Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 30.04.2015, Az.: 8 U 66/13

Schadensersatz und Schmerzensgeld aus Tierhalterhaftung; Adäquanz eines Kausalverlaufs; Mittelbarer Zusammenhang zwischen einer Körperverletzung und dem Verhalten eines Tieres

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
30.04.2015
Aktenzeichen
8 U 66/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 09.04.2013 - AZ: 7 U 1322/12 (204)

Redaktioneller Leitsatz

Ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer Adäquanz liegt auch dann vor, wenn lediglich ein mittelbarer Zusammenhang zwischen einer Körperverletzung und dem Verhalten eines Tieres besteht.

In dem Rechtsstreit
der Frau C. B., .....
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte P. & Collegen, .....
Geschäftszeichen: .....
gegen
Herrn B. S., .....
Beklagten und Berufungsbeklagten,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S. & P., .....
Geschäftszeichen: .....
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Richter am Oberlandesgericht ..... als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 31.03.2015 f ü r R e c h t e r k a n n t:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2013 - Aktenzeichen: 7 U 1322/12 (204) - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2012 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 46,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf die Wertstufe bis 45.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt unter dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung aus abgetretenem Recht Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Wegen des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (LGU Seite 1-3, Bl. 62 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und Ansprüche aus Tierhalterhaftung gegen den Beklagten verneint. Es sei nicht feststellbar, dass sich die spezifische Tiergefahr realisiert habe und diese für die Verletzung des geschädigten Zeugen B. ursächlich geworden sei. Nicht das Bellen oder die etwaige Berührung des Hundes des Beklagten hätten den Ehemann der Klägerin in Angst und Schrecken versetzt. Vielmehr sei dieser durch ein plötzliches lautes Geräusch und einer etwaigen Berührung an seinem linken Bein überrascht worden. Er habe sich daher seine etwaige Verletzung nicht aus Angst vor dem Angriff eines Hundes zugezogen. Vielmehr habe sich jener nur reflexhaft nach links gedreht, um eine unklare und für ihn überraschende Situation nachvollziehen zu können. Da letztlich jedes andere Geräusch oder jede andere Berührung eine solche Reaktion des Zeugen B. hätte auslösen können, habe sich nicht die besondere Tiergefahr, sondern nur ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, so dass ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ausscheide.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 12.04.2013 zugestellte (Bl. 68 d. A.) Urteil mit Schriftsatz vom 19.04.2013, Eingang beim Oberlandesgericht Braunschweig am 22.04.2013 (Bl. 71 d. A.), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11.06.2013, eingegangen am selben Tage (Bl. 78 d. A.), begründet.

Die Klägerin greift das Urteil in vollem Umfang an. Entgegen der Annahme des Landgerichts hafte der Beklagte sehr wohl aus Tierhalterhaftung. Das Verhalten des Hundes habe zu einer Verletzung ihres Ehemanns geführt. Indem der Hund des Beklagten den Zeugen B. von hinten angesprungen und angebellt habe, habe dieser mit einer Attacke des Tieres gerechnt und befürchten müssen, eventuell gebissen zu werden. Die Berührung und das Bellen hätten diesen dann veranlasst, sich umzudrehen. Der Hund habe daher eine physische Wirkung, nämlich einen Reflex beim Zeugen B., ausgelöst, was schließlich zum Verdrehen des Knies und der Verletzung geführt habe. Insoweit bestehe ein adäquater Ursachenzusammenhang zwischen dem Bellen und dem Berühren durch den Hund und der anschließenden Knieverletzung. Es habe sich auch gerade die typische Tiergefahr realisiert. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens bzgl. der eingetretenen Verletzung ist sie der Auffassung, dass trotz des Vorschadens eine Operation am Kreuzband ohne den Vorfall vom 19.05.2011 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich gewesen wäre. Erst aufgrund der durch den Vorfall erlittenen Verletzung sei ihrem Ehemann geraten worden, eine Kreuzbandoperation durchzuführen. Sie ist der Auffassung, dass der Sachverständige zu seinem Gutachten noch weiter zu hören sei und die Zeugen B. und der Orthopäde Dr. K. zu vernehmen seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.04.2013 - Aktenzeichen: 7 O 1322/12 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin 30.236,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2012 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 7.000,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2012 zu zahlen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.419,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die bisher noch nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, mithin noch nicht klageweise geltend gemacht wurden und ihrem Ehemann, Herrn J. B., aufgrund des streitgegenständlichen Schadensfalls vom 19.05.2011 entstanden sind und noch entstehen werden, aufgrund abgetretenen Rechts zu ersetzen,

