Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.09.2020, Az.: 8 U 45/20

Verwirkung des sog. "ewigen" Widerspruchsrechts wegen unwirksamer Belehrung über das Widerspruchsrecht beim Abschluss einer Kapitallebensversicherung wegen Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag als Teil eines Anlagemodells; Umfang der zu erstattenden Nutzungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.09.2020
Aktenzeichen
8 U 45/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 37408
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0910.8U45.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 19.02.2020 - AZ: 8 O 158/19

Amtlicher Leitsatz

Allein der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags im Rahmen eines sog. SKR-Anlagemodells, verbunden mit der als Teil des Anlagemodells vorgesehenen Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an einen Darlehensgeber im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss führt nicht zu einer Verwirkung des "ewigen" Widerspruchsrechts.

Bei der Rückabwicklung von Unitised-with-profits-Verträgen britischer Prägung ist für die Berechnung der Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB allein maßgeblich, welche Nutzungen der Versicherer tatsächlich (zunächst) gezogen hat. Unmaßgeblich ist demgegenüber die nachfolgende Verwendung dieser Nutzungen durch den Versicherer etwa im Rahmen eines vertraglich vereinbarten Glättungsverfahrens oder einer poolübergreifenden Reservenbildung.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Februar 2020 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 440.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags.

Am 1. Juli 2000 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C. M. I. G. Ltd. (nachfolgend aus Gründen der Vereinfachung: die Beklagte), den Abschluss eines als "XY..." bezeichneten Lebensversicherungsvertrags. Es handelt sich dabei um eine kapitalbildende Lebensversicherung. Die Prämie besteht aus einer zu Beginn des Vertrags als Einmalzahlung zu erbringenden Leistung. Im vorliegenden Fall belief sich die vom Kläger zu zahlende Prämie auf 1.108.385,62 DM. Der Kläger finanzierte die Einmalprämie durch Aufnahme eines Darlehens bei der ...bank S.A.

Hinsichtlich des Inhalts des von der Beklagten als Kopie eingereichten Antragsformulars wird auf die Anlage B 24 im Anlagenband Beklagte Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts der von der Beklagten eingereichten Verbraucherinformationen, der Poolinformationen und der Policenbedingungen wird auf die Anlage B 1 im Anlagenband Beklagte Bezug genommen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger bereits bei Antragstellung alle Vertragsunterlagen erhielt oder (zumindest teilweise) erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Am 4. Januar 2001 und damit bereits vor Übersendung des Versicherungsscheins durch die Beklagte trat der Kläger seine (zukünftigen) Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die ...bank S.A. ab.

Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers durch Übersendung eines undatierten Versicherungsscheins (Anlage K 1 im Anlagenband Kläger) mit Wirkung ab dem 22. März 2001 an.

Am 14. November 2003 trat der Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagte an die ... bank Girozentrale ab.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Police zum 22. März 2009 ablaufe. Am 23. März 2009 zahlte die Beklagte an den Kläger die von ihr errechnete Ablaufleistung in Höhe von 588.035,30 € aus.

Mit Anwaltsschreiben vom 6. Juni 2017 widersprach der Kläger dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags und wies zur Begründung darauf hin, bei Abschluss des Vertrags nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen worden zu sein. Weiter errechnete er in diesem Schreiben einen ihm gegen die Beklagte zustehenden Anspruch in Höhe von weiteren 619.467,03 € und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

Der Kläger hat gemeint, dass der Vertrag im Policenmodell zustande gekommen sei. Er habe bei Antragstellung die Vertragsunterlagen nicht erhalten. Diese seien ihm lediglich gezeigt worden.

Weil er darüber hinaus nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei, habe er noch im Jahr 2017 wirksam den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrags erklären können. Vorsorglich erkläre er den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, denn er sei auch über sein Rücktrittsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden (Bl. 158 d. A.).

Abweichend von seiner vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung hat er seinen Anspruch im Rechtsstreit wie folgt errechnet:

- von der Beklagten angelegte Prämien

524.205,43 €

- zzgl. von der Beklagten einbehaltene Einrichtungsgebühr

42.503,14 €

- zzgl. mit den angelegten Prämien gezogene Nutzungen bis 2009

441.049,00 €

- abzgl. Ablaufleistung

-588.035,30 €

Gesamt

419.722,28 €

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 419.722,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2017 zu bezahlen, hilfsweise hat die Zahlung an die ...bank auf ein von dieser noch zu benennendes Konto zu erfolgen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Vertrag sei im Antragsmodell zustande gekommen, sodass dem Kläger bereits aus diesem Grund kein Widerspruchsrecht zustehe. Der Kläger habe bei Antragstellung die als Anlage B 1 vorgelegte Broschüre mit den Verbraucherinformationen, den Poolinformationen, dem Antragsformular und den Policenbedingungen erhalten (Bl. 84 d. A.). Den Erhalt der Broschüre habe der Kläger auch im Antragsformular bestätigt (Bl. 85 d. A.). Dem Kläger stehe auch kein Rücktrittsrecht zu, denn unmittelbar über der im Antragsformular zu leistenden Unterschrift befinde sich die ordnungsgemäße Belehrung über das dem Kläger zustehende Rücktrittsrecht. Dabei sei dogmatisch irrelevant, dass in der Belehrung anstelle eines Rücktrittsrechts von einem Widerspruchsrecht die Rede sei (Bl. 103 d. A.). Die Rücktrittsbelehrung sei auch drucktechnisch hervorgehoben. Das hätten die Landgerichte Wuppertal und Traunstein ausdrücklich bestätigt (Bl. 193 d. A.).

Selbst wenn man von einer fehlerhaften Rücktrittsbelehrung ausgehen wollte, wäre das Rücktrittsrecht präkludiert. Das folge aus dem Zeitablauf und dem Umstand, dass der Kläger die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gleich zweimal abgetreten habe. Darüber hinaus habe der Kläger dieselbe Police zu einem späteren Zeitpunkt bei der Beklagten abermals abgeschlossen (Bl. 197 d. A.). Hieraus folge, dass der Kläger von dem ersten Vertrag in keinem Fall zurückgetreten wäre.

Ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen bestehe im Übrigen bereits deshalb nicht, weil der Kläger alle mit seiner Prämie erwirtschafteten Erträge bereits erhalten habe. Die Beklagte habe die Prämie abzüglich Verwaltungsgebühren, Risiko- und Abschlusskosten (letztere in Höhe von 36.836,06 €, Bl. 97 d. A.) in einem "With-Profits-Modell" angelegt. Bei diesem Modell handele es sich um Sondervermögen, weshalb der Vertrag einem fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag entspreche.

Mit Urteil vom 19. Februar 2020 (Bl. 471 - 476 R d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Sowohl Widerspruchs- als auch Rücktrittsrecht des Klägers seien zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung dieser Rechte bereits verwirkt gewesen. Das Zeitmoment liege vor. Das Umstandsmoment folge aus der zweimaligen Abtretung des Anspruchs. Hinzu komme, dass der Kläger den Widerspruch erst acht Jahre nach Beendigung des Vertrags erklärt habe und er im Jahr 2003 einen vergleichbaren Vertrag abermals bei der Beklagten abgeschlossen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Verden vom 19. Februar 2020, 8 O 158/19 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 419.722,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2017 zu bezahlen, hilfsweise die Zahlung an die ...bank auf ein von dieser noch zu benennendes Konto vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklage kein weitergehender Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrags gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 1 und 2 BGB zu.

Im Einzelnen:

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist gegeben. Das folgt sowohl aus Art. 9 Abs. 1b EuGVVO als auch aus Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1c EuGVVO (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012, Az. IV ZR 164/11).

b) Die Klage ist auch nicht mangels Bestimmtheit unzulässig. Zwar hat die Beklagte in der Berufungserwiderung die Auffassung vertreten, dass der Kläger mit seinem Anspruch zu 1 angesichts der auf Seite 12 der Klageschrift ermittelten Gesamtforderung eine unzulässige Teilklage erhoben habe (Bl. 681, 682 d. A.). Insoweit geht der Senat aber von einem Versehen des Beklagtenvertreters aus. Die Klageschrift umfasst lediglich 11 Seiten und der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch entspricht der von ihm auf Seite 8 der Klageschrift errechneten Gesamtforderung.

2. Auf den Vertrag ist gemäß Art. 8 EGVVG in der Fassung vom 21. Juli 1994 das deutsche Recht anwendbar. Der Kläger hatte bei Abschluss des Versicherungsvertrags seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

3. Der Kläger ist hinsichtlich des Anspruchs auf Rückabwicklung des zwischen ihm und der Beklagten ursprünglich zustande gekommenen streitgegenständlichen Versicherungsvertrags aktivlegitimiert. Diesem Ergebnis steht die zwischen dem Kläger und der ... bank Girozentrale am 14. November 2003 geschlossene Abtretungsvereinbarung nicht entgegen. Denn mit Schreiben vom 21. Januar 2020 hat das Kreditinstitut bestätigt, aus der Abtretungsvereinbarung seit dem 22. Januar 2009 keine Rechte und Ansprüche mehr abzuleiten, und den Kläger ermächtigt, die Ansprüche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen (Bl. 453 d. A.).

4. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch dem Grunde nach gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 818 Abs. 1 und 2 BGB zu. Die Leistung des Klägers an die Beklagte in Gestalt der einmaligen Prämienzahlung erfolgte ohne Rechtsgrund.

a) Der Vertrag kam im Policenmodell zustande. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger bereits bei Antragstellung die von der Beklagten als Anlage B 1 eingereichten Vertragsunterlagen vollständig erhielt. Denn der Vertragsschluss erfolgt auch dann im Policenmodell, wenn der zukünftige Versicherungsnehmer bereits bei Antragstellung die Vertragsunterlagen erhält, diese aber wesentliche Informationen nicht beinhalten (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 - IV ZR 68/17).

Soll der Vertrag im Antragsmodell zustandekommen, zählt zu den wesentlichen Informationen der Hinweis auf die Frist, während derer der Antragsteller an den Antrag gebunden sein sollte, Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe f der Anlage Teil D zu § 10 a Abs. 1 VAG in der Fassung vom 22. Dezember 1999 (vgl. BGH, aaO). Im vorliegenden Fall findet sich eine entsprechende Information weder in den von der Beklagten vorgelegten Verbraucherinformationen, noch in den Policenbedingungen, den Poolinformationen oder im Antragsformular.

b) Der Widerspruch des Klägers gegen das Zustandekommen des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags gemäß § 5a VVG in der Fassung vom 21. Juli 1994 (VVG aF) ist wirksam.

aa) Die Belehrung der Beklagten über das bestehende Widerspruchsrecht im Antragsformular genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen und konnte deshalb den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang setzen.

Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF beginnt der Lauf der Widerspruchsfrist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.

Dass die Beklagte den Kläger bei Aushändigung des Versicherungsscheins belehrte, hat sie nicht vorgetragen und kann auch im Übrigen den eingereichten Unterlagen nicht entnommen werden. Aber auch die im Antragsformular befindliche Widerspruchsbelehrung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der drucktechnischen Hervorhebung. Seite 3 des vom Kläger unterschriebenen Antragsformulars ist wie folgt gestaltet:

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Erforderlich aber auch ausreichend für eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Hervorhebung ist, dass die Widerspruchsbelehrung auch beim flüchtigen Lesen sofort ins Auge fällt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03). Dabei stehen dem Versicherer verschiedene Formen der Hervorhebung zur Verfügung. Er kann beispielsweise den Text in einen Rahmen setzen, der Text kann eingerückt werden, der Versicherer kann für den Text Fettdruck verwenden oder eine größere Schrift oder einen zwischen dem vorgehenden und dem nachfolgenden Text größeren Abstand (vgl. BGH aaO).

