Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.04.1954, Az.: II OVG A 144/53

Wirksamkeit eines Entlassungsantrags aus einem beamtenrechtlichen Verhältnis aufgrund persönlicher im Zusammenhang mit einer Entnazfizierung zusammenhängender Gründe; Einstufung einer Entlassung nach beamtenrechtlichen Vorschriften als Entlassung aus nicht beamtenrechtlichen Gründen; Einstufung in eine Entnazifizierungsgruppe und ihre Auswirkungen auf den beamtenrechtlichen Status; Bestehen eines Anspruchs aus dem niedersächsischen Gesetz vom 24. Dezember 1951 und dem Bundesgesetz vom 11. Mai 1951 i.V.m. Art. 131 GG; Anwendbarkeit der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Willensmangel der rechtswidrigen Drohung als allgemeiner Rechtsgedanke auf Erklärungen eines Beamten gegenüber seiner Anstellungsbehörde

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.04.1954
Aktenzeichen
II OVG A 144/53
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1954, 13762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1954:0409.II.OVG.A144.53.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 15.11.1957 - AZ: BVerwG VI C 25.56

Fundstelle

  • DVBl 1955, 134 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Anerkennung des Beamtenverhältnisses

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg, II. Senat,
in seiner Sitzung vom 9. April 1954 in Oldenburg,
an der teilgenommen haben:
1. Vizepräsident Prof. Dr. Ule als Vorsitzender,
2. Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Stampehl als Richter,
3. Verwaltungsgerichtsrät Dr. Tietgen als Richter,
4. Angestellter ... ehrenamtliches Mitglied,
5. Fabrikant als ehrenamtliches Mitglied,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Oldenburg - Zweite Kammer - vom 28. Juli 1953 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der am 3. März 1907 geborene Kläger hat Medizin studiert, die ärztlichen Prüfungen mit teils sehr gutem, teils gutem Ergebnis bestanden, die Approbation als Arzt erlangt und im, März 1938 in xxx die staatsärztliche Prüfung mit Erfolg abgelegt. Nachdem er von Dezember 1933 bis Dezember 1934 als Medizinal-Praktikant an verschiedenen Kliniken und von Januar 1935 bis Juli 1937 als Hilfsarzt an einer Heil - und Pflegeanstalt und an Gesundheitsämtern beschäftigt gewesen war, wurde er am 9. Juli 1937 als städtischer Medizinalrat bei der Stadt Dxxx angestellt und am 19. Dezember 1938 als Regierungsmedizinalrat zum Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes in Lxxx bestellt. Im Januar 1941 bewarb er sich um die ausgeschriebene Stelle des städtischen Obermedizinalrats und Leiters des Städtischen Gesundheitsamtes der Stadt Wxxx erhielt diese Stelle, wurde ein Jahr später, im August 1942, für die Dauer von zwölf Jahren zum hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt bestellt und in die Besoldungsgruppe Alb Bes. O. eingewiesen. In dieser Stellung ist er bis zum Zusammenbruch beschäftigt gewesen.

2

Anfang Juni 1945 entschied die britische Militärregierung, dass der Kläger wegen seiner Verbindung zum Nationalsozialismus für sein Amt nicht mehr geeignet sei. Am 12. Juni 1945 schied er aus dem Dienst. Er hatte der NSDAP - mit Unterbrechungen - seit 1925 angehört, die Mitgliedsnummer 26.xxx getragen, war Kreisamtsleiter, Kreis- und Gauredner, HJ-Bannarzt und SA-Rottenführer gewesen und hatte eine Reihe von Ämtern in anderen nationalsozialistischen Einrichtungen innegehabt.

3

Vom 10. Juli 1945 bis zum 30. August 1946 war der Kläger interniert. In der Entnazifizierung wurde er zunächst durch Entscheidung des Hauptausschusses Wxxx vom 27. Oktober 1948 im schriftlichen Verfahren in die Gruppe IV eingestuft. Dabei wurde ihm die Wählbarkeit abgesprochen. Der öffentliche Kläger beantragte mündliche Verhandlung. Sie fand am 21. Juli 1949 statt und hatte das Ergebnis, dass der Kläger in die Gruppe III eingestuft wurde. Gegen diese Entscheidung legten der Kläger und der öffentliche Kläger Berufung ein, dieser mit dem Antrage, gegen den Kläger auch die für Angehörige der Gruppe III zwingend vorgeschriebenen Massnahmen zu verhängen. Über die Berufungen verhandelte der Spruchausschuss in Oxxx am 10. Dezember 1949 in Anwesenheit des Klägers. In dieser Verhandlung beantragte der öffentliche Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift die Einstufung des Klägers in die Gruppe IV zu bestätigen, jedoch mit der Abänderung, dass dem Kläger die Fähigkeit zur Bekleidung einer amtlichen Stellung abgesprochen werde. Der Kläger beantragte, ihn in die Gruppe IV ohne Beschränkungen einzustufen, hilfsweise, die Verhandlung zu vertagen, um ihm Gelegenheit zu geben, weitere Entlastungszeugen beizubringen. Der Spruchausschuss gab dem Vertagungsantrag statt. Der Kläger reichte in der nächsten Zeit eine Reihe weiterer Entlastungszeugnisse ein. Am 21. Januar 1950 verhandelte der Spruchausschuss wieder. Über die Anträge besagt die Sitzungsniederschrift: "Der öffentliche Kläger erklärte sich auf Grund der vorgelegten Bescheinigung mit der Einstufung in die Kategorie IV einverstanden. Der Verteidiger beantragte Einstufung in die Kategorie IV." Der Spruchausschuss erkannte: "Der Betroffene wird eingestuft in die Kategorie IV ohne Beschränkungen." Bei der vom öffentlichen Kläger erwähnten Bescheinigung handelte es sich um ein Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 14. Januar 1950 mit folgendem Wortlaut:

"Hierdurch erkläre ich, dass ich ohne. Rücksicht auf den Ausgang meines Entnazifizierungsverfahrens auf alle Rechte aus meinem Beamtenverhältnis verzichte, ganz gleichgültig, ob sich diese gegen die Stadt Wilhelmshaven, gegen das Land Niedersachsen oder gegen das frühere deutsche Reich bezw. dessen Rechtsnachfolger richten. Gleichzeitig bitte ich um Entlassung aus einem etwa noch bestehenden Beamtenverhältnis, auch soweit es sich um einen Anspruch auf Wartegeld oder Ruhegehalt bezieht." (Bl. 3 d.A.).