sowie hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt an, dass die Verletzung des Zeugen B. nicht auf der Verwirklichung einer speziellen Tiergefahr beruht habe. Vielmehr habe sich nur ein allgemeines Lebensrisiko realisiert. Nach Einholung des Gerichtsgutachtens stehe ferner fest, dass der geschädigte B. nur eine geringfügigste vorfallsbedingte Beeinträchtigung erlitten habe. Entscheidend sei, dass die Kreuzbandersatzplastik nicht dem streitgegenständlichen Ereignis zugeordnet werden könne. Der im Berufungsverfahren erhobene Feststellungsantrag sei verspätet und nicht durch die am 28.05.2012 (Anlage 1) erfolgte Abtretung der Ansprüche des Zeugen B. an die Klägerin gedeckt sowie im Übrigen verjährt.

Mit Beschluss vom 19.12.2013 hat der Senat ein orthopädisches Gutachten über die Verletzungen des Ehemanns der Klägerin eingeholt (Bl. 107 ff. d. A.). Auf den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. vom 12.01.2015 (Bl. 157 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache - mit Ausnahme eines geringfügigen Schmerzensgeldes und anteiliger außergerichtlicher Anwaltskosten - keinen Erfolg. Im Einzelnen:

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aufgrund der Abtretungserklärung vom 28.05.2012 (Anlage K 1) ist sie berechtigt, die Rechte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen, die ihrem Ehemann aus dem Vorfall vom 19.05.2011 erwachsen sind.

2.

Der Beklagte haftet dem Grunde nach der Klägerin aus Tierhalterhaftung gem. § 833 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. § 833 Satz 1 BGB stellt einen Fall der Gefährdungshaftung dar und liegt in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens begründet, für das der Halter als derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft und beherrscht, einstehen soll.

a.

Der Ehemann der Klägerin hat einen Körperschaden, nämlich ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk erlitten. Das ist unstreitig.

b.

Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass ihr Ehemann durch den Vorfall einen weitergehenden Gesundheitsschaden, nämlich einen Kreuzbandriss erlitten hat. Der Zeuge B. hat sich nicht - wie in der Klageschrift behauptet - an einem bereits weitgehend verheilten Kreuzband verletzt. Vielmehr hatte er sich in seiner Lebensführung nur auf das gerissene Kreuzband eingerichtet. Die Klägerin verkennt insoweit, dass - wie allgemein bekannt und gerichtskundig ist - ein Kreuzbandriss nicht ausheilen kann. Ein einmal gerissenes Kreuzband verheilt nicht. Es bleibt ohne operative Maßnahmen gerissen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten - was von der Klägerin auch nicht angegriffen wird - ebenso ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls am 19.05.2011 eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes im rechten Kniegelenk bereits festgestellt worden war. Diese war bereits anlässlich einer Untersuchung am 09.03.2010 erstmals diagnostiziert worden. In seiner ärztlichen Stellungnahme hat der behandelnde Arzt Dr. K. auch nicht eine erneute Ruptur des Kreuzbandes festgestellt, sondern nur erneut, mithin wiederholend, die gleiche Diagnose - wie ca. ein Jahr zuvor - gestellt, nämlich die des Risses des Kreuzbandes.

c.

Dieser Körperschaden (Verdrehtrauma) ist durch den Hund des Beklagten verursacht worden.

aa.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Hundes des Beklagten und der Verletzung des Zeugen B. ist im Sinne der Äquivalenz dann zu bejahen, wenn es sich um ein Ereignis handelt, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2011, Tz. 35 - IX ZR 144/10 - WM 2011, 1420).

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Hund des Beklagten - unabhängig davon, ob das Tier angeleint war oder nicht - sich dem in gebückter Haltung befindlichen Ehemann der Klägerin von hinten angenähert und hierbei dessen Bein berührt hat. Dabei hat der Hund gleichzeitig gebellt, was den überraschten Zeugen B. zu einer unkontrollierten Bewegung veranlasst hat. Hierdurch hat er sich das rechte Knie verdreht. Diese Darstellung beruht auf den Bekundungen des Zeugen B. und den Angaben des Beklagten in seiner Anhörung. Auch das Landgericht hat in seinem Urteil die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen B. außer Streit gestellt und letztlich die Haftung nur deshalb verneint, weil sich ein allgemeines Lebensrisiko erfüllt habe. Soweit der Beklagte in seiner Anhörung bekundet hat, dass sein Hund den Zeugen B. nur angebellt, aber nicht berührt habe, ist dem nicht zu folgen, weil jener nach seiner eigenen Darstellung den Vorfall nicht wahrgenommen hat. So hat er - wie er selbst bekundet hat - den Geschädigten zunächst nicht erblickt, weil er nicht in dessen Richtung geschaut hat. Daher kann der Beklagte auch nicht ausschließen, dass sein Hund den Geschädigten am Bein berührt hat. Unstreitig hat der Hund den Ehemann der Klägerin angebellt.

