Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.06.2018, Az.: 2 Ws 205/18

Hinnahme härterer Sanktionen ausländischer Urteile bei Vollstreckungshilfe

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.06.2018
Aktenzeichen
2 Ws 205/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 66638
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 30.04.2018 - AZ: 29 StVK 46/18

Amtlicher Leitsatz

1. Begehrt eine EU-Mitgliedstaat die Übernahme der Vollstreckung einer dort verhängten Freiheitsstrafe in Deutschland, nachdem zuvor die auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls begehrte Auslieferung des Verurteilten wegen der Geltendmachung von Bewilligungshindernissen durch die Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt wurde, ist die Geltendmachung fakultativer Bewilligungshindernisse durch die Staatsanwaltschaft aufgrund der gebotenen Auslegung von § 84d IRG im Lichte der Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2002/584 ausgeschlossen.

2. Nach erfolgter Vollstreckungsübernahme ist die in Deutschland vollstreckte Auslieferungshaft auf die zu vollstreckende Strafe des ausländischen Erkenntnisses gem. § 450a StPO analog anzurechnen.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 5 des Landgerichts Hannover vom 30.04.2018 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

I.

Der Verurteilte, ein polnischer Staatsangehöriger, wurde durch Urteil des Bezirksgerichts in Poznan vom 12. April 2011 (Az.: .../11) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Nach der (Teil-)Verbüßung der verhängten Strafe (573 Tage verbüßte Haft) wurde die weitere Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Poznan vom 05. November 2013 wurde jedoch die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe (8 Monate und 14 Tage) angeordnet.

Der Verurteilung lagen folgende Tatgeschehen zu Grunde:

1. Am 26. Mai 2005 brach der Verurteilte gemeinsam mit einem minderjährigen Mittäter in Posen einen Automaten auf und entwendete daraus Getränke im Wert von 80.80 PLN.

2. Am 29. April 2005 schloss er in Posen unter Vorlage einer gefälschten Bescheinigung über seine angebliche Beschäftigung bei der Firma "XY" einen Handy-Vertrag mit der Firma "YX", wodurch er ein Mobiltelefon Nokia 6610i im Wert von 1339 PLN erhielt und eine Rechnung für die Nutzung der Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 484.62 PLN verursachte, obwohl er von Anfang an nicht zahlungswillig war.

Am 06. Juli 2015 erließ das Bezirksgerichts Poznan (Az.: .../14) aufgrund der dargestellten Verurteilung einen Europäischer Haftbefehl, auf dessen Grundlage die polnischen Behörden die Auslieferung des Verurteilten betrieben. Der Verurteilte wurde am 10. Februar 2017 in der Bundesrepublik Deutschland vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Hannover traf am 10. Februar 2017 gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG eine Festhalteanordnung. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft erließ der Senat am 14. Februar 2017 einen förmlichen Auslieferungshaftbefehl (2 AR Ausl 18/17), den der Senat durch Beschluss vom 22. Februar 2017 außer Vollzug setzte.

Mit Verfügung vom 13. November 2017 lehnte die Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung des Verurteilten an die polnischen Behörden zum Zwecke der Strafvollstreckung der im Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan (Az.: .../14) bezeichneten Freiheitsstrafe schließlich ab, da der Verurteilte seit August 2013 rechtmäßig in Deutschland lebte, über feste soziale Bindungen verfügte, in Vollzeit beschäftigt war sowie die deutsche Sprache beherrschte, so dass ein gewöhnlicher Aufenthalt i.S.v. § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG zu bejahen sei. Zudem habe der Verurteilte nach Belehrung zu richterlichem Protokoll seiner Auslieferung nicht zugestimmt und seine schutzwürdigen Interessen an einer Vollstreckung der Strafe in Deutschland würden überwiegen, da der Verurteilte gut in die deutsche Gesellschaft integriert sei.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hob der Senat mit Beschluss vom 14. November 2017 sowohl den Auslieferungshaftbefehl, als auch den Außervollzugsetzungsbeschluss auf.

