Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.05.1994, Az.: 18 UF 62/94
Scheidungsverfahren; Versorgungsausgleich; Begrenzung der Zeit der Ehe; Auszugleichende Anwartschaften; Scheidungsantrag; Erwerb von Anwartschaften; Versorgungsträger; Ausgleichsbilanz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.05.1994
- Aktenzeichen
- 18 UF 62/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 15830
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1994:0524.18UF62.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stade - 07.01.1994 - AZ: 43 F 204/92
Rechtsgrundlagen
- § 1587 Abs. 2 BGB
- § 1587o Abs. 1 BGB
Fundstelle
- FamRZ 1994, 1039-1041 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Ehescheidung und Regelung von Folgesachen
Redaktioneller Leitsatz
Die Parteien eines Scheidungsverfahrens können den Versorgungsausgleich durch Begrenzung der Zeit ihrer Ehe in einer notariellen Urkunde verringern.
Der Endstichtag der Bewertung der auszugleichenden Anwartschaften bleibt dabei der letzte Tag des Monats, welcher der Zustellung des Scheidungsantrags vorausgeht.
Soll ein Zeitraum der Ehe aus dem Versorgungsausgleich ausgeklammert werden, so ist von den Anwartschaften auszugehen, die während der Ehezeit erworben worden sind.
Hierbei werden die Auskünfte des Versorgungsträgers zugrundegelegt, minus der erworbenen Anwartschaften in dem ausgeklammerten Zeitraum. Der verbleibende Restbetrag jeder auszugleichenden Anwartschaft ist dann in die Ausgleichsbilanz einzustellen.
Sodann bleibt zu überprüfen, ob durch die vertragliche Vereinbarung mehr Anwartschaften auszugleichen sind, als es ohne diese Regelung der Fall wäre.
Der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
durch
den Vorsitzenden Richtet am Oberlandesgericht Dr. K.,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgerichts ...
am 24. Mai 1994
beschlossen:
Tenor:
- I.
Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Stade vom 7. Januar 1994 teilweise geändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:
- 1.
Vom Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin werden auf das Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 133,40 DM, bezogen auf den 30.9.1992, übertragen.
- 2.
Zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin auf eine Mindestversorgungsrente bei der Zusatzversorgungskasse der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (Vers.-Nr. ...) werden auf dem Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 5,09 DM, bezogen auf den 30.9.1992, begründet.
- 3.
Der Monatsbetrag der übertragenen und begründeten Rentenanwartschaften ist von der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg in Entgeltpunkte (West) umzurechnen.
- II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; jedoch wird angeordnet, daß Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.
- III.
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Gründe
I.
Die Parteien haben am 28.9.1983 miteinander die Ehe geschlossen; der Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 17.10.1992 zugestellt worden. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 19.1.1993 unter Zurückstellung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich die Ehe der Parteien geschieden. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei ist das Amtsgericht - insoweit zutreffend - davon ausgegangen, daß während der Ehezeit i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB (1.9.1983-30.9.1992) beide Parteien Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben, und zwar die Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (im folgenden: BfA) und der Antragsgegner bei der Landes Versicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg (im folgenden: LVA); die Antragstellerin hat ferner während der Ehezeit Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung bei der Zusatzversorgungskasse der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (im folgenden: ZVK) erworben.
In notarieller Urkunde vom 16.2.1992 (UR.-Nr. 40/1992 des Notars S. in S.) haben die Parteien vereinbart, daß der Versorgungsausgleich auf die Zeit bis einschließlich September 1989 begrenzt sein solle; diese Regelung hat das Amtsgericht unter dem 7.1.1994 gemäß § 1587 o BGB familiengerichtlich genehmigt. Im Hinblick auf diese Vereinbarung hat das Amtsgericht (neben den auf die Ehezeit i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB bezogenen Auskünften) von den beteiligten Versorgungsträgern weitere Auskünfte für den Stichtag "30.9.1989" eingeholt und seiner Ausgleichsentscheidung dann nur die Zahlen zugrundegelegt, die in den für die verkürzte Zeit mit dem Endstichtag "30.9.1989" erteilten Auskünften der Versorgungsträger genannt waren. Gegen diese Berechnungsweise richtet sich die Beschwerde der BfA.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
1.