4

Diese Bescheinigung reichte der öffentliche Kläger am 23. Januar 1950 an den Beklagten weiter. Der Beklagte verfügte am 3. April 1950:

"Auf Ihren Antrag vom 14.1.1950 werden Sie hiermit aus dem mit der Stadt Wxxx auf Grund der Ernennungsurkunde vom 24.8.1942 begründeten früheren Beamtenverhältnis förmlich gemäss § 60 des Deutschen Beamtengesetzes (RGBl. 1937, Teil 1, Seite 39) entlassen.

In der Anlage erhalten Sie die im Beamtengesetz vorgeschriebene Entlassungsurkunde. Diese Entlassung bedeutet nicht zugleich die Bestätigung der Sie betreffenden beamtenrechtlichen Massnahmen, insbesondere der Ernennung vom 24.8.1942 im Sinne von § 9 der 2. Nieders. Verordnung über Massnahmen auf dem Gebiete des Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrechts vom 15.3.1949 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1949 S. 57)."

5

Diese Verfügung wurde dem Kläger, der auf Grund der günstigen Entnazifizierungsentscheidung inzwischen eine Anstellung bei der xxx-A.G. in Bxxx erlangt hatte, am 14. April 1950 in Bxxx zugestellt. Unter dem 17. April 1950 bat der Kläger den Beklagten, ihm wenigstens in Briefform zu bestätigen, dass er aus politischen Gründen entlassen worden sei. Der Beklagte antwortete ihm, dass er auf seinen Antrag hin nach § 60 DBG. aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden sei. Seinem Wunsche, zu bestätigen, dass die Entlassung aus politischen Gründen geschehen sei, könne deshalb nicht entsprochen werden.

6

Am 19. August 1951 meldete sich der Kläger bei dem Magistrat von Gxxx zur Unterbringung nach dem Gesetz zu Art. 131 GG. Noch im Jahre 1951 wurden ihm zwei Stellen, darunter die Stelle eines stellvertretenden Amtsarztes in Bxxx angeboten. Beide Angebote schlug der Kläger aus, unter anderem mit der Begründung, dass er Interesse für die Stelle eines leitenden Amtsarztes zeige.

7

Im Januar 1952 gab der Senator für Inneres in Bxxx die Unterbringungsakten der Zuständigkeit halber an den Beklagten ab. Der Beklagte verfügte am 11. September 1952:

"Sie sind auf Ihren Antrag am 1. April 1950 gemäss § 60 des Deutschen Beamtengesetzes mit sofortiger Wirkung aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Die Entlassungsurkunde ist Ihnen ausgehändigt worden.

Gemäss § 66 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes sind Ihre früheren Ansprüche auf Versorgung und Dienstbezüge durch Ihre Entlassung erloschen.

Da Ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes zu Art. 131 GG. erfolgte, ist eine Anwendung des Bundesgesetzes sowie des Niedersächsischen Gesetzes zuArt. 131 GG. nicht möglich." (Bl. 7 d.A.)

8

Der Kläger hat den Verwaltungsrechtsweg beschritten und den Antrag gestellt,

die Verfügung des Beklagten vom 11. September 1952 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten

  1. a)

    ihn, den Kläger, als Wiederverwendungsbeamten mit der Berufsbezeichnung Stadtobermedizinalrat und der Besoldungsgruppe A 1b BesO. anzuerkennen, hilfsweise,

  2. b)

    ihn, den Kläger, als zu dem unter das Bundesgesetz zu Art. 131 GG als Beamten des Beklagten fallenden Personenkreis gehörig anzuerkennen.

9

Er falle unter das Gesetz zu Art. 131 GG. Er sei zwar auf seinen Antrag, aber aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen ausgeschieden. Er habe die Verzichtserklärung vom 14. Januar 1950 unter Druck abgegeben. Er habe sich damals in grosser Sorge um seine Familie befunden. Jahrelang habe er Not gelitten. Nun habe er Aussicht gehabt, bei der xxx-A.G. eine Anstellung zu finden. Dazu habe er einen Entnazifizierungsbescheid mit der Einstufung mindestens in die Gruppe IV ohne Beschränkungen vorlegen müssen.

10

Der Beklagte hat beantragt,

den Kläger mit der Klage abzuweisen.

11

Der Kläger sei auf seinen Antrag, mithin aus beamtenrechtlichen Gründen aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden. Die Gründe, die ihn zu dem Antrag auf Entlassung bewogen hätten, seien rechtsunerheblich; weder er, der Beklagte, noch der öffentliche Kläger hätten den Beklagten zur Einreichung des Entlassungsantrages veranlasst.

12

Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben gemäss seinem Beschluss vom 10. Februar 1953 (Bl. 24. d.A.) durch Vernehmung des damaligen öffentlichen Klägers, Oberregierungsrats Schröder, und des damaligen Verteidigers des Klägers, Rechtsanwalts Dr. XXX aus Oxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 14. April 1953 (Bl. 48 d.A.) und vom 28. Juli 1953 (Bl. 65 d.A.) verwiesen.

