Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.10.1951, Az.: IV OVG A 82/51
Kündigung eines technischen Angestellten; Anforderungen an die Zustimmung der Kündigung nach Schwerbeschädigtengesetz; Kreisverwaltung als "Betrieb" im Sinne des Schwerbeschädigtengesetz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.10.1951
- Aktenzeichen
- IV OVG A 82/51
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1951, 10198
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1951:1002.IV.OVG.A82.51.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 26.01.1951
Rechtsgrundlagen
- § 15 SchwbG
- § 16 Abs. 2 SchwbG
- § 17 SchwbG
- § 13 SchwbG
Verfahrensgegenstand
Kündigung eines Schwerbeschädigten
Redaktioneller Leitsatz
Der Begriff "Betrieb" im Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes umfaßt alle Betrieb, Geschäft und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechts. Nicht als besondere Betriebe gelten Nebenbetrieb und Bestandteile eines Unternehmens, die durch die Betriebsleitung oder das Arbeitsverfahren miteinander verbunden waren, sofern sie sich innerhalb der gleichen Gemeinde oder wirtschaftlich zusammenhängender, nahe beieinander liegender Gemeinden befinden. Insbesondere wird nur die gesamte Kreisverwaltung, nicht aber das einzelne Amt, als Betrieb im Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes angesehen. Die einzelnen Ämter sind als Abteilungen organisatorisch unselbständig, stehen unter einer einheitlichen Leitung und sind räumlich eng miteinander verbunden.
In der Verwaltungsstreitsache
hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg, IV. Senat,
in seiner Sitzung vom 2. Oktober 1951,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Gross als Vorsitzender,
Oberverwaltungsgerichtsrat Witten als Richter,
Oberverwaltungsgerichtsrat Dr. Sellmann als Richter,
Dipl.Ing. u. Zimmermeister Borchardt als ehrenamtliches Mitglied,
Sekretär Hansen als ehrenamtliches Mitglied,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesverwaltungsgerichts - Zweite Kammer - in Hannover vom 26. Januar 1951 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Tatbestand
I.
Der Beigeladene ... ist Schwerbeschädigter im Sinne des Reichsgesetzes über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (SchwBeschG.) vom 12. Januar 1923 (RGBl. I S. 58). Ihm sind im Winter 1942 beide Vorfüsse erfroren und amputiert worden.
... ist heute 36 Jahre alt und Ostvertriebener. Er hat in der Schule die mittlere Reife erworben. 1936 wurde er Berufssoldat der Luftwaffe und bekleidete zuletzt den Rang eines Oberfeldwebels. Er hat von April 1944 bis März 1945 die Luftwaffenfachschule für Verwaltung in ... besucht und dort die Abschlußprüfung für den mittleren gehobenen Verwaltungsdienst (Inspektorlaufbahn) abgelegt.
Im Februar 1946 wurde der Beigeladene als Kreisingenieur beim Straßenverkehrsamt ... eingestellt und nach der Gruppe TO.A. VIa besoldet. Sein Aufgabengebiet war die Überwachung der damaligen Kreiswerkstätten. Mit Wirkung vom 1. April 1948 übernahm der Kläger ihn als technischen Angestellten in seine Dienste.
Mit der Auflösung der Kreiswerkstätten im August 1948 fiel auch der bisherige Aufgabenbereich des Beigeladenen fort. Der Kläger entschloß sich, ... zu kündigen am beantragte er 23. August 1948 bei der Hauptfürsorgestelle in ..., der Kündigung auf Grund des Schwerbeschädigtengesetzes zuzustimmen, Wulff nur technisch, nicht aber verwaltungsmäßig vorgebildet sei, so daß er anderweitig innerhalb der Kreisverwaltung nicht eingesetzt werden könne. Dem Beigeladenen selbst kündigte der Kläger mit einem Schreiben vom 25. September 1948 "infolge Arbeitsverminderung" und unter Hinweis auf. § 16 TO.A. in Verbindung mit § 27 des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) zum 15. November 1948. ... widersprach der Kündigung.