Mit Schreiben des Bezirksgerichts Poznan vom 08. Januar 2018 sowie vom 26. Februar 2018 begehren die polnischen Behörden nunmehr unter Beifügung einer Bescheinigung nach Art. 4 des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen und einer beglaubigten Abschrift des zu vollstreckenden Erkenntnisses die Übernahme der Vollstreckung der durch Urteil des Bezirksgerichts in Poznan vom 12. April 2011 (Az.: .../11) verhängten Freiheitsstrafe.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat mit Verfügung vom 21.03.2018 bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover beantragt, die Vollstreckung aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Poznan vom 12. April 2011 für zulässig zu erklären, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten festzusetzen sowie zu beschließen, dass auf die festzusetzenden Sanktionen die in Polen bereits vollstreckte Haft von 573 Tagen anzurechnen ist.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. April 2018 hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung für zulässig erklärt, eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten festgesetzt und beschlossen, die in Polen vollstreckte Straf- und Untersuchungshaft im Verhältnis 1:1 anzurechnen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde und beantragt, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären. Er macht geltend, im vorliegenden Fall sei die Gewährung von Rechtshilfe gemäß § 73 IRG unzulässig, da die ausländische Rechtsfolge im Hinblick auf die von dem Verurteilten begangenen Straftaten, die auf der untersten Stufe der Kriminalität angesiedelt seien, schlechterdings unerträglich und in keiner Weise mehr vertretbar sei. Im Übrigen sei der Verurteilte zum Widerruf der Bewährung durch das zuständige polnische Gericht nicht angehört worden. Hilfsweise macht er geltend, dass auch die von dem Beschwerdeführer verbüßte Auslieferungshaft vom 10. bis zum 22. Februar 2017 anzurechnen sei. Schließlich müsse im Falle der Gewährung von Rechtshilfe die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 84g Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 IRG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich gem. § 84 IRG im Vollstreckungshilfeverkehr mit einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI des Rates vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, abgeändert durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI, nach den §§ 84 ff. IRG in der seit dem 25.07.2015 geltenden Fassung.

Nach § 84e Abs. 1 IRG entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Bewilligung der Vollstreckung. Sie kann die Vollstreckung nur bewilligen, wenn die Vollstreckung des ausländischen Erkenntnisses in Deutschland gem. § 84a - § 84c IRG zulässig ist (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter 1.) und die gem. § 84d IRG durchzuführende Ermessensausübung ergibt, dass keine Bewilligungshindernisse geltend gemacht werden sollen (vgl. im Folgenden die Ausführungen unter 2.).

1.) Die Vollstreckung der durch Urteil des Bezirksgerichtes Poznan vom 12. April 2011 (Az.: .../11) verhängten Freiheitsstrafe in Deutschland ist gemäß § 84a ff. IRG zulässig.

a) Insoweit haben die polnischen Justizbehörden ihr Gesuch um Übernahme der Strafvollstreckung durch die Verwendung der in Art. 4 des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen vorgesehenen und in der Anlage 1 aufgeführten vollständig ausgefüllten Bescheinigung gemäß § 84c IRG nebst den der Verurteilung zugrundeliegenden Erkenntnissen in deutscher Sprache übermittelt, so dass den formalen Anforderungen ausreichend Rechnung getragen ist.

b) Die durch Urteil des Bezirksgerichtes Poznan vom 12. April 2011 (Az.: .../11) verhängte Freiheitsstrafe ist rechtskräftig (§ 84a Abs. 1 Nr. 1 IRG), vollstreckbar (§ 84a Abs. 1 Nr. 1a IRG) und kann gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 1 IRG i.V.m. 54 Abs. 1 Satz 2 IRG auch in eine Sanktion umgewandelt werden, die ihr im deutschen Recht am meisten entspricht. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer hierbei eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten festgesetzt, denn gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 IRG ist für die nach deutschem Recht festzusetzende Strafe die Höhe der ausländischen Sanktion verbindlich. Eine Anpassung des Strafmaßes nach deutschem Strafzumessungsrecht ist nicht möglich (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 2. August 2013 - 2 Ws 385/13). Soweit die Strafvollstreckungskammer einen Anrechnungsmaßstab von 1:1 festgelegt hat, ist dies fehlerhaft, weil der Vollstreckungsstaat an die rechtliche Art und die Dauer der Sanktion, wie sie vom Urteilsstaat festgelegt worden sind, gebunden ist und eine Entscheidung über einen Anrechnungsmaßstab einen unzulässigen Eingriff in das ausländische Urteil darstellt (KG Berlin, Beschluss vom 18. Juli 2017 - 2 Ws 101/17 -, juris). Vorliegend ist der fehlerhaft festgelegte Maßstab allerdings unschädlich, da er die von dem Urteilsstaat festgelegte Dauer der Sanktion nicht beeinträchtigt.