Im vorliegenden Fall ist der eigentliche Text der Widerspruchsbelehrung unzureichend hervorgehoben. Er ist weder in Fettdruck gehalten, noch entschied sich die Beklagte für eine andere Form der gesonderten Gestaltung. Tatsächlich ist die von der Beklagten gewählten Gestaltung weit eher geeignet, von der Widerspruchsbelehrung abzulenken. So befindet sich unmittelbar über der Widerspruchserklärung ein in Fettdruck gehaltener Text. Dieser verweist aber lediglich auf die vorstehende Erklärung, nicht aber auch auf den nachfolgenden Text. Damit wird bei einem unbefangenen Leser der Eindruck erweckt, dass dem nachfolgenden Text und damit auch der Widerspruchsbelehrung eine nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Darüber hinaus findet sich die Widerspruchsbelehrung unter der - hiermit in keinerlei Zusammenhang stehenden - Überschrift "Unterschriften". Damit genügt die Belehrung in keinem Fall den gesetzlichen Vorgaben.

bb) Das Widerspruchsrecht bestand auch noch nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG aF. Diese Vorschrift muss richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und das Widerspruchsrecht bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung fortbesteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11).

Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. August 2020 auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18 - verwiesen hat, ergibt sich aus diesem Urteil keine abweichende Rechtsfolge. Das Urteil bezieht sich auf eine Widerspruchsbelehrung, die unter Berücksichtigung des nationalen (österreichischen) Rechts möglicherweise eine zu strenge Form der Widerspruchserklärung vorsieht. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung dem Ablauf der Widerspruchsfrist dann nicht entgegensteht, wenn dem fehlerhaft belehrten Versicherungsnehmer dadurch nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei Mitteilung zutreffender Informationen auszuüben. Diese Entscheidung kann allerdings nicht auf die Fälle mit unterbliebener drucktechnischer Hervorhebung übertragen werden. Denn anders als bei den diversen, dem Versicherungsnehmer zur Verfügung stehenden Formen der Widerspruchserklärung handelt es sich bei der drucktechnischen Hervorhebung um eine wesentliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14).

c) Die Ausübung des Widerspruchsrecht durch den Kläger ist auch nicht verwirkt bzw. wegen widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB unzulässig.

Der Gedanke der Verwirkung setzt neben einem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment voraus. Ein solches Umstandsmoment liegt vor, wenn aufseiten des Versicherers durch das Verhalten des Versicherungsnehmers ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend begründet wird, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr vom Vertrag zurücktreten wird. Im vorliegenden Fall kann die Beklagte im Ausgangspunkt ein schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation durch eine fehlerhafte Belehrung des Klägers selbst herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2018 - IV ZR 304/15; BGH, Urteil vom 11. Mai 2016, Az. IV ZR 334/15).

Zwar hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer Verwirkung bei der Ausübung eines Widerspruchsrecht nach fehlerhafter Belehrung des Versicherers nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat aber wiederholt klargestellt, dass hiervon nicht regelhaft ausgegangen werden darf, sondern dies auf Ausnahmefälle auf der Grundlage "besonders gravierender Umstände" beschränkt bleiben muss (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2020 - IV ZB 9/19; BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 343/15).

Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht hinreichend beachtet. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment.

Zur Begründung des Umstandsmoments hat das Landgericht unter anderem auf die zweimalige Abtretung der gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche an einen Kreditgeber verwiesen. Insoweit ist zwar anerkannt, dass eine Abtretung jedenfalls in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags zu einer Verwirkung des (ewigen) Widerspruchsrechts führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15). Auch erfolgte die erste Abtretung im vorliegenden Fall noch vor Übersendung des Versicherungsscheins an den Kläger und damit in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags.

Das Landgericht hat allerdings verkannt, dass zulasten des Versicherungsnehmers nur dann von einem Umstandsmoment ausgegangen werden kann, wenn das Umstandsmoment nicht seinerseits Voraussetzung für den Vertragsschluss ist. Der Abschluss des Versicherungsvertrags selbst kann hingegen bereits deshalb kein Umstandsmoment begründen, weil hierdurch aus dem Ausnahmefall Verwirkung der Regelfall und das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) vorgesehene Recht zur Ausübung des Rücktritts unterlaufen würde. Damit wäre die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks nicht mehr gewährleistet (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-09/12).

Bei der Prüfung eines Umstandsmoments im Sinne von § 242 BGB müssen somit diejenigen Umstände außer Betracht bleiben, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags stehen, etwa weil sie eine unabdingbare Voraussetzung für dessen Abschluss oder Durchführung darstellen. Denn jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung stehen die Voraussetzungen für den Abschluss eines Versicherungsvertrags dem Abschluss des Vertrags selbst gleich.

Im vorliegenden Fall kann in dem zwischen dem Kläger und der ... bank S.A. abgeschlossenen Darlehensvertrag kein vom Versicherungsvertrag unabhängiges Rechtsgeschäft gesehen werden. Der Darlehensvertrag sollte vielmehr gerade der Finanzierung unter anderem des Versicherungsvertrags dienen. Das ergibt sich bereits aus dem von der Beklagten eingereichten Antragsformular und dem dort enthaltenen Zusatz "100 % bankfinanziert" in Verbindung mit der Abtretungsanzeige der ... bank S. A. (Anlage B 4 im Anlagenband Beklagte).

Aufgrund dieser von vornherein vorgesehenen notwendigen Verknüpfung von Darlehensvertrag und Versicherungsvertrag fehlte es bereits im Ausgangspunkt an der Begründung eines Vertrauenstatbestandes zugunsten der Beklagten. Der Kläger benötigte den Versicherungsvertrag nicht nur als Sicherheit für das Darlehen. Vielmehr benötigte der Kläger das Darlehen zugleich - für die Beklagte erkennbar - auch für die Finanzierung des Versicherungsvertrags. Damit waren beide Verträge jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung Teil eines einheitlichen Anlagegeschäfts.

