Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.07.2002, Az.: 12 A 2199/00

Heilpraktiker; Teilantworten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
19.07.2002
Aktenzeichen
12 A 2199/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43413
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung.

2

Er stellte am 23. April 1999 einen Antrag auf Erteilung der o.a. Erlaubnis. Am 16. September 1999 nahm er am schriftlichen Teil der Überprüfung seiner Kenntnisse teil. Ihm wurden sechzig Fragen zur Beantwortung im Antwort-Wahl-Verfahren vorgelegt. Davon bewertete der Gutachterausschuss 28 mit richtig und 32 mit falsch.

3

Mit Bescheid vom 3. November 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe den schriftlichen Teil der Überprüfung der Fähigkeiten und Kenntnisse nicht bestanden und versagte ihm die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung wegen unzureichender Kenntnisse. Die Anwendung der Heilkunde durch ihn sei eine Gefahr für die Volksgesundheit.

4

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17. November 1999 Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, er habe lediglich zwölf Fragen falsch beantwortet. Bei drei Fragen habe er richtige Teilantworten erbracht, die für sich bereits geeignet seien, den Nachweis dafür zu führen, dass er erkennen könne, wann ein Patient in fachärztliche Behandlung zu überweisen sei. Deshalb seien diese Antworten zu Unrecht mit falsch bewertet worden, weil eine Gefahr für die Volksgesundheit nicht vorliege. Drei weitere Fragen seien nicht geeignet, bei falscher Beantwortung auf eine Gefahr für die Volksgesundheit zu schließen. Schließlich seien vierzehn Fragen so formuliert, dass es nicht möglich sei, eindeutig darauf zu antworten.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2000 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf eine dem Widerspruchsbescheid beigefügte Stellungnahme des Gutachterausschusses vom 22. Februar 2000.

6

Am 8. Juni 2000 hat der Kläger Klage erhoben, die er damit begründet, das Prüfungsverfahren entspreche nicht den Richtlinien der Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz. Die Beklagte verlange Kenntnisse, die über die unabweisbaren Mindestanforderungen hinausgingen. Nur diese könnten aber von ihm verlangt werden. Zudem müsse ein Heilpraktiker nur erkennen, wann eine Überweisung an den Hausarzt geboten sei. Er  müsse ärztliche Diagnosen aber nicht selbst stellen können. Nur wenn die Überweisungsverpflichtung verkannt werde, liege eine Gefahr für die Volksgesundheit vor. Zudem seien Fragen nicht ordnungsgemäß bewertet oder aber mehrdeutig formuliert; zumindest habe er aber einige Aufgaben teilweise richtig beantwortet, nur zwölf Antworten seien tatsächlich falsch gewesen.

7

Die Beklagte erwidert, zwar sei die zur Abwehr einer Gefahr für die Volksgesundheit vorzunehmende Überprüfung des Klägers keine Fachprüfung im üblichen Sinne, sondern sie konzentriere sich vor allem auf die Überprüfung, ob die Grenzen der heilkundlichen Befugnisse bekannt seien, wann ein Patient an einen Hausarzt zu überweisen sei und ob die Bereitschaft vorhanden sei, entsprechend zu handeln. Hierfür müssten Grundkenntnisse in verschiedenen Bereichen vorhanden sein. Die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers seien den Anforderungen der schriftlichen Überprüfung aber nicht gerecht geworden. Das Prüfungsverfahren habe den einschlägigen Richtlinien entsprochen, insbesondere sei das Antwort-Wahl-Verfahren zulässig. Die Fragen seien verständlich formuliert und auf den Bereich der unerlässlichen Kenntnisse beschränkt gewesen. Die Bewertung sei fehlerfrei erfolgt, wie die Stellungnahme des Gutachterausschusses zeige. Der ablehnende Bescheid sei zu Recht ergangen, weil der Kläger nicht mindestens 75 % der Fragen richtig beantwortet habe.

8

Am 23. November 2000 hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

9

II. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg. Ungeachtet der Frage, ob wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers besteht, fehlt es an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Zulassung.

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Denn ein Anspruch auf die Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 Heilpraktikergesetz (in der Fassung des 8. Euro-Einführungsgesetzes vom 23. Oktober 2001, BGBl. I S. 2702 - HPG), die Heilkunde auszuüben, ohne Arzt zu sein, besteht nur, wenn kein Versagungsgrund gemäß § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (in der Fassung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2002, BGBl. I S. 1467 - DVO-HPG) besteht. Ein solcher Versagungsgrund ist gegeben, wenn sich aus der Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 lit. i DVO-HPG durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeutet.

