Frau sei bei seinen Eltern geblieben. Seine Schule sei im Regierungsviertel gewesen. Beim täglichen Pendeln dorthin sei er von den Regierungsgegnern als Informant der Regierung angesehen worden. Sein Vater sei telefonisch mehrfach gewarnt worden. Bei einer Rückkehr würden die Leute von Al-Shabaab ihn töten. In den Niederlanden sei er gewesen und habe dort zuvor etwas beantragt, ihm sei aber nichts gewährt worden. Seine Papiere, die er dort bekommen habe, habe er zurück gelassen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2014 lehnte die Beklagte seinen Asylantrag ab und erkannte ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu. Sie stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, binnen 30 Tagen auszureisen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde ihm die Abschiebung nach Somalia angedroht. Es wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Kläger am 1. August 2014 zugestellt.

Am 13. August 2014 hat er Klage erhoben. Die politischen Bedingungen in seinem Herkunftsstaat seien bedrohlich, wegen den anhaltenden blutigen Kämpfen zwischen den AMISOM und der Al-Shabaab drohe ihm bei seiner Rückkehr ernsthafter Schaden. Er sei im Jahr 2008 aus Mogadischu geflohen. Dort habe er im Stadtteil H. gelebt, es hätten äthiopische Soldaten in seiner Heimat gekämpft. Sein Vater sei verletzt worden und er, der Kläger, habe die Familie ernähren müssen. Er sei verfolgt worden und habe Mogadischu verlassen müssen. Sein Vater habe ihm etwas Geld von Einnahmen aus einem Grundstück geben können. Er sei auf dem Landweg über Äthiopien, Sudan, Libyen und dann über das Meer nach Malta gelangt. Von dort sei er weiter gezogen; die maltesischen Behörden hätten ihm eine Flugkarte gegeben. Dann habe er sich in Holland aufgehalten und sei von dort nach Deutschland weiter gezogen. Seine Asylanträge in Malta und Holland hätten keinen Erfolg gehabt. Seiner Familie in Mogadischu gehe es schlecht, seine Schwester und ihr Mann seien getötet worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2014 aufzuheben, soweit er entgegensteht, und die Beklagte zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach den §§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Somalia festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Am 27. Januar 2015 hat die mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht stattgefunden. Dort hat der Kläger seine Klage zurückgenommen, soweit er die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, beantragt hatte. Es wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und des Landkreises A. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

Soweit der Kläger seine Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch ohne die Anwesenheit der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte, aufrechterhalten hat, bleibt sie ohne Erfolg. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm den subsidiären Schutzstatus i.S. des § 4 Abs. 1 Asylgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.9.2008, BGBl. I S. 1798, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2015, BGBl. I S. 2010 - AsylG) zuerkennt, hilfsweise dass sie Abschiebungsverbote hinsichtlich Somalia nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.2.2008, BGBl. I S. 162, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2015, BGBl. I S. 2557 - AufenthG) feststellt. Der ablehnende Bescheid vom 25. Juli 2014 ist insoweit rechtmäßig.

1.

Der Kläger ist nicht subsidiär schutzberechtigt i.S. des § 4 AsylG; ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG besteht nicht.

Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht (Satz 1). Dies kann nur bei einer hinreichenden Gefahrendichte angenommen werden. Diese erfordert, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit im jeweiligen Gebiet mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, oder dass persönliche Umstände in der Person des Schutzsuchenden vorliegen, die das derartige Risiko erheblich erhöhen (vgl. für innerstaatliche bewaffnete Konflikte z.B. BVerwG, Urteil vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, ; EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C-465/07 -, ; vgl. für schlechte humanitäre Verhältnisse VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2013 - A 11 S 697/13 -, ).

Dabei ist es stets Sache des Ausländers, seine Gründe für die Furcht vor einer Verfolgung bzw. einem ernsthaften Schaden in schlüssiger Form vorzutragen, § 15 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und 2 AsylG. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung die begründete Furcht vor Verfolgung bzw. die Gefahr eines ernsthaften Schadens ergibt. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.