c) Das aus § 84a Abs. 1 Nr. 2 IRG resultierende Erfordernis der Strafbarkeit der dem zu vollstreckenden Erkenntnis zugrundeliegenden Taten nach deutschen Strafrecht war vorliegend nicht zu prüfen, da der Verurteilte seiner Auslieferung gem. § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG nicht zugestimmt hat (§ 84a Abs.3 Satz 1 IRG).

d) Der Verurteilte ist zwar polnischer und kein deutscher Staatsangehöriger; zutreffend hat jedoch bereits die Generalstaatsanwaltschaft im Auslieferungsverfahren nach Durchführung der erforderlichen Gesamtbetrachtung der die Situation des Verurteilten kennzeichnenden Umstände, zu denen insbesondere die Dauer, die Art und die Bedingungen des Verweilens der gesuchten Person sowie ihre familiären und wirtschaftlichen Verbindungen zum Vollstreckungsmitgliedstaat gehören, einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland angenommen. Da ein Verfahren zur Beendigung des Aufenthaltes des Verurteilten nicht ersichtlich ist, liegen die Voraussetzungen von § 84a Abs. 1 Nr. 3a IRG vor.

e) Der Verurteilte hält sich zudem in der Bundesrepublik Deutschland auf (§ 84a Abs. 1 Nr. 3b IRG), so dass seine Zustimmung zu einer Vollstreckung der Strafe in Deutschland entbehrlich ist (§ 84a Abs. 1 Nr. 3c IRG).

f) Die Übernahme der Vollstreckung scheitert auch nicht an den ergänzenden Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 84b IRG; insbesondere liegt kein Abwesenheitsurteil i.S.v. § 84b Abs. 1 Nr. 2 IRG vor, denn der Verurteilte war ausweislich der Mitteilung der polnischen Behörden bei seiner Verurteilung anwesend.

2.) Da die von den polnischen Behörden begehrte Vollstreckungsübernahme nach alledem zulässig ist, oblag der Staatsanwaltschaft gemäß § 84e Abs. 1 Satz 1 IRG die vorläufige Bewilligungsentscheidung, namentlich die Prüfung, ob Bewilligungshindernisse gemäß § 84d Nr. 1 - 6 IRG geltend gemacht werden sollen. Insoweit steht der Staatsanwaltschaft ein Ermessen zu, dessen Ausübung sich aus dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergeben muss (§ 84e Abs. 2 IRG).

Vorliegend finden sich in dem Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover vom 21. März 2018 zur Frage, ob Bewilligungshindernisse nach § 84 d IRG geltend gemacht werden sollen, jedoch keinerlei Ausführungen. Trotz dieser unterlassenen und daher fehlerhaften Ermessenausübung war eine Aufhebung der staatsanwaltlichen Entscheidung und eine Rückgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft zur erneuten Ermessensausübung gem. § 84g Abs. 3 Nr. 2 IRG vorliegend entbehrlich, denn eine Ermessenausübung mit dem Ergebnis, Bewilligungshindernisse geltend zu machen und deshalb die Vollstreckungsübernahme abzulehnen, kam nicht in Betracht.

Insoweit weist die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass die Geltendmachung von Bewilligungshindernissen in der vorliegenden Konstellation der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zuwiderlaufen würde.

Gem. Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584 kann die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls verweigern, wenn der Europäische Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellt worden ist, sich die gesuchte Person im Vollstreckungsmitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehöriger ist oder dort ihren Wohnsitz hat und dieser Staat sich verpflichtet, die Strafe oder die Maßregel der Sicherung nach seinem innerstaatlichen Recht zu vollstrecken. Der europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.06.2017 (C-579/15, Celex-Nr. 62015CJ0579) entschieden, dass Art. 4 Nr. 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen ist, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Umsetzung dieser Bestimmung entgegensteht, die es zum einen nicht zulassen, dass ein Ausländer, der in diesem Mitgliedstaat über eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung verfügt, einem anderen Mitgliedstaat auf dessen Antrag zum Zweck der Vollstreckung einer gegen den Ausländer durch rechtskräftiges Urteil verhängten Freiheitsstrafe übergeben wird, und zum anderen für die Justizbehörden des erstgenannten Mitgliedstaats lediglich die Verpflichtung vorsehen, die Justizbehörden des letztgenannten Mitgliedstaats von ihrer Bereitschaft zur Übernahme der Vollstreckung des Urteils zu unterrichten, ohne dass zum Zeitpunkt der Verweigerung der Übergabe die tatsächliche Übernahme der Vollstreckung sichergestellt wäre. Zwar entfalten Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2002/584 keine unmittelbare Wirkung; nationale Rechtsvorschriften seien jedoch so weit wie möglich rahmenbeschlusskonform auszulegen.