11

Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht keine Erlaubnis erteilt, weil der o.a. Versagungsgrund gegeben ist. Es bestehen weder rechtliche Bedenken gegen die Gestaltung der Überprüfung (1.) noch gegen die Feststellung der Beklagten, dass aufgrund der vom Kläger gezeigten Kenntnisse und Fähigkeiten davon auszugehen ist, dass mit der Ausübung der Heilkunde durch ihn Gefahren für die Volksgesundheit verbunden sind (2).

12

Die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers durch eine schriftliche Prüfung, bei der der Kläger im Antwort-Wahlverfahren von sechzig Fragen mit jeweils fünf Antwortmöglichkeiten die richtige Antwortkombination anzukreuzen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn insoweit entspricht es der Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz, Nr. 5.7.3 (Runderlass des Sozialministeriums vom 22. Februar 1995, Nds. Mbl. 1995, 375, geändert durch Runderlass vom 21. Juni 1995, Nds. Mbl. 1995, 799). Eine Teilung in ein Antwort-Wahl-Verfahren und in wörtliche Darlegungen ist in der vorgen . Durchführungsrichtlinie nicht vorgesehen. Insoweit bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken, dass das Verfahren geeignet ist, die für die Erlaubnis erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Antragstellers zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei nicht um eine berufliche Prüfung im herkömmlichen Sinne handelt. Die schriftliche Prüfung stellt eine Mitwirkung des Antragstellers bei der von der Zulassungsbehörde allein abzuklärenden Frage dar, ob der jeweilige Antragsteller über ausreichende Kenntnisse verfügt und somit die Ausübung der Heilkunde keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt.

13

Die getroffene Feststellung der nicht ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers aufgrund einer Gesamtwürdigung des Überprüfungsergebnisses und der damit verbundenen Besorgnis der Gefahr für die Volksgesundheit ist aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden.

14

Die Kenntnisüberprüfung hat den Zweck festzustellen, ob ein Antragsteller "eine Gefahr für die Volksgesundheit" darstellt. Um dies festzustellen, muss ein Antragsteller über hinreichende Kenntnisse in Anatomie, Physiologie sowie in Diagnostik und Therapie verfügen. Zudem muss er ausreichende Kenntnisse der Seuchengesetze und der Pflichten besitzen, die bei gemeingefährlichen Krankheiten zu beachten sind. Außerdem muss er über deren äußere Erscheinungsformen Bescheid wissen. Dabei sind auch solche fachlichen Grundlagenkenntnisse der Medizin zu überprüfen, ohne deren Beherrschung heilkundliche Tätigkeiten leicht mit Gefahren für die  menschliche Gesundheit verbunden sein können (vgl. Kurtenbach, Erläuterungen zum HPG; BayVGH, Urteil vom 20. November 1996 - 7 B 95.3170 -, BayVGHE 51, 31; OVG Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1997 - 13 A 4973/94 -, NVwZ-RR 1999, 40 - vgl. auch 5.7.2 Durchführungs-Richtlinie).

15

Der Kläger hat die in der o.a. Durchführungsrichtlinie vorgesehene Bestehensgrenze von 75 v.H. der ihm gestellten Aufgaben (Nr. 5.7.2.) nicht erreicht. Dazu wäre es notwendig gewesen, fünfundvierzig der sechzig Aufgaben richtig zu lösen.

16

Die Bestehensgrenze von 75 v.H. der gestellten Aufgaben begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass durch den im HPG vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) eingegriffen wird. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes über die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffes in das Grundrecht der Berufsfreiheit ist das Ziel des HPG, die Volksgesundheit durch einen Erlaubniszwang für Heilbehandler ohne Bestallung zu schützen, durch Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Bei der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine solche subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht (zuletzt BVerfG vom 7. August 2000 - 1 BvR 254/99 -, GewArch 2000,  418 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Dezember 1997, a.a.O.). Nach Maßgabe dessen ist die Bestehensgrenze auch im Hinblick auf den Umstand, dass im Gegensatz zu anderen beruflichen Prüfungen, die regelmäßig nur zweimal wiederholt werden können, die Überprüfung von Erlaubnisbewerbern nach dem HPG uneingeschränkt wiederholbar ist, angemessen und steht im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. November 1996, a.a.O.).