bb.

Um eine Ausweitung der Schadensersatzpflicht zu vermeiden, verlangt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Vorliegen einschränkender Zurechnungskriterien, insbesondere das der Adäquanz des Kausalverlaufs (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2005, Tz. 16 - X ZR 163/02 - NJW 2005, 1420). Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (vgl. BGH, a. a. O., Tz. 16). Dabei besteht grundsätzlich Einigkeit dahingehend, dass ein Ursachenzusammenhang i. S. d. Adäquanz auch dann zu bejahen ist, wenn lediglich ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Verhalten des Tieres vorliegt (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15.10.1964 - 3 U 76/64 - VersR 1964, 93, 94; OLG Schleswig, Urteil vom 15.01.1988 - 1 U 162/85 - VersR 1988, 700). Der Zurechnungszusammenhang wäre nur dann zu verneinen, wenn das Verhalten des Hundes eine völlig unangemessene Reaktion des Geschädigten ausgelöst hätte (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.1994, Tz. 17 - II ZR 126/93 - NJW 1995, 126 [BGH 04.07.1994 - II ZR 126/93]).

Die hier beim Zeugen B. eingetretene Verletzung beruht nicht auf einem gänzlich unwahrscheinlichen Verlauf der Dinge. Dass sich eine Person aufgrund einer unerwarteten Berührung am Bein und durch das Gebell eines Hundes erschreckt, wenn sie zuvor das Tier nicht wahrgenommen hat, ist nicht unwahrscheinlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Zeuge B. in diesem Augenblick in Betracht ziehen musste, dass die Gefahr besteht, durch den Hund gebissen zu werden. Dass in einer derartigen Situation der Ehemann der Klägerin einen unkontrollierten und unbedachten Schritt zur Seite macht, der letztlich zu seiner Verletzung geführt hat, ist ebenso nicht unwahrscheinlich.

cc.

Die Haftung des Beklagten ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzweckes der Norm begrenzt. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Dies gilt unabhängig davon, auf welche Bestimmung die Haftung gestützt wird. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2014, Tz. 10 - VI ZR 381/13 - NJW 2014, 2190 [BGH 20.05.2014 - VI ZR 381/13]). Eine Schadensersatzpflicht scheidet in der Regel unter diesem Gesichtspunkt dann aus, wenn sich nur eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 10). Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu erwarten hat.

Eine solche die Ersatzpflicht einschränkende Annahme des Landgerichts, dass die Verletzung des Zeugen B. dem normalen Lebensrisiko zuzuordnen sei, teilt der Senat nicht. Dadurch dass der Hund des Beklagten den Ehemann der Klägerin berührt und angebellt hat, hat sich nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, das sich auch bei jedem anderen unerwarteten Ereignis ergeben hätte, sondern gerade ein solches Risiko, das durch das Tier herausgefordert worden ist. Wird ein Mensch unerwartet von einem Tier am Bein berührt und angebellt, so verhält er sich anders, als wenn er lediglich ein unerwartetes Geräusch wahrnimmt, das ihm nicht signalisiert, möglicherweise angegriffen zu werden. Dass sich der Ehemann der Klägerin in dieser zumindest vermeintlichen Angriffssituation plötzlich und unkontrolliert bewegt, entspricht gerade nicht dem allgemeinen Lebensrisiko eines sich hockenden Menschen, der bei der Gartenarbeit ein unerwartetes Geräusch wahrnimmt.

d.

Die Verletzung des Ehemanns der Klägerin beruht auch auf einer Realisierung der spezifischen Tiergefahr.

Eine solche äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2015, Tz. 12 - VI ZR 467/13 - zitiert nach juris). Die typische Tiergefahr ist lediglich dann zu verneinen, wenn der Vorfall nicht auf dem tierischen Verhalten beruht, sondern darauf, dass z. B. das Tier durch den Menschen gesteuert wird (vgl. Moritz in juris PK, BGB, § 833 Rz. 15).

