Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 21.07.2022, Az.: 6 A 299/19
Gesetzessammlung; unionsrechtliches Primärvergaberecht; unionsrechtliches Wettbewerbsrecht; Warenverkehrsfreiheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 21.07.2022
- Aktenzeichen
- 6 A 299/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 59779
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 102 AEUV
- Art 106 AEUV
- § 19 JAGV ND
- § 23 JAGV ND
- § 37 JAGV ND
- § 39 JAGV ND
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zulassung der gedruckten Ausgabe der „Gesetzessammlung juris Lex“ als Hilfsmittel für die erste und die zweite juristische Staatsprüfung in Niedersachsen.
Die Klägerin ist ein ... von der ... gegründeter juristischer Informationsdienstleiter und Verlag mit Sitz in A-Stadt. Die Mehrheit ihrer Geschäftsanteile liegt bei der öffentlichen Hand. Unter der Marke „juris Lex“ vermarktet die Klägerin Sammlungen von Gesetzestexten zum Bundes-, Landes- und Europarecht. Wegen des besonderen Umfangs der Sammlungen, werden diese auf besonders dünnem Papier in Italien gedruckt.
In den juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen dürfen Examenskandidaten nur solche Gesetzessammlungen verwenden, die als Hilfsmittel zugelassen sind. Hierzu werden Listen erstellt, die den Prüflingen zugänglich gemacht werden. Die Benutzung anderer als der zugelassenen Hilfsmittel ist nicht gestattet (Nr. 5 zu §§ 19, 23, 37, 39 AV-Juristenausbildung), gilt als Täuschungsversuch und hat in der Regel die Bewertung der Prüfungsleistung mit der Note „ungenügend“ zur Folge (§ 15 Abs. 1 S. 1 NJAG). Gesetzessammlungen oder Gesetzeskommentare der Klägerin sind ausweislich der veröffentlichten Listen zugelassener Hilfsmittel derzeit in Niedersachsen weder für die erste noch für die zweite Staatsprüfung zugelassen.
Mit Schreiben vom 31. August 2018 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex als Hilfsmittel für die erste und die zweite juristische Staatsprüfung durch Aufnahme in die jeweilige „Liste der zugelassenen Hilfsmittel“. Sie begründete diesen Antrag damit, dass die juris Lex-Prüfungssammlung die einzige Gesetzessammlung sei, die dem Kriterium der prüfungsbezogenen Vollständigkeit für Bundes-, Landes und Europarecht einschließlich aller darin enthaltener Normen genüge. Zudem wies sie darauf hin, dass die Gesetzessammlung in ihrer Zusammenstellung flexibel an die Erfordernisse der juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen angepasst werden könne.
Mit E-Mail vom 7. September 2018 teilte der Beklagte unter Bezugnahme auf ein Telefonat mit Herrn Dr. ... von der Klägerin mit, dass das Niedersächsische Justizprüfungsamt nicht überprüfen könne, ob die jeweils gestellten Aufgaben mit den juris-Bänden gelöst werden können. Dies sei in ähnlicher Weise auch Wettbewerbern der Klägerin mitgeteilt worden und entspreche der Sichtweise, die auf der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter im Frühjahr 2018 erörtert worden sei. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war nicht beigefügt.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2019 wandte sich die Klägerin wegen der begehrten Hilfsmittelzulassung erneut an den Beklagten. Sie führte aus, dass die bisherige, allein am Maßstab der Kontinuität ausgerichtete Auswahlpraxis des Beklagten in gleichheitswidriger Weise jeden Wettbewerb ausschließe. Studierende und Referendare hätten mit der Gesetzessammlung juris Lex eine kostengünstige Alternative zu den bisher als Hilfsmittel zugelassenen Gesetzessammlungen. Bedenken der Justizprüfungsämter dahingehend, dass die Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex einen erhöhten Verwaltungsaufwand oder Prüfungsungerechtigkeiten nach sich ziehen könnten, wies die Klägerin unter Verweis auf entsprechenden Regelungsmöglichkeiten zu Inhalt und Stand der Gesetzessammlungen und die in einzelnen Bundesländern existierende Praxis der Parallelzulassungen von Hilfsmitteln zurück.
Der Beklagte stimmte sich im weiteren Verlauf im Rahmen der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter ab und äußerte durch die Präsidentin des Landesjustizprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen als Vorsitzland des Ausschusses der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zur Koordinierung der Juristenausbildung gegenüber der Klägerin, dass die Konferenzteilnehmer Erschwernisse und Störungen bei Parallelzulassungen als so groß ansähen, dass eine Verpflichtung zur Zulassung von juris Lex nicht zu erkennen sei. Die Teilnehmer der Konferenz hätten zudem einen Beschluss bekräftigt, der wie folgt laute:
1) Die Präsidentinnen und Präsidenten sind der Auffassung, dass es zur Wahrung der Chancengleichheit geboten ist, die in den staatlichen Prüfungen zugelassenen Hilfsmittel vorzugeben.
2) Sie vertreten die Auffassung, dass Parallelzulassungen vermieden werden sollten. Durch Parallelzulassungen treten Erschwernisse und Störungen im Prüfungsablauf auf.
3) Bei der Auswahlentscheidung sollten die Verbreitung des Hilfsmittels in der Praxis, dessen Preis, Handhabbarkeit, übersichtliche Gestaltung und pädagogische Eignung berücksichtigt werden. Der Austausch eines Hilfsmittels sollte im Interesse der Kontinuität und des Vertrauensschutzes nur aus gewichtigen Gründen vorgenommen werden.
Die Klägerin hat gegen die Antragsablehnung durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 3. September 2019 Klage erhoben.
Zur Begründung führt sie aus, dass die erhobenen Bedenken des Beklagten gegen die Zulassung der streitgegenständlichen Gesetzessammlung einer sachlichen Grundlage entbehren würden. Durchgreifende Gründe gegen eine Parallelzulassung seien nicht ersichtlich. Der beeinträchtigte Markt beschränke sich nicht auf die Zahl der Exemplare, die von den Examenskandidaten in den Staatsprüfungen verwendet werden würden, sondern gehe weit darüber hinaus, insbesondere, weil die Prüflinge bereits früh im Studium die im Examen zugelassenen Gesetzessammlungen erwerben würden, um sich damit vertraut zu machen, was auch die Nutzung im späteren Berufsleben präge. Die Ablehnung der Parallelzulassung verletze die Klägerin in ihren Rechten aus der Warenverkehrsfreiheit, dem Primärvergaberecht und dem unionsrechtlichen Wettbewerbsrecht.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung seiner Entscheidung vom 7.9.2018 zu verpflichten, die von der Klägerin verlegte Gesetzessammlung juris Lex als Hilfsmittel für die Pflichtfachprüfung der ersten juristischen Prüfung sowie für die zweite juristische Staatsprüfung jeweils im schriftlichen und mündlichen Teil zuzulassen,
2. hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seiner Entscheidung vom 7.9.2018 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Zulassung der von ihr verlegten Gesetzessammlung juris Lex als Hilfsmittel für die Pflichtfachprüfung der ersten juristischen Prüfung sowie für die zweite juristische Staatsprüfung jeweils im schriftlichen und mündlichen Teil unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie an, dass die Klage schon unzulässig sei. Zudem sei auch keine Verletzung europarechtlicher Vorschriften erkennbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Der auf Verpflichtung zur Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex als zugelassenes Hilfsmittel zum ersten und zweiten juristischen Staatsexamen in Niedersachsen gerichtete Antrag ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Zulassung der Gesetzessammlung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 35 VwVfG dar, da die entsprechende Entscheidung eine Regelungswirkung für die Prüflinge hat, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird und durch die Wirkung für die Prüflinge auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf eine entsprechende Zulassung. Ausweislich des klägerischen Vorbringens stützt die Klägerin ihre Klage ausdrücklich und ausschließlich auf das Unionsrecht (vgl. Triplik S. 2). Ein notwendiges subjektiv-öffentliches Recht kann nicht aus unionsrechtlichen Vorgaben hergeleitet werden.
Rechtsgrundlage der Zulassungsentscheidung ist Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen zu §§ 19, 23, 37, 39 der NJAVO (AV-Juristenausbildung, AV d. MJ v. 17.12.2009). Danach bestimmt das Landesjustizprüfungsamt, welche Hilfsmittel in der Pflichtfachprüfung und in der zweiten Staatsprüfung zugelassen werden. Im Hinblick darauf, dass der Verordnungsgeber dem Beklagten die Auswahl überlässt, welche Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen zugelassen werden sollen, steht diesem ein weiter Ermessenspielraum zu, der seine Grenzen lediglich im allgemeinen Willkürverbot gegenüber der Klägerin findet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.2012 – 6 B 22/12 – juris Rn. 7). Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor.
1. Ein Zulassungsanspruch ergibt sich nicht aus der unionsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit. Soweit die Klägerin sich auf eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 ff. AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 202 vom 07.06.2016) beruft, ist deren Anwendungsbereich schon nicht eröffnet. Unterstellt man das Vorliegen eines Eingriffs in diese Grundfreiheit, wäre ein solcher aber jedenfalls gerechtfertigt.
Gemäß Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Im streitgegenständlichen Fall ist weder eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung zu erkennen. Eine „mengenmäßige Einfuhrbeschränkung“ ist jede Maßnahme, mit der die Einfuhr einer Ware vollständig verboten („Verbringungsverbot“) oder nach Menge, Wert oder Zeitraum begrenzt wird („Kontingent“) (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 55). Die Nichtaufnahme des Gesetzestextes in die Listen der zugelassenen Hilfsmittel verbietet und beschränkt nicht die Einfuhr der Gesetzestexte nach Deutschland.