Dass das Darlehen unter anderem auch der Finanzierung einer Rentenversicherung diente (so der Beklagtenvortrag Bl. 622 d. A.), ändert an diesem Ergebnis nichts. Der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags war lediglich ein Baustein innerhalb der sog. "Sicherheits-Kompakt-Rente". Dieses Anlageprodukt sah konzeptionell den Abschluss einer Kapitallebensversicherung, einer Rentenversicherung, einer Risikolebensversicherung sowie eines Darlehensvertrags vor. Die Einmalprämien für die Kapitallebensversicherung und die Rentenversicherung wurden mit dem endfälligen Darlehen finanziert. Mit dem Ertrag der Kapitallebensversicherung sollte das (endfällige) Darlehen abgelöst und mittels der aus der Rentenversicherung erwirtschafteten Renten mit einer vertraglichen Komponente und einer Bonusrente die laufenden Finanzierungskosten bedient werden (Bl. 212, 213, 215 d. A). Dass die Beklagte von dem Einsatz des streitgegenständlichen Vertrags im Rahmen der SK-Rente wusste, hat sie spätestens mit Schriftsatz vom 22. Juli 2020 unter Verweis auf die Abtretungsanzeige eingeräumt. Bereits hieraus ergebe sich, dass die Abtretung nicht nur die Finanzierung der streitgegenständlichen Versicherung, sondern auch die anderen im Rahmen der SK-Rente geschlossenen Verträge gesichert habe (Bl. 641 d. A.). Damit handelte es sich aber auch bei den weiteren Verträgen nicht um solche, die unabhängig vom Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags bestehen sollten, sondern auch insoweit um Teile eines einheitlichen Anlagegeschäfts. In der Konsequenz war somit auch der Abschluss der weiteren Verträge nicht geeignet, zugunsten der Beklagten ein Umstandsmoment zu begründen. Zwar hat die Beklagte im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 19. August 2020 bestritten, dass das Darlehen [Anmerkung des Senats: die Beklagte hat ersichtlich die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gemeint] ausschließlich der Absicherung der Darlehen im Zusammenhang mit der SKR gedient habe. Allerdings verkennt die Beklagte hierbei, dass sie für die Voraussetzungen einer Verwirkung die Beweislast trägt. Wenn sie dementsprechend die Verwendung des Darlehens für Zwecke (auch) außerhalb des SKR-Anlagemodells behauptet und hieraus Schlüsse auf eine Verwirkung des Widerspruchsrechts ziehen will, dann muss sie dies auch beweisen. Insoweit fehlt es aber bereits an einem Beweisantritt. Unabhängig hiervon ist der erstmals im Berufungsverfahren gehaltene Vortrag der Beklagten aber auch unzulässig, weil die Voraussetzungen einer Berücksichtigung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ebenfalls kein Umstandsmoment kann aus der nachfolgenden Abtretung der gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche an die ... bank Girozentrale im Jahr 2003 abgeleitet werden (Anlage B 6 im Anlagenband Beklagte). Dieser Abtretung lag unstreitig lediglich eine Umfinanzierung des ursprünglich bei der ... bank S.A. aufgenommenen Darlehens zugrunde (Bl. 151 d. A.).

Ebenso wenig ist der Antrag auf Abschluss eines weiteren Vertrags mit der Beklagten vom 29. Juli 2003 (Bl. 88 d. A.) geeignet, ein Umstandsmoment zu begründen. Hiergegen spricht bereits, dass es sich um einen rechtlich selbstständigen Vertrag handelt. Der Abschluss eines solchen Vertrags erlaubt aber keine Rückschlüsse, inwieweit der Versicherungsnehmer im Hinblick auf den Abschluss eines vorangegangenen Vertrags von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen gedenkt oder nicht. Aus den von der Beklagten mitgeteilten rudimentären Fakten kann nicht einmal der Schluss gezogen werden, dass der Kläger mit der Performance des streitgegenständlichen Vertrags zum damaligen Zeitpunkt zufrieden war und sich deshalb zum Abschluss eines weiteren Vertrags entschloss. Im Gegenteil kann den von der Beklagten im Berufungsverfahren mitgeteilten Renditezahlen entnommen werden, dass die Beklagte mit dem streitgegenständlichen With-Profits-Funds in den beiden Anfangsjahren erhebliche Verluste erwirtschaftete. So belief sich der Verlust dem Beklagtenvortrag zufolge im Jahr 2001 auf 10,29 % und im Jahr 2002 auf 16,7 % (Bl. 678 d. A.). Unter diesen Umständen dürfte der Abschluss eines weiteren Vertrags durch den Kläger im Jahr 2003 nicht als Ausdruck von Zufriedenheit mit der bislang erwirtschafteten Rendite des streitgegenständlichen Vertrags zu verstehen sein.

Ob eine Verwirkung bei nur marginalen Fehlern in der Widerspruchsbelehrung in Betracht kommt, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn die hier fehlende drucktechnisch deutliche Form wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF ausdrücklich gefordert und ist - wie bereits oben dargestellt - entgegen der vom Landgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung eine wesentliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14).