Für alle Anträge auf internationalen Schutz, unter den der hier begehrte subsidiäre Schutz i.S. des § 4 AsylG fällt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) fällt, gilt die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU (vom 13.12.2011, Abl. L 337 S. 9 - Qualifikationsrichtlinie). Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, Rn. 21).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger ein Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (a) oder des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (b) oder § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (c) bei seiner Rückkehr nach Mogadischu droht. Dabei zieht das Gericht in Betracht, dass zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus Mogadischu möglicherweise eine Ausgangssituation bestand, aufgrund derer ihm aufgrund des besonders hohen, allgemeinen Gefährdungsrisikos ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG drohte (zur Situation in Mogadischu in den Jahren 2008, 2009 und 2010 nur EGMR, Urteil vom 28.6.2011 - Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, 681 ff.). Dies dürfte für alle Ausreisezeitpunkte gelten, die nach der widersprüchlichen Schilderung des Klägers möglich erscheinen. Allerdings stellt das Gericht bei Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Maßgeblich für die Beurteilung ist damit die aktuelle Ausgangssituation. Hat sich diese - wie hier - gegenüber jener geändert, ist die tatsächliche Vermutung i.S. des Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU widerlegt.

a.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf einen Teil des Staatsgebietes erstreckt (vgl. BVerwG, Urteile vom 31.1.2013 - 10 C 15.12 -, ; vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, ). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist bzgl. der anzustellenden Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel nach strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ihm Schutz gewähren soll. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, a.a.O., Rn. 14).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher die Einzelrichterin folgt, ist geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.) anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, ; vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, ; vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, ; vom 13.2.2014 - 10 C 6.13 -, ; Beschluss vom 27.6.2013 - 10 B 11.13 -, ). Danach genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (BVerwG, Urteil vom 13.2.2014, a.a.O.). Allerdings kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008, a.a.O.). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2010, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Erforderlich ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a.a.O., Rn. 33).

Vorliegend ist die Gefahrenprognose für Mogadischu als der wahrscheinlichen Herkunftsregion des Klägers zu stellen. Dieser hat sowohl dem Bundesamt gegenüber als auch in der mündlichen Verhandlung behauptet, aus Mogadischu zu stammen und dort aufgewachsen zu sein. Die widersprüchlichen Angaben des Klägers zu seinem Herkunftsbezirk (F. einerseits und H. andererseits) führen hier nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Immerhin hat der Kläger geschildert, dass im Jahr 2008 äthiopische Soldaten die Regierungstruppen in Mogadischu unterstützt haben. Dies entspricht der Lage in Mogadischu im Jahr 2008, wie sie sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt (nur EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland, Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 25 oben).

Einiges spricht dafür, einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auch in Mogadischu anzunehmen (vgl. VG Stade, Urteile vom 16.6.2015 - 3 A 3507/13 - und vom 30.10.2014 - 4 A 19/14 -, nicht veröffentlicht; VG Göttingen, Urteil vom 21.7.2015 - 3 A 626/14 -, ). Typische Beispiele für die Annahme eines solchen bewaffneten Konflikts in Fällen, in denen zwar keine Kämpfe zwischen Streitkräften oder vergleichbar organisierten Gruppen vorliegen, die aber über bloße Tumulte oder innere Unruhen hinausgehen, sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände kann es genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, Rn. 23).