13

Sodann hat das Landesverwaltungsgericht den Kläger mit der Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger nehmt nur dann an der Unterbringung nach dem nds. Gesetz zu Art. 131 GG vom 24. Dezember 1951 (GVBl. S. 233) und nach dem Gesetz zuArt. 131 GG. vom 11. Mai 1951 teil, wenn er im Jahre 1950 aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen aus dem Dienst des Beklagten ausgeschieden sei. Das sei er nur dann, wenn anzunehmen wäre, dass die der Entlassung zu Grunde liegende Erklärung des Klägers in so erheblichem Masse ausserhalb seiner freien Entschliessung gelegen habe, dass von einer dem wirklich freien Willen des Klägers entsprechenden Erklärung nicht die Rede sein könne. Das wäre dann der Fall, wenn der Kläger den Antrag unter Druck gestellt hätte. Es könne nicht verkannt werden, dass sich ehemalige Nationalsozialisten, so auch der Kläger, in der fraglichen Zeit in einer Art von Kollektivangst befunden hätten. Diese Zwangslage habe jedoch nicht die freie Willensbildung ausgeschlossen. Der Kläger habe die widersprechenden Gesichtspunkte abwägen können und einen ihm günstiger erscheinenden Weg gewählt. Eine auch nur unmittelbar lenkende Einflussnahme von aussen habe gefehlt. Der Entschluss, durch Verzicht auf die Beamtenrechte die gegnerische Grundeinsteilung zu entschärfen, sei also von ihm selbst ausgegangen. In diesem massgeblichen Punkte unterscheide sich der Sachverhalt von dem, über den der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 26. Juli 1952 (BGH. Bd. 6 S. 353) entschieden habe.

14

Gegen dieses ihm am 7. August 1953 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 1. September 1953, die am 2. September 1953 bei Gericht eingegangen ist. Mit ihr beantragt der Kläger,

das Urteil des Landesverwaltungsgerichts aufzuheben,

die Verfügung des Beklagten vom 11. September 1952 ebenfalls aufzuheben,

den Beklagten zu verpflichten,

  1. a)

    ihn, den Kläger als Widerrufsbeamten mit der Berufsbezeichnung Stadtobermedizinalrat und der Besoldungsgruppe A 1b BesO. anzuerkennen, hilfsweise,

  2. b)

    den Kläger als zu dem unter das Gesetz zu Art. 131 GG. als Beamten des Beklagten fallenden Personenkreis zugehörig anzuerkennen (Bl. 76 d.A.).

15

Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass er nicht aus beamtenrechtlichen Gründen im Sinne der Gesetze zuArt. 131 GG. entlassen worden sei. Er sei zwar auf Antrag nach § 60 DBG. und damit nach beamtenrechtlichen Vorschriften entlassen worden. Eine Entlassung aus beamtenrechtlichen Vorschriften sei aber noch keine Entlassung aus beamtenrechtlichen Gründen. Um festzustellen, ob ein Beamter aus beamtenrechtlichen oder aus anderen Gründen aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden sei, müsse auf die Beweggründe zurückgegangen werden, die der Entlassung zu Grunde gelegen hätten.

16

Er, der Kläger habe den Entlassungsantrag allein deswegen gestellt, um weiteren politischen Nachstellungen zu entgehen. Er sei von der Kollektivangst gepackt gewesen, die auch zu jener Zeit noch die früheren Nationalsozialisten beherrscht habe. Seine Sorge um die Zukunft seiner sechsköpfigen Familie sei nach Jahren der Internierung und der Amtslosigkeit allmählich erdrückend geworden. Er habe unter dem weiteren Druck gestanden, von dem öffentlichen Kläger der britischen Militärgerichtsbarkeit wegen Fragebogenfälschung ausgeliefert zu werden und damit seine Familie ganz dem Elend preisgegeben zu sehen. Der öffentliche Kläger habe ihm in der Verhandlung vom 21. Juli 1949 mit so scharfen Worten vorgeworfen, seinen Rang als HJ-Obergefolgschaftsführer verheimlicht zu haben, dass die Tagespresse sogar darüber berichtet habe. - Wegen der Einzelheiten zu diesem Vortrag wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 5. Januar 1954 (Bl. 89 d.A.) verwiesen. - Der öffentliche Kläger habe ausdrücklich erklärt, er müsse sich gegen ihn, den Kläger, Massnahmen wegen Fragebogenfälschung vorbehalten.

17

Der Druck des drohenden Strafverfahrens sei immer lastender geworden, zumal da er habe beobachten müssen, dass der Termin zur Verhandlung der Berufungen im Entnazifizierungsverfahren; im Herbst und Winter 1949/1950 wiederholt vertagt worden sei, ganz offenbar, um Zeit zur Sammlung weiteren Materials gegen ihn zu gewinnen.

18

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

19

Er bestreitet, dass der Kläger den Antrag auf Entlassung unter Druck gestellt habe. Niemand habe dem Kläger auch nur nahegelegt, diesen Antrag zu stellen. Das sei der eigene Gedanke des Klägers gewesen, den dieser sogar gegen die Bedenken seines Anwalts durchgesetzt habe. Der Kläger habe sich auch nicht unter Druck gefühlt. Nach seiner eigenen Niederschrift über die Verhandlung vom 21. Juli 1949 (Bl. 85 d.A.) habe er den Vorwurf des öffentlichen Klägers, er habe seinen HJ-Rang verschwiegen, noch in der Verhandlung entkräften können.

20

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Hauptlehrer Sxxx und Oberregierungsrat Sxxx. Es haben bekundet:

21

1.

Der Zeuge Sxxx, xxx, xx Jahre alt, Hauptlehrer in Wxxx.