Die Hauptfürsorgestelle stimmte am 23. Dezember 1948 der Kündigung des Beigeladenen zum 15. November 1948 nachträglich zu. Der Beigeladene erhob hiergegen Beschwerde bei dem Beklagten, wobei er sich gleichzeitig bereit erklärte, gegebenenfalls auch eine Stelle als Verwaltungsangestellter der Gruppe TO.A. VII zu übernehmen. Der Beklagte hob daraufhin mit Erlaß vom 11. Mai 1949 den Entscheid der Hauptfürsorgestelle auf und versagte die Zustimmung zu der Kündigung des Beigeladenen. In den Gründen wurde ausgeführt, ... müsse von dem Kläger zum mindesten in eine Stelle der Verführungsgruppen VII oder VIII TO.A. übernommen werden. Er besitze hierzu zweifellos die erforderliche Eignung, da er, wie der Kläger ihm selbst in einem Zeugnis vom 15. November 1948 bescheinigt habe, die ihm als Kreisingenieur übertragenen Arbeiten zufriedenstellend ausgeführt und bei der Luftwaffenfachschule für Verwaltung die Abschlußprüfung für den mittleren gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst gemacht habe. Stellen seien auch vorhanden gewesen, wie sieh aus mehreren nachträglichen Neueinstellungen des Klägers ergebe. Aber selbst beim Fehlen freier Stellen sei der Kläger verpflichtet, den Beigeladenen in einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Stelle weiterzubeschäftigen, da bei etwa notwendig werdenden Kündigungen erst solche Dienstkräfte zu entlassen seien, die nicht zum Kreise der Schwerbeschädigten gehörten.
Der Kläger hat hiergegen Klage im Verwaltungsstreitverfahren erhoben. Er macht geltend, daß die von dem Beigeladenen bei der Luftwaffenfachschule abgelegte Verwaltungsprüfung für eine Beschäftigung bei einer zivilen Dienststelle nicht anerkannt werden könne. Wulff habe sich die für eine solche Tätigkeit notwendigen Kenntnisse auch nicht während seiner Beschäftigung als Kreisingenieur erworben, da die dort von ihm ausgeführten Büroarbeiten nur einfacher, schematischer Art gewesen seien. Vor allem habe der Beigeladene nicht eine der nach seiner Kündigung neu besetzten Stellen ausfüllen können, da hierfür besonders qualifizierte Kräfte notwendig gewesen seien. Im übrigen widerspreche es der gebotenen Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung, Kräfte weiterzuverwenden, deren bisheriges Aufgabengebiet fortgefallen sei, wie es auch nicht im sinne des zu fordernden guten Funktionierens der Verwaltungstätigkeit liege, wenn unter Prinzipien lediglich aus sozialen Gründen weniger befähigte Kräfte gehalten würden. Hinzu komme, daß die Zahl der Schwerbeschädigten in der Kreisverwaltung seit jeher den Mindestsatz von 2 % weit überschreite. Schließlich beruft sich der Kläger noch auf § 15 des SchwBeschG. Hiernach habe der Beklagte die Zustimmung nicht versagen dürfen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien auch erfüllt, da die Stelle des Beigeladenen sei, die Zahl der in dem beschränkten Betriebe verbleibenden Schwerbeschädigten den gesetzlichen Mindestsatz von 5 % der darin Weiterbeschäftigten betrage und die von dem Gesetz geforderte Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten durch § 27 des Umstellungsgesetzes entsprechend herabgesetzt worden sei.
Demgemäß hat der Kläger beantragt,
- 1.
die Entscheidung des Beklagten vom 11. Mai 1949 aufzuheben,
- 2.
seinem, des Klägers, Antrage auf Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen gemäß § 13 des Schwerbeschädigtengesetzes zu entsprechen.