Bei dem Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der EuGH hat mit der Dassonville-Formel entschieden, dass jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell, zu behindern, als Maßnahme kontingentgleicher Wirkung anzusehen ist. Hiermit eröffnen die vorgegebenen Merkmale dem Art. 34 AEUV zunächst einen weiten Anwendungsbereich. Dabei kann der Begriff „Handelsregelung“ nicht enger verstanden werden als der der Maßnahme im Wortlaut des Art. 34 AEUV (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 30-31). Eingeschränkt hat der EuGH diesen weiten Anwendungsbereich jedoch mit den Erwägungsgründen 16 und 17 der Keck-Entscheidung, in denen es heißt:
„16 Demgegenüber ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Slg. 1974, 837) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.
17 Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag.“
Ob bestimmte Verkaufsmodalitäten betroffen sind, ist zwingend aufgrund einer Einzelfallentscheidung festzustellen. Davon ausgegangen werden kann, sofern rechtlich unterschiedslos anwendbare Maßnahmen das Wann, Wo, Wie, Durch-wen und Zu-welchem-Preis des Verkaufs festlegen (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 118). Davon abzugrenzen sind produktebezogene Maßnahmen und sonstige Verkaufsmodalitäten. Produktbezogene Maßnahmen sind solche staatlichen Maßnahmen, die Anforderungen an die Aufmachung, Abmessung, Ausstattung, Beschriftung, Bezeichnung, Etikettierung, Form, Verpackung, Zusammensetzung, das Gewicht usw. einer Ware aufstellen (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 114). Berühren Verkaufsmodalitäten den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich nicht in der gleichen Weise, so handelt es sich nicht um „bestimmte“ sondern um „sonstige“ Verkaufsmodalitäten. Von Art. 34 AEUV können insofern auch Beschränkungen der Verwendung erfasst werden, was der Erkenntnis zugrunde liegt, dass auch die Steuerung des Verbraucherverhaltens marktzugangsbeschränkende Wirkung entfalten kann (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 101). Verwendungsmodalitäten sind dabei im Grundsatz wie Verkaufsmodalitäten zu behandeln und auf ihre Marktneutralität hin zu untersuchen (vgl. Schulze/Janssen/Kadelbach, EuR, 4. Auflage 2020, § 18 Europ. Lauterbarkeitsrecht, Rn. 25), da sie ihre Wirkung gleichsam typischerweise erst beim Endverbraucher entfalten. Verwendungsbeschränkungen beeinflussen zwar das Verbraucherverhalten in Abhängigkeit von Ausmaß und Intensität der Beschränkung, stellen die Sinnhaftigkeit einer Investition aber nicht grundsätzlich in Frage, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegt (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 101). Ein Umschlagen der Verwendungsmodalität in eine produktbezogene Regelung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Verwendungsbeschränkung den Endverbraucher daran hindert, von dem Produkt in der ihm eigenen, wesensimmanenten Art Gebrauch zu machen, sodass die Verwendungsbeschränkung einem Erwerbsverbot gleichkommt (vgl. EuGH, Urt. v. 10.2.2009 – C-110/05 – Rn. 56 ff.).
Soweit hervorgebracht wird, dass die in der neueren Rechtsprechung des EuGH angewendete Drei-Stufen-Prüfung anzuwenden ist, ausweislich derer unter den Begriff der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV jede sonstige Maßnahme fällt, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaates für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert, führt das nicht zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 34 AEUV im vorliegenden Fall. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10. Februar 2009 (Az. C-110/05 Kommission/Italien) im Rahmen der Darstellung des rechtlichen Maßstabs sowohl auf die Geltung der Keck-Formel als auch auf die Geltung des soeben beschriebenen Maßstabs hingewiesen (Rn. 36 und 37). Insofern kann der letztgenannte Maßstab die Grundsätze der Keck-Formel nach dem Willen des EuGH nicht vollkommen überdecken, sondern ist vielmehr als Integrationsgrundlage für die Keck-Formel zu verstehen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 34 AEUV, Rn. 53). Im Rahmen des Art. 34 AEUV und infolgedessen aus der zugehörigen Rechtsprechung kommt eine Differenzierung zwischen dem Zugang zu Märkten einerseits und der Regulierung der Ströme zugelassener Waren andererseits zum Ausdruck. Insofern geht es entscheidend darum, Behinderungen des Marktzugangs als maßgebliches Kriterium hervorzuheben. Nur bei einer vollkommenen Verschlossenheit des nationalen Marktes ist ohne Zweifel davon auszugehen, dass Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen durch nationale Regelungen vorliegen. Für alle sonstigen Regelungen muss genau auf die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen abgestellt werden (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 34 AEUV, Rn. 49). Würde jede auch nur marginale Marktzugangsbehinderung zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 34 AEUV ausreichen, bestünde erneut die durch das Keck-Urteil vermeintlich gebannte Gefahr, dass die Grundfreiheiten als allgemeine Liberalisierungsnormen instrumentalisiert werden (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL September 2021, Art. 34 AEUV, Rn. 86).
Diese grundsätzlichen Erwägungen übertragen auf die streitgegenständliche Frage der Zulassung weiterer Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen ergibt, dass der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten nicht behindert wird und eine relevante Marktzugangsbehinderung nicht vorliegt. Alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, die Gesetzessammlungen am Markt anbieten, werden rechtlich und tatsächlich in gleichem Maße berührt, ohne dass ihnen der Markt verschlossen wird. Der Umstand, dass eine Klassifizierung als zugelassenes Hilfsmittel eine Beschränkung der Verwendungsmöglichkeiten darstellt, lässt die streitgegenständliche Frage als Frage einer Verwendungsmodalität erscheinen. Die nationale Regelung enthält keine Bestimmungen zur Gestaltung der Gesetzessammlungen, sondern führt allenfalls zur Veränderung der Verkaufschancen ohne ein generelles Verwendungsverbot zu beinhalten. Ein Unterschied zwischen inländischen Marktteilnehmern und Marktteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten ist nicht zu erkennen, da alle gleichsam davon betroffen sind, dass eine Liste zugelassener Hilfsmittel existiert, in die nicht jede Gesetzessammlung eines jeden Marktteilnehmers aufgenommen wird. Sofern der Beck-Verlag, dessen Gesetzestexte zugelassen sind, einen möglichen Vorteil hat, ist dies kein genereller Vorteil für inländische Mitbewerber, sondern allenfalls ein Vorteil speziell für diesen einen Verlag, der sich rein faktisch aus der Auswahlentscheidung des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes ergibt. Die Auswahlentscheidung des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes erfolgte nicht aufgrund der Nationalität der Marktteilnehmer. Der Zugang zum Markt deutscher Gesetzessammlungen in Niedersachsen wird nicht unmittelbar durch die niedersächsische Regelung behindert oder gelenkt, sondern allenfalls mittelbar dadurch berührt, dass das Verbraucherverhalten aufgrund der Entscheidung der zugelassenen Hilfsmittel beeinflusst wird. Hierbei kann nicht kleinteilig der Markt für zugelassene Gesetzessammlungen ausgegliedert werden, da schon aus Art. 26 AEUV hervorgeht, dass der Binnenmarkt eine größere Dimension umfasst. Zudem umfasst Art. 34 AEUV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, wobei Maßnahmen mit vergleichbarer Wirkung nach dem Sinn und Zweck nicht schon bei jeder noch so geringen Beeinflussung des Verbraucherverhaltens angenommen werden können. Würde man jeder Beeinträchtigung einen eigenen Markt zusprechen, würde nahezu jede staatliche Handlung den Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV eröffnen.
Ein möglicher Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit wäre zudem gerechtfertigt. Rechtfertigung bedeutet, dass eine den Warenverkehr beschränkende Maßnahme dem Schutz eines Rechtsguts dient und dass dieser Rechtsgüterschutz vertraglich zulässig ist. Da Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV sehr weit verstanden werden, ergibt sich die Notwendigkeit, neben den in Art. 36 AEUV enthaltenen und abschließend aufgezählten weitere, ungeschriebene Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit anzuerkennen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, die wirtschaftliche Freiheit des Güteraustauschs zulasten anderer unionsrechtlich anerkannter und im Gemeinwohl stehender Rechtsgüter zu verabsolutieren (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 36 AEUV, Rn. 3). Insofern können zwingende Erfordernisse als zwingende Interessen des Allgemeinwohls Beschränkungen des Warenverkehrs rechtfertigen. Dabei ist festzuhalten, dass zwingende Erfordernisse nur auf den Schutz unionsverfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter bezogen sein können, ein zwingendes Erfordernis also in der gesamten EU anerkannt sein muss (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 36 AEUV, Rn. 36, 37) und dabei letztlich jeden, nicht wirtschaftlichen Grund umfasst (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 36 AEUV Rn. 35). Da die Grundrechte sowohl von der Gemeinschaft als auch von ihren Mitgliedstaaten zu beachten sind, stellt der Schutz dieser Rechte ein berechtigtes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit wie dem freien Warenverkehr, bestehen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.2003 – C-112/00 – Rn. 74).
