Landgericht Verden
Urt. v. 10.04.2001, Az.: 4 O 530/00
Schmerzensgeldanspruch bei Verletzung durch schuldhaftes Verhalten eines nicht ermittelbaren Verkehrsteilnehmers; Erforderlichkeit der Schwere der Verletzungen für Gewährung eines Schmerzensgeldes
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 10.04.2001
- Aktenzeichen
- 4 O 530/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30228
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2001:0410.4O530.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 12 Abs. 3 PflichtVersG
Fundstelle
- VersR 2001, 1152-1153 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2100
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung seitens des Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 2.500,00 DM abwenden, wenn nicht der beklagte Verein zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist bei einem Verkehrsunfall am 14.12.1995 schwer verletzt worden. Er war an diesem Tage mit seinem Pkw auf der Bundesautobahn von Bremen in Richtung Hannover gefahren und um 5.30 Uhr auf Glatteis mit seinem Auto verunglückt, nachdem zuvor vor ihm ebenfalls ein Fahrzeug gegen die Leitplanken gefahren war. Der Kläger, der bei diesem Anstoß unverletzt blieb, ging auf dem Standstreifen der Bundesautobahn mehrere 100 m zurück, um das Warndreieck aufzustellen. Während dieser Zeit verunglückte ein weiteres Fahrzeug an der fraglichen Stelle. Auf dem Rückweg zu seinem Fahrzeug wurde der Kläger von einem 4. Fahrzeug angefahren und durch den Anstoß über die Leitplanke geschleudert. Aus dem unwegsamen Gelände jenseits der Leitplanke konnte der Kläger sich aus eigener Kraft nicht befreien, weil sein Bein gebrochen war. Er wurde erst geraume Zeit später von der Polizei dort geborgen. Zu diesem Zeitpunkt war ein unfallverursachendes Fahrzeug nicht mehr vorhanden, so dass eine Ermittlung des Fahrzeughalters oder des Fahrers nicht mehr möglich war.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm deshalb nach § 12 PflichtVersG ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Beklagten zustehe, das er der Höhe nach mit 25.000,00 DM beziffert. Der Kläger hat einen Oberschenkelbruch davongetragen und war fast 4 Monate arbeitsunfähig. Danach ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % zurückgeblieben, allerdings unter Einschluss von 20 % MdE aus einer vorbestehenden Verletzung. Der Kläger hat nach wie vor Beschwerden beim Autofahren, stellt zuweilen ein Schonhinken fest, hat Schmerzen beim Treppensteigen und beim Besteigen von Leitern, was er in seinem Beruf als Architekt bei Ausführung von Bauaufsichtsmaßnahmen nicht vermeiden kann, seine Beweglichkeit ist eingeschränkt aufgrund einer Muskelminderung im Oberschenkel. Darüber hinaus ist im Januar 1998 Plattenmaterial aus seinem Bein entfernt worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 25.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.6.1997 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die objektiven Voraussetzungen des § 12 PflichtVersG nicht für gegeben, weil nicht festgestellt werden könne, ob ein anderes Fahrzeug schuldhaft in den Verkehrsunfall verwickelt worden sei. Der Beklagte meint darüber hinaus, dass den Kläger ein erhebliches Mitverschulden treffe. Vor allem aber wendet der Beklagte ein, dass die Verletzungen des Klägers nicht so gravierend seien, dass sie den Kriterien des § 12 Abs. 3 PflichtVersG entsprechen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die objektiven Voraussetzungen einer Anwendung des § 12 PflichtVersG liegen vor. Der Kläger ist verletzt worden durch das schuldhafte Verhalten eines anderen Verkehrstellnehmers, der nicht ermittelt werden kann.
Der Anspruch scheitert jedoch daran, dass die Verletzungen des Klägers, so einschneidend sie für den Kläger auch sein mögen, dennoch die besonderen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 PflichtVersG nicht erfüllen.
Danach ist erforderlich, dass die Verletzungen von einer solchen Schwere sind, dass nur durch das Gewähren eines Schmerzensgeldes eine grobe Unbilligkeit vermieden werden könnte. Nach dieser einschränkenden Gesetzesfassung wäre es erforderlich gewesen, dass der Kläger in einem Maße verletzt worden wäre, das für ihn schwerstes Leid und eine dauernde und nachhaltige gesundheitliche Beeinträchtigung nach sich gezogen hätte, wie es etwa bei dem Verlust von Gliedmaßen oder ähnlichen gravierenden Einschnitten der Fall gewesen wäre. Das kann bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Er hat einen Beinbruch erlitten, eine Verletzung also, die im Verkehrsgeschehen nicht unüblich ist. Darüber hinaus hat er diese Verletzung im Wesentlichen überwunden, so dass er wie vorher seinem Beruf nachgehen kann. Dass gewisse Beeinträchtigungen nach wie vor vorhanden sind, wie eine Beeinträchtigung der Beweglichkeit, eine Muskelverschmächtigung, Schmerzen bei besonderer Belastung, Einschränkung der Möglichkeiten einer Dauerbelastung sind Umstände, die, so bedauerlich sie sind, nicht von einem solchen Gewicht sind, dass es als eine grobe Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden müsste, wenn dem Kläger über die materiellen Ansprüche hinaus ein Schmerzensgeld nicht zugesprochen würde.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708, 711 ZPO.