Der Beklagten entstehen durch eine etwaige Rückabwicklung des Vertrags auch keine unzumutbaren Nachteile, die ausnahmsweise die Annahme einer Verwirkung rechtfertigen könnten. Der Bundesgerichtshof hat insoweit klargestellt, dass die Unzumutbarkeit nur ein Element bei der Prüfung eines etwaig vorliegenden Umstandsmoments darstellt. Es dürfe mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren sein, dass der Berechtigte später doch noch mit der Geltendmachung des ihm zustehenden Rechts hervortrete. Die Leistung müsse also unter diesem Gesichtspunkt für den Verpflichteten nicht mehr zumutbar sein. Das wiederum bedeute, dass es für den Tatbestand der Verwirkung auch auf das Verhalten des Verpflichteten ankomme und dass gerade auch dieses ebenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu prüfen und zu beurteilen sei (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17). In diesem Zusammenhang entspricht es aber ständiger Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in den Widerspruchsfällen, dass der Versicherer für sich ein schutzwürdiges Vertrauen dann nicht in Anspruch nehmen kann, wenn er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2018 - IV ZR 304/15; BGH, Urteil vom 28. September 2016 - IV ZR 210/14; BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 343/15). Unabhängig hiervon ist nicht nachvollziehbar, weshalb es für die Beklagte einen unzumutbaren Nachteil darstellen soll, wenn sie die von ihr bei Abschluss des Vertrags an den Vermittler gezahlte Provision möglicherweise nicht mehr zurückerhalten kann. Hierbei handelt es sich vielmehr um ein Risiko, das potenziell bei jedem provisionspflichtigen Vertragsschluss besteht und das allein dem Risikobereich des Versicherers zuzurechnen ist.

Soweit das Landgericht schließlich auf die zwischen Beendigung des Vertrags und Erklärung des Widerspruchs verstrichene Zeit von acht Jahren hingewiesen hat, ist dieses ebenfalls nicht geeignet, ein Umstandsmoment zu begründen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rückwicklung von Verbraucherdarlehensverträgen anerkannt, dass die nach Vertragsbeendigung verstrichene Zeitspanne ein Umstandsmoment darstellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2019 - XI ZR 203/18; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17). Diesen Fallkonstellationen lag aber stets die Situation zugrunde, dass der Kreditgeber im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigungen weitergehende Dispositionen beispielsweise durch Rückgabe von Sicherheiten getroffen hatte, die ihn als hinreichend schutzwürdig erscheinen ließen.

Außerhalb dieser Konstellationen ist hingegen anerkannt, dass das Umstandsmoment nicht durch bloßen Zeitablauf ohne Hinzutreten weiterer Umstände geschaffen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2017 - V ZR 275/16; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12; BGH, Urteil vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00).

Auf dieser Grundlage hat auch der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs beispielsweise eine Verwirkung im Fall eines Widerspruchs acht Jahre nach Vertragsbeendigung verneint (Urteil vom 1. Juni 2016 - IV ZR 343/15). Auch das von der Beklagten auszugsweise zitierte Urteil des Oberlandesgerichts München vom 31. August 2018 - 25 U 607/18 - führt zu keiner abweichenden Bewertung. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall der Vertrag - anders als in der vom Oberlandesgericht München beurteilten Sachverhaltskonstellation - nicht durch eine Kündigung und somit durch eine eigenbestimmte Handlung des Versicherungsnehmers beendet wurde. Vielmehr endete der streitgegenständliche Vertrag ohne weiteres Zutun des Klägers allein durch Zeitablauf. Selbst wenn man deshalb mit dem Oberlandesgericht München in der Kündigung ein zusätzliches Umstandsmoment neben dem reinen Zeitablauf sehen wollte, wäre ein solches Umstandsmoment jedenfalls im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung (Bl. 116 d. A.) steht einer Ausübung des Widerspruchsrechts auch nicht die in § 124 Abs. 3 BGB geregelte Ausschlussfrist entgegen. Zwar wird dies in Teilen der Rechtsprechung vertreten (vgl. OLG München, NJW-RR 2018, 870 [OLG Köln 15.11.2017 - 5 U 68/17]; OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 3. Januar 2018 - 4 U 1235/17; LG Memmingen, Urteil vom 2. Mai 2018 - 31 O 615/17 - Anlage B 16; LG Mannheim, Urteil vom 12. Dezember 2017 - 11 O 53/16; LG Aachen, Urteil vom 11. Mai 2017 - 9 O 28/17; ablehnend: OLG Oldenburg, NJW-RR 2020, 222; OLG Köln, Urteil vom 22. Dezember 2015 - 20 U 99/15). Allerdings teilt der Senat diese Auffassung nicht. Im Ergebnis läuft die Heranziehung der in § 124 Abs. 3 BGB geregelten Ausschlussfrist auf eine analoge Anwendung dieser Bestimmung hinaus. Dabei kann offenbleiben, ob die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit von Sachverhalten vorliegt. Denn darüber hinaus ist Voraussetzung für die analoge Anwendung einer Bestimmung stets das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, 381 f). An einer solchen Gesetzeslücke fehlt es im vorliegenden Fall allerdings. Denn der Gesetzgeber hat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. in Ansehung zweier von der EU-Kommission eingeleiteter Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 2008 mit Wirkung für die Zukunft insgesamt gestrichen und nicht etwa nur durch eine längere Frist ersetzt. Darüber hinaus heißt es bereits in dem zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG aF ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15 unter anderem:

"Die aus der partiellen Nichtanwendung der Norm folgende Einräumung eines "ewigen" Widerrufsrechts im Bereich der Lebensversicherungen findet eine ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen, die auf eine bislang stillschweigende Billigung des Gesetzgebers schließen lassen."

Eine Interpretation, die hingegen als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift demgegenüber unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 1 BvR 1842/11). Die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hier vorliegende stillschweigende Billigung des Gesetzgebers darf auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass über das Vehikel der Verwirkung die Zehnjahresfrist des § 124 Abs. 3 BGB gleichwohl wieder als Grenze für die Geltendmachung des Widerspruchsrechts statuiert wird.