Die niedersächsische Vorschrift zur Zulassung der Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen dient sowohl nach ihrem Wortlaut, als auch nach dem systematischen Zusammenhang, in dem sie steht, allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten Prüfungsablauf, was ein zwingendes Erfordernis zur Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit darstellt. Der Vorschrift kommt im Interesse der Allgemeinheit eine Sicherungsfunktion im Hinblick auf die den Prüflingen grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ihrem Anspruch auf prüfungsbezogene Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27). Berufsfreiheit und Chancengleichheit sind Rechte, die auch auf der Ebene der Europäischen Union in den Gesetzen zu finden und anerkannt sind. Dies ergibt sich etwa aus verschiedenen Regelungen der Grundrechtecharta (Art. 14, Art. 15, Art. 20, Art. 21). Zudem hat der EuGH ausgeführt, dass die Gewährleistung der Zuverlässigkeit und der standesrechtlichen Grundsätze der Rechtsanwaltschaft einen schutzwürdigen Zweck darstellen (Urt. v. 19.1.1988 – C-292/86 – Rn. 29). Damit wird deutlich, dass im Unionsrecht zum Schutz der Bevölkerung Qualifikationsanforderungen an Rechtsanwälte und Juristen anerkannt sind. Schließlich ist die Rechtsstaatlichkeit als Grundwert der Europäischen Union in Art. 2 EUV verankert. Sie ist unerlässlich für den Schutz aller anderen Grundwerte der Union, insbesondere der Grundrechte und der Demokratie. Sie beruht auf einem wirksamen Rechtsschutz, der nur von einer unabhängigen und hochwertigen Justiz gewährleistet werden kann, zu der es der Ausbildung und Prüfung von angehenden Juristen bedarf. Eine hochwertige und faire Prüfungsabnahme steht damit im Interesse der Union an der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, da Schwierigkeiten oder Nachteile im Prüfungsablauf sich negativ auf die Qualitätssicherung der Justiz auswirken könnten.
Das Prüfungsamt hat zugunsten eines geordneten, chancengleichen und der Qualität zuträglichen Prüfungsablaufs ein anzuerkennendes Interesse am Treffen einer Auswahlentscheidung hinsichtlich der zuzulassenden Gesetzessammlungen für die Staatsprüfungen. Durch eine Parallelzulassung in den juristischen Staatsprüfungen besteht immer die Möglichkeit einer Benachteiligung einzelner Prüflinge aufgrund der Nutzung unterschiedlicher Gesetzessammlungen. Allein marginale Unterschiede, etwa lediglich im Rahmen einer Fußnote zu einer Vorschrift oder aufgrund des Abdrucks unterschiedlicher Gesetze, können sich auf die Prüfungsleistungen auswirken. Kann der eine Prüfling einen systematischen Vergleich zu einer anderen Norm ziehen, bleibt dies einem anderen Prüfling möglicherweise verwehrt, weil diese Norm in der von ihm benutzten Gesetzessammlung nicht abgedruckt ist. Die Überprüfung der Abweichungen der verschiedenen Gesetzessammlungen in Bezug auf die einzelnen Prüfungsleistungen ist deshalb mit einem enormen Aufwand des Prüfungsamtes verbunden, wenn nicht sogar unmöglich. Juristische Prüfungsaufgaben sind in einer Weise gestellt, dass häufig unterschiedliche Ansätze und Argumentationslinien und damit auch unterschiedliche in einer Argumentation verwendbare Normen die Prüfungsleistung tragen können, ohne dass mit absoluter Sicherheit im Voraus alle von den Prüflingen herangezogenen Vorschriften den Klausurstellern bewusst sein müssen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Erstellung von Prüfungsaufgaben durch unterschiedliche Aktualitätsstände der Gesetzessammlungen weiter erschwert werden würden. Ist in der einen Gesetzessammlung eine Gesetzesänderung schon erfasst, in einer anderen aber nicht, kann dies bei einer Fallbearbeitung zu ganz unterschiedlichen Anforderungen und Lösungen führen.
Die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen ist auch verhältnismäßig. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hängt die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung davon ab, dass die Maßnahmen zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist folglich ein Instrument, um die Gewichtigkeit des freien Warenverkehrs mit der Bedeutung der unter dem Aspekt der zwingenden Erfordernisse geschützten und mit Art. 30 ff. AEUV kollidierenden Rechtsgüter im Einzelfall in eine Beziehung zueinander zu setzen und abzuwägen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 36 AEUV, Rn. 51).
Die Entscheidung des Prüfungsamtes über die Zulassung der Hilfsmittel ist geeignet einen geordneten Prüfungsablauf unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit, Chancengleichheit und Qualitätssicherung zu gewährleisten, da mit der Zulassung weiterer Gesetzessammlungen ein erhöhter Arbeitsaufwand des Prüfungsamtes und unterschiedliche Voraussetzungen für die Prüflinge gegeben wären. Mangels Erreichbarkeit des Ziels mit anderen, den freien Warenverkehr weniger einschneidenden Maßnahmen ist die Entscheidung auch erforderlich. Die Ablehnung der Zulassung geht nicht über das hinaus, was für die Sicherung eines ordnungsgemäßen Prüfungsablaufs und zur Qualitätssicherung von Juristen notwendig ist. Insbesondere stellt eine Vorgabe des Prüfungsamtes an Mindestinhalt und Stand der Gesetzessammlung kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar. Die Gesetzessammlung wäre dann in erster Linie an den Bedürfnissen des Prüfungsamtes und der Prüflinge ausgerichtet, ohne den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, auf die insbesondere die zweite juristische Staatsprüfung vorbereiten soll. Zudem erschöpft sich der Wert einer Gesetzessammlung als zugelassenes Hilfsmittel nicht in einem Mindestinhalt. Wie bereits ausgeführt, können auch Fußnoten und abwegigere Gesetze zu einer Prüfungsleistung einen Beitrag leisten. Schließlich fällt die redaktionelle Leistung über die Entscheidung, welche Gesetze mit welchem Aktualitätsstand in eine Gesetzessammlung Einzug finden sollen, nicht in den Aufgabenbereich des Prüfungsamtes.
Die Entscheidung über die Zulassung weiterer Gesetzessammlungen als Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen ist schließlich auch angemessen. Eine Abwägung der Vorteile, die durch die Ablehnung einer Parallelzulassung erzielt werden, mit den Nachteilen für die Klägerin ergibt ein Überwiegen des Interesses an einem geordneten und chancengleichen Prüfungsablauf zur Sicherung der Qualität der Juristen. Anzuerkennen ist, dass der Klägerin mit der Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex als Hilfsmittel ein erheblich vergrößerter Kreis an potentiellen Abnehmern offenstehen würde. Das Hauptgeschäft der Klägerin liegt jedoch in der Erbringung digitaler juristischer Dienstleistungen und ihr ist es nicht verwehrt, ihre Gesetzessammlungen in Deutschland am Markt anzubieten. Zudem ist das Interesse an einem fairen, qualitativhochwertigen Prüfungsablauf im Rahmen der juristischen Staatsprüfungen als ein hohes Rechtsgut anzusehen. Soweit die Klägerin vorträgt, dass diese Gründe alle nicht greifen könnten, weil das Prüfungsamt etwa für das Landesrecht oder das Arbeitsrecht einzelne Parallelzulassungen ermöglicht, steht dies nicht im Widerspruch zu den Gründen für die Ablehnung der Parallelzulassung anderer Gesetzessammlungen. Das prüfungsrelevante Landes- und Arbeitsrecht ist wesentlich begrenzter, als die Vorschriften des übrigen öffentlichen Rechts, Zivilrechts und Strafrechts, sodass auch die Praktikabilität der Zulassung einen geringeren Aufwand mit sich bringt und geringere Ungleichheiten der Chancen der Prüflinge zu befürchten sind. Dennoch birgt auch jede Parallelzulassung in diesen Bereichen die aufgeführten Schwierigkeiten und Gefahren, die die Ablehnung von Parallelzulassungen rechtfertigen.
Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Fehlen einer gesetzlichen Verfestigung bekannter, objektiver und diskriminierungsfreier Auswahlkriterien für die Entscheidung, welches Hilfsmittel zugelassen wird. Anders als die Klägerin meint, folgt nicht aus der Rechtsprechung des EuGH, dass das Fehlen solcher Kriterien grundsätzlich zur Unverhältnismäßigkeit führt. Die benannten Urteile beziehen sich insofern auf Systeme vorheriger behördlicher Genehmigungen und die Vergabe von Konzessionen. Wie bereits ausgeführt, liegt es im vorliegenden Fall anders. Die Auswahlentscheidung des Prüfungsamtes dient einem geordneten Prüfungsablauf hinsichtlich der juristischen Staatsprüfungen und nicht einem Eingriff in wirtschaftliche Vorgänge. Die Gesetzestexte verlegende und vertreibende Verlage werden dabei allenfalls reflexartig, nicht aber gezielt berührt. Zudem existieren ausweislich des Beschlusses der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter Kriterien zur Auswahl der Hilfsmittel.