Der Beklagte und der Beigeladene haben gebeten, ... die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verbleibt bei seiner in dem Erlaß vom 11. Mai 1949 niedergelegten Auffassung, daß der Beigeladene von dem Kläger auch in einer Stelle der Gruppen TO.A. VII oder VIII beschäftigt werden könne und den dort zu stellenden Anforderungen genügen würde. Hierbei bezieht sich der Beklagte noch auf eine Auskunft des Regierungspräsidenten in ... vom 7. Juni 1950, aus der sieh ergebe, daß die Tätigkeit des Beigeladenen als Kreisingenieur nicht nur technischer, sondern auch weitgehend verwaltungsmäßiger Art gewesen sei. Auch der Regierungspräsident habe bestätigt, daß Wulff die ihm gestellten Aufgaben zur Tollen Zufriedenheit erledigt habe. Die Voraussetzungen des § 15 SchwBeschG. hält der Beklagte nicht für gegeben.
Der Beigeladene hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen und sich auch mit einer Wiederbeschäftigung nach der Gruppe TO.A. VIII einverstanden erklärt.
Der Kläger hat zu § 15 SchwBeschG. noch darauf hingewiesen, daß nach der Währungsreform in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1948 infolge der weitgehenden Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung in den verschiedenen Verwaltungsstellen des Kreises insgesamt 24 Angestellte hätten entlassen werden müssen. Es sei dies ein Sechstel aller damals beschäftigten Angestellten gewesen. Die Verwaltung sei also - und zwar nicht nur vorübergehend, wie es das Gesetz fordere - wesentlich eingeschränkt worden. Dabei müsse gemäß § 16 Abs. 2 SchwBeschG. von den einzelnen Abteilungen der Kreisverwaltung ausgegangen werden.
Das Landesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. Januar 1951 die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, daß § 15 SchwBeschG. auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Der Kläger habe weder die in dieser Anschrift vorgesehene dreimonatige Frist zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem das Gehalt weitergezahlt worden müsse, gewahrt, da § 27 des Umstellungsgesetzes hier nicht Platz greife, noch könne bei dem gegebenen Sachverhalt davon ausgegangen werden, daß der "Betrieb" des Klägers, wie es das Gesetz in diesem Fall verlange, aufgelöst oder nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt worden sei. Insbesondere sei es nicht möglich, etwa das Straßenverkehrsamt innerhalb der Kreisverwaltung als eine selbständige Betriebsabteilung im Sinne des § 16 Abs. 2 SchwBeschG. anzusehen. Im übrigen bestehe dieses Amt noch heute, und nur sein technischer Aufgabenbereich sei fortgefallen. Über den Antrag des Klägers auf Genehmigung zur Kündigung des Beigeladenen habe deshalb allein nach § 13 SchwBeschG. entschieden werden können, wobei es in dem freien Ermessen des Beklagten gelegen habe, ob er seine Zustimmung habe erteilen oder versagen wollen. Ein fehlerhafter Gebrauch dieses Ermessens sei bei dem gegebenen Sachverhalt jedoch nicht festzustellen, zumal der Beklagte auch nicht verlangt habe, daß der Beigeladene in einer Stelle der Verführungsgruppe VIa TO.A. weiterbeschäftigt werden müsse.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrage,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantragen erster Instanz zu entscheiden, Ziffer 2 jedoch dahin abgeändert, daß statt "gemäß § 13" "gemäß § 15 hilfsweise: gemäß § 13" zu setzen sei.
Der Beklagte und der Beigeladene bitten,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer Anträge wiederholen die Beteiligten im wesentlichen ihr Vorbringen erster Instanz.