Aktuellen Informationen des Auswärtigen Amtes zu folge herrscht in vielen Gebieten in Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, noch immer Bürgerkrieg (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand November 2015, S. 5 unter I.1.1.). In vielen Teilen Mogadischus verübt die islamistische Al-Shabaab-Miliz weiterhin Anschläge, die sich zwar gezielt gegen strategische Ziele - insbesondere Restaurants und Hotels, in denen Regierungsmitglieder und Angehörige der AMISOM oder internationaler Organisationen verkehren - richten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Zivilpersonen regelmäßig betroffen sind. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen kam es in Mogadischu im Juli und August 2015 zu einem Anstieg gezielter Tötungen und komplexer Angriffe, für die sich die Al-Shabaab verantwortlich zeichnete (UN Security Council, Report of the Secretary-General on Somalia vom 11.9.2015). Am 10. Juli 2015 starben bei gleichzeitigen Angriffen auf zwei Hotels 11 Personen und etwa 20 Personen wurden verletzt. Ein Mitglied des Parlaments wurde am 25. Juli 2015 erschossen. Bei einer Explosion von Sprengstoff in der Nähe eines Hotels wurden 15 Personen getötet, darunter auch ein Mitglied einer chinesischen Delegation von Diplomaten, die in dem Hotel untergebracht waren. Die Explosion führte zu erheblichen Schäden am Hotel und nahe gelegenen Gebäuden. Ein weiterer Bombenangriff der Al-Shabaab auf ein Restaurant, das von somalischen Sicherheitspersonal besucht wurde, führte am 22. August 2015 zum Tod von 6 Personen, darunter 2 Zivilisten, und 18 Personen wurden verletzt (dazu nur UN Security Council, a.a.O., S. 3). In jüngster Zeit wurde über einen Angriff mittels einer Autobombe in der Nähe der Büros des somalischen Präsidenten und des Premierministers in Mogadischu mit mindestens 7 Toten und 10 Verletzten am 21. September 2015 berichtet (http://reliefweb.int/report/somalia/somalia-car-bomb-kills-7-near-presidential-palace-police). Weiter wurde der Neffe des somalischen Präsidenten am 7. Oktober 2015 von Anhängern der Al-Shabaab erschossen (http://www.bbc.com/news/world-africa-34465949) und es kam zu einem Angriff der Al-Shabaab auf ein vorwiegend von Parlamentariern frequentiertes Hotel in Mogadischu am 1. November 2015 mit mindestens 15 Toten (http://www.bbc.com/news/world-asia-34691602). Am 8. November 2015 starb ein Abgeordneter aufgrund einer Schießerei (http://reliefweb.int/report/somalia/somali-lawmaker-dies-after-shooting-prime-minister); am 21. Januar 2016 verübten Al-Shabaab Mitglieder Selbstmordattentate auf ein Hotel und wahrscheinlich auch ein Restaurant am Lido-Strand und nahmen diese Einrichtungen anschließend unter Beschuss (Frankfurter Rundschau ePaper vom 22.1.2016: Anschlag auf Hotel in Mogadischu).

Allerdings ist auf der Grundlage der Erkenntnismittel zum nach § 77 Abs. 1 AsylG entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die mittlerweile maßgeblich von den Anschlägen in Mogadischu ausgehende, willkürliche Gewalt so verbreitet ist, dass eine außergewöhnliche Situation vorliegt, die durch einen derart hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson - und damit auch der Kläger - allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Die vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 4.09 -, ) geforderte besonders hohe Gefahrendichte ist nicht mehr gegeben. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dem sich die Einzelrichterin anschließt, bewertet in seinem Urteil vom 16. Dezember 2015 (10 A 10689/15 -, ) die Gefahrendichte in Mogadischu wie folgt:

"Eine genaue Bewertung der Gefahrendichte aufgrund einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, erscheint jedoch kaum verlässlich möglich. Dies beruht bereits darauf, dass es für eine Gesamtbevölkerungszahl als Ausgangsbasis keine gesicherten Zahlen gibt und die entsprechenden Schätzungen erheblich differieren. Zudem kann die Zahl der Zivilpersonen, die Opfer willkürlicher Gewalt geworden sind, kaum annäherungsweise verlässlich geschätzt werden, weil belastbare Zahlen nicht vorhanden sind. Dies betrifft etwa die Frage, ob in den insoweit verfügbaren Aufstellungen die Zählung der "Zivilpersonen" auch solche Opfer umfasst, die den besonderen Risikogruppen (Politiker, Regierungsmitarbeiter etc.) angehören. Auch wird in den Berichten über Vorfälle meist lediglich über die Zahl der Getöteten, nicht aber auch über die der Verletzten berichtet.