17

Nach Maßgabe dessen ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte. Der Kläger räumt ein, dass er zwölf der sechzig Fragen unzutreffend beantwortet hat. Da er mindestens weitere vier Fragen nicht ausreichend beantwortet hat (und insoweit seine Einwände nicht durchgreifen), hat er mindestens ein Viertel der gestellten Fragen nicht ausreichend beantwortet, so dass die erforderlichen Kenntnisse bei der Überprüfung nicht nachgewiesen worden sind; ob darüber hinaus bestimmte Antworten unzutreffend bewertet oder bestimmte Antwortmöglichkeiten nicht zur Verfügung standen, bedarf keiner Entscheidung, da selbst bei der Annahme einer richtigen Beantwortung dieser Fragen durch den Kläger eine für ihn günstigere Entscheidung auszuschließen ist.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers ist davon auszugehen, dass er auch die Fragen 1, 4, 15, 20, 25, 44, 50 und 52 nicht ausreichend beantwortet hat.

19

Zur Frage 1 hat der Kläger vorgetragen, dass auch seine Antwort E richtig sei. Dem ist der Gutachterausschuss mit eingehender Begründung entgegen getreten. Gegen diese fachliche Erwiderung hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, dass die vom ihm vorgetragene Lösung dennoch zutreffend sein soll; vielmehr wiederholt er lediglich seine Begründung zum Widerspruch.

20

Zur Frage 4 gab der Kläger bei der Prüfung die Antwort E (Teilantworten 3, 4, 5). In der Begründung seines Widerspruches führte er aus, dass die Antwort D (Teilantworten 2, 3 und 5) zwar richtig sei, jedoch nicht die Teilantwort 1 enthalte, die auch zu nennen gewesen wäre. Hierzu führte der Gutachterausschuss eingehend an, dass die richtige Antwort C (Teilantworten 1, 2 und 5) sei; die vom Kläger für richtig erachtete Antwort D bzw. E sei falsch, weil sie jeweils die fehlerhafte Teilantwort 3 enthalte. Auch hiergegen hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, sondern wiederholt allein seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren.

21

Entsprechendes gilt für die Frage 20. Hierzu führte der Gutachterausschuss im Einzelnen aus, dass die vom Kläger nicht genannten Teilantworten 1 und 5 zutreffend sind. Auch hierzu trägt der Kläger zur Begründung seiner Klage nicht vor, so dass kein Anhalt dafür besteht, dass die Feststellung des Gutachterausschusses unzutreffend ist.

22

Ebenso trifft dies auf die Frage 25 zu. Der Gutachterausschuss erwidert auf die Widerspruchsbegründung, dass Gegenstand der Frage die Ursache für "Cor pulmonale" sei und nicht die in der Widerspruchsbegründung dargelegten, durch diese Ursache in Gang gesetzten pathophysiologischen Mechanismen. Auch hierzu hat der Kläger mit seiner Klagebegründung nicht substantiiert vorgetragen, dass die Ausführungen des Gutachterausschusses fehlerhaft sind.

23

Betreffend Frage 44 macht der Gutachterausschuss geltend, dass der Kläger entgegen der Antwort bei der schriftlichen Überprüfung und der Widerspruchsbegründung übersehen habe, dass die Teilantwort 3 zutreffend sei. Da der Kläger in seiner Klagebegründung auch dem nicht substantiiert entgegen getreten ist, besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Feststellung des Gutachterausschusses zu zweifeln. Entsprechendes gilt für die Frage 50, bei der nach den Ausführungen des Gutachterausschusses die Antwort C (Teilantworten 1, 3 und 4) richtig ist.

24

Auch die Aufgabe 52 bewertete der Beklagte zutreffend als nicht ausreichend beantwortet, weil der Kläger zwei Antworten kennzeichnete. Denn der Kläger hat durch das Ankreuzen mehrerer Antworten zu erkennen gegeben, dass er nicht in der Lage war, die richtige Antwort sicher zu finden, indem er die falsche Markierung eindeutig nicht so ausstrich, dass auch für den Prüfer unzweifelhaft erkennbar war, welche Antwort gelten sollte.