2. Ein Anspruch auf Zulassung der Gesetzessammlung als Hilfsmittel folgt auch nicht aus dem unionsrechtlichen Primärvergaberecht. Die streitgegenständliche Entscheidung ist schon nicht vom Regelungsumfang des Primärvergaberechts erfasst. Vergaberecht greift dann, wenn der Staat eine Beschaffungstätigkeit ausübt, wobei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum sekundärrechtlichen Begriff des Auftrags ein hinreichend konkretisiertes Austauschverhältnis zu fordern ist. Dies meint nach der grundlegenden Feststellung des EuGH (vgl. EuGH Urt. v. 25.3.2010 – C-451/08 – Rn. 49 ff.) im Hinblick auf die Leistungsseite des Austauschverhältnisses, dass die Leistung des „Auftragnehmers“ erstens ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse der öffentlichen Stelle befriedigen soll, die Leistungspflicht zweitens rechtsverbindlich und einklagbar vereinbart wird und die öffentliche Stelle drittens einen hinreichenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Leistungserbringung nimmt. Zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass ein vom Primärvergaberecht erfasster Vorgang staatlicher Wirtschaftstätigkeit verlangt, dass die öffentliche Stelle in die Rolle eines „Auftraggebers“ schlüpft, der am wirtschaftlichen Erfolg der Leistungserbringung partizipiert und dem dessen konkrete Gestalt nicht weitgehend gleichgültig ist (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 7). Erfasst vom Primärvergaberecht ist über das Sekundärrecht hinaus der staatliche Einkauf, unabhängig von seiner Größenordnung, auch wenn es sich hierbei nicht im strikten Sinne um eine Vergabe handelt (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 19). Daneben kann das Primärvergaberecht Sachverhalte erfassen, die einen noch geringeren Bezug zur klassischen Auftragsvergabe aufweisen, sodass nach der Rechtsprechung des EuGH die Grundregeln des Vertrags auch anzuwenden sind, wenn staatliche Stellen unter Bewerbern entgeltliche Erlaubnisse erteilen, die zur Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit berechtigen (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 20; EuGH Urt. v. 14.11.2013 – C-221/12 – Rn. 33 f.; EuGH Urt. v. 3.6.2010 – C-203/08 – Rn. 39 ff.). In den Worten des EuGH sind im Bereich der öffentlichen Aufträge und der öffentlichen Dienstleistungskonzessionen der Gleichbehandlungsgrundsatz und dessen spezielle Ausprägungen wie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gem. Art. 18 AEUV sowie die Art. 49 und 56 AEUV in allen Fällen anwendbar, in denen eine öffentliche Stelle einem Dritten die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten überträgt (vgl. MüKoEuWettbR, 4. Auflage 2022, § 105 GWB, Rn. 4). Die Dienstleistungskonzessionen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Konzessionär als Gegenleistung für die Erbringung der Dienste statt einer Vergütung das Recht zur kommerziellen Nutzung und/oder Verwertung erhält.
Mit der Festlegung der zugelassenen Hilfsmittel wird kein Austauschverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Verlag, dessen Gesetzessammlung als Hilfsmittel zugelassen ist, geschaffen. Das Landesjustizprüfungsamt ist nicht als Auftraggeberin zu verstehen und kann nicht rechtsverbindlich und einklagbar die weitere Zurverfügungstellung der Gesetzessammlungen am Markt für die Prüfungskandidaten vom Verlag verlangen. Es überträgt den Verlagen nicht etwa die Aufgabe der Herstellung und Bereitstellung entsprechender Gesetzessammlungen, sondern greift schlicht auf die am Markt zu findenden Gesetzessammlungen zurück. Bei der streitgegenständlichen Zulassungsentscheidung regeln die einschlägigen Vorschriften nicht das Verhältnis zwischen den Verlagen und der staatlichen Stelle, sondern beschränken sich auf die Ordnung des Prüfungswesens. Die Befriedigung eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des Prüfungsamtes durch die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel ist nicht ersichtlich. Schließlich kann in der Zulassung als Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen auch keine entgeltliche Erlaubnis gesehen werden, die zur Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit berechtigen. Für die Aufnahme in die Liste der zugelassenen Hilfsmittel muss der entsprechende Verlag keine Gegenleistung erbringen, insbesondere erhält das Justizprüfungsamt auch nicht etwa das Recht zur kommerziellen Nutzung oder Verwertung der Gesetzestexte. Zudem ist es allen Verlagen möglich, Gesetzessammlungen am Markt anzubieten, unabhängig von der Aufnahme in die Liste zugelassener Hilfsmittel.
3. Ebenso ergibt sich ein Anspruch auf die Zulassung der Gesetzessammlungen als Hilfsmittel auch nicht aus unionsrechtlichem Wettbewerbsrecht. Ein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 102 AEUV liegt nicht vor. Gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV werden die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den Artikeln 18 und 101 bis 109 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.
Soweit der C. H. Beck Verlag als einziger Verlag aufgrund der Entscheidung des Prüfungsamtes zugelassene Gesetzessammlungen vermarktet, hat er faktisch eine vergleichbare Stellung, wie ein Unternehmen mit ausschließlichen Rechten, fällt aber nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Unter ausschließlichen und besonderen Rechten sind solche Bestimmungen zu verstehen, die einer begrenzten Anzahl von Unternehmen einen Schutz verleihen, der die Fähigkeit anderer Unternehmen, die fragliche Tätigkeit im selben Gebiet zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen auszuüben, wesentlich beeinträchtigen kann. Hierbei kennzeichnet eine besondere Rechtsbeziehung, welche die Möglichkeit einer hoheitlichen Einflussnahme auf das Unternehmensverhalten und die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung bedingt, das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Unternehmen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 106 AEUV, Rn. 19). Die Kategorie der ausschließlichen Rechte betrifft die durch staatlichen Akt gewährten Monopole; die Kommission umschreibt sie als „Rechte, die von einem Mitgliedstaat oder einer Behörde einer oder mehreren öffentlichen oder privaten Einrichtungen auf dem Gesetzes- oder Verwaltungswege gewährt werden und diesen die Erbringung einer Dienstleistung oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit vorbehalten“ (vgl. MüKoEuWettbR, 3. Auflage 2020, § 106 AEUV, Rn. 42). Mit Hilfe der Alleinzulassung der Gesetzessammlungen als zugelassene Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen kommt dem C. H. Beck Verlag eine privilegierte Stellung zu, da nur er die Gesetzessammlungen für die Staatsprüfungen stellen kann. Die Zulassungsentscheidung verleiht dem C. H. Beck Verlag aber keinen besonderen Schutz, schafft keine besondere Rechtsbeziehung zwischen Staat und Verlag und hat, wie bereits dargelegt, auch nicht die Zielrichtung, Verlage zu begünstigen oder zu benachteiligen oder dem C. H. Beck Verlag ein Recht zu erteilen. Vielmehr geht es rein um die Feststellung, welche Hilfsmittel die Prüflinge zulässigerweise nutzen dürfen, ohne dass damit eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung getroffen werden soll.
Zudem stellt die Auswahlentscheidung hinsichtlich der zugelassenen Hilfsmittel keine dem Art. 102 AEUV widersprechende Maßnahme im Sinne des Art. 106 Abs. 1 AEUV dar. Art. 106 Abs. 1 AEUV ist lediglich eine Verweisungsnorm und für sich genommen nicht unmittelbar anwendbar. In Verbindung mit unmittelbar wirksamen Normen wird im Anwendungsbereich des Art. 106 Abs. 1 AEUV das sonst nur für Unternehmen geltende Recht auf damit unvereinbare staatliche Maßnahmen erstreckt, die der direkten Kontrolle der staatlichen Gerichte unterliegen (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 106 AEUV, Rn. 12). „Maßnahme“ ist jede speziell durch das Bestehen der Sonderbeziehung zwischen der öffentlichen Hand und den unter Art. 106 Abs. 1 AEUV fallenden Unternehmen indizierte Einflussnahme auf deren Verhalten oder finanzielle Lage. Die Gewährung eines Monopols durch die Verleihung ausschließlicher Rechte ist mit dem Vertrag grundsätzlich vereinbar und daher nicht als Maßnahme gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV anzusehen (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 106 AEUV, Rn. 54 f.). Die konstituierende Handlung des Mitgliedstaates, die aus einem Unternehmen ein solches mit besonderen oder ausschließlichen Rechten macht, kann schon dem Wortlaut des Art. 106 Abs. 1 AEUV entsprechend nicht gleichzeitig eine dem Art. 102 AEUV widersprechende Maßnahme sein. Denn eine solche muss „in Bezug“ auf das mit ausschließlichen Rechten versehene Unternehmen getroffen oder beibehalten werden, was voraussetzt, dass das Unternehmen schon vor dem Erlass der Maßnahme eines mit ausschließlichen Rechten war. Das Justizprüfungsamt hat lediglich die Gesetzessammlungen des C. H. Beck Verlags als Hilfsmittel zugelassen, ohne weitere Rechte oder Bestimmungen zugunsten des Verlages zu erlassen. Alle anderen Verlage können weiterhin uneingeschränkt Gesetzessammlungen am Markt anbieten und verkaufen. Die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel trifft die Verlage dabei nur mittelbar, da Prüflinge regelmäßig nur Hilfsmittel in den Prüfungen verwenden wollen werden, mit denen ihnen keine Bewertung der Prüfungsleistung als „ungenügend“ droht. Eine Einflussnahme auf das Verhalten oder die finanzielle Lage des Verlages durch das Prüfungsamt war nicht indiziert. Eine weitere Handlung, die als Maßnahme qualifiziert werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Daneben ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV durch den C. H. Beck Verlag nicht zu erkennen. Der Art. 102 AEUV bestimmt, dass die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Vorliegend fehlt es an der missbräuchlichen Ausnutzung. Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH erfasst das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV „die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur des Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen“ (vgl. . Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 120; EuGH, Urt. v. 13.2.1979 – C-85/76 – Rn. 91; EuGH, Urt. v. 15.3.2007 – C-95/06 – Rn. 66). Missbrauch ist keine Folge des gezielten Ausspielens von Marktstärke, sondern besteht in einem Sich-Hinwegsetzen über das Ordnungsprinzip „Wettbewerb“ mit anderen Mitteln als denen des Leistungswettbewerbs. Marktbeherrschung tritt dabei als objektive Bedingung der Unvereinbarkeit mit der europäischen Marktordnung hinzu und löst die Verbotswirkung des Art. 102 S. 1 AEUV aus, weil nur Unternehmen von erheblicher Bedeutung bei bereits geschwächten Wettbewerbsverhältnissen durch derartiges Verhalten die Marktordnung der Gemeinschaft so weit gefährden können, dass ein repressiver hoheitlicher Eingriff erforderlich wird (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 123).