Hier hat sich die Tiergefahr dadurch verwirklicht, dass der Hund gebellt und - unabhängig davon, ob er angeleint gewesen ist oder nicht - unkontrolliert den Geschädigten berührt hat. Ob dabei eine wirkliche Gefahr für den Ehemann der Klägerin bestanden hat, von dem Hund gebissen zu werden, ist im Rahmen der Tiergefahr unbeachtlich (vgl. OLG Nürnberg, a. a. O.).

e.

Der Beklagte ist unstreitig Halter des Hundes, der den Zeugen B. verletzt hat. Anhaltspunkte für eine Enthaftung nach § 833 Satz 2 BGB kommen nicht in Betracht. Der Hund des Beklagten ist kein Nutztier.

f.

Anhaltspunkte für ein Mitverschulden, § 254 BGB, hat der Beklagte weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

g.

Der Klägerin steht nicht der geltend gemachte kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 30.236,50 € zu.

aa.

Die Klägerin kann keinen Verdienstausfall des Zedenten in Höhe von 28.000,00 € geltend machen. Dieser ist nicht relevant durch die erlittene Verletzung an der behaupteten Erbringung von Dienstleistungen als Logistikberater gehindert worden. Der Gerichtssachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Minderung der Erwerbstätigkeit als Folge des Ereignisses vom 19.05.2011 für ca. 4 Wochen nur in Höhe von 10 % und für weitere 2 Wochen in Höhe von 5 % anzusetzen ist, während ab dem 04.07.2011 keine Minderung der Erwerbstätigkeit als Folge des Ereignisses vom 19.05.2011 mehr bestanden hat. Da die Ruptur des Kreuzbandes nicht auf dem streitgegenständlichen Vorfall beruht, ist nur die Folge der Distorsion zu berücksichtigen. Diese hat den Ehemann der Klägerin nur veranlasst, Dr. K. aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen. Der behandelnde Arzt hat daraufhin seine bereits ein Jahr zuvor getroffene Diagnose wiederholt und den Geschädigten veranlasst, sich nunmehr operieren zu lassen, indem eine Ersatzplastik aus körpereigenem Sehnengewebe an die Stelle des ruptierten Kreuzbandes eingesetzt worden ist. Die Operation hat nicht auf der Distorsion, sondern auf dem Vorschaden beruht, der nun behoben werden sollte. Allein aufgrund der vorhandenen Ruptur hat sich der Ehemann der Klägerin entschlossen, die Ersatzplastik als Therapie einzusetzen. Die von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden, die nach ihrem Vortrag verhindert haben, dass ihr Ehemann weiter als Logistikberater arbeitet, beruhen daher fast ausschließlich auf den Folgen der Operation, nämlich der Kreuzbandplastik. Diese hat nicht der Therapie der erlittenen Distorsion gedient, sondern allein der Behebung der schon vorhandenen Ruptur. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der streitgegenständliche Vorfall auch nicht die bereits bestehende Verletzung (Kreuzbandabriss) verschlimmert. Es handelt sich insoweit um abgrenzbare Schadensteile. Der Ehemann der Klägerin ist nicht aufgrund der Distorsion operiert worden, sondern aufgrund der Kreuzbandruptur, die unabhängig vom streitgegenständlichen Vorfall bereits vorgelegen und durch diesen nicht berührt worden ist. Es bedarf auch nicht der Anhörung des Sachverständigen, dessen Gutachten nicht angegriffen wird, oder der Vernehmung der Zeugen B. und keiner weiteren Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. K., weil es sich insoweit nicht um tatsächliche Fragen, sondern allein um Rechtsfragen handelt. Es kann insoweit als wahr unterstellt werden, dass sich der Zeuge B. ohne die Distorsion nicht zu einer Kreuzbandplastik entschlossen hätte. Die Distorsion ist nur Anlass für die erneute Untersuchung des Zedenten B. gewesen, der sich daraufhin entschlossen hat, nunmehr den Vorschaden zu beheben. Die mit der Operation einhergehenden Einschränkungen und die daraus resultierenden Schäden können daher nicht dem Beklagten zugerechnet werden. Dass sich der Ehemann der Klägerin nach der erlittenen Distorsion entschlossen hat, eine Kreuzbandplastik einzusetzen, beruht allein auf seiner eigenen Entscheidung und ist nicht dem Beklagten zuzurechnen. Ein sogenannter Verfrühungsschaden - wie ihn die Klägerin behauptet - liegt hier nicht vor. Es geht insoweit nicht darum, dass vorzeitig eine Verschlechterung des Zustandes des Knies vorgelegen hatte, der möglicherweise später eine Operation hätte erforderlich machen müssen, sondern vielmehr um einen bereits eingetretenen und abgeschlossenen Schaden, nämlich die Ruptur des Kreuzbandes.

