§ 97 Nds. SVVollzG - Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
Bibliographie
- Titel
- Niedersächsisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (Nds. SVVollzG)
- Amtliche Abkürzung
- Nds. SVVollzG
- Normtyp
- Gesetz
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 34140
(1) 1Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuches zu verhindern. 2Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von einer oder einem Sicherungsverwahrten eine schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person ausgeht, die Maßnahme verhältnismäßig ist und
- 1.
die oder der Sicherungsverwahrte durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer oder seiner Auffassungsgabe und ihrem oder seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde sowie
- 2.
der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, eine Einwilligung oder, wenn die oder der Sicherungsverwahrte zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist, ein Einverständnis zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist.
(2) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Zwangsernährung sind auch bei Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, soweit diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.
(3) Eine Maßnahme nach Absatz 2 darf nur angeordnet werden, wenn
- 1.
eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
- 2.
eine Information gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 erfolgt ist,
- 3.
der entsprechend Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 unternommene Versuch, ein Einverständnis zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
- 4.
die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr nach Absatz 2 geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Maßnahmen aussichtlos sind und
- 5.
der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt.
(4) 1Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. 2Die Anordnung bedarf in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 der Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes, die oder der nicht in der Anstalt tätig ist, in der die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen wird, und der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters. 3Die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 oder 2 ist unter Angabe der Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der Wirksamkeit zu dokumentieren. 4Gleiches gilt für Erklärungen der oder des Sicherungsverwahrten, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.
(5) 1Die Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 ist der oder dem Sicherungsverwahrten vor ihrer Durchführung schriftlich bekannt zu geben. 2Dabei sind die Art und Dauer der Maßnahme einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente und der begleitenden Kontrollen sowie die Intensität der erforderlichen ärztlichen Überwachung anzugeben. 3Sie oder er ist darüber zu belehren, dass gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. 4Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die oder der Sicherungsverwahrte Gelegenheit hatte, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
(6) Bei Gefahr im Verzug finden die Bestimmungen in Absatz 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2, Absatz 3 Nrn. 2 und 3, Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 keine Anwendung.
(7) 1Die zwangsweise körperliche Untersuchung der oder des Sicherungsverwahrten zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. 2Sie bedarf der Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und ist unter deren oder dessen Leitung durchzuführen.