a)
Die Parteien haben in notarieller Urkunde die Zeit ihrer Ehe, für die der Versorgungsausgleich durchgeführt werden soll, begrenzt. Das war zulässig (vgl. etwa BGH in FamRZ 1986, 890, 892); das Amtsgericht hat die Vereinbarung familiengerichtlich genehmigt, § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB.
b)
Nicht disponibel ist dabei allerdings der Endstichtag, nach welchem die auszugleichenden Anwartschaften bewertet werden; das ist der letzte Tag des Monats, der der Zustellung des Scheidungsantrags vorauf geht (§ 1587 Abs. 2 BGB; vgl. dazu BGH in FamRZ 1990, 273, 275). Auszugehen ist also stets von Berechnungen, die auf einer Bewertung der in die Ausgleichsbilanz einzubeziehenden Anrechte unter Anwendung der zum Zeitpunkt des Ehezeitendes i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB (hier also: 30.9.1992) maßgeblichen Berechnungsgrundlagen beruhen.
c)
In der zuletzt genannten Entscheidung des BGH ist zugleich der Berechnungsweg dazu aufgezeigt, wie vorzugehen ist, wenn Parteien - wie hier - einen Zeitraum ihrer Ehe aus dem Versorgungsausgleich ausgeklammert wissen wollen. Auszugehen ist von den Anwartschaften, die während der Ehezeit bei einer Berechnung per Stichtag "Ehezeitende i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB" erworben worden sind; es sind also zunächst die ohne Berücksichtigung einer vereinbarten Ehezeitverkürzung erteilten Auskünfte der Versorgungsträger zugrundezulegen. Sodann sind die in dem ausgeklammerten Zeitraum von jeder der Parteien erworbenen Anwartschaften aus diesen Auskünften herauszurechnen; der dann verbleibende Restbetrag jeder auszugleichenden Anwartschaft ist dann in die Ausgleichsbilanz einzustellen.
d)
Abschließend ist das Ergebnis dann noch daraufhin zu überprüfen, ob nicht infolge der Vereinbarung mehr Anwartschaften auszugleichen sind als es ohne vertragliche Regelung der Fall wäre, § 1587 o Abs. 1 S. 2 BGB.
2.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:
a)
Nach den - z.T. in der Beschwerdeinstanz korrigierten, jedoch sämtlich auf die gesamte Ehezeit i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB bezogenen - Auskünften der Versorgungsträger hätten die Parteien ohne Berücksichtigung ihrer Vereinbarung folgende Anwartschaften auszugleichen: die Antragstellerin bei der BfA erworbene Anrechte in Höhe von monatlich 506,32 DM (dynamische Anwartschaft) sowie aus der Zusatzversorgung bei der ZVK erworbene Anrechte in Höhe von monatlich 125,26 DM (statische Anwartschaft), der Antragsgegner bei der LVA erworbene Anrechte in Höhe von monatlich 196,01 DM (dynamische Anwartschaft). Berücksichtigt man die Vereinbarung, ergeben sich folgende Änderungen der in die Ausgleichsbilanz einzustellenden Beträge:
aa)
Die von der Antragstellerin bei der BfA erworbenen ehezeitlichen Anwartschaften von 506,32 DM liegen insgesamt 11,8770 Entgeltpunkte (EP) zugrunde; davon sind in der vertraglich ausgeklammerten Zeit 4,0259 EP erworben worden, die einer Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich (4,0259 EP × - aktueller Rentenwert per 30.9.1992 - 42,63 DM =) 171,62 DM entsprechen; in die Ausgleichsbilanz sind also insoweit nur (506,32 DM ./. 171,62 DM =) 334,70 DM einzubeziehen.
bb)
Entsprechend ist bei den Anwartschaften des Antragsgegners bei der LVA zu rechnen: In der vollen Ehezeit i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB sind insgesamt (4,5979 EP =) 196,01 DM erworben worden; davon entfallen auf die ausgeklammerte Zeit (Oktober 1989 bis September 1992) insgesamt (2,0892 EP für Beitragszeiten, 0,9152 EP für beitragsfreie Zeiten und 0,0005 EP für beitragsgeminderte Zeiten, insgesamt also:) 3,0049 EP, die (3,0049 EP × 42,63 DM =) 128,10 DM entsprechen. Damit sind in die Ausgleichsbilanz nur (196,01 DM ./. 128,10 DM =) 67,91 DM einzustellen.