Um der in § 15 SchwBeschG. geforderten mindestens dreimonatigen Kündigungsfrist zu genügen, hat sich der Kläger bereit, dem Beigeladenen über den 15. November 1948 hinaus für weitere 6 Wochen das Gehalt zu zahlen. Ergänzend macht er noch geltend, schon bei der Anstellung des Beigeladenen als Kreisingenieur sei man sich darüber klar gewesen, daß das Beschäftigungsverhältnis nur zeitbedingt gewesen sei und mit dem Eintritt normaler wirtschaftlicher Verhältnisse enden würde. Außerdem stehe zu befürchten, daß bei einer Weiter- oder. Wiederbeschäftigung des Klägers andere Angestellte der Kreisverwaltung sich hierdurch zurückgesetzt fühlen würden und so der Arbeitsfrieden gestört werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf alle Schriftsätze der Beteiligten aus beiden Rechtszügen mit sämtlichen Anlagen und den ihnen beigefügten Unterlagen und auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Außerdem waren die von dem Kläger geführten Personalakten des Beigeladenen sowie die Vorgänge der Hauptfürsorgestelle und des Beklagten Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf einen Inhalt wird ebenfalls versucht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung ist zulässig sowie in rechter Form und Frist eingelegt worden. Sachlich kann sie jedoch keinen Erfolg haben.
Es ist dem Landesverwaltungsgericht darin beizutreten, daß § 15 SchwBeschG. auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden kann, dies scheitert schon daran, daß der "Betrieb" des Klägers weder aufgelöst ist noch wesentlich eingeschränkt
Bei der Frage, was als "Betrieb" im Sinne des § 15 SchwBeschG. anzusehen ist, muß darauf zurückgegangen werden, was im Arbeitsrecht hierunter verstanden wird (vgl. Richter, Korn. z. SchwBeschG., 1927, § 12 Anm. 1). Hier wurde der Begriff "Betrieb" gesetzlich zum ersten Male in § 9 des Betriebsrätegesetzes vom 9. Februar 1920 festgelegt. Danach umfaßte er alle "Betriebe, Geschäfte und Verwaltungen des öffentlichen und privaten Rechts". Nicht als besondere Betriebe sollten gelten Nebenbetriebe und Bestandteile eines Unternehmens, die durch die Betriebsleitung oder das Arbeitsverfahren miteinander verbunden waren, sofern sie sich innerhalb der gleichen Gemeinde oder wirtschaftlich zusammenhängender, nahe beieinander liegender Gemeinden befanden. In ähnlicher Form bestimmte § 4 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, daß als Betriebe auch Verwaltungen galten und Nebenbetriebe Betriebsbestandteile, die mit dem Hauptbetrieb durch eine gemeinsame Leitung verbunden waren, nur dann als selbständige Betriebe anzusprechen waren, wenn sie räumlich weit von dem Hauptbetrieb getrennt waren. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 (Betriebsrätegesetz) vom 10. April 1946 (Amtsbl. d. KontrR. 1946 Nr. 6 S. 133) hat den Begriff des Betriebes nicht näher umschrieben. Dagegen finden sieh Begriffsbestimmungen in den Betriebsrätegesetzen für die Länder Hessen (§ 5 des Gesetzes vom 31. Mai 1948, GVBl. S. 117), Schleswig-Holstein (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 3. Mai 1950, GVBl. S. 169) und Bayern (§ 6 des Gesetzes vom 25. Oktober 1950, GVBl. S. 227). Alle diese gesetzlichen Formulierungen ergeben, wie auch die Wissenschaft und die Rechtsprechung allgemein anerkennen (vgl. hierzu Maus, Das Arbeitsverhältnis, 1948, S. 116 ff. und Urteil des LAG. Kiel vom 24. November 1949, abgedr. im Betriebsberater 1950, S. 369), daß der behördlicher Verwaltung dann von einem "Betrieb" gesprochen werden kann, wenn eine auf eine gewisse Dauer eingerichtete organisatorische Vereinigung von Arbeitskräften und Betriebsmitteln zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben oder eines bestimmten Kreises sachlich zusammengehöriger öffentlicher Aufgaben gegeben ist. Dabei ist die Frage, ob und wieweit eine Behörde als selbständiger Betrieb oder nur als Betriebsbestandteil zu gelten hat, danach zu beantworten, ob und wieweit sie unter einer besonderen Leitung steht und im Rahmen der Behördenorganisation räumlich und sachlich als eine gesonderte Einheit angesehen und behandelt wird.