Vorsorglich weist der Senat weiter darauf hin, dass auch der in § 124 Abs. 3 BGB zum Ausdruck kommende Gedanke der Rechtssicherheit der Annahme eines "ewigen" Widerspruchsrechts nicht entgegensteht. Das hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - ausdrücklich klargestellt:

"Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das u. a. von der Allianz vorgetragene Argument entkräftet, wonach der Grundsatz der Rechtssicherheit eine Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren fragliche gebieten könne. Der Gerichtshof hat nämlich insoweit bereits entschieden, dass ein Verbraucher das Widerrufsrecht nicht ausüben könne, wenn es ihm nicht bekannt sei, und dass daher aus Gründen der Rechtssicherheit eine Beschränkung des Zeitraums, in dem das Widerrufsrecht nach der Richtlinie 85/577 ausgeübt werden könne, nicht gerechtfertigt sein könne, weil dies eine Einschränkung der Rechte impliziere, die dem Verbraucher ausdrücklich verliehen worden seien, um ihn vor den Gefahren zu schützen, die sich daraus ergeben, dass Kreditinstitute bewusst Verträge außerhalb ihrer Geschäftsräume abschlössen (Urteil vom 13. Dezember 2001, Heininger, C-481/99, Slg. 2001, I-9945, Randnrn. 45 und 47)."

d) Der Kläger ist nicht deshalb an der Ausübung des Widerspruchsrechts gehindert, weil der Versicherungsvertrag vor Erklärung des Rücktritts vollständig abgewickelt wurde.

Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 - entschieden, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG entsprechend anwendbar seien. Die vorstehenden Bestimmungen waren allerdings zum Zeitpunkt der vollständigen Vertragsabwicklung am 23. März 2009 bereits wieder außer Kraft. Hätten diese Bestimmungen zum maßgeblichen Zeitpunkt aber nicht mehr unmittelbar angewendet werden können, muss damit erst recht eine analoge Anwendung dieser Regelungen ausscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 - IV ZR 488/14; BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11).

Unter diesen Umständen ist es entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ohne Bedeutung, dass der Europäische Gerichtshof in seinen bisherigen Entscheidungen zum Widerspruchs- bzw. Rücktrittsrecht von Verbrauchern bei fehlerhafter Belehrung über ihr Recht eine zeitliche Höchstgrenze für die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht von vornherein ausgeschlossen hat. Denn selbst wenn eine solche Begrenzung des fortwirkenden Widerspruchsrechts mit europäischem Recht in Einklang stünde, wäre hierfür zunächst eine entsprechende nationale Regelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es aber im vorliegenden Fall.

5. Allerdings steht dem Kläger gegen die Beklagte kein weitergehender Anspruch zu.

a) Gemäß § 818 Abs. 2 BGB kann der Kläger Rückzahlung seiner Einmalprämie verlangen. Diese beläuft sich unstreitig auf 1.108.385,62 DM bzw. auf 566.708,57 €.

b) Darüber hinaus kann der Kläger gemäß § 818 Abs. 1 BGB auch Auszahlung der der von der Beklagten gezogenen Nutzungen verlangen.

Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung orientiert sich die Berechnung der Nutzungen nicht an der von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihren ungebundenen Vermögenswerten erzielten Rendite. Maßgeblich ist vielmehr die Rendite, die von der Beklagten mit der vertraglich vereinbarten Investition in den Euro-Pool Serie 6.01 erzielt wurde.

Ob die Rückabwicklung von Unitised-with-profits-Verträgen britischer Prägung nach den Grundsätzen einer klassischen Lebensversicherung oder nach den Grundsätzen eines fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrags zu erfolgen hat, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 9. Mai 2019 - 7 U 169/18 - die Auffassung vertreten, dass Unitised with Profits-Produkte Elemente sowohl der klassischen als auch der fondsgebundenen kapitalbildenden Versicherung aufwiesen. Die Sparprämie werde in einem speziell für das UWP-Produkt aufgelegten Fonds angelegt, der grundsätzlich stark in Aktien investiert und durch eine Kapitalanlagegesellschaft nach Vorgaben des Versicherers aktiv gemanagt werde. Der Versicherungsnehmer partizipiere an Kapitalanlagegewinnen und -verlusten des UWP-Fonds, wobei die jährlichen Schwankungen durch ein Glättungsverfahren (sog. Smoothing), durch einen Schlussbonus bei Vertragsablauf und ggf. durch eine Marktwertanpassung bei vorzeitiger Kündigung des Vertrages abgefedert würden. Zwar werde bei diesen Verträgen der Jahres- oder Fälligkeitsbonus garantiert. Entscheidend sei allerdings, dass die Chancen und Risiken der mit der Investition verbundenen Anlage jedenfalls in einer kollektivierten Form von den Versicherungsnehmern und nicht von dem Versicherer getragen würden.

Auch das Bundesministerium für Finanzen hat in seiner Altersvorsorge-Produktinformationsblattverordnung vom 21. Februar 2017 die Unitised-with-profits-Verträge britischer Prägung als fondsgebundene einheitenbasierte Rentenversicherung und nicht als klassische Rentenversicherung eingestuft.

Dieser Auffassung ist das Oberlandesgericht Hamm in seinem von der Klägerin in diesem Rechtsstreit vorgelegten und nicht veröffentlichen Hinweisbeschluss vom 13. Januar 2020 - 6 U 103/18 - (Anlage K 35, Bl. 588 - 592 d. A.) entgegengetreten. Maßgeblich für die Abgrenzung der klassischen von der fondsgebundenen Lebensversicherung sei, wer das Entreicherungsrisiko trage. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheide sich der Versicherungsnehmer für ein Produkt, dessen Rentabilität von dem schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängig sei. Dies beinhalte auch das vom Versicherungsnehmer allein zu tragende Risiko von Verlusten. Dieses Verlustrisiko sei bei den Unitised with Profits-Produkten mit garantiertem Wertzuwachs aber gerade nicht den Versicherungsnehmern zugewiesen. Vielmehr sei die Wertentwicklung der Anlage in erheblichem Maße von der Gestaltung durch die Beklagte abhängig. Das vertraglich vereinbarte Glättungsverfahren habe zur Folge, dass nur ein Teil der mit seiner Prämie erzielten Rendite an den Versicherungsnehmer weitergeleitet werde. Darüber hinaus habe der Versicherer auch die Möglichkeit, durch die poolübergreifende Reservenbildung auf die Wertentwicklung der Anlage Einfluss zu nehmen. Auch die vertraglich vereinbarte Marktpreisanpassung bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags zeige, dass das Verlustrisiko der Beklagten und nicht dem Kläger zugewiesen sei.