Die Gesamtbevölkerung von Mogadischu wird vom Auswärtigen Amt als vermutlich deutlich über eine Million Einwohner einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener einschätzt (www.auswaertiges-amt.de). Setzt man zu dieser Einwohnerzahl die sich aus der Aufstellung von ACCORD (Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 3. November 2015) ergebende Zahl der im Jahr 2014 in der gesamten Region Banaadir verzeichneten 739 Vorfälle mit 586 Toten - jedoch bezogen auf alle Konfliktvorfälle, d.h. nicht nur Gewaltvorfälle gegen Zivilpersonen - würde sich unter Zugrundelegung dieser Zahlenwerte ein Tötungsrisiko von etwa 1:1700 (0,0586 %) ergeben, wobei eine Berechnung des Verletzungsrisikos mangels entsprechender verfügbarer Auflistung nicht möglich erscheint.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen in Mogadischu keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. In den Berichten ist regelmäßig von "Verbesserungen" die Rede, auch wenn dies angesichts der früheren extremen Situation nicht damit gleichgesetzt werden kann, dass keine wesentliche Gefahr für die Zivilbevölkerung mehr gegeben ist. Aus der Hauptstadt Mogadischu wurde die Al Shabaab Miliz im August 2011 vertrieben. Es gelingt ihr zwar immer wieder, Anschläge zu verüben. Diese Anschläge richten sich aber in der Regel gezielt gegen Funktionsträger (vgl. Danish Immigration Service, South Central Somalia - Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process, September 2015, S. 11). Wegen der verdeckten Präsenz der Al Shabaab besteht in Mogadischu für mehrere Risikogruppen (z. B. Regierungsmitarbeiter, Politiker, Sicherheitskräfte etc.) eine Gefahr durch auf Funktionsträger und deren Einrichtungen gerichtete Attentate und Anschläge. Für den einfachen Stadtbewohner droht hingegen als einzige Gefahr, sich "zur falschen Zeit am falschen Ort" zu befinden und damit Opfer im Rahmen solcher Anschläge zu werden (Österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation - Somalia - Sicherheitslage, 25. Juli 2013, S. 43). Die Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte daher zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Dies beruht darauf, dass nach bisheriger Erkenntnislage durch die von der Al Shabaab vorgenommene strategische Auswahl der Anschlagsziele bestimmte Berufsgruppen in besonderer Weise betroffen waren: Regierungsmitarbeiter, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte, Abgeordnete, mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker. Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Erkenntnisquellen verübten Anschläge (siehe zu den Ereignissen im Jahr 2015 etwa die Aufstellung von ACCORD, ecoi.net-Themendossier: Al Shabaab: Zeitachse von Ereignissen, Stand 22. September 2015: September 2015: Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe Mogadischu; August 2015: Bombenanschlag in Mogadischu; Juli 2015: schwerer Bombenanschlag auf das Hotel Jazeera Palace, Anschlag auf zwei Hotels in Mogadischu, wovon sich eines nahe dem somalischen Parlament befindet; Juni 2015: Selbstmordanschlag auf einen diplomatischen Konvoi; April 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Restaurant vor dem Central Hotel, in dem sich oft Politiker aufhalten, Angriff auf einen Regierungskomplex u.a. mit einem mit Sprengstoff beladenen Auto; März 2015: Besetzung eines Hotels, Autobombenanschlag vor einem Hotel; Februar 2015: Angriff auf ein Hotel, in dem Regierungsbeamte das Freitagsgebet abgehalten haben, Angriff auf den Präsidentenpalast; Januar 2015: Explosion einer Autobombe vor einem Hotel, in dem Delegierte der Türkei den Besuch des türkischen Präsidenten vorbereiteten, Selbstmordanschlag nahe dem Flughafen; siehe zudem zu Vorfällen in den vergangenen Monaten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes vom 28. September 2015: Autobombenanschlag nahe dem Präsidentenpalast; Briefing Notes vom 2. November 2015: Angriff auf das Hotel Sahafi). Die Betrachtung der - in den o. g. Aufstellungen von ACCORD auch für die Vorjahre - verzeichneten Anschläge zeigt, dass es die Al Shabaab nicht gezielt auf Zivilisten absieht, insoweit aber Opfer in Kauf nimmt. Die Vorkommnisse, über die berichtet wird, sind insgesamt nicht so häufig und erreichen keine so hohen zivilen Opferzahlen, als davon gesprochen werden könnte, dass jeder Zivilist der weit über eine Million Einwohner zählenden Stadt aufgrund seiner bloßen Anwesenheit gefährdet wäre."