Die deutschen Rechtsvorschriften der § 84 ff. IRG machen die Übernahme der Vollstreckung eines in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Erkenntnis selbst im Falle einer - wie hier gem. § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG erfolgten - vorherigen Ablehnung der Auslieferung des Verurteilten an den ersuchenden Mitgliedstaat zwar ausdrücklich davon abhängig, dass der beantragende Mitgliedstaat eine § 84 c IRG entsprechende Bescheinigung vorlegt. Die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Sicherstellung der Übernahme der Vollstreckung im Zeitpunkt der Ablehnung der Auslieferung war mithin nach den deutschen Rechtsvorschriften nicht gegeben. Der Senat braucht vorliegend aber nicht zu entscheiden, ob eine rahmenbeschlusskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften ggf. sogar dazu zwingt, die Zulässigkeitsvoraussetzungen einschränkend auszulegen, denn diese liegen - wie dargestellt - vor; die Geltendmachung sämtlicher fakultativer Bewilligungshindernisse aus § 84d IRG ist allerdings unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und der gebotenen rahmenbeschlusskonformen Auslegung zwingend ausgeschlossen.

Nach alledem bestand für die Staatsanwaltschaft eine Ermessensreduzierung auf Null, so das eine andere Ermessensentscheidung im Sinne von § 84g Abs. 3 Nr. 2 IRG nicht in Betracht kam.

3. Die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und der Staatsanwaltschaft waren auch nicht deshalb aufzuheben, weil die Verfahrensvorschriften gem. § 84e und § 84f IRG nicht eingehalten worden sind.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft Hannover dem Verurteilten entgegen § 84e Abs. 1 Satz 2 IRG kein rechtliches Gehör gewährt. Dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch das weitere gerichtliche Verfahren geheilt worden, indem dem Verurteilten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zum Vollstreckungsübernahmeersuchen erteilt wurde. Die durch § 84f Abs. 2 IRG grundsätzlich geforderte Übersendung der in § 84c IRG genannten Unterlagen an den Verurteilten war vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, weil der Verurteilte den Sachverhalt aus dem zuvor durchgeführten Auslieferungsverfahren ausreichend kannte.

4. Schließlich liegen auch keine Vollstreckungsübernahmehindernisse gemäß § 73, 84 Abs. 2 IRG vor. Eine Vollstreckungshilfe ist danach unzulässig, wenn sie gegen wesentliche deutsche Rechtsgrundsätze und Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstößt (BT-Drucks. 18/4347 S. 36; vgl. hierzu auch Schomburg/Hackner in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl. 2012, § 49 Rn. 24c). Nach der Rechtsprechung kann ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung vorliegen, wenn die Vollstreckung des ausländischen Erkenntnisses eine unerträgliche Härte, mithin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellen würde (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.11.2012, 1 AK 19/12 -, juris). Danach ist die Leistung von Rechtshilfe aber erst dann als unzulässig anzusehen, wenn die ausländische Rechtsfolge schlechterdings unerträglich und in keiner Weise mehr vertretbar wäre; dass sie als hart oder sogar in hohem Maße hart anzusehen ist, genügt hingegen nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 1 Ws 235/16 -, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26.04.2010, 1 Ws 19/10 -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe verstößt die von den polnischen Behörden begehrte Vollstreckungshilfe keineswegs gegen § 73 IRG. Im Rahmen der Vollstreckungshilfe und gerade im Rahmen des RB-Freiheitsstrafen ist es regelmäßig hinzunehmen, dass andere europäische Staaten teilweise wesentlich härtere Sanktionen verhängen als solche in der Bundesrepublik Deutschland für vergleichbare Taten üblich sind (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. März 2017 - 1 Ws 8/17 -, juris). Zwar sind die der dem Urteil des Bezirksgerichts Poznan vom 12. April 2011 zugrundeliegenden Taten allenfalls der mittleren Kriminalität zuzurechnen; die Verhängung der ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe erscheint jedoch keineswegs unerträglich oder unvertretbar.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, zum Widerruf der Bewährung nicht angehört worden zu sein, widerspricht die Leistung der Rechtshilfe deshalb ebenfalls nicht wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung im Sinne von § 73 IRG (vgl. OLG Celle, NStZ-RR 2012, 260).