Der Senat stimmt im Ergebnis der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart zu. Allerdings ist im Ausgangspunkt nicht entscheidend, ob der streitgegenständliche Vertrag im Fall einer ordnungsgemäßen Durchführung eher Elemente einer klassischen oder Elemente einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach deutschem Vorbild aufweist. Ausgangspunkt für die Berechnung der Nutzungen ist vielmehr, dass der Versicherer bei einer Rückabwicklung eines kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nur) die vom Versicherer mit der Prämie des Versicherungsnehmers tatsächlich erzielten Nutzungen herauszugeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2019 - IV ZR 324/16; BGH, Urteil vom 21. Juni 2017 - IV ZR 176/15; BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14; BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14; BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14; BGH, Beschluss vom 30. Juli 2012 - IV ZR 134/11).

Deshalb ist auch die Frage nach dem Vertragstyp nicht primär für die Frage entscheidend, nach welchen Grundsätzen einer Rückabwicklung zu erfolgen hat. Es geht vielmehr um die vorgelagerte Frage, wie der Versicherer mit dem Sparanteil des Versicherungsnehmers eine Rendite erzielt.

Dabei existieren im Ausgangspunkt zwei Ansätze. Entweder wird analog § 125 Abs. 5 VAG (bzw. § 54b VAG in der Fassung vom 21. Dezember 2000) ein Anlagestock gebildet und die Rendite von der wirtschaftlichen Entwicklung der in diesem Anlagestock enthaltenen Vermögenswerte abhängig gemacht (investitionsbezogener Maßstab) oder es wird auf die vom Versicherer mit dem freien Unternehmenskapital erzielte Nettorendite abgestellt (unternehmensbezogener Maßstab, vgl. Schnepp in: Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 4. Aufl., § 10, Rn. 101).

Entscheidend ist damit, ob es sich bei dem With-Profits-Funds um gebundenes Sicherungsvermögen handelt, oder um freies Unternehmenskapital, mit dem die Beklagte ihre Nettorendite erwirtschaftet. Wenn es sich um gebundenes Vermögen handelt, verbietet sich aber der Rückgriff auf die Nettorendite der Beklagten zur Berechnung der gezogenen Nutzungen von selbst, denn dann konnte die Beklagte mit dem Sparanteil der Prämie keine über die mit dem Anlagestock erzielten Renditen hinausgehenden Nutzungen erwirtschaften.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem streitgegenständlichen With-Profits-Funds um gebundenes Vermögen analog § 125 Abs. 5 VAG, denn die Wertentwicklung der von den Versicherungsnehmern eingezahlten Prämien wurde an die Wertentwicklung von maximal 10 Investmentfonds innerhalb eines Pools gekoppelt (vgl. Ziffer 5.1 der Verbraucherinformationen). Damit wurden die Sparanteile der Prämien rechnerisch und wirtschaftlich abgrenzbare Bestandteile der Aktiva der Beklagten mit einem eigenständigen wirtschaftlichen Schicksal.

Demgegenüber ist es entgegen der vom Oberlandesgericht Hamm vertretenen Auffassung unerheblich, ob die Beklagte zur Milderung von Renditeschwankungen ein Glättungsverfahren durchgeführt oder ob sich die Beklagte im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Vertrags eine Marktpreisanpassung vorbehalten hat. Denn entscheidend für die Berechnung des Anspruchs auf Nutzungsherausgabe ist nicht, welches Schicksal die zunächst tatsächlich gezogenen Nutzungen im Anschluss erfahren, ob sie an den Versicherungsnehmer in vollem Umfang ausgekehrt werden oder ob sie der Versicherer beispielsweise im Rahmen einer poolübergreifenden Reservenbildung jedenfalls zunächst teilweise einbehält und ob es zur Bildung freier Vermögenswerte durch den Versicherer kommt. Das alles ändert nichts daran, dass die mit der Anlage tatsächlich erzielten Nutzungen herauszugeben sind, und zwar unabhängig von ihrer anschließenden Verwendung durch den Versicherer. Die tatsächlich erzielten Nutzungen orientieren sich im vorliegenden Fall aber an der Rendite des Euro-Pool Serie 6.01.

Soweit der Kläger die Investition des Sparanteils seiner Prämie in den Euro-Pool Serie 6.01 bestritten hat (Bl. 158 d. A.), ändert das am Ergebnis nichts. Zwar will der Kläger mit diesem Bestreiten erkennbar die Möglichkeit in den Raum stellen, dass die Beklagte tatsächlich in eine erfolgreichere Anlage investiert haben könnte und dementsprechend zur Herausgabe der hiermit erzielten weitergehenden Nutzungen verpflichtet ist. Allerdings muss der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen den vertragswidrigen Einbehalt der Prämie durch die Beklagte beweisen. Ein solches Beweisangebot hat er aber nicht unterbreitet.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast für den streitgegenständlichen Zeitraum bis 2009 (Bl. 7 d. A.) zu der mit dem Euro-Pool Serie 6.01 generierten (ungeglätteten) Rendite wie folgt vorgetragen (vgl. Bl. 678 d. A.):

Jahr

Rendite

Nutzungen / Verluste

2001

-10,29 %

-44.895,68 €

2002

-16,7 %

-84.179,74 €

2003

6,07 %

24.703,78 €

2004

7,28 %

30.512,03 €

2005

11,9 %

51.939,32 €

2006

9,97 %

47.639,37 €

2007

2,68 %

13.941,91 €

2008

-18,44 %

-97.521,53 €

2009

14,67 %

13.958,99 €

Ergebnis

-43.901,55 €

Diese Zahlen hat der Kläger zwar bestritten. Allerdings ist der Kläger für die Höhe der tatsächlich erzielten Nutzungen darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2017 - IV ZR 176/15; BGH, Urteil vom 17. Mai 2017- IV ZR 403/15; BGH, Urteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14). Es genügt deshalb nicht, den von der Beklagten mitgeteilten Zahlen entgegenzutreten. Vielmehr muss der Kläger darlegen und ggf. beweisen, welche Rendite die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Fonds tatsächlich erzielte. Soweit den Versicherer insoweit eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14), hat die Beklagte dieser Darlegungslast entsprochen. Sie hat nicht nur vorgetragen, dass der Euro-Pool Serie 6.01 im streitgegenständlichen Zeitraum Verluste erwirtschaftet habe. Sie hat auch näher zur Höhe der jährlichen (teilweise negativen) Rendite vorgetragen.