Es bedarf keiner näheren Ausführungen, daß bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte im vorliegenden Fall nur die gesamte Kreisverwaltung, nicht aber das einzelne Amt (Ernährungsamt, Wirtschaftsamt, Straßenverkehrsamt usw.) als "Betrieb" im Sinne des Gesetzes angesprochen werden kann. Die einzelnen Ämter sind als Abteilungen organisatorisch unselbständig. Im übrigen aber stehen sie unter einer einheitlichen Leitung und sind räumlich eng miteinander verbunden. Nur die Kreisverwaltung als solche hat auch deshalb, wie der Vertreter des Klägers auf Befragen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, einen Betriebsrat, nicht aber die einzelne Abteilung etwa noch einen besonderen Betriebsobmann. Schon dieser Umstand weist eindeutig darauf hin, daß auch der Kläger selbst lediglich in der Kreisverwaltung als Ganzem einen "Betrieb" sieht.
Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann die Frage, ob der "Betrieb" des Klägers aufgelöst oder nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt worden ... allein im Hinblick auf die gesamte Kreisverwaltung beurteilt werden. Eine "Auflösung" scheidet danach von vornherein aus. Aber auch eine wesentliche Einschränkung ist nicht erfolgt. Die Zahlen, die der Kläger im Verlaufe des Rechtsstreits über den Bestand an Beschäftigten innerhalb der Kreisverwaltung genannt hat, schwanken. Mag man nun davon ausgehen, daß in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1948 ein Sechstel der Angestellten hat entlassen werden müssen, oder unterstellt man, daß im Januar 1951 nur noch 165 Personen gegenüber 180 im Juli 1948 beschäftigt gewesen sind, so kann in keinem dieser fälle von einer "wesentlichen" Betriebseinschränkung gesprochen werden. Dabei kann es offen bleiben, ob darüber hinaus die Einschränkungen in der zweiten Jahreshälfte 1948 nicht nur "vorübergehender" Natur gewesen sind. Hieran ändert es auch nichts, wenn der Kläger in seiner Berufungsbegründungsschrift ausführt, daß am 1. Juli 1948 in den vier Ämtern für Ernährung, Wirtschaft, Straßenverkehr und Baulenkung insgesamt 52 Angestellte, am 31. Dezember 1949 dagegen nur noch 21 beschäftigt gewesen seien. Den vorstehend entwickelten Grundsätzen entsprechend ist es verfehlt, nur vier einzelne Ämter der Kreisverwaltung herauszugreifen, mögen diese auch von dem durch die Währungsreform bedingten Fortfall einzelner Aufgabengebiete besonders betroffen worden sein. Von der Notwendigkeit, daß sich nur die Kreisverwaltung in ihrer Gesamtheit als Betrieb ansehen läßt, kann deshalb nicht abgegangen werden.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf § 16 Abs. 2 SchwBeschG. berufen, der selbständige Betriebsabteilungen den Betrieben gleichstellt. Diese Vorschrift bezieht sich, wie ihre Stellung im Rahmen des § 16. a.a.O. zeigt, nur auf die dort behandelten Betriebe privater Arbeitgeber. Sie auf den § 15. SchwBeschG. entsprechend anzuwenden, geht nicht an, da sie hier entbehrlich ist und insoweit durch die Vorschrift des § 15 Abs. 3 a.a.O. ersetzt wird (Richter, a.a.O., §§ 15/16, Anm. 3). Im übrigen musste sich der Kläger in diesem Falle entgegenhalten lassen, dass gerade das Straßenverkehrsamt, bei dem der Beigeladene zuletzt beschäftigt worden ist, heute sogar mit 6 gegenüber früher nur 5 Angestellten besetzt ist. Dass die Verkehrsabteilung jetzt auch noch Angelegenheiten der inzwischen aufgelösten Fahrbereitschaft zu bearbeiten hat, ist in diesem Zusammenhänge unerheblich. Das Straßenverkehrsamt, das der Kläger als selbständige Betriebsabteilung behandelt wissen will, ist jedenfalls in seinem alten Bestände erhalten geblieben. Es könnte höchstens die Fahrbereitschaft als ein aufgelöster "Betrieb" betrachtet werden. Hiervon würde aber der Beigeladene, da er ihr nicht angehört hat, nicht berührt werden. Daß einzelne Stellen, wie die des Kreis-Ingenieurs der eines technischen Angestellten, nicht als "Betrieb" oder "Betriebsabteilung" aufgefaßt werden können, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.