Wegen der Gefahren für den Wettbewerb, die von einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens ausgehen, verstößt ein Mitgliedstaat nach den europäischen Gerichten gegen die Verbote aus Art. 106 Abs.1 AEUV und Art. 102 AEUV, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.1998 – C-266/96 – Rn. 40; Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 131). Letzteres ist der Fall, wenn das Unternehmen aufgrund der ausschließlichen Rechte geneigt ist, unverhältnismäßige Bedingungen zu fordern, die technische Entwicklung zu beschränken oder zwischen ihren Kunden zu diskriminieren (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 131; EuGH, Urt. v. 10.12.1991 – C-179/90- Rn. 19). Vorliegend wurde durch die Auswahlentscheidung des Prüfungsamtes nur eine Situation geschaffen, die der Gewährung ausschließlicher Rechte ähnlich ist. Bietet der C. H. Beck Verlag trotz dieser Auswahlentscheidung seine Gesetzessammlungen weiterhin am Markt an, ist nicht ersichtlich, dass dadurch eine missbräuchliche Ausnutzung der Stellung gegeben sein soll. Eine Geneigtheit des C. H. Beck Verlags zu wettbewerbswidrigen Handlungen ist nicht allein aufgrund der Zulassungsentscheidung oder des Anbietens der Gesetzessammlungen am Markt zu erkennen.
II. Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Ablehnung der Zulassung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. Ihr steht hinsichtlich der Auswahlentscheidung nur ein Recht auf Schutz vor einer willkürlichen Handlungsweise des Beklagten zu, die in der angefochtenen Entscheidung nicht gesehen werden kann.
Die Entscheidung über die Auswahl der zugelassenen Hilfsmittel trifft der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens besteht aber nicht bei jeder ermessenseinräumenden Vorschrift, sondern nur, wenn diese ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung gewährt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27; BVerwG, Beschl. v. 7.8.2012 – 6 B 22/12 – juris Rn. 5 f.). Dies ist bei der Vorschrift über die Auswahl der zugelassenen Hilfsmittel nicht der Fall. Sie dient allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten Prüfungsablauf und nicht dem Interesse der Hilfsmittel vertreibenden Verlage (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27).
Auf der Grundlage des Verfassungsrechts steht der Klägerin kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags zu. Ebenso ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus unionsrechtlichen Vorgaben. Wie festgestellt, wurde mit der Auswahlentscheidung nicht gegen eine unionsrechtliche Vorgabe verstoßen, so dass daraus auch keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts folgt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Der auf Verpflichtung zur Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex als zugelassenes Hilfsmittel zum ersten und zweiten juristischen Staatsexamen in Niedersachsen gerichtete Antrag ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Zulassung der Gesetzessammlung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 35 VwVfG dar, da die entsprechende Entscheidung eine Regelungswirkung für die Prüflinge hat, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird und durch die Wirkung für die Prüflinge auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf eine entsprechende Zulassung. Ausweislich des klägerischen Vorbringens stützt die Klägerin ihre Klage ausdrücklich und ausschließlich auf das Unionsrecht (vgl. Triplik S. 2). Ein notwendiges subjektiv-öffentliches Recht kann nicht aus unionsrechtlichen Vorgaben hergeleitet werden.
Rechtsgrundlage der Zulassungsentscheidung ist Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen zu §§ 19, 23, 37, 39 der NJAVO (AV-Juristenausbildung, AV d. MJ v. 17.12.2009). Danach bestimmt das Landesjustizprüfungsamt, welche Hilfsmittel in der Pflichtfachprüfung und in der zweiten Staatsprüfung zugelassen werden. Im Hinblick darauf, dass der Verordnungsgeber dem Beklagten die Auswahl überlässt, welche Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen zugelassen werden sollen, steht diesem ein weiter Ermessenspielraum zu, der seine Grenzen lediglich im allgemeinen Willkürverbot gegenüber der Klägerin findet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.2012 – 6 B 22/12 – juris Rn. 7). Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor.
1. Ein Zulassungsanspruch ergibt sich nicht aus der unionsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit. Soweit die Klägerin sich auf eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 34 ff. AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 202 vom 07.06.2016) beruft, ist deren Anwendungsbereich schon nicht eröffnet. Unterstellt man das Vorliegen eines Eingriffs in diese Grundfreiheit, wäre ein solcher aber jedenfalls gerechtfertigt.
Gemäß Art. 34 AEUV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Im streitgegenständlichen Fall ist weder eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung zu erkennen. Eine „mengenmäßige Einfuhrbeschränkung“ ist jede Maßnahme, mit der die Einfuhr einer Ware vollständig verboten („Verbringungsverbot“) oder nach Menge, Wert oder Zeitraum begrenzt wird („Kontingent“) (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 55). Die Nichtaufnahme des Gesetzestextes in die Listen der zugelassenen Hilfsmittel verbietet und beschränkt nicht die Einfuhr der Gesetzestexte nach Deutschland.
Bei dem Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Der EuGH hat mit der Dassonville-Formel entschieden, dass jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell, zu behindern, als Maßnahme kontingentgleicher Wirkung anzusehen ist. Hiermit eröffnen die vorgegebenen Merkmale dem Art. 34 AEUV zunächst einen weiten Anwendungsbereich. Dabei kann der Begriff „Handelsregelung“ nicht enger verstanden werden als der der Maßnahme im Wortlaut des Art. 34 AEUV (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 30-31). Eingeschränkt hat der EuGH diesen weiten Anwendungsbereich jedoch mit den Erwägungsgründen 16 und 17 der Keck-Entscheidung, in denen es heißt:
„16 Demgegenüber ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Slg. 1974, 837) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.
17 Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 30 EWG-Vertrag.“
Ob bestimmte Verkaufsmodalitäten betroffen sind, ist zwingend aufgrund einer Einzelfallentscheidung festzustellen. Davon ausgegangen werden kann, sofern rechtlich unterschiedslos anwendbare Maßnahmen das Wann, Wo, Wie, Durch-wen und Zu-welchem-Preis des Verkaufs festlegen (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 118). Davon abzugrenzen sind produktebezogene Maßnahmen und sonstige Verkaufsmodalitäten. Produktbezogene Maßnahmen sind solche staatlichen Maßnahmen, die Anforderungen an die Aufmachung, Abmessung, Ausstattung, Beschriftung, Bezeichnung, Etikettierung, Form, Verpackung, Zusammensetzung, das Gewicht usw. einer Ware aufstellen (vgl. Heermann, MüKo zum Lauterbarkeitsrecht, Art. 34 AEUV, 3. Auflage 2020, Rn. 114). Berühren Verkaufsmodalitäten den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich nicht in der gleichen Weise, so handelt es sich nicht um „bestimmte“ sondern um „sonstige“ Verkaufsmodalitäten. Von Art. 34 AEUV können insofern auch Beschränkungen der Verwendung erfasst werden, was der Erkenntnis zugrunde liegt, dass auch die Steuerung des Verbraucherverhaltens marktzugangsbeschränkende Wirkung entfalten kann (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 101). Verwendungsmodalitäten sind dabei im Grundsatz wie Verkaufsmodalitäten zu behandeln und auf ihre Marktneutralität hin zu untersuchen (vgl. Schulze/Janssen/Kadelbach, EuR, 4. Auflage 2020, § 18 Europ. Lauterbarkeitsrecht, Rn. 25), da sie ihre Wirkung gleichsam typischerweise erst beim Endverbraucher entfalten. Verwendungsbeschränkungen beeinflussen zwar das Verbraucherverhalten in Abhängigkeit von Ausmaß und Intensität der Beschränkung, stellen die Sinnhaftigkeit einer Investition aber nicht grundsätzlich in Frage, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegt (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL, September 2021, Art. 34 AEUV Rn. 101). Ein Umschlagen der Verwendungsmodalität in eine produktbezogene Regelung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Verwendungsbeschränkung den Endverbraucher daran hindert, von dem Produkt in der ihm eigenen, wesensimmanenten Art Gebrauch zu machen, sodass die Verwendungsbeschränkung einem Erwerbsverbot gleichkommt (vgl. EuGH, Urt. v. 10.2.2009 – C-110/05 – Rn. 56 ff.).