22

Er habe der Verhandlung des Entnazifizierungshauptausschusses am 21. Juli 1949 vom Anfang bis zum Ende beigewohnt. Die Verhandlungsart des öffentlichen Klägers sei ihm überaus schroff und hart vorgekommen. Es habe den Anschein gehabt, als verfolgte der öffentliche Kläger von vornherein den Plan, den Kläger in die Kat. III zu bringen. Gleich nach der Vernehmung zur Person habe er dem Kläger vorgehalten, dass dieser in dem Fragebogen seinen Rang als Obergefolgschaftsführer der Hitler-Jugend nicht angegeben habe. Der Kläger habe indessen sogleich geantwortet, dass von einem Verschweigen nicht die Rede sein könne und dies auch begründet. Sodann habe der öffentliche Kläger den Kläger der Zusammenarbeit mit der Gestapo bezichtigt. Einzelheiten dieses Vorwurfs erinnere er, der Zeuge, nicht mehr. Es sei in diesem Zusammenhang von der Landesversicherungsanstalt die Rede gewesen. Am Schlusse seiner Ausführungen habe der öffentliche Kläger erklärt, dass er sich weitere Massnahmen gegen den Kläger vorbehalte.

23

Auf Frage des Vorsitzenden: Er, der Zeuge, sei nicht Mitglied der NSDAP gewesen.

24

Er habe auch die Zeitungsberichte über die Verhandlung vom 21. Juli 1949 gelesen. Es sei eine Unverschämtheit der Zeitung gewesen, den Kläger einen bösartigen Nazi zu nennen. Der Berichterstatter der Zeitung habe weit übertrieben.

25

Auf Vorhalt des Vorsitzenden räumte der Zeuge ein, dass jeder Satz der Meldung in der Nordwestdeutschen Rundschau vom 23. Juli 1949 - Nr. 86 - den Tatsachen entspreche. Auf die weitere Frage, worin die Übertreibung bestehen solle, wusste er keine Antwort.

26

Am Schluss seiner Bekundung stellte der Zeuge seine Aussage, er sei nicht Mitglied der NSDAP gewesen, dahin richtig: Er habe sich zum Eintritt in die NSDAP gemeldet, dann aber die Entgegennahme der Mitgliedskarte abgelehnt.

27

2.

Der Zeuge Sxxx, xxx, xx Jahre alt, Oberregierungsrat in Oxxx

28

Er sei öffentlicher Kläger in Oxxx gewesen. Er habe wohl an 100.000 Entnazifizierungsverfahren mitgewirkt. An die Verhandlung gegen den Kläger am 21. Juli 1949 erinnere er sich. Er habe gegen den Spruch des Entnazifizierungshauptausschusses in Wxxx vom 21. Oktober 1948 Berufung eingelegt, weil er dazu von irgendeiner Seite veranlasst worden sei. Von sich aus sei er nicht auf den Gedanken gekommen. Er habe den Kläger gar nicht gekannt. Gegen die Entscheidung vom 21. Juli 1949 habe er ferner Berufung eingelegt, weil der Spruch die gesetzlich vorgeschriebenen Sühnemassnahmen nicht enthalten habe. Wie er dazu gekommen sei, gegen den Kläger am 10. Dezember 1949 nur noch die Einstufung in die Gruppe IV mit Beschränkungen zu beantragen, könne er im einzelnen nicht mehr sagen. Es habe seiner Einstellung entsprochen, die Betroffenen möglichst günstig einzustufen. In seinem Geschäftsbereich seien vielleicht höchstens zehn Personen in die Gruppe III eingestuft worden. In Gesprächen mit Rechtsanwalt Dr. XXX habe er die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger nicht in die Gruppe III eingestuft zu werden brauchte. Er wisse allerdings nicht, ob die Gespräche vor oder nach dem 10. Dezember 1949 geführt worden seien. In diesen Gesprächen sei die Rede davon gewesen, dass der Kläger nur noch wünsche, für eine Privatstellung entnazifiziert zu werden.

29

Der Anstoss, gegen den Kläger die Einstufung in die Gruppe III zu beantragen, müsse von Wilhelmshaven gekommen sein. Von der Stadt Wxxx sei er jedoch sicherlich nicht gekommen. Es sei denkbar, dass Mitglieder des Wxxx Entnazifizierungsausschusses darauf gedrängt hätten. Das stehe nicht zu der Tatsache im Widerspruch, dass dieser Ausschuss den Kläger zuvor in die Gruppe IV eingestuft hatte. Den Anstoss zu der ungünstigeren Einstufung könnten Mitglieder des Ausschusses gegeben haben, die bei der ersten Entscheidung überstimmt worden seien.

30

Auf Vorhalt des Vertreters des Klägers, ob er dem Kläger in der Verhandlung vom 21. Juli 1949 vorgeworfen habe, einen Arzt bei der Gestapo angezeigt zu haben: Das wisse er nicht.

31

Auf weiteren Vorhalt: Er wissen auch nicht, ob er den Kläger der Fragebogenfälschung bezichtigt habe.

32

Die Zeugen sind unvereidigt geblieben.

33

Die Personal-, Unterbringungs- und Entnazifizierungsakten über den Kläger sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

34

II.

Die Berufung ist statthaft und in der Frist und Form des § 83 MRVO. Nr. 165 eingelegt worden. Jedoch muss ihr der Erfolg versagt bleiben.

35

Der Kläger kann Ansprüche aus dem nds. Gesetz vom 24. Dezember 1951 (GVBl. S. 233) und dem Bundesgesetz vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) zu Art. 131 GG. nicht erheben. Er gehört nicht dem Personenkreis an, dem Rechte aus diesen Gesetzen zustehen.

36

1.