Legt man die aktuell nur für das erste Quartal 2015 vorliegenden Todesfälle für die Region Banaadir von 138 zu Grunde (s. ACCORD, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project - ACLED - vom 26.11.2015) und rechnet ausgehend von diesem Wert mit 552 Todesfällen für das ganze Jahr 2015, ergibt sich ebenfalls kein ausreichend hohes Todesrisiko (1:1800 = 0,055 %), um eine besonders hohe Gefahrendichte im Sinne des BVerwG anzunehmen. Selbst unter Berücksichtigung weiterer Dunkelziffern und der in der ACLED-Statistik nicht aufgeführten Verletzungsfälle kann davon ausgegangen werden, dass die Gefahr, eine schwere Menschenrechtsverletzung aufgrund des bewaffneten Konfliktgeschehens in Mogadischu zu erleiden, nicht hinreichend verdichtet ist. Denn sie bleibt im unteren Promille-Bereich und damit in einem Bereich, den das Bundesverwaltungsgericht nicht für ausreichend hält (z.B. Urteil vom 17.11.2011, a.a.O.: Tötungs- und Verletzungsrisiko von 1:800 nicht ausreichend). Auch die wertende Gesamtbetrachtung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Al-Shabaab-Angriffe der letzten Monate sind noch immer von derselben Taktik geprägt, wie sie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner zitierten Entscheidung beschrieben hat. Zivilpersonen sind demnach nicht hauptsächlich betroffen (im Ergebnis ebenso VG Stade, Urteil vom 5.10.2015 - 3 A 3658/13 -, ; VG Aachen, Urteil vom 13.4.2015 - 7 K 711/14.A -, ; VG Regensburg, Urteil vom 8.1.2015 - RN 7 K 14.30016 -, ).

Die Situation des Klägers bietet vorliegend keinen Anlass, eine individuelle Gefahrerhöhung für ihn anzunehmen. Über die Umstände, unter denen der Kläger Somalia verlassen hat, lässt sich seinen Schilderungen bestenfalls Vages entnehmen. Weder dem Bundesamt noch dem Gericht gegenüber hat der Kläger irgendwie anschaulich oder substantiiert beschreiben können, dass er aufgrund persönlicher Merkmale besonders gefährdet erscheint. Sofern er behauptet hat, dass eine islamistische Gruppierung ihn vor seiner Flucht gesucht hätte, glaubt die Einzelrichterin seiner Schilderung nicht. Denn diese ist völlig oberflächlich geblieben. Der Kläger hat nicht ansatzweise beschreiben können, welches Ereignis oder welches Merkmal seiner Person Anlass zu einer möglichen Verfolgung gegeben haben könnte. Daher bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Rückkehr nach Mogadischu von Islamisten wie der Al-Shabaab aufgrund individuell gefahrerhöhender Merkmale verfolgt werden würde. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass er allein aufgrund seines Aufenthaltes in Europa und Deutschland bei einer Rückkehr nach Mogadischu individuell verstärkt gefährdet wäre. Denn die Sicherheitslage für unauffällige Auslandsrückkehrer wie dem Kläger ist individuell nicht erhöht (EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland, Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 82).

b.