Da die Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit des Ehemannes der Klägerin nach dem Gutachten des Sachverständigen in den ersten vier Wochen nur mit 10 % anzusetzen ist, ist die dem Beklagten zuzurechnende Distorsion letztlich für den Verdienstausfall nicht als relevant mitursächlich anzusehen. Sie ist gegenüber den Folgen der Operation des Kreuzbandes zu vernachlässigen. Allein die Distorsion hätte den Ehemann der Klägerin nicht veranlasst, nicht zu arbeiten. Dies war allenfalls Folge der Operation der Kreuzbandruptur, die dem Beklagten nicht zuzurechnen ist.

bb.

Gleiches gilt für den behaupteten Haushaltsführungsschaden und die Heilbehandlungskosten. Die insoweit geltend gemachte Selbstbeteiligung und die Fahrtkosten für Arztbesuche und Therapien beruhen nicht auf der Behandlung der Distorsion. Ebenso kann die Klägerin nicht aus abgetretenem Recht die Stornierungskosten für den verletzungsbedingt abgesagten Urlaub geltend machen. Denn auch hier ist zu berücksichtigen, dass der Urlaub deshalb storniert worden ist, weil sich ihr Ehemann entschlossen hatte, die bereits vor dem Vorfall vorhandene Ruptur des Kreuzbandes durch eine entsprechende Kreuzbandplastik beheben zu lassen.

Der Klägerin steht auch keine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € zu. Solche Pauschalen kommen nur in Betracht, um Auslagen in der Schadensabwicklung auszugleichen. Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass sie oder ihr Ehemann berechtigte Schadenersatzansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des Beklagten geltend gemacht hat.

3.

Der Klägerin steht aber aus Tierhalterhaftung, § 833 Satz 1 BGB, ein Schmerzensgeld, § 253 Abs. 2 BGB, aus abgetretenem Recht zu. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen (Ziff. I. 2) ist dem Beklagten die Distorsion des rechten Kniegelenks des Zeugen B. zuzurechnen. Der Senat schätzt, § 287 ZPO, den immateriellen Schaden unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf 300,00 €. Die Schmerzen und Beeinträchtigungen in der Lebensführung, die der Ehemann in Folge der Operation erlitten hat, sind dem Beklagten nicht zuzurechnen.

Der Schmerzgeldanspruch ist nach §§ 286 ff BGB zu verzinsen.

4.

Die weiter geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nur bezüglich des berechtigten Schmerzensgeldes in Höhe von 300,00 € zu erstatten. Bei einer Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) in Höhe von 1,3 ergibt dies eine Forderung von 32,50 €. Unter Hinzurechnungen der Postpauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20% der Gebühren, mithin 6,50 €, und der Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) in Höhe von 7,41 € errechnet sich eine Gesamtforderung in Höhe von 46,41 €.

Diese Forderung ist nach §§ 291, 288 BGB zu verzinsen

5.

Der im Berufungsverfahren geltend gemachte Feststellungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Auch im Berufungsverfahren ist eine Klageänderung durch Erweiterung zulässig, § 533 ZPO, wenn sie sachdienlich ist. Dies ist hier zu bejahen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob der dazugehörige Vortrag nicht auch schon in erster Instanz hätte gehalten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2012, Tz. 18 - V ZR 92/11 - zitiert nach juris). Das entsprechende Feststellungsinteresse, § 256 ZPO, liegt vor, weil nach dem klägerischen Vortrag, der bei der Prüfung der Zulässigkeit zugrunde zu legen ist, die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und ansonsten Verjährung droht.

Der Feststellungsanspruch ist aber aus den oben genannten Gründen als unbegründet abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Für die Höhe des Streitwertes ist davon auszugehen, dass die Klägerin Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 30.236,50 €, ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 € sowie die Feststellung von Zukunftsschäden verlangt, wobei letzterer Antrag entsprechend ihrer eigenen Werteinschätzung mit 5.000,00 € anzusetzen ist.