Soweit hervorgebracht wird, dass die in der neueren Rechtsprechung des EuGH angewendete Drei-Stufen-Prüfung anzuwenden ist, ausweislich derer unter den Begriff der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV jede sonstige Maßnahme fällt, die den Zugang zum Markt eines Mitgliedstaates für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten behindert, führt das nicht zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 34 AEUV im vorliegenden Fall. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10. Februar 2009 (Az. C-110/05 Kommission/Italien) im Rahmen der Darstellung des rechtlichen Maßstabs sowohl auf die Geltung der Keck-Formel als auch auf die Geltung des soeben beschriebenen Maßstabs hingewiesen (Rn. 36 und 37). Insofern kann der letztgenannte Maßstab die Grundsätze der Keck-Formel nach dem Willen des EuGH nicht vollkommen überdecken, sondern ist vielmehr als Integrationsgrundlage für die Keck-Formel zu verstehen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 34 AEUV, Rn. 53). Im Rahmen des Art. 34 AEUV und infolgedessen aus der zugehörigen Rechtsprechung kommt eine Differenzierung zwischen dem Zugang zu Märkten einerseits und der Regulierung der Ströme zugelassener Waren andererseits zum Ausdruck. Insofern geht es entscheidend darum, Behinderungen des Marktzugangs als maßgebliches Kriterium hervorzuheben. Nur bei einer vollkommenen Verschlossenheit des nationalen Marktes ist ohne Zweifel davon auszugehen, dass Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen durch nationale Regelungen vorliegen. Für alle sonstigen Regelungen muss genau auf die Wirkungen der einzelnen Maßnahmen abgestellt werden (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 34 AEUV, Rn. 49). Würde jede auch nur marginale Marktzugangsbehinderung zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 34 AEUV ausreichen, bestünde erneut die durch das Keck-Urteil vermeintlich gebannte Gefahr, dass die Grundfreiheiten als allgemeine Liberalisierungsnormen instrumentalisiert werden (vgl. Leible/T. Streinz, Das Recht der Europäischen Union, 74. EL September 2021, Art. 34 AEUV, Rn. 86).
Diese grundsätzlichen Erwägungen übertragen auf die streitgegenständliche Frage der Zulassung weiterer Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen ergibt, dass der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten nicht behindert wird und eine relevante Marktzugangsbehinderung nicht vorliegt. Alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, die Gesetzessammlungen am Markt anbieten, werden rechtlich und tatsächlich in gleichem Maße berührt, ohne dass ihnen der Markt verschlossen wird. Der Umstand, dass eine Klassifizierung als zugelassenes Hilfsmittel eine Beschränkung der Verwendungsmöglichkeiten darstellt, lässt die streitgegenständliche Frage als Frage einer Verwendungsmodalität erscheinen. Die nationale Regelung enthält keine Bestimmungen zur Gestaltung der Gesetzessammlungen, sondern führt allenfalls zur Veränderung der Verkaufschancen ohne ein generelles Verwendungsverbot zu beinhalten. Ein Unterschied zwischen inländischen Marktteilnehmern und Marktteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten ist nicht zu erkennen, da alle gleichsam davon betroffen sind, dass eine Liste zugelassener Hilfsmittel existiert, in die nicht jede Gesetzessammlung eines jeden Marktteilnehmers aufgenommen wird. Sofern der Beck-Verlag, dessen Gesetzestexte zugelassen sind, einen möglichen Vorteil hat, ist dies kein genereller Vorteil für inländische Mitbewerber, sondern allenfalls ein Vorteil speziell für diesen einen Verlag, der sich rein faktisch aus der Auswahlentscheidung des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes ergibt. Die Auswahlentscheidung des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes erfolgte nicht aufgrund der Nationalität der Marktteilnehmer. Der Zugang zum Markt deutscher Gesetzessammlungen in Niedersachsen wird nicht unmittelbar durch die niedersächsische Regelung behindert oder gelenkt, sondern allenfalls mittelbar dadurch berührt, dass das Verbraucherverhalten aufgrund der Entscheidung der zugelassenen Hilfsmittel beeinflusst wird. Hierbei kann nicht kleinteilig der Markt für zugelassene Gesetzessammlungen ausgegliedert werden, da schon aus Art. 26 AEUV hervorgeht, dass der Binnenmarkt eine größere Dimension umfasst. Zudem umfasst Art. 34 AEUV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, wobei Maßnahmen mit vergleichbarer Wirkung nach dem Sinn und Zweck nicht schon bei jeder noch so geringen Beeinflussung des Verbraucherverhaltens angenommen werden können. Würde man jeder Beeinträchtigung einen eigenen Markt zusprechen, würde nahezu jede staatliche Handlung den Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV eröffnen.
Ein möglicher Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit wäre zudem gerechtfertigt. Rechtfertigung bedeutet, dass eine den Warenverkehr beschränkende Maßnahme dem Schutz eines Rechtsguts dient und dass dieser Rechtsgüterschutz vertraglich zulässig ist. Da Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV sehr weit verstanden werden, ergibt sich die Notwendigkeit, neben den in Art. 36 AEUV enthaltenen und abschließend aufgezählten weitere, ungeschriebene Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit anzuerkennen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, die wirtschaftliche Freiheit des Güteraustauschs zulasten anderer unionsrechtlich anerkannter und im Gemeinwohl stehender Rechtsgüter zu verabsolutieren (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 36 AEUV, Rn. 3). Insofern können zwingende Erfordernisse als zwingende Interessen des Allgemeinwohls Beschränkungen des Warenverkehrs rechtfertigen. Dabei ist festzuhalten, dass zwingende Erfordernisse nur auf den Schutz unionsverfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter bezogen sein können, ein zwingendes Erfordernis also in der gesamten EU anerkannt sein muss (vgl. Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 36 AEUV, Rn. 36, 37) und dabei letztlich jeden, nicht wirtschaftlichen Grund umfasst (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 36 AEUV Rn. 35). Da die Grundrechte sowohl von der Gemeinschaft als auch von ihren Mitgliedstaaten zu beachten sind, stellt der Schutz dieser Rechte ein berechtigtes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit wie dem freien Warenverkehr, bestehen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.6.2003 – C-112/00 – Rn. 74).
Die niedersächsische Vorschrift zur Zulassung der Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen dient sowohl nach ihrem Wortlaut, als auch nach dem systematischen Zusammenhang, in dem sie steht, allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten Prüfungsablauf, was ein zwingendes Erfordernis zur Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit darstellt. Der Vorschrift kommt im Interesse der Allgemeinheit eine Sicherungsfunktion im Hinblick auf die den Prüflingen grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ihrem Anspruch auf prüfungsbezogene Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27). Berufsfreiheit und Chancengleichheit sind Rechte, die auch auf der Ebene der Europäischen Union in den Gesetzen zu finden und anerkannt sind. Dies ergibt sich etwa aus verschiedenen Regelungen der Grundrechtecharta (Art. 14, Art. 15, Art. 20, Art. 21). Zudem hat der EuGH ausgeführt, dass die Gewährleistung der Zuverlässigkeit und der standesrechtlichen Grundsätze der Rechtsanwaltschaft einen schutzwürdigen Zweck darstellen (Urt. v. 19.1.1988 – C-292/86 – Rn. 29). Damit wird deutlich, dass im Unionsrecht zum Schutz der Bevölkerung Qualifikationsanforderungen an Rechtsanwälte und Juristen anerkannt sind. Schließlich ist die Rechtsstaatlichkeit als Grundwert der Europäischen Union in Art. 2 EUV verankert. Sie ist unerlässlich für den Schutz aller anderen Grundwerte der Union, insbesondere der Grundrechte und der Demokratie. Sie beruht auf einem wirksamen Rechtsschutz, der nur von einer unabhängigen und hochwertigen Justiz gewährleistet werden kann, zu der es der Ausbildung und Prüfung von angehenden Juristen bedarf. Eine hochwertige und faire Prüfungsabnahme steht damit im Interesse der Union an der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, da Schwierigkeiten oder Nachteile im Prüfungsablauf sich negativ auf die Qualitätssicherung der Justiz auswirken könnten.
Das Prüfungsamt hat zugunsten eines geordneten, chancengleichen und der Qualität zuträglichen Prüfungsablaufs ein anzuerkennendes Interesse am Treffen einer Auswahlentscheidung hinsichtlich der zuzulassenden Gesetzessammlungen für die Staatsprüfungen. Durch eine Parallelzulassung in den juristischen Staatsprüfungen besteht immer die Möglichkeit einer Benachteiligung einzelner Prüflinge aufgrund der Nutzung unterschiedlicher Gesetzessammlungen. Allein marginale Unterschiede, etwa lediglich im Rahmen einer Fußnote zu einer Vorschrift oder aufgrund des Abdrucks unterschiedlicher Gesetze, können sich auf die Prüfungsleistungen auswirken. Kann der eine Prüfling einen systematischen Vergleich zu einer anderen Norm ziehen, bleibt dies einem anderen Prüfling möglicherweise verwehrt, weil diese Norm in der von ihm benutzten Gesetzessammlung nicht abgedruckt ist. Die Überprüfung der Abweichungen der verschiedenen Gesetzessammlungen in Bezug auf die einzelnen Prüfungsleistungen ist deshalb mit einem enormen Aufwand des Prüfungsamtes verbunden, wenn nicht sogar unmöglich. Juristische Prüfungsaufgaben sind in einer Weise gestellt, dass häufig unterschiedliche Ansätze und Argumentationslinien und damit auch unterschiedliche in einer Argumentation verwendbare Normen die Prüfungsleistung tragen können, ohne dass mit absoluter Sicherheit im Voraus alle von den Prüflingen herangezogenen Vorschriften den Klausurstellern bewusst sein müssen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Erstellung von Prüfungsaufgaben durch unterschiedliche Aktualitätsstände der Gesetzessammlungen weiter erschwert werden würden. Ist in der einen Gesetzessammlung eine Gesetzesänderung schon erfasst, in einer anderen aber nicht, kann dies bei einer Fallbearbeitung zu ganz unterschiedlichen Anforderungen und Lösungen führen.