cc)
Soweit es die Zusatzversorgung der Antragstellerin betrifft, ist folgendermaßen zu rechnen:
a')
Unverfallbar und damit zur Zeit allein ausgleichbar (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 S. 3 BGB) sind die Anwartschaften auf die Mindestversorgung, deren Höhe 0,03125 % des zusatzversicherungspflichtigen Entgelts beträgt. Die von der ZVK für die gesamte Ehezeit i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB errechneten 125,26 DM beruhen auf einem zv-pflichtigen Entgelt von insgesamt 400.817,97 DM; davon entfallen auf die Zeit vom 1.12.1984 bis zum 31.12.1988 198.241,94 DM und für die Monate Januar-September 1989 insgesamt 36.566,82 DM (vgl. die Aufschlüsselung der ZVK in ihrer zum Stichtag "30.9.1989" unter dem 2.12.1992 erteilten Auskunft). In dem vertraglich ausgeklammerten Zeitraum von Oktober 1989 bis September 1992 hat die Antragstellerin also zv-pflichtige Entgelte von insgesamt (400.817,97 DM ./. 234.808,76 DM =) 166.009,21 DM bezogen; 0,03125 % davon sind 51,88 DM. In die Ausgleichsbilanz einzustellen sind daher insoweit (125,26 DM ./. 51,88 DM =) 73,38 DM.
b')
Diese Anwartschaft ist statisch, wird also in ihrer Höhe nicht entsprechend den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung oder den beamtenrechtlichen Versorgungen angepaßt; sie ist daher zum Zwecke der Vergleichbarkeit mit den anderen auszugleichenden Anrechten in eine dynamische Anwartschaft umzurechnen. Das wiederum hat mit den zum Stichtag des Ehezeitendes i.S. von § 1587 Abs. 2 BGB (= 30.9.1992) maßgeblichen Berechnungsgrundlagen zu erfolgen.
Gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB ist zunächst der Barwert (durch Multiplikation des Jahreswertes der auszugleichenden Anwartschaft mit dem sich aus Tabelle 1 der Barwert-VO ergebenden Faktor, hier: 2,2) zu errechnen; das ergibt einen Barwert von (73,38 DM × 12 × 2,2 =) 1.937,23 DM. Durch Multiplikation dieses Barwertes mit dem sich für den 30.9.1992 aus der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung vom 18.12.1991 (BGBl. I, 2331) ergebenden Faktor 0,0001231170 errechnen sich für den Barwert von 1.937,23 DM 0,2385 EP. Multipliziert man diese EP wiederum mit dem für den 30.9.1992 geltenden aktuellen Rentenwert von 42,63 DM, ergibt sich eine in die Ausgleichsbilanz einzustellende dynamisierte Anwartschaft von 10,17 DM.
b)
Auszugleichen sind also unter Berücksichtigung der von den Parteien getroffenen Vereinbarung monatliche Anwartschaften der Antragstellerin in Höhe von 334,70 DM + 10,17 DM = 344,87 DM und des Antragsgegners in Höhe von 67,91 DM.
aa)
Davon sind zunächst nach § 1587 b Abs. 1 BGB im Wege des Rentensplitting zugunsten des Antragsgegners (334,70 DM ./. 67,91 DM = 266,79 DM: 2 =) 133,40 DM vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA auf das bei der LVA geführte Versicherungskonto des Antragsgegners zu übertragen; § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB steht nicht entgegen, denn ohne die Vereinbarung der Parteien wären (506,32 DM ./. 196,01 DM = 310,31 DM: 2 =) 155,16 DM - und damit ein höherer Betrag - zu übertragen gewesen.
bb)
Die ZVK ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, deren Versorgungsordnung keine Realteilung zuläßt. Der weitere Ausgleich der von der Antragstellerin dort erworbenen Anrechte (in Höhe von 10,17 DM: 2 = 5,09 DM) hat also gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG im Wege des Quasi-Splitting zu erfolgen, wie es auch das Amtsgericht vom Ansatz her zutreffend entschieden hat. Auch insoweit steht § 1587 o Abs. 2 S. 3 BGB - ersichtlich - nicht entgegen.
3.
Der Hinweis auf die von der LVA vorzunehmende Umrechnung der übertragenen und begründeten Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf § 1587 b Abs. 6 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO; jedoch hat der Senat gemäß § 8 Abs. 1 GKG angeordnet, daß Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben sind.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 1.000 DM.
Der Beschwerdewert ist gemäß § 17 a Nr. 1 GKG festgesetzt worden.