Als ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gilt Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Diese Vorschrift setzt Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU (vordem Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG) um. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 31. Januar 2013 (- 10 C 15.12 -, Rn. 23) kann die Abschiebung durch einen Konventionsstaat dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (EGMR, Urteile vom 7.7.1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 [BFH 13.03.1990 - IX R 104/85] Rn. 90 f. und vom 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05] Rn. 42).

Ebenso wie bei Art. 3 EMRK ist im Rahmen des § 4 Abs. 1 AsylG Voraussetzung für den Schutz, dass ernsthafte Gründe für eine konkrete individuelle Gefahr des Betroffenen festgestellt werden können (Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylG Rn. 29 und Rn. 36). Nach §§ 4 Abs. 3 i.V. mit 3c Abs. 1 AsylG muss die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor einem ernsthaften Schaden zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Eine subsidiären Schutz begründende konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG im Herkunftsland eines Ausländers wegen unzureichender humanitärer Lebensbedingungen kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn diese die Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist und sich diese gegen eine Einzelperson oder eine individualisierbare Gruppe von Personen richtet (Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylG, Rn. 38, 40). Schlechte humanitäre Verhältnisse können dann eine "Behandlung" im Sinne des Art. 3 EMRK sein, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will, beruhen. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen, wenn diese nicht zumindest überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifizieren zu können (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2013 - A 11 S 697/13 -, Rn. 71; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylG Rn. 37; s. auch Urteil der erkennenden Kammer vom 30.11.2015 - 1 A 597/14 -, nicht veröffentlicht).

Vorliegend ist die Einzelrichterin nicht zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Mogadischu mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im oben genannten Sinne drohen würde. Ein Ausnahmefall, in dem humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung und für die Gewährung subsidiären Schutzes sprechen, liegt auch mit Blick auf die individuelle Situation des Klägers nicht vor.

Dabei ist davon auszugehen, dass entscheidend für die Beurteilung einer Menschenrechtsverletzung die Fähigkeit einer Person ist, im Zielgebiet ihre elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu decken, sowie ihre Verletzlichkeit durch Misshandlungen und die Aussicht auf Verbesserung innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens. Dieser Maßstab folgt aus der Rechtsprechung des EGMR als für die Auslegung des Art. 3 EMRK maßgeblichem Gericht im Urteil M.S.S./Belgien und Griechenland (Urteil vom 21.1.2011 - Nr. 30696/06 -, NVwZ 2011, 413). In der Entscheidung vom 28. Juni 2011 (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 ff.) hat der EGMR ausgeführt, dass das im Fall N./Vereinigtes Königreich (vom 17.7.2008, NVwZ 2008, 1334) verwendete Kriterium angemessen sei, wenn die schlechten humanitären Bedingungen im Zielstaat nur oder zumindest überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Gehe die humanitäre Krise überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurück, sei das im Urteil M.S.S. / Belgien und Griechenland verwendete Kriterium besser geeignet (Rn. 283). Letzteres ist bei Somalia der Fall, wie der EGMR in der Entscheidung Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich (a.a.O.) bereits angenommen hat und wie sich auch daraus ergibt, dass die humanitären Bedingungen trotz des Endes der Dürre im Jahr 2011 nicht einmal den in afrikanischen Ländern üblichen Standard erreicht haben. Nachdem zwischen 2010 und 2012 fast 260.000 Menschen verhungert sind, wird für Frühjahr 2014 immer noch von 860.000 akut unterernährten Personen, 2 Mio. Personen am Rande des Existenzminimums und 203.000 unterernährten Kindern berichtet (vgl. EASO, a.a.O., S. 37). Für das Jahr 2015 hat sich die Lage nicht verbessert; auch prognostisch ist - nicht zuletzt wegen des "El-Niño-Wetterphämomens" und zahlreicher Rückkehrer aus dem Jemen - eine Besserung nicht in Sicht (UN Sicherheitsrat, Report of the Secretary-General on Somalia, 11.9.2015, Rn. 67 ff.). Die vorliegenden Erkenntnisquellen stimmen darin überein, dass ein wesentlicher Grund für die humanitäre Krise ist, dass bewaffnete Gruppen die Arbeit von Hilfsorganisationen ver- oder zumindest behindern (anschaulich Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25.10.2013, a.a.O).