Scheidet hiernach § 15 SchwBeschG. als Klagegrundlage für den Kläger aus, so kann er noch weniger mit dem neu in der Berufungsinstanz vorgetragenen Einwand durchdringen, der Beigeladene habe von vornherein gewußt, daß sein Beschäftigungsverhältnis nur zeitbedingt gewesen sei, und seine Anstellung sei wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage von selbst hinfällig geworden. Ihm. steht vor allem § 17 SchwBeschG. entgegen. Er bestimmt für eine bloss vorübergehende Einstellung eines Schwerbeschädigten, dass diese ausdrücklich vereinbart werden muss, wenn ein derartiges Arbeitsverhältnis später wieder ohne eine Beteiligung der Hauptfürsorgestelle lösbar sein soll. Dabei genügt es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht, dass sich die nur zeitweilige Art der Beschäftigung aus den Umständen er Einstellung ergibt (Richter, a.a.O., § 17 Anm. 3). Auch der im Zivilrecht entwickelte Begriff der "Geschäftsgrundlage" nicht im übrigen gibt der Kläger selbst zu, dass der Beigeladene sich mit einer nur vorübergehenden Einstellung nicht einverstanden erklärt haben würde, seine nur zeitweilige Beschäftigung also gerade nicht dem beiderseitigen Willen der Parteien entsprochen haben und daher auch nicht zur "Geschäftsgrundlage" des Anstellungsvertrages gemacht worden sein kann.
Nach alledem bleibt nur noch offen, ob der Kläger eine Zustimmung zu der Kündigung des Beigeladenen gemäss § 13 SchwbeschG. verlangen kann. Ausschlaggebend ist dabei, dass der Beklagte im Rahmen dieser Vorschrift bei der Entscheidung, ob er der Kündigung des Beigeladenen zustimmen wollte oder nicht, allein an sein freies, pflichtmässiges Ermessen gebunden gewesen ist. Eine richterliche Nachprüfung ist deshalb hier nur insoweit möglich, ob der Beklagte dabei die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von ihm in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23 Abs. 3 MRVO Nr. 165). Dies wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn von dem Kläger etwas wirtschaftlich völlig Unvernünftiges verlangt würde und eine weitere Beschäftigung des Beigeladenen für ihn nicht mehr zumutbar erschiene (vgl. OVG. Lüneburg vom 24. April und 12. September 1950 - II OVG A 71, 80 und 216/50 -). Hiervon kann aber nach dem festgestellten Sachverhalt nicht die Rede sein. Der Kläger hat seine Behauptung, der Beigeladene erscheine für eine Stelle der Gruppen VII oder VIII TO.A. mit lediglich verwaltungsmässiger Tätigkeit völlig ungeeignet, in keiner Weise Anlagen können. Es sprechen vielmehr alle Umstände dafür, dass er auch an einem solchen Arbeitsplatz den gleichen Anforderungen genügen wird. Dabei kann es sogar dahingestellt bleiben, ob und wieweit der Beigeladene bereits in seiner bisherigen Stellung als Kreis-Ingenieur und technischer Angestellter rein verwaltungsmässige Aufgaben hat erfüllen müssen. Die Tatsache allein, dass er in der Schule die mittlere Reife erlangt hat, fast ein Jahr lang eine Luftwaffenfachschule für Verwaltung besucht und dort die - keineswegs völlig wertlose Abschlussprüfung für den mittleren gehobenen Verwaltungsdienst abgelegt und schliesslich mehr als 2 Jahre lang rund 40 grössere Kreiswerkstätten mit über 400 Beschäftigten zur vollen Zufriedenheit aller Stellen vorwiegend selbständig betreut hat, müssen ihn fähig erscheinen lassen, einen Posten