Nach §§ 1 und 2 des Nds. Gesetzes, §§ 63 Abs. 1, 62 Abs. 1 des Bundesgesetzes zuArt. 131 GG. haben Beamte einer Gemeinde innerhalb des Landes Niedersachsen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, danach ihr Amt aus anderen als "beamtenrechtlichen Gründen verloren haben und noch nicht wiederverwendet sind, unter den weiteren Voraussetzungen dieser Gesetze Anspruch auf Teilnahme an der Unterbringung der amtsenthobenen Beamten und auf Versorgung. Der Kläger stand am 8. Mai 1945 als Beamter auf Zeit im Dienste der beklagten Stadt Wxxx, einer Gemeinde im nachmaligen Lande Niedersachsen. Er hat auch zunächst, nämlich im Juni 1945 sein Amt aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen verloren. Damals hat die britische Militärregierung veranlasst, dass er aus seinem Amte als hauptamtlicher Beigeordneter entfernt wurde. Damit ist aber der Sachverhalt, der für die Beurteilung der Rechtslage nach den Gesetzen zuArt. 131 GG. erheblich ist, noch nicht vollständig. Zu ihm gehört des weiteren die Tatsache, dass der Kläger am 14. Januar 1950 auf alle Rechte aus seinem früheren Beamtenverhältnis verzichtet und den Antrag gestellt hat, ihn aus einem etwa noch bestehenden Beamtenverhältnis zu entlassen, und dass der Beklagte diesem Antrage durch Erlass vom 3. April 1950 entsprochen hat. Dadurch ist der Kläger aus dem Personenkreis des Art. 131 GG ausgeschieden.

37

Das Bundesgesetz zu Art. 131 GG. und ihm nachfolgend das nds. Gesetz zu dieser Verfassungsvorschrift regeln, ihr insoweit wörtlich entsprechend, die Rechtsverhältnisse der Personen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und noch nicht ihrer früheren Stellung entsprechend wieder verwendet werden. Ausserhalb dieser Regelung stehen mithin die Rechtsverhältnisse derjenigen früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die nach dem 8. Mai 1945 aus beamten- oder tarifrechtlichen Gründen aus dem Dienst geschieden sind. Deren Rechtsverhältnisse bestimmen sich nach Beamten- oder Tarifrecht. Das verdeutlicht folgerichtig die Vorschrift des § 3 Nr. 2 BGes. zu Art. 131 GG.: "Rechte nach Kap. I dieses Gesetzes haben nicht die ... Personen, deren Dienst- oder Arbeitsverhältnis nach dem 8. Mai 1945 aus beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ... beendet worden ist." Zwar hat der Kläger dem von Kap. I des Gesetzes erfassten Personenkreis, den Verdrängten und Angehörigen aufgelöster Dienststellen, nie angehört; und die auf ihn zutreffende Vorschrift des § 63 bezieht sich in ihrem personalen Geltungsbereich nicht auf die Vorschrift des § 3 Nr. 2, hingegen z.B. auf die des § 3 Nr. 4 und zahlreiche andere des Kap. I (Fassung des Gesetzes vom 1. September 1953 - BGBl. I S. 1288 -). Es wäre aber verfehlt, daraus zu schliessen, dass die unter § 63 fallenden Personen - anders als die Verdrängten und die ihrer Dienststelle Beraubten (Kap. I) - Ansprüche aus dem Gesetz schon darauf stützen können, dass sie nur zunächst einmal aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen ihr Amt verloren haben, auch wenn sie sich ausserdem ihrer Ansprüche aus dem früheren Beamtenverhältnis aus beamtenrechtlichen Gründen begeben haben. Nichts spricht dafür, dass der Gesetzgeber eine solche unterschiedliche Behandlung der Verdrängten einerseits und der Amtsenthobenen andererseits für angebracht gehalten hätte, zumal da das Grundgesetz selbst alle Personen von der Regelung ausgenommen wissen wollte, die nach dem 8. Mai 1945 ihre Rechte aus beamtenrechtlichen Gründen eingebüsst hatten. Der Unterschied liegt allein in der gesetzestechnischen Behandlung dieses Ausnahmetatbestandes. Während der Umstand, dass ein Beamter seine Rechtsstellung aus beamtenrechtlichen Gründen verloren hat, im Kap. I des Gesetzes als rechtsvernichtender Tatbestand, mithin als Einwand gefasst ist, zählt im Kap. II des Gesetzes seine Negation zu den anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmalen. Das Gesetz gewährt Ansprüche aus § 63 nur den amtsenthobenen Beamten, die noch nicht wiederverwendet sind. Das muss nach dem Sinngehalt und kann nach der Wortfassung der Vorschrift zwangslos dahin ausgelegt werden, dass die Ansprüche nur denjenigen Beamten zustehen sollen, die eben nur wegen der Amtsenthebung aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen nicht mehr und noch nicht wieder verwendet werden.