Schließlich ist die vom Verteidiger hilfsweise beantragte sofortige Aussetzung der umgewandelten Sanktion zur Bewährung im Exequaturverfahren selbst nicht möglich; vielmehr kommt erst nach erfolgter Übernahme der Vollstreckung eine Aussetzung des Rests der freiheitsentziehenden Sanktion zur Bewährung in Betracht. Dies entspricht einem allgemeinen und auch im RB-Freiheitstrafen zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Vollstreckungshilfe, dass im Falle einer Vollstreckungsübernahme die Festsetzung der Höhe der Strafe nebst der Möglichkeit der Aussetzung derselben dem Urteilsstaat vorbehalten ist, wohingegen für die nach Übernahme zu treffenden vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen das Recht des ersuchten Staates bzw. des Vollstreckungsstaats maßgeblich ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. März 2017 - 1 Ws 8/17 -, juris; BVerfG EuGRZ 2009, 46 ff. [BVerfG 14.01.2009 - 2 BvR 1492/08]; Schomburg/Hackner, a.a.O., § 54 Rn. 9).

5. Zutreffend weist der Beschwerdeführer allerdings darauf hin, dass auf die zu vollstreckende Strafe neben der von dem Verurteilten bereits in Polen verbüßten Untersuchungs- und Strafhaft auch die in Deutschland in der Zeit vom 10. - 22.02.2017 verbüßte Auslieferungshaft anzurechnen ist.

Insoweit hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:

"Eine Anrechnung der in Deutschland erlittenen Auslieferungshaft musste im Tenor ebenfalls nicht festgestellt werden. § 54 Abs. 4 IRG sieht ausdrücklich nur vor, dass eine im ausländischen Staat vollstreckte Haft anzurechnen ist. Vorliegend ist aber die Auslieferungshaft nicht im Ausland, sondern in Deutschland vollstreckt worden. Ergänzend ist ausdrücklich die gemäß § 81j IRG erlittene Haft anzurechnen. Eine solche war im vorliegenden Verfahren aber nicht angeordnet. Auch § 450a StPO sieht lediglich die Anrechnung der im Ausland erlittene Freiheitsentziehung vor. Sonstige - im Inland erlittene - Haft ist gemäß § 51 Abs. 1 StGB im Vollstreckungsverfahren anzurechnen, nicht hingegen zu tenorieren (Fischer, StGB, § 51 Rn 4). Außerdem ist diese Vorschrift allein auf ein deutsches Erkenntnisverfahren anzuwenden, wie sich aus der Systematik der Vorschrift sowie deren Verortung im zweiten Teil "Strafbemessung" ergibt. Eine wie auch immer geartete Strafbemessung darf im Exequaturverfahren auf der Grundlage des RB Freiheitsstrafen aber grundsätzlich nicht mehr erfolgen; diese ist ausschließlich Sache des erkennenden - ausländischen - Gerichts (vgl. KG Beschl. v. 18.07.2017 - 2 Ws 101/17, bei juris). § 51 Abs. 3 StGB enthält ebenfalls eine Regel zur Anrechnung von im Ausland verbüßter Haft.