der Besoldungsgruppen VII oder VIII TO.A. mit nur verwaltungsmässigen Obliegenheiten auszufüllen. Bestätigt wird dies dadurch, dass auch die bei den Personalakten des Beigeladenen befindlichen Schriftstücke von ihm (Lebenslauf usw.) schon in ihrer äusseren Form eine durchaus gewandte und mit behördlicher Verwaltungstätigkeit nicht unvertraute Persönlichkeit erkennen lassen. Der Senat ist deshalb auch überzeugt, dass sich der Beigeladene ihm etwa in dieser Hinsicht noch fehlende besondere Kenntnisse nach entsprechender Einarbeitung bald aneignen würde. Darüber hinaus von dem Beigeladenen zu verlangen, er müsse für eine Stelle der Gruppe VII oder VIII TO.A. besonders qualifiziert sein, ist verfehlt. Der Kläger verkennt den Sinn und Zweck des Schwerbeschädigtengesetzes, wenn er glaubt, eine derartige Anforderung stellen zu können. Es müsste dem Kläger sogar, dem Schutzgedanken des Schwerbeschädigtengesetzes entsprechend, zugemutet werden, unter Umständen auch einmal einen Schwerbeschädigten "durchzuschleppen", falls seine Leistungen nicht ganz den allgemeinen Durchschnitt erreichen. Damit soll jedoch keineswegs gesagt werden, dass dies auch bei dem Beigeladenen der Fall ist. Ebenso entspricht es dem Sinne des Schwerbeschädigtengesetzes, dass es nicht darauf ankommen kann, ob der Kläger sowieso schon eine über das gesetzlich vorgeschriebene Mass hinausgehende Zahl von Schwerbeschädigten in seiner Verwaltung angestellt hat. Der Schutz des Schwerbeschädigtengesetzes trifft grundsätzlich alle Schwerbeschädigten in einem Betriebe, selbst wenn die durch das Gesetz auferlegte Pflichtzahl überschritten wird (Richter a.a.O., § 13 Anm. 1). Dem Kläger kann nicht zugegeben werden, dass dieses Pflichtmass mit 18 von 182 am Tage der Kündigung des Beigeladenen oder 14 Schwerbeschädigten von 148 Angestellten nach dem Stände vom 1. Juni 1949 über Gebühr erfüllt und die Weiterbeschäftigung des Beigeladenen für den Kläger allein deshalb nicht mehr tragbar wäre.
Das bei einer weiteren in der Verwaltung des Klägers wie dieses meint, diese in dem von ihr zu fordernden "guten Funktionieren" gestört würde, Der Senat kann dann, was in der der Kläger vorträgt, nicht zu folgen. Vor allem kann dem Beigeladenen nicht entgegengehalten werden, seine Rückkehr in die Verwaltung des Klägers würde dort den Arbeitsfrieden gefährden. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass man dem Beigeladenen hiermit überhaupt die Möglichkeit abschneiden würde, die ihm zustehenden Rechte geltend zu machen. Der Kläger hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn die Auswahl eines geeigneten Arbeitsplatzes für den Beigeladenen heute vielleicht gewisse Schwierigkeiten bereitet und notfalls die Entlassung eines anderen Angestellten erfordert. Auf keinen Fall kann aber der Beigeladene darunter leiden, dass der Kläger ihn in Verkennung der ihm gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht nicht weiterbeschäftigt und - statt sich darum zu bemühen, zunächst für ihn eine andere geeignete Arbeitsstätte zu schaffen, nachträglich andere Kräfte neu eingestellt hat. Es entspricht dies zwar nicht der für die öffentliche Verwaltung gebotenen Sparsamkeit; verantwortlich hierfür ist jedoch nur der Kläger.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Kosten entscheidet § 98 Abs. 2 MRVO.
Nr. 165.