38

Nun hat allerdings das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung über die Verfassungsmässigkeit des Gesetzes zu Art. 131 GG. vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 - (DVBl. 1954 S. 86 [BVerfG 17.12.1953 - 1 BvR 147/52]) ausgesprochen, dass die zum deutschen Reich bestehenden unmittelbaren und mittelbaren Beamtenverhältnisse mit dem Zusammenbruch von selbst erloschen sind und dass die nach dem 3. Mai 1945 vorläufig weiterbeschäftigten Beamten in einem Dienstverhältnis eigener Art gestanden haben, das mit der Anordnung der Amtsenthebung endgültig gelöst worden ist. Auf solcher Rechtsgrundlage müsste eine der Amtsenthebung nachfolgende Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wirkungslos geblieben sein. Denn es war kein Beamtenverhältnis mehr vorhanden, das aus beamtenrechtlichen Gründen hätte beendet werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gleichseitig ausgesprochen, dass die Fürsorge für die früheren Beamten aus naheliegenden Gründen in Anlehnung an die Grundsätze des Beamtenrechts zu treffen war, zumal da die Länder schon vor dem Erlass des Gesetzes zu Art. 131 GG. diesen Weg beschritten hatten. In der Tat waren die Ansprüche, die dem Kläger nach dem Ausgang seines Entnazifizierungsverfahrens auf Grund der nds. Zweiten Verordnung über Massnahmen auf dem Gebiete des Beamten-, Besoldungs- und Versorgungsrechts vom 15. März 1949 (GVBl. S. 57) zustanden, beamtenrechtlich ausgestaltet. Ebenso war schon 1950 abzusehen, dass die vomArt. 131 GG. vorgeschriebene Regelung grundsätzlich beamtenrechtlicher Art sein würde. Es muss daher als rechtswirksam angesehen werden, dass ein derart zu versorgender früherer Beamter sich dieser Rechte in den Formen des Beamtenrechts begab und dass dieser Rechtsverlust als auf beamtenrechtlichen Gründen beruhend bezeichnet wurde und wird. Das haben auch der Kläger und der Beklagte zutreffend erkannt, als sie die Rechtshandlungen vom Januar/April 1950 vornahmen. Der Kläger hat damals nicht nur den Antrag angebracht, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen - war doch auch sein Begehren naturgemäss nicht auf Freigabe seiner Arbeitskraft gerichtet - , er hat vor allem den Verzicht auf alle Rechte - welcher Art sie auch seien - aus seinem früheren Beamtenverhältnis ausgesprochen. Der Beklagte seinerseits hat dementsprechend nicht nur die Entlassung verfügt, sondern zugleich klargestellt, dass der Kläger somit auch keine Rechte aus der Verordnung vom 15. März 1949 mehr herleiten könne. Zudem hat er den Kläger darüber aufgeklärt, dass dieser nicht aus politischen Gründen und somit nicht aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen aus dem Dienst geschieden sei. Beide Seiten haben gerade darin den Sinn des ganzen Vorganges gesehen, dass der Kläger freiwillig über einen Restbestand an Rechten aus dem Beamtenverhältnis verfügte, den ihm selbst die Amtsenthebung belassen hatte und die Entnazifizierungsentscheidung voraussichtlich belassen würde. Sie konnten diesem Angebot des Klägers nur, aber auch mindestens, den Wert beimessen, mit dem dieser der Entnazifizierung entgangene Restbestand zu veranschlagen war. Das waren, mit anderen Worten, die Rechte, die nicht aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen verloren waren oder verloren zu gehen drohten und deren Preisgabe daher beamtenrechtlichen Gründen offenstand.

39

2.

Der Kläger will die Rechtswirkungen der Verfügung vom 3. April 1954 nicht mehr gegen sich gelten lassen. Er führt dagegen zwei Gründe an, die im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht immer scharf genug unterschieden worden sind. Zunächst: die Entlassung sei nichtig, weil sein darauf gerichteter Antrag durch Drohung erzwungen worden sei. Sodann: er habe den Antrag letztlich aus politischen Gründen gestellt. Daher sei die Entlassungsverfügung aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen ergangen. Dazu stützt er sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26. Juli 1952 (BGHZ. Bd. 6 S. 348), zu der das Bundesgericht den Leitsatz geprägt hat: "Wird ein Beamter auf seinen Antrag hin entlassen, hat er aber seinen Entlassungsantrag nur deshalb gestellt, weil seine Behörde ihn dazu in seinem eigenen Interesse veranlasst hat, um ihn vor Unannehmlichkeiten wegen seiner politischen Vergangenheit zu bewahren, so ist er ebenso zu behandeln, als ob er aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen sein Amt verloren hätte."

40

a)

Der Vortrag des Klägers, die Entlassung vom 3. April 1950 kranke an der Tatsache, dass der ihr zugrundeliegende Antrag erzwungen worden sei, stützt sich auf die Rechtsansicht, dass die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Willensmangel der rechtswidrigen Drohung als Niederschlag allgemeiner, auch im öffentlichen Recht geltender Rechtsgedanken auf Erklärungen des Beamten gegenüber seiner Anstellungsbehörde anwendbar sind (zusammenfassend: OVG. Münster, Urt. vom 8. November 1951 - DVBl. 1952 S. 606 -). Dabei übersieht der Kläger aber schon, dass diese Rechtsprechung die Anfechtung wegen Drohung nur unmittelbar nach Beseitigung der Zwangslage, in der die Willenserklärung abgegeben worden ist, zulässt. Der Bedrohte muss die ihm abgezwungene Erklärung anfechten, sobald die Bedrohung aufhört. Das hat der Kläger versäumt. Eine ausdrückliche Erklärung, er fechte Verzicht und Antrag vom 14. Januar 1950 an, hat er dem Beklagten bis heute nicht zukommen lassen. Die erste Handlung, die als Anfechtungserklärung aufgefasst werden könnte, war die Klageschrift in diesem Rechtsstreit. Sie ist dem Beklagten am 30. Dezember 1952 zugegangen. Zu jener Zeit konnte sich der Kläger schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr von den Mächten bedroht fühlen, unter deren Druck er die Erklärung vom 14. Januar 1950 abgegeben haben will. Selbst eine bürgerlich-rechtliche Willenserklärung hätte er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr anfechten können, denn sie muss nach § 124 BGB. innerhalb eines Jahres angefochten werden. Schon am 19. Dezember 1951 war das nds. Gesetz zum Abschluss der Entnazifizierung vom 18. Dezember 1951 (GVBl. S. 231) in Kraft getreten, wonach Wiederaufnahmeverfahren zu Ungunsten eines Betroffenen nicht mehr zulässig waren und für Zuwiderhandlungen gegen die Strafvorschriften des § 12 der Entnazifizierungsverordnung vom 3. Juli 1948 (GVBl. S. 68) Straffreiheit gewährt wurde. Tatsächlich hat der Kläger die Umstände, die er jetzt als widerrechtliche Einflussnahme auf seinen Willen hinstellt, nicht erst seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, sondern schon im Herbst 1951 nicht mehr als eine Beeinträchtigung seiner Entschliessungsfreiheit empfunden. Damals war der Senator für Inneres in Bxxx dem die Vorgänge aus dem Jahre 1950 nicht bekannt waren, bereit, dem Kläger die Rechte aus dem Gesetz zu Art. 131 GG. sogar in der Form der aktiven Wiederverwendung zuzubilligen. Der Kläger, dem damit die Rechtsstellung eingeräumt werden sollte, auf die er angeblich nur unter Zwang verzichtet hatte, schlug das Angebot aus. Das kann nicht anders gedeutet werden, als dass er mindestens schon zu jener Zeit Herr seiner Entschliessungen war.