Zwar ist die humanitäre Lage in Mogadischu für Rückkehrer aus dem Ausland äußerst problematisch. Abgesehen davon, dass Überleben in Mogadischu nach wie voraussetzt, durch angepasstes Verhalten weder der Al-Shabaab-Miliz noch den Regierungskräften aufzufallen, sind die Erwerbsmöglichkeiten besonders eingeschränkt durch die Konkurrenz mit der erheblichen Zahl von rückkehrenden Binnenvertriebenen (dazu und zum Folgenden VG Regensburg, Urteil vom 8.1.2015 - RO 7 K 13.30801 -, Rn. 30). Wie Berichte über die Situation von Binnenvertriebenen zeigen (nur Alexandra Geiser für die Schweizerische Flüchtlingshilfe, Somalia: Situation von Intern Vertriebenen, vom 25.10.2013) kehren diese wegen Zwangsräumungen sowie wegen Diskriminierung und Gewalt in den Lagern oft ohne Perspektive hinsichtlich der künftigen Lebenssituation zurück. Bei der Konkurrenz um die kaum vorhandenen Arbeitsplätze haben sie aber Vorteile gegenüber Rückkehrern aus dem Ausland, weil ihnen die Situation und Machtverhältnisse vor Ort noch vertrauter sind, sie regelmäßig detailliertere Kenntnisse über aktuelle Entwicklungen haben dürften, leichter an frühere Kontakte anknüpfen können und nach der Beschreibung der Verhältnisse in den Lagern häufig auch mehr Taktiken bezüglich des erforderlichen angepassten Verhaltens entwickelt bzw. nicht verlernt haben dürften. Berichtet wird weiter, dass die Einkommensmöglichkeiten in Zusammenhang mit der Clanzugehörigkeit stehen und Angehörige eines Minderheitenclans wegen des fehlenden Netzwerks eines herrschenden Clans besonders benachteiligt sind (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 25.10.2013, a.a.O.). Ebenso muss auf die Sicherheitssituation Rücksicht genommen werden, so dass z.B. ein Tätigwerden in der Nacht nicht in allen Gebieten oder nur eingeschränkt möglich sein dürfte (vgl. z.B. EASO, South and Central Somalia Country Overview, August 2014, Ziff. 3.4.9.). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist nicht gewährleistet; es gibt keine Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrerinnen und Rückkehrer. Die Hauptsorge von Rückkehren sind das gelegentliche unvorhersehbare Verhalten der Sicherheitskräfte (dazu aktuell BBC vom 16.11.2015: "Somali refugees killed as forces clash in Mogadishu" - http://www.bbc.com/news/world-africa-34833538), die Sicherheits- und Versorgungslage allgemein sowie mögliche Übergriffe von Al-Shabaab (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1.12.2015, Stand November 2015, S. 16 unter IV.2.).