Soweit der Kläger auf ihm für einen weitergehenden Vortrag fehlende Informationen verwiesen hat, führt das nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Unabhängig hiervon hat die Beklagte bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass der Kläger die regulatorische Rendite des streitgegenständlichen Pools bei der britischen Aufsicht hätte abfragen und auf dieser Grundlage die von der Beklagten gezogenen Nutzungen selbst hätte errechnen können (Bl. 97 d. A.).

Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte eine etwaig von ihr behauptete Entreicherung beweisen muss und die von der Beklagten für einzelne Jahre behauptete negative Rendite (im Fall ihrer Nichterweislichkeit) außer Acht gelassen werden und bei der Berechnung der gezogenen Nutzungen nur auf die Jahre mit positiver Rendite abgestellt werden darf (so der Klägervortrag Bl. 718, 719 d. A.). Insoweit übersieht der Kläger, dass er sich bei der Berechnung gezogener Nutzungen nicht auf einzelne Jahre mit positiver Rendite beschränken kann. Die einzelnen, im Rahmen des Bereicherungssaldos zu berücksichtigenden Leistungen sind nur unselbstständige Rechnungsposten (vgl. Martinek in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 818, Rn. 86). Die Darlegungs- und Beweislast des Klägers zur Höhe gezogener Nutzungen erstreckt sich deshalb auf den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Nur wenn die Beklagte in diesem Zeitraum per Saldo Nutzungen erzielte, sind diese herauszugeben.

Das ergibt sich unter anderem auch aus der vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 31. Juli 2020 zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Oktober 2018. Darin heißt es unter anderem (Bl. 717 d. A.):

"Ob ein Verlust entstanden ist, lässt sich nur feststellen, wenn der Wert der Fondsanteile zum Zeitpunkt des Widerspruchs ... angegeben wird." [Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat]

Dieser allgemeine Grundsatz kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Kläger sich bei der Berechnung seines Nutzungsherausgabeanspruchs auf einzelne Jahre, Monate oder ggf. Wochen beschränkt. Auf dieser Grundlage ist der Vortrag der Beklagten auch im Ausgangspunkt dahin zu verstehen, dass sie mit dem Euro-Pool Serie 6.01 im streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt keine Nutzungen erzielte. Die Darstellung der Wertentwicklung innerhalb der einzelnen Jahre dient hingegen nur der näheren Erläuterung auch im Sinne des Informationsinteresses des Klägers. Hiermit ist aber nicht die Geltendmachung einer etwaigen Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB verbunden. Im Gegenteil hat die Beklagte ausdrücklich erklärt, sich nicht auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB zu berufen (Bl. 241 d. A.). Dementsprechend kommt im vorliegenden Fall auch nicht die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 31. Juli 2020 angesprochene Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Hinweisbeschluss vom 17. August 2018 zum Tragen, wonach der Versicherer für von ihm behauptete Verluste des Anlagekapitals beweispflichtig ist (Seite 32 im Schriftsatz, Bl. 716 d. A.). Anders verhielte es sich, wenn die Beklagte etwaige Fondsverluste vom Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Prämien hätte in Abzug bringen wollen. Das ist aber nicht der Fall. Etwaige, per saldo erzielte Fondsgewinne muss hingegen der Kläger darlegen und beweisen.

Zutreffend hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. August 2020 darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die von ihr gewählten Zeiteinheiten willkürlich gewählt sind und sie bei der Darstellung der Kapitalentwicklung auch größere Einheiten hätte wählen können. Auch dieser Umstand spricht klar gegen den Versuch des Klägers, den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen auf die in einzelnen Jahren erzielte positive Rendite zu beschränken. Entscheidend ist vielmehr, in welcher Höhe Nutzungen bei Beendigung des Vertrags durch Widerspruch noch vorhanden sind.

Nutzungen erzielte die Beklagte hingegen mit den von ihr einbehaltenen Verwaltungskosten, und zwar nach eigenen Angaben in Höhe von 7.308,06 € (Bl. 680 d. A.). Dem ist der Kläger im Anschluss nicht mehr entgegengetreten.

Auf der Grundlage der vorstehenden Zahlen ergibt sich für den Kläger kein weitergehender Anspruch. Im Gegenteil ist der Kläger mit der Abschlusszahlung im Hinblick auf seinen später begründeten Rückabwicklungsanspruch bereits überzahlt:

Prämien

566.708,57 €

zzgl. Nutzungen aus Sparanteil

0 €

zzgl. Nutzungen aus Verwaltungskostenanteil

7.308,06 €

abzgl. Abschlusszahlung

-588.035,30 €

Gesamt

-14.018,67 €

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert entspricht der Beschwer der Beklagten und damit dem vom Landgericht ausgeurteilten Betrag. In Ermangelung einer Tilgungsbestimmung der Beklagten anlässlich der Abschlusszahlung ist in entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 367 BGB (vgl. KG Berlin, WM 2019, 1153 [KG Berlin 09.05.2019 - 8 U 57/17]) von einer Verrechnung primär mit den geltend gemachten Nutzungen auszugehen. Das wiederum hat zur Folge, dass mit der Auszahlung der Abschlusszahlung der bis zu diesem Zeitpunkt nach der Berechnung des Klägers angefallene Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen in voller Höhe erloschen ist. Damit handelt es sich bei dem verbleibenden Betrag um eine Hauptforderung in Gestalt des Anspruchs auf Rückzahlung der Prämien.