Die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen ist auch verhältnismäßig. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hängt die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung davon ab, dass die Maßnahmen zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was dazu erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist folglich ein Instrument, um die Gewichtigkeit des freien Warenverkehrs mit der Bedeutung der unter dem Aspekt der zwingenden Erfordernisse geschützten und mit Art. 30 ff. AEUV kollidierenden Rechtsgüter im Einzelfall in eine Beziehung zueinander zu setzen und abzuwägen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 36 AEUV, Rn. 51).
Die Entscheidung des Prüfungsamtes über die Zulassung der Hilfsmittel ist geeignet einen geordneten Prüfungsablauf unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit, Chancengleichheit und Qualitätssicherung zu gewährleisten, da mit der Zulassung weiterer Gesetzessammlungen ein erhöhter Arbeitsaufwand des Prüfungsamtes und unterschiedliche Voraussetzungen für die Prüflinge gegeben wären. Mangels Erreichbarkeit des Ziels mit anderen, den freien Warenverkehr weniger einschneidenden Maßnahmen ist die Entscheidung auch erforderlich. Die Ablehnung der Zulassung geht nicht über das hinaus, was für die Sicherung eines ordnungsgemäßen Prüfungsablaufs und zur Qualitätssicherung von Juristen notwendig ist. Insbesondere stellt eine Vorgabe des Prüfungsamtes an Mindestinhalt und Stand der Gesetzessammlung kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar. Die Gesetzessammlung wäre dann in erster Linie an den Bedürfnissen des Prüfungsamtes und der Prüflinge ausgerichtet, ohne den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, auf die insbesondere die zweite juristische Staatsprüfung vorbereiten soll. Zudem erschöpft sich der Wert einer Gesetzessammlung als zugelassenes Hilfsmittel nicht in einem Mindestinhalt. Wie bereits ausgeführt, können auch Fußnoten und abwegigere Gesetze zu einer Prüfungsleistung einen Beitrag leisten. Schließlich fällt die redaktionelle Leistung über die Entscheidung, welche Gesetze mit welchem Aktualitätsstand in eine Gesetzessammlung Einzug finden sollen, nicht in den Aufgabenbereich des Prüfungsamtes.
Die Entscheidung über die Zulassung weiterer Gesetzessammlungen als Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen ist schließlich auch angemessen. Eine Abwägung der Vorteile, die durch die Ablehnung einer Parallelzulassung erzielt werden, mit den Nachteilen für die Klägerin ergibt ein Überwiegen des Interesses an einem geordneten und chancengleichen Prüfungsablauf zur Sicherung der Qualität der Juristen. Anzuerkennen ist, dass der Klägerin mit der Zulassung der Gesetzessammlung juris Lex als Hilfsmittel ein erheblich vergrößerter Kreis an potentiellen Abnehmern offenstehen würde. Das Hauptgeschäft der Klägerin liegt jedoch in der Erbringung digitaler juristischer Dienstleistungen und ihr ist es nicht verwehrt, ihre Gesetzessammlungen in Deutschland am Markt anzubieten. Zudem ist das Interesse an einem fairen, qualitativhochwertigen Prüfungsablauf im Rahmen der juristischen Staatsprüfungen als ein hohes Rechtsgut anzusehen. Soweit die Klägerin vorträgt, dass diese Gründe alle nicht greifen könnten, weil das Prüfungsamt etwa für das Landesrecht oder das Arbeitsrecht einzelne Parallelzulassungen ermöglicht, steht dies nicht im Widerspruch zu den Gründen für die Ablehnung der Parallelzulassung anderer Gesetzessammlungen. Das prüfungsrelevante Landes- und Arbeitsrecht ist wesentlich begrenzter, als die Vorschriften des übrigen öffentlichen Rechts, Zivilrechts und Strafrechts, sodass auch die Praktikabilität der Zulassung einen geringeren Aufwand mit sich bringt und geringere Ungleichheiten der Chancen der Prüflinge zu befürchten sind. Dennoch birgt auch jede Parallelzulassung in diesen Bereichen die aufgeführten Schwierigkeiten und Gefahren, die die Ablehnung von Parallelzulassungen rechtfertigen.
Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Fehlen einer gesetzlichen Verfestigung bekannter, objektiver und diskriminierungsfreier Auswahlkriterien für die Entscheidung, welches Hilfsmittel zugelassen wird. Anders als die Klägerin meint, folgt nicht aus der Rechtsprechung des EuGH, dass das Fehlen solcher Kriterien grundsätzlich zur Unverhältnismäßigkeit führt. Die benannten Urteile beziehen sich insofern auf Systeme vorheriger behördlicher Genehmigungen und die Vergabe von Konzessionen. Wie bereits ausgeführt, liegt es im vorliegenden Fall anders. Die Auswahlentscheidung des Prüfungsamtes dient einem geordneten Prüfungsablauf hinsichtlich der juristischen Staatsprüfungen und nicht einem Eingriff in wirtschaftliche Vorgänge. Die Gesetzestexte verlegende und vertreibende Verlage werden dabei allenfalls reflexartig, nicht aber gezielt berührt. Zudem existieren ausweislich des Beschlusses der Präsidentinnen und Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter Kriterien zur Auswahl der Hilfsmittel.
2. Ein Anspruch auf Zulassung der Gesetzessammlung als Hilfsmittel folgt auch nicht aus dem unionsrechtlichen Primärvergaberecht. Die streitgegenständliche Entscheidung ist schon nicht vom Regelungsumfang des Primärvergaberechts erfasst. Vergaberecht greift dann, wenn der Staat eine Beschaffungstätigkeit ausübt, wobei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum sekundärrechtlichen Begriff des Auftrags ein hinreichend konkretisiertes Austauschverhältnis zu fordern ist. Dies meint nach der grundlegenden Feststellung des EuGH (vgl. EuGH Urt. v. 25.3.2010 – C-451/08 – Rn. 49 ff.) im Hinblick auf die Leistungsseite des Austauschverhältnisses, dass die Leistung des „Auftragnehmers“ erstens ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse der öffentlichen Stelle befriedigen soll, die Leistungspflicht zweitens rechtsverbindlich und einklagbar vereinbart wird und die öffentliche Stelle drittens einen hinreichenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Leistungserbringung nimmt. Zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass ein vom Primärvergaberecht erfasster Vorgang staatlicher Wirtschaftstätigkeit verlangt, dass die öffentliche Stelle in die Rolle eines „Auftraggebers“ schlüpft, der am wirtschaftlichen Erfolg der Leistungserbringung partizipiert und dem dessen konkrete Gestalt nicht weitgehend gleichgültig ist (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 7). Erfasst vom Primärvergaberecht ist über das Sekundärrecht hinaus der staatliche Einkauf, unabhängig von seiner Größenordnung, auch wenn es sich hierbei nicht im strikten Sinne um eine Vergabe handelt (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 19). Daneben kann das Primärvergaberecht Sachverhalte erfassen, die einen noch geringeren Bezug zur klassischen Auftragsvergabe aufweisen, sodass nach der Rechtsprechung des EuGH die Grundregeln des Vertrags auch anzuwenden sind, wenn staatliche Stellen unter Bewerbern entgeltliche Erlaubnisse erteilen, die zur Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit berechtigen (vgl. MüKoEuWettbR. 4. Auflage 2022, 1. Teil Einleitung zum Vergaberecht, Rn. 20; EuGH Urt. v. 14.11.2013 – C-221/12 – Rn. 33 f.; EuGH Urt. v. 3.6.2010 – C-203/08 – Rn. 39 ff.). In den Worten des EuGH sind im Bereich der öffentlichen Aufträge und der öffentlichen Dienstleistungskonzessionen der Gleichbehandlungsgrundsatz und dessen spezielle Ausprägungen wie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gem. Art. 18 AEUV sowie die Art. 49 und 56 AEUV in allen Fällen anwendbar, in denen eine öffentliche Stelle einem Dritten die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten überträgt (vgl. MüKoEuWettbR, 4. Auflage 2022, § 105 GWB, Rn. 4). Die Dienstleistungskonzessionen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Konzessionär als Gegenleistung für die Erbringung der Dienste statt einer Vergütung das Recht zur kommerziellen Nutzung und/oder Verwertung erhält.
Mit der Festlegung der zugelassenen Hilfsmittel wird kein Austauschverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Verlag, dessen Gesetzessammlung als Hilfsmittel zugelassen ist, geschaffen. Das Landesjustizprüfungsamt ist nicht als Auftraggeberin zu verstehen und kann nicht rechtsverbindlich und einklagbar die weitere Zurverfügungstellung der Gesetzessammlungen am Markt für die Prüfungskandidaten vom Verlag verlangen. Es überträgt den Verlagen nicht etwa die Aufgabe der Herstellung und Bereitstellung entsprechender Gesetzessammlungen, sondern greift schlicht auf die am Markt zu findenden Gesetzessammlungen zurück. Bei der streitgegenständlichen Zulassungsentscheidung regeln die einschlägigen Vorschriften nicht das Verhältnis zwischen den Verlagen und der staatlichen Stelle, sondern beschränken sich auf die Ordnung des Prüfungswesens. Die Befriedigung eines unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des Prüfungsamtes durch die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel ist nicht ersichtlich. Schließlich kann in der Zulassung als Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen auch keine entgeltliche Erlaubnis gesehen werden, die zur Ausübung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit berechtigen. Für die Aufnahme in die Liste der zugelassenen Hilfsmittel muss der entsprechende Verlag keine Gegenleistung erbringen, insbesondere erhält das Justizprüfungsamt auch nicht etwa das Recht zur kommerziellen Nutzung oder Verwertung der Gesetzestexte. Zudem ist es allen Verlagen möglich, Gesetzessammlungen am Markt anzubieten, unabhängig von der Aufnahme in die Liste zugelassener Hilfsmittel.