41

Zudem hat der Kläger seine Erklärung vom 14-. Januar 195.0 nicht unter dem Einfluss einer rechtswidrigen Drohung abgegeben. Die Beweisaufnahme hat nichts dafür erbracht, dass irgend jemand zu Gunsten des Beklagten auf den Kläger eingewirkt hätte. Es hat nicht einmal festgestellt werden können, dass dem Beklagten an einem solchen Schritt gelegen gewesen wäre. Das gleiche, gilt für das Verhalten des öffentlichen Klägers, des Zeugen Oberregierungsrat Sxxx. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, besonders nach der bestimmten und insoweit auch mit den vorgelegten Zeitungsausschnitten übereinstimmenden Aussage des Zeugen Stuhl und der andererseits in diesem Punkte wenig ergiebigen des Zeugen Sxxx, ist zwar davon auszugehen, dass der öffentliche Kläger den Verfahrenskläger in der Verhandlung vom 21. Juli 1949 auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht hat, gegen ihn ein Strafverfahren wegen falscher Angaben im Fragebogen einzuleiten. Nicht erwiesen ist die Behauptung, dass von einem Strafverfahren vor den Gerichten der Militär-Regierung die Rede gewesen ist. Tatsächlich wurde der Kläger ja auch nicht einer Fragebogenfälschung gegenüber der Militär-Regierung bezichtigt. Es vermag nicht einzuleuchten, dass der Kläger seine Erklärung vom 14. Januar 1950 noch zur Abwendung eines solchen Strafverfahrens abgegeben hätte. Mit Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger nach seiner eigenen Niederschrift über die Verhandlung vom 21. Juli 1949 die Sitzung in dem Gefühl verlassen haben müsse,-, nichts sei haltloser gewesen, als ihn der Fragebogenfälschung zu bezichtigen. Dass er mit dieser Meinung auch durchgedrungen war, muss er den Tatsachen entnommen haben, dass die schriftliche Begründung der Entscheidung vom 21. Juli 1949 den Vorwurf der Fragebogenfälschung nicht bestätigte, dass der öffentliche Kläger diesen Teil der Begründung nicht anfocht, auch nichts gegen den Kläger unternahm, sondern im Gegenteil in der Verhandlung vom 10. Dezember 1949 sein Rechtsmittel dazu gebrauchte, einen günstigeren Antrag gegen den Kläger zu stellen. Diese Haltung des öffentlichen Klägers verriet Wohlwollen. Unrichtig ist die Behauptung des Klägers, die Verhandlung im Entnazifizierungsverfahren sei immer wieder vertagt worden, offenbar um Gelegenheit zu finden, Material gegen ihn zu sammeln. Die Verhandlung ist auf seinen Antrag ausgesetzt worden, damit er weiteres Entlastungsmaterial beibringen könnte.

42

Der Senat vermag ebenso wenig festzustellen, dass der Kläger seine Erklärung vom 14. Januar 1950 unter dem Druck einer von ihm sog. Kollektivangst abgegeben hätte, die einer widerrechtlichen Willensverfälschenden Drohung gleichzusetzen wäre. Dem Landesverwaltungsgericht wird darin nicht zu widersprechen sein, dass in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch die Massnahmen gegen ehemalige Nationalsozialisten bei vielen dieser Personen ein allgemeines und umfassendes Angstgefühl wachgerufen haben. Es mag auch zutreffen, dass der Kläger diesem Gefühl zu einem Teil erlegen war, wiewohl seine Verteidigung im Entnazifizierungsverfahren eine andere Sprache spricht, und er auch nicht - wie die Mehrzahl der amtsenthobenen Beamten - jeglicher Lebensgrundlage beraubt war. Ihm war es immerhin gestattet und möglich, Praxisvertretungen zu übernehmen. Hier kommt es aber entscheidend nur darauf an, ob der Kläger deswegen unter dem Zwang einer widerrechtlichen Verängstigung gehandelt hat. Das ist zu verneinen. Nichts deutet darauf hin, dass der öffentliche Kläger das Entnazifizierungsverfahren nicht korrekt betrieben und ausserhalb des vorgeschriebenen Verfahrens Angstgefühle in dem Kläger wachgerufen hätte.

43

b)

Die Erklärung des Klägers vom 14. Januar 1950 und seine Entlassung auf Grund der Verfügung vom 3. April 1950 erfüllen auch den Tatbestand, den das Gesetz einen Verlust des Amtes aus beamtenrechtlichen Gründen nennt und den es deswegen in seine Regelung nicht einbegriffen hat. Was das Gesetz als beamtenrechtliche Gründe verstanden wissen will, ist zwar aus seinem blossen Wortlaut nicht ohne weiteres zu ergründen. Einen rechtstechnischen Begriff des beamtenrechtlichen oder des nichtbeamtenrechtlichen Entlassungsgrundes gibt es im überkommenen Beamtenrecht naturgemäss nicht. Dem Kläger ist darin beizupflichten, dass er sein Amt nicht schon allein deswegen aus beamtenrechtlichen Gründen verloren hat, weil er nach den Vorschriften des deutschen Beamtengesetzes aus dem Dienstverhältnis zum Beklagten ausgeschieden ist. Von Mangoldts (Das Bonner Grundgesetz, 1953 S. 643) Erläuterung, aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen sei derjenige ausgeschieden, der nicht nach den Vorschriften und in den Formen des Beamtengesetzes entlassen worden sei, erscheint dem Senat zu eng. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seinem Beschluss vom 21. Januar 1951 (NJW. 1953 S. 360) ausgesprochen, dass eine Entlassung, die in den Formen der beamtenrechtlichen Vorschriften verfügt worden ist, deswegen noch nicht auf beamtenrechtlichen Gründen im Sinne des Gesetzes zuArt. 131 GG. zu beruhen brauche. Ihm folgend hat das Oberverwaltungsgericht Münster (Urteil vom 1. Juli 1953 - ZBR. 1953 S. 151) diese Erkenntnis dahin fortgeführt, die zahlreichen Entlassungen von Beamten seit 1945 beruhten auf verschiedenen Vorschriften und auf verschiedenen Gründen; die Vorschriften gehörten dem Beamtenrecht oder den Entnazifizierungsrecht an; im zweiten Falle handele es sich um Entlassungen aus politischen, d.h. aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen. Aber auch eine auf beamtenrechtliche Vorschriften gestützte Entlassung könne aus politischen Gründen erfolgt sein. Der Begriff der anderen als beamtenrechtlichen Gründe sei also weit auszulegen und umfasse auch alle politischen Beweggründe der Anstellungsbehörde.