Gemäß Artikel 26 Abs. 1 RB EUHB ist allerdings der Ausstellungsmitgliedstaat verpflichtet, im Fall einer Auslieferung/Übergabe die Dauer der Haft aus der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls auf die Gesamtdauer des Freiheitsentzuges anzurechnen. Im Falle einer Auslieferung hätten die polnischen Behörden also die in Deutschland verbüßte Auslieferungshaft auf die noch zu vollstreckende Freiheitsstrafe anrechnen müssen. Das Auslieferungsverfahren in Deutschland hat zwar nicht zu einer Übergabe des Betroffenen geführt, aber Art. 26 Abs. 1 RB Freiheitsstrafen ist dahin auszulegen, dass jede Freiheitsentziehung im Zusammenhang mit der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auf diese anzurechnen ist. Zwar war die Auslieferungshaft in Deutschland nicht rechtswidrig, aber anders als bei einer gescheiterten Auslieferung zur Verfolgung, bei der kein Ausgleich für die vollstreckte Haft erfolgt wäre, wenn es nicht zu einer Verurteilung kommt, ist bei der Auslieferung zur Vollstreckung eine Anrechnung zwanglos möglich und entspricht dem Grundrecht auf Freiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK (vgl. a. für den umgekehrten Fall eine Anrechnung ausländischer Auslieferungshaft in Deutschland: Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 61. Aufl., 2016, § 450a RdNr. 2 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob die polnischen Behörden in ihrem Vollstreckungshilfeersuchen die in Deutschland verbüßte Auslieferungshaft hätten berücksichtigen müssen oder ob eine solche Regelung lediglich bei einer Vollstreckung in Polen hätte erfolgen müssen. Im Falle einer Vollstreckungsübernahme durch deutsche Behörden hat aber jedenfalls auf Grund der obigen Erwägungen eine Berücksichtigung in Deutschland zu erfolgen. Eine Norm des deutschen Rechts ist allerdings, wie oben ausgeführt, nicht einschlägig. Aus den Materialien zur Umsetzung des RB Freiheitsstrafen ergibt sich auch nicht, dass eine Norm nicht geschaffen werden sollte. Daher ist von einer planwidrigen Lücke im Gesetz auszugehen, die im Wege der Analogie zu schließen ist. Da die Vollstreckung nach deutschem Recht erfolgt, ist die Vorschrift des § 450a Abs. 1 StPO aus dem deutschen Vollstreckungsrecht am vergleichbarsten und folglich analog anzuwenden. Danach ist auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe auch die im Inland (insoweit analog) erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Betroffene im Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. Diese Anrechnung ist allerdings Teil der Strafzeitberechnung und hat daher im Vollstreckungsverfahren durch die Vollstreckungsbehörde zu erfolgen (Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 61. Aufl., 2016, § 450a RdNr. 3 m. w. N.). Ein Ausspruch im Tenor ist nicht erforderlich. Lediglich im Falle einer Nicht-anrechnung hat diese auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft im Tenor zu erfolgen, § 450a Abs. 3 StPO. Insofern liegt die Situation auch anders als bei der Anrechnung vom im Ausland bereits vollstreckter Haft, die gemäß § 54 Abs. 4 IRG auf die festzusetzende Sanktion anzurechnen ist. Die unterschiedliche Behandlung ist auch sachgerecht, da der im Ausland bereits vollstreckte Teil der Sanktion nicht immer leicht festzustellen ist (z. Bewertung von Hausarrest). Bei einer in Deutschland vollstreckten Auslieferungshaft stellen sich entsprechende Probleme nicht. Auch der Umstand, dass vorliegend die Rechtsfrage der Anrechnung zu klären ist, führt nicht zu einer Aufnahme in den Tenor, da es sich um eine grundsätzliche Klärung einer Rechtsfrage handelt und nicht um eine einzelfallbezogene Feststellung, die regelmäßig in allen Verfahren zu erfolgen hätte; vielmehr ist eine Klarstellung in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung für die Vollstreckungsbehörde ausreichend. Im Übrigen wäre im Vollstreckungsverfahren eine Entscheidung des zuständigen Gerichts gemäß § 458 StPO herbeizuführen. Darüber hinaus könnte auch nur auf diesem Wege eine etwa erst nach der Exequaturentscheidung bekannt gewordene Auslieferungs- oder sonstige Haft Berücksichtigung bei der Strafvollstreckung finden.

Eine Anrechnung der Auslieferungshaft hat folglich analog § 450a StPO zu erfolgen, allerdings nicht im Tenor ausgesprochen zu werden; die Entscheidung des Landgerichts ist daher auch insoweit nicht zu beanstanden."

Diesen ausführlichen Erwägungen tritt der Senat bei.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 2, 77 IRG i.V.m. § 473 StPO.