3. Ebenso ergibt sich ein Anspruch auf die Zulassung der Gesetzessammlungen als Hilfsmittel auch nicht aus unionsrechtlichem Wettbewerbsrecht. Ein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 102 AEUV liegt nicht vor. Gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV werden die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den Artikeln 18 und 101 bis 109 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.
Soweit der C. H. Beck Verlag als einziger Verlag aufgrund der Entscheidung des Prüfungsamtes zugelassene Gesetzessammlungen vermarktet, hat er faktisch eine vergleichbare Stellung, wie ein Unternehmen mit ausschließlichen Rechten, fällt aber nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Unter ausschließlichen und besonderen Rechten sind solche Bestimmungen zu verstehen, die einer begrenzten Anzahl von Unternehmen einen Schutz verleihen, der die Fähigkeit anderer Unternehmen, die fragliche Tätigkeit im selben Gebiet zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen auszuüben, wesentlich beeinträchtigen kann. Hierbei kennzeichnet eine besondere Rechtsbeziehung, welche die Möglichkeit einer hoheitlichen Einflussnahme auf das Unternehmensverhalten und die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung bedingt, das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Unternehmen (vgl. Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 106 AEUV, Rn. 19). Die Kategorie der ausschließlichen Rechte betrifft die durch staatlichen Akt gewährten Monopole; die Kommission umschreibt sie als „Rechte, die von einem Mitgliedstaat oder einer Behörde einer oder mehreren öffentlichen oder privaten Einrichtungen auf dem Gesetzes- oder Verwaltungswege gewährt werden und diesen die Erbringung einer Dienstleistung oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit vorbehalten“ (vgl. MüKoEuWettbR, 3. Auflage 2020, § 106 AEUV, Rn. 42). Mit Hilfe der Alleinzulassung der Gesetzessammlungen als zugelassene Hilfsmittel in den juristischen Staatsprüfungen in Niedersachsen kommt dem C. H. Beck Verlag eine privilegierte Stellung zu, da nur er die Gesetzessammlungen für die Staatsprüfungen stellen kann. Die Zulassungsentscheidung verleiht dem C. H. Beck Verlag aber keinen besonderen Schutz, schafft keine besondere Rechtsbeziehung zwischen Staat und Verlag und hat, wie bereits dargelegt, auch nicht die Zielrichtung, Verlage zu begünstigen oder zu benachteiligen oder dem C. H. Beck Verlag ein Recht zu erteilen. Vielmehr geht es rein um die Feststellung, welche Hilfsmittel die Prüflinge zulässigerweise nutzen dürfen, ohne dass damit eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung getroffen werden soll.
Zudem stellt die Auswahlentscheidung hinsichtlich der zugelassenen Hilfsmittel keine dem Art. 102 AEUV widersprechende Maßnahme im Sinne des Art. 106 Abs. 1 AEUV dar. Art. 106 Abs. 1 AEUV ist lediglich eine Verweisungsnorm und für sich genommen nicht unmittelbar anwendbar. In Verbindung mit unmittelbar wirksamen Normen wird im Anwendungsbereich des Art. 106 Abs. 1 AEUV das sonst nur für Unternehmen geltende Recht auf damit unvereinbare staatliche Maßnahmen erstreckt, die der direkten Kontrolle der staatlichen Gerichte unterliegen (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 106 AEUV, Rn. 12). „Maßnahme“ ist jede speziell durch das Bestehen der Sonderbeziehung zwischen der öffentlichen Hand und den unter Art. 106 Abs. 1 AEUV fallenden Unternehmen indizierte Einflussnahme auf deren Verhalten oder finanzielle Lage. Die Gewährung eines Monopols durch die Verleihung ausschließlicher Rechte ist mit dem Vertrag grundsätzlich vereinbar und daher nicht als Maßnahme gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV anzusehen (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 106 AEUV, Rn. 54 f.). Die konstituierende Handlung des Mitgliedstaates, die aus einem Unternehmen ein solches mit besonderen oder ausschließlichen Rechten macht, kann schon dem Wortlaut des Art. 106 Abs. 1 AEUV entsprechend nicht gleichzeitig eine dem Art. 102 AEUV widersprechende Maßnahme sein. Denn eine solche muss „in Bezug“ auf das mit ausschließlichen Rechten versehene Unternehmen getroffen oder beibehalten werden, was voraussetzt, dass das Unternehmen schon vor dem Erlass der Maßnahme eines mit ausschließlichen Rechten war. Das Justizprüfungsamt hat lediglich die Gesetzessammlungen des C. H. Beck Verlags als Hilfsmittel zugelassen, ohne weitere Rechte oder Bestimmungen zugunsten des Verlages zu erlassen. Alle anderen Verlage können weiterhin uneingeschränkt Gesetzessammlungen am Markt anbieten und verkaufen. Die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsmittel trifft die Verlage dabei nur mittelbar, da Prüflinge regelmäßig nur Hilfsmittel in den Prüfungen verwenden wollen werden, mit denen ihnen keine Bewertung der Prüfungsleistung als „ungenügend“ droht. Eine Einflussnahme auf das Verhalten oder die finanzielle Lage des Verlages durch das Prüfungsamt war nicht indiziert. Eine weitere Handlung, die als Maßnahme qualifiziert werden könnte, ist nicht ersichtlich.
Daneben ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV durch den C. H. Beck Verlag nicht zu erkennen. Der Art. 102 AEUV bestimmt, dass die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Vorliegend fehlt es an der missbräuchlichen Ausnutzung. Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH erfasst das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV „die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur des Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen“ (vgl. . Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 120; EuGH, Urt. v. 13.2.1979 – C-85/76 – Rn. 91; EuGH, Urt. v. 15.3.2007 – C-95/06 – Rn. 66). Missbrauch ist keine Folge des gezielten Ausspielens von Marktstärke, sondern besteht in einem Sich-Hinwegsetzen über das Ordnungsprinzip „Wettbewerb“ mit anderen Mitteln als denen des Leistungswettbewerbs. Marktbeherrschung tritt dabei als objektive Bedingung der Unvereinbarkeit mit der europäischen Marktordnung hinzu und löst die Verbotswirkung des Art. 102 S. 1 AEUV aus, weil nur Unternehmen von erheblicher Bedeutung bei bereits geschwächten Wettbewerbsverhältnissen durch derartiges Verhalten die Marktordnung der Gemeinschaft so weit gefährden können, dass ein repressiver hoheitlicher Eingriff erforderlich wird (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 123).
Wegen der Gefahren für den Wettbewerb, die von einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens ausgehen, verstößt ein Mitgliedstaat nach den europäischen Gerichten gegen die Verbote aus Art. 106 Abs.1 AEUV und Art. 102 AEUV, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.1998 – C-266/96 – Rn. 40; Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 131). Letzteres ist der Fall, wenn das Unternehmen aufgrund der ausschließlichen Rechte geneigt ist, unverhältnismäßige Bedingungen zu fordern, die technische Entwicklung zu beschränken oder zwischen ihren Kunden zu diskriminieren (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, 74. EL September 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 131; EuGH, Urt. v. 10.12.1991 – C-179/90- Rn. 19). Vorliegend wurde durch die Auswahlentscheidung des Prüfungsamtes nur eine Situation geschaffen, die der Gewährung ausschließlicher Rechte ähnlich ist. Bietet der C. H. Beck Verlag trotz dieser Auswahlentscheidung seine Gesetzessammlungen weiterhin am Markt an, ist nicht ersichtlich, dass dadurch eine missbräuchliche Ausnutzung der Stellung gegeben sein soll. Eine Geneigtheit des C. H. Beck Verlags zu wettbewerbswidrigen Handlungen ist nicht allein aufgrund der Zulassungsentscheidung oder des Anbietens der Gesetzessammlungen am Markt zu erkennen.
II. Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Ablehnung der Zulassung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. Ihr steht hinsichtlich der Auswahlentscheidung nur ein Recht auf Schutz vor einer willkürlichen Handlungsweise des Beklagten zu, die in der angefochtenen Entscheidung nicht gesehen werden kann.
Die Entscheidung über die Auswahl der zugelassenen Hilfsmittel trifft der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens besteht aber nicht bei jeder ermessenseinräumenden Vorschrift, sondern nur, wenn diese ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung gewährt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27; BVerwG, Beschl. v. 7.8.2012 – 6 B 22/12 – juris Rn. 5 f.). Dies ist bei der Vorschrift über die Auswahl der zugelassenen Hilfsmittel nicht der Fall. Sie dient allein dem Schutz des öffentlichen Interesses an einem geordneten Prüfungsablauf und nicht dem Interesse der Hilfsmittel vertreibenden Verlage (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.3.2012 – 10 A 11181/11 – juris Rn. 27).
Auf der Grundlage des Verfassungsrechts steht der Klägerin kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags zu. Ebenso ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus unionsrechtlichen Vorgaben. Wie festgestellt, wurde mit der Auswahlentscheidung nicht gegen eine unionsrechtliche Vorgabe verstoßen, so dass daraus auch keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts folgt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.