Allerdings geht die Einzelrichterin nicht davon aus, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Mogadischu in einer Weise verelenden würde, die einen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten ließe. Eine andere Beurteilung wäre möglicherweise angezeigt, wenn es sich bei ihm um einen jungen Auslandsrückkehrer ohne familiäre Unterstützung und ohne Kernfamilie in Mogadischu handeln würde (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 2.11.2015 - GZ 508-9-516.80/48579). Dies ist indes nicht der Fall. Denn er kann auf ausreichende Unterstützung seiner Kernfamilie zurückgreifen, um zumindest in einem bescheidenen Rahmen seine existenziellen Bedürfnisse zu sichern. Der Kläger hat sowohl dem Bundesamt als auch dem Gericht gegenüber angegeben, dass seine Eltern noch in Mogadischu wohnen. Seine Angaben vor dem Bundesamt zu Grunde gelegt, dürfte von einem gewissen Wohlstand auszugehen sein, weil es anderenfalls nicht erklärlich erschiene, dass 9.000 Dollar für seine Ausreise mit dem Flugzeug aufgewendet werden konnten. Seine Angaben in der mündlichen Verhandlungen lassen zwar auf eine deutlich bescheidenere Herkunft schließen. Jedoch war es auch hier der Familie möglich, Geld für die Ausreise des Klägers zu beschaffen. Der Kläger hat zudem geschildert, dass er selbst in der Lage war, zur Versorgung der Kernfamilie durch die Ausübung von Hilfstätigkeiten beizutragen. Dabei konnte er auf bereits vorhandene Kontakte seines Vaters zurückgreifen. Auch wenn der Kläger nun mehrere Jahre im europäischen Ausland zugebracht hat, ist davon auszugehen, dass er über seine Kernfamilie und seinen Clan wieder berufliche Kontakte in Mogadischu knüpfen könnte. Dabei würden ihm auch seine in Deutschland erworbenen bzw. weiter vertieften handwerklichen Fähigkeiten helfen. Der Umstand, dass der Kläger keinem der Mehrheitsclans, sondern der Minderheit der Shiidle (vgl. EASO Informationsbericht über das Herkunftsland, Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 48) angehört, führt zu keiner anderen Betrachtung. Es handelt sich hierbei nicht um eine besonders marginalisierte oder ausgebeutete Gruppe. Es ist auch nicht zu befürchten, dass die Zugehörigkeit zu den Shiidle dazu führt, etwa wegen Unterstützung für die Al-Shabaab in besonderer Weise Racheakten anderer Bevölkerungsteile ausgesetzt zu sein (dazu UK Home Office, Country Information and Guidance - South and central Somalia: Majority clans and minority groups, März 2015, S. 25 ff.). Der Kläger hat überdies zu keinem Zeitpunkt geschildert, dass er wegen seiner Clanzugehörigkeit besonderen Nachteilen ausgesetzt gewesen sei. Soweit er behauptet, in das Visier einer islamistischen Gruppierung geraten zu sein, hält die Einzelrichterin seine - wie bereits oben ausgeführt - Schilderung für nicht glaubwürdig. Daher ist nicht anzunehmen, dass er in bei einer Rückkehr nach Mogadischu in besonderer Weise von der Al-Shabaab drangsaliert werden würde.

c.

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr durch die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG droht, liegen nicht vor.

2.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG besteht nicht. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrecht und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 EMRK zu Lasten des Klägers ist bei seiner Rückkehr nach Mogadischu nicht anzunehmen. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Ob der Kläger sich möglicherweise auf ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis berufen kann, weil er mit einer deutschen Staatsbürgerin eine Tochter hat, ist im vorliegenden Asylverfahren nicht zu klären. In diesem Verfahren sind ausschließlich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse von Bedeutung.

3.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht für den Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia nicht. Eine solche könnte ohnehin nur angenommen werden, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann (vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - und vom 12.7.2011 - 1 C 2.01 -, [...]; OVG NRW, Beschluss vom 10.9.2014 - 13 A 984/14.A -, ). Eine solche extreme Gefahrenlage ist nach den obigen Ausführungen in Mogadischu nicht gegeben. Weitere Gründe, aus denen sich eine solche Gefahr für den Kläger ergeben könnte, sind nicht erkennbar. Es handelt sich bei ihm um einen gesunden jungen Mann, der bei seiner Rückkehr nach Mogadischu auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen und im bescheidenen Umfang einer beruflichen Tätigkeit nachgehen könnte.

4.

Gegen die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger einen Aufenthaltstitel besitzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO; 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.