44

Beide, das Bundesverfassungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Münster, hatten über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Entlassung von einer Entschliessung der Anstellungsbehörde ausging. Nicht anders lag letztlich der vom Kläger angeführte Fall, in dem der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. Juni 1952) zu der Erkenntnis gelangt ist, dass ein im August 1945 auf Antrag entlassener Beamter so zu behandeln sei, als ob er sein Amt aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen verloren habe. Denn auch in diesem Fall war es die Anstellungsbehörde, welche die Entschliessung gefasst hatte, den Beamten seines Dienstes zu entheben. Nur hatte sie dem Beamten, um ihm Unannehmlichkeiten wegen falscher Angaben im Fragebogen zu ersparen, Gelegenheit gegeben, einen Antrag auf Entlassung einzubringen, damit sie diesen als Grund der Entlassung vorschieben konnte. Der Entschluss, das Dienstverhältnis zu lösen, war auch hier von der Anstellungsbehörde gefasst worden. Alle diese Entscheidungen waren daher mit dem Auslegungssatz zu gewinnen, dass politische Beweggründe der Anstellungsbehörde (OVO. Münster, a.a.O.., S. 152) oder, wie der Bundesgerichtshof (a.a.O.. S. 353) es ausdrückt, rein politische Gründe den Gründen beamtenrechtlicher Natur begrifflich gegenüberstehen und als andere als beamtenrechtliche. Gründe anzusehen sind.

45

Der Fall des Klägers liegt anders. Der Beklagte ist als Anstellungsbehörde gar nicht in die Lage geraten, Beweggründe über das Ausscheiden des Klägers zu bilden. Ihm wurde der Antrag auf Entlassung vorgelegt, und er konnte nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (§ 60 Abs. 3 DBG.) danach nicht anders handeln, als die Entlassung auszusprechen. Wenn der Bundesgerichtshof - worauf einige Formulierungen der Entscheidung hindeuten - die Auffassung vertreten wollte, selbst eine Entlassung auf Antrag sei dann aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen erfolgt, wenn sie nur irgendwie auf die frühere Verbindung des Antragstellers zur NSDAP zurückgeht, so vermöchte der Senat ihm darin nicht zu folgen. Ihm scheint es gerade an dem Fall der Entlassung auf Antrag deutlich zu werden, dass die Vorschrift des § 63 Gesetz zuArt. 131 GG. und der entsprechenden Bestimmung des nds. Gesetzes mit der Unterscheidung von Gründen beamtenrechtlicher und solchen politischer Natur noch nicht allen Zweifeln entrückt ist. Entlassungen, zu deren beamtengesetzlichem Tatbestand die auf einen materiellen Sachverhalt gestützte Entschliessung der Anstellungsbehörde gehört, können allerdings rechtlich danach unterschieden werden, ob die Entschliessung auf beamtenrechtliche oder politische Erwägungen zurückgeht; nicht dagegen Entlassungen, bei denen die Anstellungsbehörde materiell-rechtliche Erwägungen gar nicht anzustellen hat. Wer z.B. sein Amt kraft Gesetzes verloren hat, weil er zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt worden ist (§ 53 DBG.), kann die Rechte durchaus wegen seiner "politischen Betätigung in der NSDAP" (so BGH. a.a.O.. S. 353), etwa wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, verloren haben, hat sie deswegen aber nicht aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen eingebüsst. Der Senat hält, in Fortbildung der vom Oberverwaltungsgericht Münster entwickelten Überlegungen, den Begriff des Amtsverlustes aus beamtenrechtlichen Gründen stets dann für erfüllt, wenn ein Sachverhalt gegeben war, an den das Beamtenrecht die Rechtsfolge des Amtsverlustes knüpft oder für den sie es vorsieht. Bei der Entlassung auf Antrag ist der beamtenrechtserhebliche Sachverhalt allein das Vorliegen eines Antrages. Die Beweggründe des Antragstellers sind rechtsunerheblich. Sie können deshalb gar nicht als beamtenrechtliche oder als andere als beamtenrechtliche Gründe charakterisiert werden. Sie sind stets weder beamtenrechtlicher noch nichtbeamtenrechtlicher Natur. Die Entlassung auf Antrag, die nicht ausnahmsweise und begriffswidrig auf eine massgebliche Entschliessung der Anstellungsbehörde zurückgeht, ist stets eine Entlassung aus beamtenrechtlichen Gründen.

46

Das Landesverwaltungsgericht hat demgemäss die Klage zu Recht abgewiesen.

47

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger nach § 98 Abs. 1 MRVO. Nr. 165, weil er mit seinem Antrage nicht durchgedrungen ist.

48

Der Senat hat die Revision an das Bundesverwaltungsgericht gemäss § 53 Abs. 2 Buchst. a) des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952- (BGBl. I S. 625) zugelassen. Die Rechtsfrage, ob der Kläger mit der auf seinen Antrag ausgesprochenen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis sein Amt aus beamtenrechtlichen oder aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen verloren hat, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Von der Revision ist ihre Klärung zu erwarten.